John Sinclair 2199 - Marc Freund - E-Book

John Sinclair 2199 E-Book

Marc Freund

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Beschreibung

Zum Schluss war er nur noch gerannt. Nahezu blind, immer geradeaus. Es gab nur diese eine Chance für ihn. Wenn er sie nicht nutzte, war ohnehin alles vorbei.
Dann, die letzten Barrieren. Fast kam es ihm wie ein Wunder vor, dass niemand dort war, um ihn aufzuhalten. Vor seinen Augen flirrte und flimmerte die Luft. Hinter ihm ertönte mit einem Mal ein Geräusch.
Die Häscher nahten!
Ichtacas Füße kamen zum Stehen. Gerade noch rechtzeitig, um nicht in die tiefe Spalte zu stürzen, die im Zickzack durch den ausgetrockneten Boden verlief. Ein fauchender Laut in seinem Rücken, etwas loderte heiß und züngelnd auf. Der Flüchtende setzte alles auf eine Karte ... und sprang!


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Seitenzahl: 150

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Gejagte der Hölle

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Timo Wuerz

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9981-3

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Gejagte der Hölle

von Marc Freund

Teil 1 von 2

Zum Schluss war er nur noch gerannt. Nahezu blind, immer geradeaus. Es gab nur diese eine Chance für ihn. Wenn er sie nicht nutzte, war ohnehin alles vorbei. Dann, die letzten Barrieren. Fast kam es ihm wie ein Wunder vor, dass niemand dort war, um ihn aufzuhalten.

Vor seinen Augen flirrte und flimmerte die Luft. Hinter ihm ertönte mit einem Mal ein Geräusch.

Die Häscher nahten!

Ichtacas Füße kamen zum Stehen. Gerade noch rechtzeitig, um nicht in die tiefe Spalte zu stürzen, die im Zickzack durch den ausgetrockneten Boden verlief.

Ein fauchender Laut in seinem Rücken, etwas loderte heiß und züngelnd auf. Der Flüchtende setzte alles auf eine Karte … und sprang!

1750 n. Chr., irgendwo am Rande der Sonora-Wüste

Er schirmte seine Augen mit der rechten Hand vor der sengenden Sonne ab. Das schmutzige Hemd klebte ihm in blutigen Fetzen am Körper. Die Haut darunter war aufgerissen, dort, wo ihn die mörderische Peitsche getroffen hatte, deren Riemen sich tief in sein Fleisch gefressen hatten.

Ichtaca stolperte weiter. Er spürte, wie seine Kräfte ihn verließen. Sie wichen deutlich schneller aus seinem Körper, als er sich selbst einzugestehen wagte. Jetzt, da er wieder ein normaler Mensch war …

Als solcher spürte er den Schmerz. Aber er hielt ihn auch am Leben. Er mahnte ihn, weiterzugehen. Immer weiter, bis er in Sicherheit war.

Sicherheit. Gab es die überhaupt? Was, wenn alles umsonst gewesen war?

Ichtaca schob diese Gedanken beiseite. Seine Zungenspitze versuchte vergeblich, seine aufgesprungenen Lippen zu befeuchten.

Der Sand war heiß, und er trug keine Schuhe. Wo er herkam, hatte er keine gebraucht. Jetzt hingegen hätte er einiges dafür gegeben. Schweiß rann ihm von der Stirn in die Augen. Für eine Sekunde wirkte die Welt wie ein geborstener Spiegel. Ichtaca blinzelte das Trugbild weg. Er presste seinen linken Arm gegen seine Brust. Unter dem Hemdfetzen, der wie eine zweite Haut auf seiner Brust klebte, hielt er festgeklammert, was er geschaffen hatte. Etwas Halbkreisförmiges lugte daraus hervor. Die Sonne spiegelte sich gleißend hell darin.

Ichtaca stapfte weiter durch den Sand, in den er oft bis über die Fußknöchel hinweg einsank. Das Gehen wurde beschwerlich. Bisher hatten seine Beine funktioniert, doch nun bekam der Flüchtende das Gefühl, er müsse jeden weiteren Schritt durch die Anstrengung seines Willens erzwingen.

Wohin führte ihn sein Weg? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass jeder Ort besser war als der, vor dem er geflohen war. Aber stimmte das wirklich? In Anbetracht der Gluthölle, durch die er sich immer schleppender bewegte, kamen ihm plötzlich Zweifel.

Etwa eine Stunde später, nachdem er mit letzter Kraft den Kamm einer Sanddüne überwunden hatte, brach er in den Knien ein. Ichtaca verlor den Halt, überschlug sich und rutschte kopfüber den sandigen Hang hinunter. Nahezu reglos blieb er liegen, unfähig, sich zu rühren.

Noch einmal blinzelte er in die gnadenlose Sonne, die in seinen Augen wie feurige Glut brannte.

Sah so sein Ende aus?

Die Luft war erfüllt von einem Wispern. Als ob tausende von Stimmen in weiter Ferne durcheinanderflüsterten. Dabei war rings herum nichts zu sehen, was dieses Geräusch hätte verursachen können.

Vor Ty Frazier lag ein Geröllfeld, über das ein leichter Wind strich. Es wirkte auf ihn wie ein Schlachtfeld, das in einem fernen Zeitalter einmal eine wichtige Rolle gespielt haben mochte. Die teils faustgroßen Steine erinnerten an abgetrennte Schädel und andere Knochenreste. Über den von schlierigem Licht durchzogenen Himmel jagten dunkle Wolken, in denen es hin und wieder knisterte, so als könne sich daraus jeden Augenblick eine vernichtende Kraft entladen.

Der Halbdämon setzte seinen Weg fort, der ihn auf eine Art Gebäude zu führte, das in seiner Bauart an einen Tempel erinnerte. Er war aus meterhohen, pechschwarzen Gesteinsplatten errichtet, der Eingang wurde von zwei ebensolchen Säulen flankiert.

Frazier hielt darauf zu und war wenig überrascht, als sich ihm zwei dunkle Gestalten entgegenstellten.

Er nahm die drei Stufen, die auf eine steinerne Plattform führten.

Unter den kuttenartigen Kapuzen der beiden Wachtposten starrten ihn gelbe Reptilienaugen an.

Der Halbdämon blieb stehen.

»Ty Frazier«, grollte es aus einer der dunklen Kapuzen heraus. »Diener Luzifers.«

Frazier reckte sein Kinn vor. »Das ist vorbei! Ich bin ein Geächteter der Hölle. Und ich denke, dass ihr das sehr genau wisst!«

Der rechte Kuttenträger erwiderte nichts darauf. Das Leder seines Handschuhs knirschte lediglich, als er die Lanze fester packte. Unter der Kapuze glaube Frazier, die flinke Bewegung einer echsenartigen Zunge zu erkennen.

»Du darfst passieren«, erklärte die linke der beiden Gestalten. »Du wirst bereits erwartet.«

Für einen Moment ließ Frazier seinen Blick auf dem rechten Wachmann ruhen, dann trat er mit einem entschlossenen Schritt durch die beiden Echsendämonen hindurch.

Er drehte sich nicht noch einmal zu ihnen um, als er auf die überdimensional groß wirkende Tür zutrat, die den Zugang zum schwarzen Tempel bildete.

Wenn die beiden den Auftrag hatten, ihn auf der Stelle niederzustrecken, wäre dies die beste Gelegenheit dafür, dachte Frazier. Fast erwartete er, den bohrenden Schmerz einer geschleuderten Lanze in seinem Rücken zu spüren.

Nichts dergleichen geschah. Er streckte die Hand nach dem klobigen Türknauf aus, der aus blankgescheuerten Knochen bestand.

Frazier trat über die Schwelle. Seine Augen glühten in der Dunkelheit auf. Er wartete einen Augenblick ab. Währenddessen schlug die Tür hinter ihm zu.

Der Laut hallte wellenförmig durch den großen Saal und wurde von den hohen Wänden wieder zurückgeworfen.

Der Raum verfügte kurz unterhalb der Decke über schlitzartige Öffnungen, durch die eine Ahnung von Licht drang. Frazier erkannte dahinter das Grau des Himmels, das hin und wieder von einem Blitz durchbrochen wurde.

Der Halbdämon hielt auf einen steinernen Tisch zu, der mit allerlei seltsamen Verzierungen versehen war und auf seine Art eher an einen Altar erinnerte.

Rings um den wuchtigen Mittelpunkt des Saals befand sich eine Anzahl von steinernen Stühlen, die unverrückbar waren. Sie alle waren leer.

Ein Konferenzsaal, dachte Frazier, während er mit der Hand über eine der Lehnen strich. Sie fühlte sich seltsam an, fast pulsierend, so als besäße der Stuhl ein Eigenleben. Nun, das war durchaus denkbar, wenn man berücksichtigte, in wessen Reich sich Frazier gerade befand.

Dennoch verspürte er keine Angst. Wenn er überhaupt noch zu einer menschlichen Regung fähig war, dann überwog in diesem Augenblick eine Art Ehrfurcht vor ihrem Gastgeber.

Frazier wusste, dass noch andere erscheinen würden. Dennoch war er überrascht, als er aus dem Augenwinkel heraus eine Bewegung wahrnahm. Sie erfolgte blitzschnell.

Zwei lederartige Fledermausschwingen breiteten sich über ihm aus, als wollten sie ihn in eine tödliche Umarmung zwingen.

Dazwischen tauchte ein hässlicher, violetter Schädel auf, aus dessen Oberkiefer zwei spitze Zähne ragten.

Aulak.

Frazier war dabei gewesen, als Delray Doom den mächtigen Vampir und die Dämonin Agash aus ihrem Gefängnis auf North Brother Island befreit hatte.

»Sieh an, dich hat man also auch gerufen«, drang es aus Aulaks Mund. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Jedem Menschen hätte dieses Geräusch einen eisigen Schauer über den Rücken gejagt.

Frazier hingegen blieb gelassen und sah zu dem Vampir hinauf, der ihn um mehr als einen Kopf überragte.

»Ich hoffe, du hast kein Problem damit.«

Zwei hellblaue Augen starrten auf Frazier herab. Sie wirkten wie zwei Murmeln aus Eis.

»Ich frage mich, wie es um die Macht unseres Gastgebers bestellt ist, wenn er sich Hilfe von einem Menschen erhofft!«

Jede einzelne Silbe des Vampirs drückte Verachtung für sein Gegenüber aus.

Wie um die Worte des anderen Lügen zu strafen, begann es in Fraziers Augen intensiver zu lodern, als hätte jemand in den Glutherd eines Feuers geblasen.

Die beiden Wesen lieferten sich ein stummes Blickduell.

Eis traf auf Feuer und Feuer auf Eis.

Frazier wandte sich ab und schritt betont langsam die Stuhlreihe entlang. »Ich finde, du solltest dich mir gegenüber etwas dankbarer zeigen. Immerhin habe ich Doom geholfen, dich zu erwecken.«

Dieses Mal kam der Angriff tatsächlich unvermittelt und mit einer Härte, die selbst Frazier überraschte. Er spürte, wie sich scharfe Krallen in seine Schultern bohrten. Von der Wucht des Aufpralls wurde er auf den Boden geschleudert. Bäuchlings blieb er liegen, während auf seinem Rücken ein furchtbares Gewicht lastete.

Ein Flüstern hinter seinem rechten Ohr. »Ich schulde niemandem Dank! Am allerwenigsten dir, du erbärmlicher Wurm!«

»Nachdem das geklärt wäre, könntest du Frazier wieder aufstehen lassen«, ertönte mit einem Mal eine Stimme hinter ihnen.

Aulak fuhr mit einem Fauchen herum und flatterte dabei mit seinen Schwingen.

Ty Frazier erhob sich weit umständlicher, blickte an sich hinunter und klopfte sich den Staub aus seinem teuren Anzug.

Als er den Kopf hob, erblickte er Delray Doom, der vor Aulak Aufstellung genommen hatte.

An der Seite des Dämonenfängers befand sich Agash, die sich in der Gestalt ihrer letzten menschlichen Wirtin zeigte. Frazier hatte sie auf North Brother Island als Mary Mallon kennengelernt, allerdings war dieser Name inzwischen bedeutungslos geworden.

Frazier beobachtete, wie der Vampir langsam seine Schwingen sinken ließ. Offenbar hatten Dooms Worte etwas in ihm bewirkt.

»Was passiert jetzt?«, wollte Aulak wissen. Sein kleiner Schädel ruckte herum, während die eisigen Augen die Wände und die Decke des Saals nach irgendwelchen Lebenszeichen absuchten. »Wozu hat man uns hierher bestellt?«

Um Dooms Lippen spielte ein dünnes Lächeln. Er hob beschwichtigend seine Hände. »Wir werden es gleich erfahren. Warum nehmen wir nicht zunächst mal die Einladung an und setzen uns?«

Aulak gab einen verächtlichen Laut von sich, ließ es aber zunächst dabei bewenden.

Doom und Agash gingen mit gutem Beispiel voran und nehmen nebeneinander an der linken Tischseite Platz.

Ty Frazier setzte sich Doom gegenüber und tauschte einen kurzen Blick mit ihm.

Du weißt mehr, dachte er und erwiderte das Lächeln des Schlangendämons für einen Augenblick. Fraziers Hand glitt in die linke Brusttasche seines Sakkos und förderte ein silbernes Etui und eine lange, schwarze Zigarettenspitze zutage.

Er steckte einen Glimmstängel an und lehnte sich auf dem unbequemen Stuhl zurück. Als sich Aulak mit einem widerwilligen Laut neben ihm niederließ, beachtete er den Vampir mit keinem Blick. Etwas anderes hatte seine Aufmerksamkeit erregt.

An der Stirnseite der Tempelhalle befand sich ein riesiger Thron, der aus versteinerten Knochen bestand. Er war von dem Altar etwa drei Meter entfernt. Frazier hatte als Erster bemerkt, dass sich zwischen den hohen Armlehnen etwas tat. Eine Art Aktivität war dort entstanden. Aus dem Dunkel kristallisierte sich etwas heraus. Ein gigantischer Schatten beseelte das Innere des Throns. Dabei war er in ständiger Bewegung, schien niemals auf einem Platz zu ruhen.

Frazier wusste, wer sich da die Ehre gab.

Der Spuk war erschienen!

Ichtaca blinzelte. Und als er seine Augen aufschlug, tat er es in der Gewissheit, dass man ihn gefunden und zurückgebracht hatte. Und dass ihm ein Schicksal unmittelbar bevorstand, das so grauenhaft und qualvoll war, dass es sich kein menschliches Hirn ausmalen konnte.

Stattdessen wachte er in einem Raum auf, der angenehm kühl war, obwohl die Sonne durch den halb zugezogenen Vorhang am einzigen Fenster in den Raum flutete.

Der Mann auf der Pritsche versuchte, sich zu bewegen. Es gelang ihm halbwegs. Sein Oberkörper und sein rechter Arm waren nahezu vollständig in Verbände gehüllt, die nach Heilkräutersalbe rochen.

Vorsichtig setzte sich Ichtaca auf. Durch die Fensteröffnung vernahm der das gelegentliche Gackern von Hühnern, die draußen umhertrippelten. Ichtaca hörte das leise tickende Geräusch ihrer pickenden Schnäbel.

Es befand sich in Sicherheit. So schien es zumindest.

An der gegenüberliegenden, weiß getünchten Wand hing ein schlichtes Holzkreuz, das ihm eine Ahnung davon gab, wo er sich befand.

Der Verletzte blinzelte die hellen Punkte weg, die vor seinen Augen tanzten. Dann erhob er sich. Seine Beine zitterten, fühlten sich noch immer kraftlos an. Vorsichtig wagte er sich ein paar Schritte in den Raum hinein.

Als er noch dabei war, zu Kräften zu kommen, öffnete sich die aus einfachen Brettern gezimmerte Tür. Ein junger Mönch in derber, brauner Kutte starrte ihn aus aufgerissenen Augen an. Beinahe hätte er den Tonkrug in seiner Hand fallen gelassen.

»Du bist wach«, sagte der Mönch.

Ichtaca konnte für den Moment nichts anderes tun, als den Mann anzustarren.

Vorsichtig stellte der Mönch den Krug auf dem Boden ab. Seine Mundwinkel zuckten leicht, als er zwei Schritte näher trat.

»Wie fühlst du dich?«

Ichtaca zögerte, wusste nicht, was er auf die Frage antworten sollte.

»Wo bin ich hier?«, presste er stattdessen hervor und erschrak, wie spröde seine Stimme klang.

Der junge Mönch hob beschwichtigend die Hände. »Du bist in einem Kloster des Franziskanerordens. Mein Name ist Antonio Suarez.«

»Hast du mich … gefunden?«

Der Mönch nickte. Er deutete auf die Pritsche. »Du solltest dich besser setzen. Du siehst mir nicht danach aus, als wärst du schon kräftig genug.«

Plötzlich schoss dem Verletzten ein Gedanke durch den Kopf. »Wo ist …«

Weiter kam er nicht, ihm wurde schwindlig. Er begann zu wanken.

Antonio Suarez trat geistesgegenwärtig einen Schritt vor und fing seinen Patienten auf.

Ichtaca fühlte sich von starken Armen gepackt und behutsam zurück zur Pritsche geschleift. Dort ließ er sich mit einem Ächzen nieder.

»Falls du das suchst, was ich denke«, fuhr der junge Mönch vorsichtig fort, »ich habe es dort drüben auf den Stuhl gelegt. In Leinen gewickelt.«

Ichtacas Blick irrte in die angegebene Richtung. Er atmete erleichtert auf, als er das Bündel auf der Sitzfläche des Stuhls erbklickte. Aus dem Stoff lugte ein Teil Metall hervor.

»Danke«, sagte Ichtaca trocken. Sein Blick wanderte sehnsüchtig zu dem Tonkrug, der noch immer in der Nähe am Boden stand.

Suarez, wach und aufmerksam, holte das Gefäß zur Pritsche und griff nach einem Trinkbecher, den er mit Wasser füllte. Er hielt ihn Ichtaca hin, der gierig danach griff und in großen Schlucken trank.

»Frisches Wasser aus unserem eigenen Brunnen«, erklärte Suarez.

Der Verletzte leerte den Tonbecher, ohne abzusetzen. Der Mönch füllte das Trinkgefäß sofort nach.

»Wo genau befindet sich das Kloster?«, wollte Ichtaca wissen.

»Am Rande der Sonora-Wüste«, antwortete der Mönch. »Ich werde Abt de Soto Bescheid geben, dass du wach bist. Er wird mit dir sprechen wollen.«

»Ja«, gab Ichtaca zurück. »Ich danke dir … Bruder.«

Antonio Suarez betrachtete den Mann auf der Pritsche für einige Sekunden stumm. Er wartete, bis der Verletzte kraftlos zurück auf die Kissen sank und die Augen schloss. Die Lider flatterten noch einmal kurz, dann war er eingeschlafen.

Suarez wollte sich zum Gehen wenden, doch etwas hielt ihn zurück. Sein Blick wanderte zu dem Stuhl hinüber. Auf das, was unter den Leinen hervorblitzte.

Er hatte es bisher noch nicht zu Gesicht bekommen. Das war allein Abt Juan de Soto vorbehalten gewesen.

Der junge Mönch trat zaghaft einen Schritt näher. Vor dem Stuhl blieb er stehen. Er wartete. Sah zu der Pritsche hinüber. Immer wieder.

Seine Hand zitterte leicht, als er sie schließlich nach dem Bündel ausstreckte. Vorsichtig zog er den Leinenstoff beiseite.

Ein Sonnenstrahl traf das geschmiedete Gebilde darunter und blendete ihn kurz. Suarez blinzelte vor Schmerz. Es war, als hätte sich ihm ein spitzer Stachel in die Augen gebohrt. Er fuhr sich mit der flachen Hand über das Gesicht. Was auch immer es gewesen war, es war vorüber.

Suarez streckte seine Hand erneut nach dem Ding auf dem Stuhl aus. Es musste es in seiner ganzen Pracht bewundern. Er spürte, dass er ansonsten heute nicht in den Schlaf finden würde. Er musste wissen, was es damit auf sich hatte. Er musste …

Ein Geräusch bei der Tür. Sein Kopf ruckte herum.

Auf der Schwelle befand sich ein grauhaariger Mann in einer schwarzen Kutte. Abt de Soto.

Er sah den jungen Mönch mit sorgenvoller Miene an. Dann schüttelte er langsam den Kopf.

Der dunkle Schatten hatte sich auf dem Knochenthron manifestiert. Eine große Gestalt, eingehüllt in einen schwarzen Mantel, der nie ganz zur Ruhe kam.

Die Köpfe der Anwesenden Gäste wandten sich in seine Richtung.

»Ihr seid meinem Befehl gefolgt«, ertönte eine Stimme aus der schwarzen Leere der Kapuze.

Delray Doom war der Erste, der reagierte. Er erhob sich von seinem Platz und deutete eine Verbeugung in Richtung des Throns an. »Das versteht sich von selbst.«

Außerdem hatten wir wohl kaum eine andere Wahl, fügte Ty Frazier in Gedanken hinzu. Seine Arme lagen auf den steinernen Stuhllehnen, während in seiner linken Hand die Zigarette glomm.

Agash wirkte blass und ein wenig nervös. Es war ihr erstes Zusammentreffen mit dem Spuk, dem sie letztlich das Ende ihrer komatösen Kerkerhaft verdankte. Ihre schlanken weißen Hände mit den langen Nägeln lagen auf der Tischplatte und rührten sich nicht. Ihre ganze Aufmerksamkeit war auf ihren Gastgeber gerichtet.

Neben Frazier rührte sich Aulak. Er saß nicht still, sondern bewegte sich hin und her. Aus den Augenwinkeln heraus nahm Frazier das Spiel der Muskeln unter der violetten Haut wahr. Das ganze Unternehmen versprach noch mächtig interessant zu werden.

Die Schattengestalt auf dem Thron streckte eine Hand aus.

Delray Doom sah sich veranlasst, sich wieder zu setzen.

»Ich habe euch kommen lassen, um euch über euren Auftrag zu informieren.«

Irgendwo im Saal war ein leises, scharrendes Geräusch zu hören, so als ob eine steinerne Tür geöffnet oder geschlossen wurde. Doch es war niemand zu sehen, der sich in den Raum hinein gewagt hätte.

»Um es gleich vorweg zu nehmen: Wir gehen einen Pakt ein. Für einige von euch habe ich bereits einen sehr wertvollen Dienst geleistet, indem ich euch habe aufspüren und wiederauferstehen lassen.«

Die Worte des Spuks verhallten im Saal. Niemand sah sich veranlasst, zu antworten. Alles wartete ab. Und der Spuk fuhr fort: »Dafür verlange ich von euch eine Gegenleistung. Erfüllt ihr den Auftrag, werde ich mich euch gegenüber als sehr großzügig erweisen und euch mit Macht ausstatten. Zudem werdet ihr fortan unter meinem Schutz stehen.«

»Schutz«, flüsterte Aulak in verächtlichem Ton. »Bei allem Respekt, aber ich benötige keinen Schutz. Von niemandem.«