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In einer Arena, in der geheime Kämpfe auf Leben und Tod ausgetragen wurden, fand ein brutaler Wettstreit statt. Gordon Malley, ein erfahrener Fighter, stand bereit, um seine Gegner zu besiegen und das Preisgeld einzustreichen. Doch als sich der gegenüberliegende Durchgang öffnete, trat ein Wesen von unvorstellbarer Grausamkeit hervor: ein Werwolf.
Dieser mysteriöse und furchterregende Herausforderer stellte jedoch nur den Anfang dar. Der Veranstalter der Kämpfe, Sir Oliver Pattison, war nicht zufrieden und wollte noch gefährlichere Kreaturen in die Arena bringen.
In einer Welt, in der Sensationslust und Gier nach Blut regierten, musste Malley erkennen, dass er einen verhängnisvollen Fehler begangen hatte. Er war Werkzeug eines mörderischen Plans, der alles mit in den Abgrund reißen sollte.
Leider auch mich, John Sinclair!
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Seitenzahl: 158
Cover
Dein Blut, dein Leben
Briefe aus der Gruft
Vorschau
Impressum
Dein Blut, dein Leben
von Marc Freund
Ein Kampf auf Leben und Tod! Das war es, was man ihm prophezeit hatte. Und Gordon Malley hatte die Einladung angenommen. Angst fühlte er keine, denn er hatte in seinem Leben schon zahlreichen Gefahren getrotzt.
Er spürte die Blicke der vor Sensationslust geifernden Zuschauer auf sich gerichtet. Und er genoss es. Er würde als Sieger aus der Arena gehen und mit einem Lächeln das Preisgeld einstreichen, das auf den Gewinn dieses Kampfes ausgesetzt war.
Doch als sich der gegenüberliegende Durchgang öffnete und Gordon Malley in die kalten gelben Augen seines Gegners blickte, begann er sich zu fragen, ob er nicht einen verhängnisvollen Fehler begangen hatte ...
Malley wischte sich das dunkle Haar aus der von Schweiß verklebten Stirn. Sein Herz raste, er war aufgeregt. Das war er immer, kurz bevor er seinen Gegner zum ersten Mal zu Gesicht bekam.
Die Menge auf der anderen Seite der massiven Gitterstäbe jubelte. Auch einzelne Pfiffe oder Rufe waren zu hören. Irgendwelche Spinner wollten ihn provozieren. Vielleicht hatten sie beim Buchmacher an der Kasse gegen ihn gesetzt.
Malley blendete die Geräusche aus und nahm die Gestalten in den gepolsterten Sitzen im spärlich beleuchteten Zuschauerraum nur als undeutliche Schemen wahr. Ihre Gesichter waren nichts als eine teigige Masse, blasse Flecken im Halbdunkel.
Die runde Fläche vor ihm – die Arena – maß etwa vier Meter im Durchmesser und war mit einer Schicht aus Sägespänen bedeckt. Jeder Quadratmillimeter wurde von dem gleißenden Licht großer Scheinwerfer, die an der hohen Kellerdecke angebracht waren, ausgeleuchtet. Ihnen entging nicht das kleinste Detail. Keine Schweißperle, kein Augenzwinkern, kein Blutstropfen – und erst recht nicht die Angst, sofern sie sich auf seinem Gesicht zeigen sollte.
Was diesen Punkt anging, hatte Malley nie Probleme gehabt. Er hatte sich stets auf seine innere Ruhe verlassen können. Auf die Gewissheit, dass er am Ende als Sieger aus dem blutigen Kampf hervorging. Und blutig war es bis jetzt immer gewesen.
Jetzt allerdings starrte er in das dunkle Viereck auf der anderen Seite. Der Durchlass, der nur für wenige Sekunden geöffnet blieb. Gerade so lange, um seinen heutigen Gegner in die Arena zu lassen.
Es war ein gelbes Leuchten, das er wahrgenommen hatte. Zwei Punkte in der Dunkelheit, eine kurze huschende Bewegung, mehr nicht. Was auch immer es war, es hatte sich nur um einen kurzen Eindruck gehandelt. Im Augenblick war dort vor ihm nichts als Schwärze.
Malley verengte seine Augen zu Schlitzen und blinzelte.
»Ladies and Gentlemen«, ertönte die Stimme des Ansagers, die aus dem Nichts zu kommen schien, obwohl Malley genau wusste, dass ein Mann namens Christopher Steen in einem kleinen Regieraum hinter einem winzigen, gut kaschierten Sichtfenster und vor einem Mikrofon hockte. Von dort aus bediente er auch über ein Pult die Scheinwerfer, die Musik und die sonstigen Effekte.
Steens sonore Stimme schwoll an, bis sie Malleys Kopf ganz auszufüllen schien.
»Arena frei für den heutigen Gegner des Schlächters.«
Malley verzog keine Miene. Das gehörte zu dem Spiel dazu. Der Schlächter –der Name war eine Idee des Hausherrn gewesen. Sir Oliver Pattison war der Meinung gewesen, ihm eine Art Künstlernamen verpassen zu müssen, ein Markenzeichen, das seinen Wiedererkennungswert und vermutlich auch die Wettquoten am Eingang in die Höhe trieb. Malley mochte ihn nicht, weder den Namen noch Pattison.
Ein Kampf noch, dachte er. Ein einziger, höchstens zwei. Dann sollte er so viel Geld verdient haben, um sich irgendwo anders etwas Neues aufzubauen. Vielleicht in den Staaten oder am besten gleich Südamerika.
Malley schob die Gedanken beiseite. Er wusste, dass es gefährlich sein konnte, sich vor dem Kampf bereits als der sichere Sieger zu fühlen.
Breitbeinig stand er da. Die Muskeln seines nackten Oberkörpers glänzten im hellen Licht. Er ließ sie spielen.
Doch die Aufmerksamkeit der etwa dreißig bis vierzig zahlenden Zuschauer im Saal hatte sich inzwischen auf die gegenüberliegende Seite verlagert, hin zu dem noch unbekannten Gegner, um den jedes Mal ein großes Geheimnis gemacht wurde.
Dem Muskelmann hätte es egal sein können. Er war in der Lage, nahezu jeden Gegner mit seinen bloßen Händen zu zerquetschen.
Aber dieses Mal war irgendetwas anders.
Der Blick, dachte er. Dieser kurze Blick, den er ins Dunkel hatte werfen können. Die gelben Augen. Was, um alles in der Welt, hatte Pattison da aufgefahren?
Als sich Steens Stimme erneut über die Lautsprecheranlage meldete, wäre Malley beinahe zusammengezuckt. Vielleicht tat er es sogar ein bisschen, doch in dieser Sekunde achtete niemand auf ihn.
»Heute Abend heißt es wieder: Dein Blut! Dein Leben!«, meldete sich die leicht schnarrende Stimme über die Lautsprecher zurück. »Begrüßen Sie den heutigen Herausforderer: Er ist das erste Mal bei uns. Aber wer weiß? Vielleicht werden wir ihn schon bald wiedersehen. Direkt aus den dunkelsten Wäldern Osteuropas, mitten hinein in unsere Metropole: Emiliaaaaan!«
Zuerst geschah gar nichts. Kein Geräusch war zu hören. Weder in dem dunklen Eingang noch in dem Zuschauerraum, in dem die Menge buchstäblich den Atem anhielt.
Dann ein Rascheln, so als würde sich etwas oder jemand aus einem Lager aus Stroh erheben und langsam näher kommen.
Gordon Malley nahm eine Bewegung wahr, etwas Huschendes, Agiles. In Erwartung dessen, was sich dort regte, verlagerte er langsam sein Gewicht und blieb in angespannter Haltung stehen.
Ein leises Rascheln, eine weitere Bewegung. Etwas näherte sich aus dem Dunkel des Gangs.
Eine Sekunde später brach das Grauen daraus hervor und katapultierte sich mit einem weiten Satz bis in die Mitte der Arena!
Ein Aufschrei ging durch die Menge. Einige der zahlenden Gäste hielt es nicht auf ihren Plätzen, sie waren aufgesprungen, einige von ihnen waren sogar bis an die Absperrung vorgedrungen. Irgendwo auf den vorderen Rängen kreischte eine Frau.
Malley hatte noch immer die Augen zusammengekniffen. Er blinzelte in das helle Licht und glaubte im ersten Augenblick nicht, was ihm seine Sinne anboten.
Was der gegenüberliegende Gang ausgespuckt und in die Kampfarena gerotzt hatte, hielt sich zwar auf zwei Beinen, erinnerte aber kaum noch an ein menschliches Wesen.
Was dort inmitten der Späne kauerte, hatte ein dichtes braunschwarzes Fell, scharfe Klauen und Reißzähne, die aus einer langen Schnauze ragten. Das Wesen war ein Werwolf!
Eine Schweißperle rann an Malleys rechter Schläfe hinunter. Er widerstand dem Impuls, einen oder besser gleich mehrere Schritte zurückzuweichen, bis an den Rand der Arena.
Die allmählich wieder einsetzenden Geräusche, Laute und Rufe des Publikums schienen nur noch wie durch einen Wattefilter an sein Gehör zu dringen. Was er hörte, spürte, war sein eigener Herzschlag. Er füllte ihn ganz aus, von seiner Brust ausgehend bis in die Finger und selbst in die Haarspitzen hinein, gleichmäßig und kraftvoll.
Steen hatte offenbar wieder das Mikrofon geöffnet. Seine Stimme schwoll zu einem dumpfen Geräusch an. Malley hörte nicht, was sie sagte, doch die Worte schienen die Zuschauer in helle Aufregung zu versetzen. Etwas in den zahlreichen Gesichtern veränderte sich. Sie wurden zu Grimassen, seltsam und grauenhaft verzerrt, obszön geöffnete Münder, aus denen Schreie und Rufe laut wurden. Rufe nach Blut, nach Tod und Verderben.
Die Stimme aus den Lautsprechern verstummte. Dafür ertönte kurz darauf ein blechernes Signal. Malley nahm es nur am Rande wahr. Er wusste dennoch, was die Stunde geschlagen hatte.
Der Kampf hatte begonnen.
Die Bestie hockte noch immer in den Sägeabfällen. Sie bildete einen Buckel, unter dem sich eine kraftvolle Muskulatur abzeichnete. Der Wolf war zum Sprung bereit.
Malley wusste, dass das Tier ihn bereits mit seinen gelben Augen fixierte. Ein Tropfen Geifer löste sich aus der Schnauze, zog einen langen silbernen Faden und klatschte in die Späne. Das war das letzte Startsignal.
Noch bevor der Wolf sprang, verlagerte Malley sein Gewicht und tauchte zur Seite weg.
Ein gefährliches Knurren. Etwas Dunkles wischte an ihm vorbei, streifte ihn um ein Haar und krachte mit einem berstenden Laut gegen die massiven Eisenstäbe.
Schreie, Rufe im Publikum. Es war keine Angst herauszuhören, sondern die Faszination an dem, was sich direkt vor den Augen aller abspielte.
Keinen Augenblick fragte sich Malley, woher das Wesen stammte, aus welchem verfluchten Winkel der Erde es entkommen sein mochte, um hierher zu gelangen. Jetzt galt es nur zu überleben. In der Arena waren keine Waffen erlaubt, eine der wenigen Regeln in diesem tabulosen Spiel, das er schon mehrmals erfolgreich hinter sich gebracht hatte, jedes Mal unter dem tosenden Jubel und der an schieren Wahnsinn grenzenden Begeisterung der Zuschauer.
Er wusste, dass er nicht entkommen konnte. Ebenso war es unmöglich, einer Konfrontation mit seinem Gegner auszuweichen. Er musste sich dem Kampf stellen. Und zwar jetzt.
Breitbeinig blieb Gordon Malley stehen, während sich der Wolf schüttelte und wieder aufrichtete. Aufreizend langsam drehte sich die Bestie zu ihm um und funkelte ihn hasserfüllt an. Ein tiefes Knurren drang aus ihrer Kehle.
Der Wolf duckte sich leicht, bewegte sich zwei Schritte in Malleys Richtung und schob dabei eine kleine Welle von Sägespänen vor sich her.
Sein menschlicher Gegner bewegte sich nicht, abgesehen von seinen Händen, die sich zu Fäusten ballten.
Sie starrten einander an. Beide waren sie zu Bestien geworden, die den Drang zu töten in sich trugen.
Der Werwolf stieß sich ab und flog mehr als zwei Meter weit durch die Arena auf sein vermeintliches Opfer zu.
Malley legte seine Fäuste zusammen und hielt sie wie einen Rammbock vor sich. Ein klatschender Laut ertönte, als der Wolf gegen die ausgestreckten Arme seines Gegners prallte. Der bullige Schädel des Tiers wurde mit einem fürchterlichen Ruck nach hinten gerissen. Der Wolf heulte auf und vollführte einen halben Salto, bevor sein Körper schwer auf den Boden schlug.
Sein Gegner zögerte nicht. Er warf sich mit einem Hechtsprung hinterher, noch ehe die Bestie wieder auf die Beine kommen konnte. Malley sprang auf den Rücken seines Gegners, seine Hände griffen in struppiges Fell und rissen es büschelweise heraus.
Der Wolf heulte erneut und versuchte, seinen Peiniger abzuschütteln. Vergeblich.
Malley hielt sich auf dem Rücken der Bestie und begann damit, seine Fäuste wieder und wieder in den Leib des Wolfs zu schlagen.
Der Schädel der Bestie ruckte herum, vollführte eine weite Drehung. Malley jagte seine rechte Faust mitten in die aufgerissene Schnauze hinein. Doch der erhoffte Erfolg blieb aus. Der Wolf steckte den Schlag weg.
Malley zuckte zusammen. Ein knirschendes Geräusch von Knorpeln und Sehnen signalisierte ihm, dass die Bestie zugepackt hatte. Mit etwa zwei Sekunden Verzögerung schoss ein scharfer Schmerz durch seinen rechten Unterarm und zuckte bohrend vor, bis in seinen Schädel hinein. Malley riss seinen Kopf nach hinten und sandte einen gellenden Schrei gegen die graue Betondecke. Verzweifelt versuchte er, sich zu bewegen, seinen Arm freizubekommen. Die Schnauze des Werwolfs hatte sich indessen rot gefärbt. Blut tropfte in beunruhigendem Ausmaß zu Boden.
Ein furchtbarer Ruck folgte, als der Werwolf seinen Kopf bewegte. Malley wurde hin und her geschleudert und landete schließlich bäuchlings in den Spänen.
Der grauenvolle Beißdruck war von seinem Unterarm gewichen, doch der bohrende Schmerz blieb. Malley konnte seinen rechten Unterarm nicht mehr bewegen. Er schrie und spuckte aus. Späne wirbelten vor seinem Gesicht, rieselten wieder herab und bedeckten sein Haar. Als Malley versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, traf ihn ein gewaltiger Schlag in seinem Kreuz. Er wurde nach vorne katapultiert. Gleichzeitig spürte er die Nässe in seinem Rücken. Der Wolf hatte ihm mit seinen scharfen Krallen das Fleisch bis zu den Knochen zerfetzt.
Malley wirbelte auf dem Boden herum. Keine Sekunde zu früh. Sein Gegner verfehlte ihn nur knapp.
Tränen verschleierten Malleys Sicht. Die Umgebung begann zu verschwimmen. Ein tiefes Knurren, der schemenhafte Umriss des Wolfs.
Auf dem Rücken liegend trat Malley blindlings zu. Sein rechter Fuß versenkte sich in die Magengrube des Wolfs. Ein heiserer Laut ertönte, als würde Luft aus einem Blasebalg entweichen.
Es war die letzte Aktion, die Malley ausführen konnte.
Als er versuchte, sich herumzudrehen, war der Wolf wieder heran und sprang mit einem Satz auf seine Brust.
Malleys Kopf wurde nach hinten geworfen und knallte mit voller Wucht auf den Boden. Grelle Blitze tanzten vor seinen Augen, nur durchbrochen von dem vor Blut und Geifer triefenden Maul des Untiers. Er spürte nur noch am Rande das bleierne Gewicht auf seinem Brustkasten, das ihm die Luft zum Atmen nahm.
Johlende Schreie, Pfiffe und hämisches Gelächter benebelten seine Sinne. Das alles brach abrupt ab und machte einer beklemmenden Stille Platz.
Malley, der nicht mehr hinsah, wusste, was das zu bedeuten hatte. Es war die Stille des Todes.
Der Lauf des Gewehrs schob sich durch die Gitterstäbe, noch bevor die letzten Zuschauer den an ein Kino erinnernden Saal verlassen hatten. Ein heller Knall ertönte, fast wie aus einem Kindergewehr.
Der Werwolf, der noch immer auf seinem Opfer hockte, zuckte zusammen und fuhr mit einem wütenden Laut herum. Hasserfüllte Augen starrten in die Richtung des bulligen Mannes, der in diesem Augenblick das Gewehr langsam sinken ließ.
»Ganz ruhig, Brauner«, sagte Jarvis leise.
Die Bestie schnaufte. Mit langsamen, aber noch immer ungemein kraftvollen Bewegungen kroch sie von dem blutverschmierten Mann herunter und auf das Sicherheitsgitter zu. Während sie das tat, veränderte sich etwas in ihrem Blick.
Jarvis hob das Gewehr erneut an. »Wenn du drauf bestehst, verpasse ich dir noch eine Ladung.«
Der Wolf kam heran. Blut tropfte von seiner Schnauze. In den kalten gelben Augen lag ein Ausdruck der grenzenlosen Mordgier. Doch Jarvis glaubte, noch mehr darin zu erkennen. So etwas wie ein düsteres Versprechen: Pass nur auf, dass du nicht der Nächste bist!
Jarvis spürte ein enges, trockenes Gefühl in der Kehle, so als würde sie durch etwas zusammengeschnürt. Er wich zwei Schritte vom Gitter zurück und fasste das Gewehr so fest, dass das Blut aus seinen Fingerknöcheln wich.
Die Bestie starrte ihm entgegen.
Jarvis öffnete seine Lippen, doch kein Laut kam über sie.
Eine Hand legte sich von hinten auf seine Schulter.
»Die Wirkung müsste jede Sekunde einsetzen.«
Jarvis stieß einen halb erstickten, heiseren Laut aus. Er wandte seinen Kopf und erkannte Sir Oliver Pattison. Dessen Gesicht war hochrot und glänzte im hellen Licht. Seine Augen funkelten, blickten jedoch an Jarvis vorbei ins Innere der Arena. Der Wolf war nur noch zwei Schritte vom Gitter entfernt.
»Es ist faszinierend, oder? Absolut faszinierend. Ich meine ... ich hatte eine bestimmte Vorstellung davon, wie es werden würde. Aber DAS hat meine kühnsten Erwartungen noch um Längen übertroffen.«
Jarvis antwortete nicht. Seine Kehle wirkte noch immer, als hätte er einen trockenen Schwamm verschluckt.
»Sehen Sie nur, wie er Sie anstarrt, alter Junge«, erklärte Pattison im Plauderton. »Wenn er könnte, würde er ...«
Ein dunkles Grollen drang aus der Kehle des Wolfs. Er hob eine seiner Pranken, streckte sie in die Richtung der beiden Männer. Dann ging eine zitternde Bewegung durch seinen Körper. Die Bestie kippte ohne Vorwarnung vornüber.
Jarvis stieß einen leisen Schrei aus und betätigte erneut den Abzug des Betäubungsgewehrs.
Der Körper des Wolfs schlug gegen das Gitter und sank langsam daran herab, bis er die Schicht aus Spänen berührte.
Pattison stieß ein hartes Lachen aus und klopfte seinem Butler auf die Schulter. »Sie haben mächtigen Respekt vor ihm, was, alter Junge?« Er warf einen Blick auf das bewusstlose Tier. »Nun, ich kann es Ihnen nicht verübeln. Vor allem, wenn ich an den Blick denke, den er Ihnen zugeworfen hat.«
»Mit Verlaub, Sir. Aber mir schien es, als hätte er etwas fixiert, das sich in dem Augenblick hinter mir befand.« Jarvis zuckte mit den Schultern und stellte das Gewehr beiseite.
Pattison gefror das Lachen in den Mundwinkeln. »Meinen Sie wirklich?«
»Ja, Sir. Allerdings.«
Pattison schien die Worte seines Dieners einen Moment auf sich wirken zu lassen. Dann kehrte seine gute Laune wieder zurück. »Wie ich schon sagte, Jarvis: Die ganze Sache ist über alle Maße faszinierend. Und sie spült Geld in die Kasse. Auch in Ihre, hm?« Ein kameradschaftlicher Klaps auf die Schulter folgte.
»Ja, Sir.«
Der Hausherr warf noch einen Blick auf den Wolf, dessen Brustkorb sich unmerklich hob und senkte. »Schaffen Sie ihn zurück in seinen Raum. Holen Sie Steen zu Hilfe, falls Sie welche benötigen sollten. Ich muss mich jetzt noch um ein paar Gäste kümmern.« Pattison wollte sich bereits abwenden, als ihm noch ein weiterer Gedanke kam. Er deutete auf das blutige Bündel in der Mitte der Arena.
»Machen Sie hinterher gründlich sauber, Jarvis.«
Mit einem verschmitzten Lächeln trat Sir Oliver Pattison durch die breite Flügeltür in die Halle seines Anwesens. Einige der handverlesenen Gäste hatten sich noch um ein paar mit weißen Laken bespannte Stehtische geschart und unterhielten sich angeregt über das soeben miterlebte blutige Spektakel.
Eine dunkelhaarige, attraktive Frau erstrahlte, als sie ihn bemerkte und auf ihn zuhielt.
»Mein lieber Sir Oliver, ich muss schon sagen, Sie haben uns heute ja einen ganz gehörigen Schrecken eingejagt!« Sie machte ein grimmiges Gesicht, das jedoch zu aufgesetzt wirkte, um echt zu sein. Der Ausdruck verflog sofort wieder und machte einem breiten Grinsen Platz.
Eva Vallelonga und ihre erwachsene Tochter Lisa gehörten gewissermaßen zu Pattisons Stammgästen. Ihr Gatte, ein Namensvetter von Sir Oliver, finanzierte ihre Aufenthalte in diesem Haus und bescherte ihnen damit einen nie dagewesenen Nervenkitzel.
»Ich hoffe, es hat Ihnen beiden gefallen«, antwortete der Hausherr. »Und ganz besonders Ihretwegen hoffe ich, dass Sie keine schlaflosen Nächte davontragen werden.« Er lächelte der blonden, langbeinigen Lisa in ihrem Cocktailkleidchen zu, ergriff ihre Hand und deutete einen Kuss darauf an. »Vielleicht hätte ich Sie beide vorwarnen sollen«, fügte er mit einem breiten Grinsen hinzu. »Aber dann wäre es keine so große Überraschung gewesen.«
»Die ist Ihnen wirklich gelungen«, antwortete Lisa und deutete auf ihre nackten Unterarme. »Sehen Sie? Ich habe noch immer Gänsehaut.« Sie schickte ein perlendes Lachen hinterher und nippte an ihrem Champagnerglas.
»Werden wir nun häufiger Zeuginnen dieses Schauspiels werden?«, fragte Eva. Ihr Glas war bereits leer, ihre Finger spielten nervös mit dem langen Stiel.
Pattison verbeugte sich leicht. »Sie wissen doch, meine Liebe: Mein Haus steht Ihnen und Ihrer bezaubernden Tochter immer offen. Und ja, ich beabsichtige, Ihnen auch am kommenden Wochenende wieder ein packendes Schauspiel zu bieten.«
»Wie aufregend!«, rief Eva lachend. Der Champagner begann bereits, ihr zu Kopf zu steigen.
Pattison registrierte beiläufig die drei leeren Gläser auf dem Cocktailtisch neben ihnen.
»Aber haben Sie denn nicht Angst, dass Ihnen langsam die Freiwilligen ausgehen?« Eva Vallelonga machte ein besorgtes Gesicht. »Ich meine nur ... ich frage mich, wer, um alles in der Welt, mit vollem Ernst gegen ein solches ... Biest antreten will.«
»Was ist mit dem Mann, den Sie den Schlächter nennen?«, schickte Lisa hinterher. Sie beugte sich leicht nach vorne und fügte mit wissbegierigem Gesichtsausdruck hinzu: »Ist er ... Sie wissen schon ... tot?«
Pattison sah sich unauffällig zu allen Seiten um. Er war sich zwar sicher, dass er jedem hier vertrauen konnte, aber eine kurze Rückversicherung, dass niemand hier allzu spitze Ohren riskierte, konnte nicht schaden. Vertrauen war die Grundlage, die Basis seines Geschäfts. Handverlesene, persönlich bekannte Gäste, die einen hohen Preis zahlten und am Eingang in eine schriftliche Erklärung einwilligten, den Gastgeber von späteren Vorwürfen oder Schadenersatzforderungen freizuhalten. Dafür bekamen sie laut Pattison etwas geboten, was seit den Gladiatorenkämpfen im Kolosseum des alten Rom niemand mehr veranstaltet hatte.
Pattison spürte die Blicke der beiden Frauen auf sich ruhen. Langsam und genießerisch nickte er.
Die Damen hielten die Luft an und nickten einander zu.