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KÜSS MICH, MEINE WÜSTENBRAUT! von SUSAN CARLISLE Scheich Tariq Al Marktum hat noch nie eine Frau so begehrt wie die schöne Dr. Laurel Martin. Er spürt genau, sie ist die richtige Ärztin für sein Land. Ein Grund mehr, sie in seinem Wüstenreich zärtlich zu verwöhnen. Aber dann macht Tariq einen schweren Fehler … HEISSE SEHNSUCHT NACH DR. SMITH von ANN MCINTOSH Notärztin Dr. Liz Prudhomme bedeutet ihre Karriere alles. Doch gegen die heiße Sehnsucht, die Dr. Cort Smith in ihr auslöst, ist sie machtlos. So gerne sie auch eine Beziehung mit ihm eingehen würde: Sie darf ihm ihr Geheimnis nicht anvertrauen … NOTEINSATZ IM PALAZZO? von LOUISA HEATON Als Prinz Matteo sie in seinen Palast ruft, denkt Krystiana an einen Routine-Einsatz. Die Ärztin ahnt nicht, dass sie ihr Herz sowohl an seine kleine Tochter als auch an den attraktiven Thronfolger verlieren wird. Fatal, denn heiraten muss er eine andere …
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Seitenzahl: 599
Susan Calisle, Ann McIntosh, Louisa Heaton
JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN BAND 139
IMPRESSUM
JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBENBand 139 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2019 by Susan Carlisle Originaltitel: „The Sheikh Doc’s Marriage Bargain“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MEDICAL ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Susanne Albrecht
© 2018 by Ann McIntosh Originaltitel: „The Surgeon’s One Night to Forever“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MEDICAL ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dorothea Ghasemi
© 2019 by Louisa Heaton Originaltitel: „The Prince’s Cinderella Doc“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MEDICAL ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Katharina Illmer
Abbildungen: VitalikRadko / Depositphotos, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 05/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733715564
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
Der aufregend attraktive Scheich Tariq Al Marktum hat sie als Forscherin auserwählt? Für Dr. Laurel Martin ist es die Chance ihres Lebens. Auch wenn die Nähe des unwiderstehlichen Prinzen sie um den Verstand bringt: Um ihre Studien zu retten, will sie ihm in sein Wüstenreich folgen. Aber dann stellt Tariq eine unglaubliche Bedingung …
Gefühle? Für Dr. Cort Smith ein Zeichen von Schwäche. Gut, dass die schöne Ärztin Liz das auch so sieht. Mit einer Affäre kann er leben. Aber je länger er mit ihr arbeitet, desto größer wird sein Verlangen nach mehr. Plötzlich weiß er, Liz ist die Liebe seines Lebens. Doch dann belastet den stolzen Arzt ein Vorwurf, der ihr fragiles Glück in Gefahr bringt …
Sich prickelnd neu verlieben? Daran glaubt Prinz Matteo schon lange nicht mehr. Bis Krystiana seine prunkvollen Gemächer mit neuem Leben erfüllt und seine kleine Tochter zum Lachen bringt. Denn die charmante Ärztin weckt eine nie gekannte Leidenschaft in ihm, und mit jedem Kuss spürt er, dass sie ihn genauso liebt. Warum nur lässt er sie dann gehen?
Sorgfältig stellte Dr. Laurel Martin ein Teströhrchen in das Gestell, wobei ihr Pulsschlag sich vor gespannter Erwartung beschleunigte. Das könnte er sein – der Durchbruch, dem sie ihr gesamtes Berufsleben gewidmet hatte. Ein Prozess, um die Mutation des Faktor-IX-Gens im X-Chromosom zu verhindern. Wenn man ihn schon während der Schwangerschaft testen und korrigieren könnte, würde dies Tausende von Leben verändern, wenn nicht sogar retten. Der Schlüssel lag darin, das Bindeglied zu entdecken.
Um die Lösung zu finden, brauchte Laurel Fördermittel. An solche Gelder kam man nicht so leicht heran. Man hatte ihr bereits mitgeteilt, dass ihre Mittel bald ausliefen. Aber sie hatte sich für weitere Zuschüsse beworben und sollte diesbezüglich bald Bescheid bekommen.
Die Erforschung der Hämophilie war zu ihrer Lebensaufgabe geworden. Während des Medizinstudiums hatte sie schnell gemerkt, dass sie sich im Kontakt mit Patienten und ihren Angehörigen nicht besonders wohlfühlte. Es fiel ihr schwer, schlechte Nachrichten zu überbringen. Da sie ohnehin eher introvertiert war, hatte sie sich der Forschung zugewandt, was ihr mehr Sicherheit gab.
Da klopfte jemand ans Laborfenster. Laurel schob ihre Schutzbrille hoch. Stewart, der Labordirektor, stand auf der anderen Seite der Glasscheibe. Obwohl mittelgroß, wirkte er im Vergleich zu dem hochgewachsenen, schlanken Mann neben ihm eher klein.
Laurels Herz schien kurz auszusetzen, ehe es sich wieder beruhigte. Der Fremde sah umwerfend aus. Eine solche Reaktion hatte sie seit Jahren bei keinem Mann mehr gespürt. Zumindest nicht mehr seit dem College, seit sie ihren Exfreund Larry zum ersten Mal gesehen hatte. Als College-Football-Spieler war er ebenfalls unglaublich attraktiv gewesen. Doch Laurel hatte auf die harte Tour lernen müssen, dass gutes Aussehen nicht unbedingt bedeutete, dass derjenige auch ein guter Mensch war.
Der Mann neben Stewart schien aus dem Mittleren Osten zu stammen. Seine Haut besaß einen warmen, bronzefarbenen Ton, als wäre er oft der Sonne ausgesetzt. Seine stolze Haltung verlieh ihm die gebieterische Ausstrahlung eines Mannes, der seinen Platz in der Welt kannte. Das schwarze, maßgeschneiderte Jackett, unter dem man breite Schultern erkannte, passte zu seinem Haar und dem ebenso dunklen, makellos gepflegten Bart. Seine gesamte Erscheinung war ein Ausdruck von Reichtum und Macht. Er sah Laurel direkt an.
Erstaunlicherweise waren seine Augen nicht tintenschwarz, sondern kastanienbraun. Es erinnerte sie an die Farbe eines Rennpferdes, das sie als Mädchen mal gesehen hatte. Der Unbekannte hob leicht die geschwungenen Augenbrauen, als wüsste er von seiner Wirkung auf Frauen, sodass Laurels Reaktion ihn nicht überraschte.
Während sein Blick sich in ihren zu bohren schien, kam sie sich plötzlich wie eine ihrer Laborproben unter dem Mikroskop vor. Das Gemeine daran war, dass er der Typ Mann war, zu dem sie sich schon immer hingezogen gefühlt hatte. Der Typ, der immer an ihr, dem unscheinbaren, allzu ernsthaften und viel zu intelligenten Mädchen vorbeigeschaut hatte. Und stattdessen zu einer großen Blondine mit vollen Brüsten, langen Beinen und einem verführerischen Kichern, die genau hinter ihr stand.
Männer bemerkten Laurel im Allgemeinen gar nicht. Das einzige Mal, als es doch geschah, war für sie traumatisch verlaufen. Larry hatte sie so tief verletzt, dass sie geschworen hatte, sich nie wieder auf einen Kerl einzulassen, und diesen Schwur auch zehn Jahre lang durchgehalten hatte. Lange genug, um sich derart in ihre Arbeit zu vertiefen, dass sie kaum ein eigenes Leben außerhalb des Labors führte. Energisch schüttelte sie diese Gedanken ab. All das hatte nicht das Geringste mit dem Mann hier vor ihr zu tun.
Als Stewart ihr mit einer Handbewegung bedeutete, dass sie aus dem Labor kommen sollte, lenkte dies ihre Aufmerksamkeit von dem eindrucksvollen Fremden ab. Laurel kontrollierte die Teströhrchen noch einmal und schob dann das Gestell etwas weiter von der Tischkante weg, ehe sie ihren Stuhl zurückrollte. Sobald sie den Raum verließ, schloss sich mit einem leichten Zischen der Luftschleusendichtung die Tür hinter ihr. Im Vorraum nahm sie die Schutzbrille ab und rückte ihre eigene Brille zurecht. Danach streifte sie Maske, Handschuhe und Kittel ab, bis sie in einem schlichten T-Shirt und Jeans dastand.
Als sie in einen frischen Laborkittel schlüpfte, berührte Laurel kurz ihren Nackenknoten, um sicherzugehen, dass er richtig saß. Wie ihr ein Blick über die Schulter zeigte, hatte der Fremde sie nicht aus den Augen gelassen. Unwillkürlich stieg Hitze in ihr auf, was sie nur noch mehr durcheinanderbrachte. Was mochte der Mann sehen oder denken?
Rasch verdrängte sie diese seltsame Reaktion und ging weiter zum Hauptlabor. Erst als sie die Männer erreichte, bemerkte sie die zwei großen Gestalten ein paar Schritte hinter dem Unbekannten. Wie hatten ihr diese einschüchternden Typen entgehen können? Nur deshalb, weil ihre Reaktion auf den Mann davor sie so in Beschlag genommen hatte. Die beiden anderen waren größer, breitschultriger und besaßen einen noch grimmigeren Gesichtsausdruck. Die Finger vor sich verschränkt, hatten sie die Beine leicht auseinander gestellt, um sofort einsatzbereit zu sein, falls nötig. Wer sind diese Leute, und was wollen sie von mir? fragte sich Laurel.
Schnell steckte sie ihre bebenden Hände in die Kitteltaschen und sah Stewart fragend an.
„Laurel, dies ist Prinz Tariq Al Marktum. Er möchte gerne mit dir reden.“ Stewart sprach den ungewohnten Namen so sorgfältig aus, als hätte er ihn vorher geübt, um nicht ins Stocken zu geraten.
Was konnte denn ein Prinz von ihr wollen? Von einer Laborratte, wie ihre Geschwister sie häufig bezeichneten.
„Worüber?“, fragte sie daher verblüfft.
„Das würde ich gerne unter vier Augen besprechen“, antwortete Prinz Tariq in einer tiefen, samtweichen Stimme, die jedoch einen stählernen Unterton enthielt.
Argwöhnisch krauste Laurel die Nase. „Stewart, worum geht es hier?“
„Der Prinz wird es dir erklären. Komm, wir gehen in mein Büro.“ Er wandte sich ab und strebte auf die Schwingtür zu, die das Hauptlabor von den Büroräumen trennte.
Da ihr der Prinz den Vortritt ließ, ging Laurel ihm steif voran. An der Schwingtür trat er schnell vor sie, um ihr eine Seite aufzuhalten. Laurel warf ihm einen raschen Seitenblick zu, doch seine undurchdringliche Miene verriet nicht das Geringste. Mit so jemandem würde sie nur ungern täglich zu tun haben. Woher sollte sie jemals wissen, was er dachte oder fühlte?
Auf dem Weg durch den gefliesten Korridor verursachten ihre flachen Schuhe ein leises Geräusch, doch hinter sich hörte sie gar nichts. Wie konnten sich so große Männer mit einer solchen Geschmeidigkeit bewegen? Ein unbehaglicher Gedanke.
Mit seiner Karte öffnete Stewart sein Büro und stieß die Tür auf. Laurel ging hinein, in der Annahme, dass er ihr folgen würde. Stattdessen kam lediglich Prinz Tariq herein, der die Tür hinter sich schloss. Durch seine Anwesenheit schien der ohnehin schon kleine Raum noch mehr zu schrumpfen. Die Hände in den Kitteltaschen, sah Laurel ihn an und wappnete sich innerlich.
„Bitte, Dr. Martin, nehmen Sie Platz.“
„Nein, danke. Ich muss so schnell wie möglich wieder ins Labor zurück.“ Dort fühlte sie sich wenigstens sicher. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Bitte setzen Sie sich.“ Der Tonfall des Prinzen ließ ihr keine Wahl.
Zögernd folgte sie der Aufforderung, und er nahm auf dem anderen Stuhl Platz.
Die Hände auf dem Schoß, wartete Laurel ab.
„Dr. Martin, ich würde Sie gerne nach Zentar mitnehmen.“
„Was?“ Sie sprang auf. Hatte dieser Kerl den Verstand verloren? Wieso hatte Stewart einen Verrückten ins Labor gelassen?
Der Prinz hob die Hand. „Hören Sie mich erst einmal an. Bitte.“
Fassungslos sank Laurel wieder auf ihren Stuhl zurück und warf einen beunruhigten Blick zur Tür.
„Ich versichere Ihnen, Ihnen wird nichts geschehen. Ich wollte damit nur sagen, dass ich Ihnen gerne eine Stelle anbieten würde“, erklärte der Prinz. „Eine Chance, Ihre Forschungen fortzusetzen.“
Verständnislos schüttelte sie den Kopf. Sie hatte bereits einen Ort für ihre Forschung, bei der sie kurz vor dem Durchbruch stand. Ihre Familie lebte in der Nähe. Laurel führte ein geordnetes, verlässliches Leben und hatte kein Interesse daran, irgendwo anders zu arbeiten. „Danke, aber ich habe hier bereits eine Stelle.“
„Meinen Informationen zufolge sind Sie die führende Forscherin auf dem Gebiet der Hämophilie. Ich bin der Gesundheitsminister von Zentar und habe ein Labor nach den allerneuesten technischen Standards bauen lassen“, erwiderte er. „Ich möchte, dass mein Land mit an vorderster Stelle daran beteiligt ist, eine Heilung für diese Erkrankung zu finden.“
Ach ja? Damit hatte er Laurels Neugier geweckt.
„Ich habe Erkundigungen über Sie eingezogen und die allerbesten Empfehlungen für Sie bekommen.“
„Vielen Dank, aber ich habe keine Ahnung, wer Sie sind“, entgegnete sie. „Ich schätze Ihr Vertrauen in mich, doch ich bin hier sehr zufrieden. Ich weiß nicht mal, wo sich Zentar befindet.“
Auf einmal blitzte Stolz in seinen dunklen, durchdringenden Augen auf. „Es ist eine Insel im Arabischen Meer. Wir haben herrliche weiße Strände und hohe karge Berge. Wir sind ein unabhängiges, wohlhabendes Land und in vielerlei Hinsicht sehr fortschrittlich. Mein Bruder, der König, hat hart dafür gearbeitet. Dennoch sind wir in gewisser Weise auch noch sehr traditionell.“
„Das klingt schön, aber meine Arbeit ist hier“, sagte Laurel.
Prinz Tariq beugte sich vor. „Ich kann Ihnen alles bieten, was Sie sich nur wünschen. Die allerbeste Ausstattung, Assistenten sowie unbegrenzte finanzielle Mittel.“
„Aber wieso gerade ich? Wieso gerade Hämophilie?“
Er senkte den Blick so lange, bis ihr erneut unbehaglich zumute war. „Ich habe meine Gründe.“ Sein Tonfall klang abweisend.
Sie wollte aufstehen.
Sein Ausdruck wirkte düster, als er sie wieder ansah. „In meinem Land ist Hämophilie ein großes Problem.“
„Ich verstehe.“
Er schien sie mit seinen Augen zu durchbohren. „Da bin ich nicht sicher. Die Anzahl der Kinder, die mit dieser Erkrankung geboren werden, steigt bei uns unaufhörlich an. Als Gesundheitsminister muss ich den Grund dafür herausfinden. Und Sie können mir dabei helfen.“
Offenbar ging der Prinz davon aus, dass Laurel sein Angebot akzeptieren würde, doch das kam für sie nicht infrage. Allein die Vorstellung, in ein Flugzeug zu steigen, ließ sie schaudern. „Das geht nicht.“
„Hält Sie irgendetwas hier?“ Er zog die Brauen zusammen.
„Nein.“
„Also warum dann nicht?“
„Ich fliege nicht.“
Sekundenlang musterte er sie schweigend. „Nie?“
„Nein, nie.“
„Sie würden in meinem Privatflugzeug fliegen, wo Ihnen alle Annehmlichkeiten zur Verfügung stehen“, gab er zurück. „Ich bitte Sie nur darum, dass Sie mitkommen und sich unsere Einrichtung ansehen. Danach können Sie sich entscheiden.“
Als Laurel aufstand, tat er dasselbe. „Vielen Dank für das Angebot, aber ich kann es nicht annehmen. Deshalb sollte ich auch Ihre Zeit nicht länger vergeuden. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich muss zurück ins Labor.“
Der Prinz presste die Lippen zusammen, und seine Augen wirkten wieder vollkommen unbewegt. Sie hatte einen Mann zurückgewiesen, der es offensichtlich gewohnt war, seinen Willen durchzusetzen. Obwohl es sie große Willenskraft kostete, machte Laurel einen Schritt vorwärts, zwischen die beiden Stühle. Dabei nahm sie einen Hauch seines Zitrus-Aftershaves wahr. Rasch eilte sie zur Tür, wobei ihr unwillkürlich ein Schauer über den Rücken lief. Sie wusste nicht recht, ob dies eine Reaktion auf die Nähe des Prinzen oder auf dessen unmissverständliche Verärgerung war.
„Dr. Martin.“
Sie wandte sich um.
In einem gedämpften, gleichmütigen Ton erklärte er: „Ich habe es mir zum Prinzip gemacht, immer das zu bekommen, was ich will.“
An diesem Abend schenkte Tariq sich in seiner Hotelsuite einen Whisky ein. Ratlos fragte er sich, an welcher Stelle sein Gespräch mit Dr. Martin schiefgegangen war. Sie hatte sich als jemand herausgestellt, der unverblümt seine Meinung äußerte. Das gefiel ihm. Nur wenige Menschen in seiner Umgebung verfolgten keine eigenen Ziele und sagten offen, was sie meinten. Mit ihrer Direktheit hatte Dr. Martin ihn beeindruckt. Und sie hatte es sogar gewagt, ihn zurückzuweisen.
Zu allem Überfluss hatten ihn auch ihre grünen Augen mit dem scheuen Blick in den Bann geschlagen. Groß und klar hinter der Brille mit Silberrand, wirkten sie, als wäre darin niemals irgendein Geheimnis verborgen gewesen. Ansonsten war Dr. Martin eine kleine, unscheinbare Frau. Er war zugleich verärgert und fasziniert. In seiner Welt würde ihm niemand außer dem König jemals etwas verweigern. Doch ein Mauerblümchen, das den größten Teil seines Lebens in einem gläsernen Labor verbrachte, hatte genau das getan.
Auf seinem Sessel streckte Tariq die Beine aus und schwenkte nachdenklich die kupferfarbene Flüssigkeit in seinem Glas hin und her. Es war ihm nicht einmal in den Sinn gekommen, dass diese Frau sein Angebot ablehnen könnte. Welcher Wissenschaftler hätte denn nicht gerne sein eigenes Labor und außerdem noch Zugang zu allen Geldern, die er dafür benötigte? Anscheinend hatte er in Bezug auf Dr. Martin irgendetwas Wichtiges übersehen. Noch hatte er keinen Plan B, aber das war nur eine Frage der Zeit. Er wollte Dr. Martin nach Zentar holen, und das würde ihm auch gelingen.
Nach dem Unfalltod seines Bruders hatte Tariq die Aufgabe übernommen, für das Wohlergehen seiner Schwägerin und seines kleinen Neffen Roji zu sorgen. Tariq hätte alles dafür gegeben, dass Roji mit seinem Vater aufwachsen könnte. Doch das war nicht mehr möglich. Aber kein anderer aus seiner Familie sollte Rojis Schicksal teilen. Die zukünftigen Mitglieder der königlichen Familie würden von Hämophilie frei sein. Irgendwo da draußen gab es ein Heilmittel, und er hatte extra ein Labor gebaut, um es zu finden. Jetzt brauchte er nur noch die richtige Leiterin für dieses Labor, und das war nun mal Dr. Martin.
Obwohl Tariq der einzige Mann in der Familie war, der den Gendefekt nicht besaß, wollte er keine eigene Familie gründen. Er würde keine Frau und kein Kind in dieselbe Situation bringen wie Zara und Roji. Als Mediziner wusste er, dass das Gen über die weibliche Linie vererbt wurde. Was wäre, wenn er sich die falsche Frau aussuchte? Er schleppte ohnehin schon genug Schuldgefühle mit sich herum.
Als kleiner Junge hatte er mitbekommen, was sein Bruder hatte durchmachen müssen. Ständig hatte er nach einer Verletzung Injektionen mit dem fehlenden Gerinnungsfaktor benötigt. Dennoch hatte ihm dies nicht geholfen, als man die Blutung nach dem Autounfall nicht hatte stoppen können. Selbst mit seinem großartigen Harvard-Abschluss war Tariq nicht imstande gewesen, das Leben seines Bruders zu retten. Und mit jedem Tag schien die Last schwerer zu wiegen.
Die bisherigen medizinischen Fortschritte gingen ihm nicht schnell genug. Roji bekam jetzt den intravenös gespritzten Gerinnungsfaktor prophylaktisch alle drei Tage. Trotzdem sollte ein Junge in der Lage sein, problemlos herumzurennen und zu spielen. Das wünschte sich Tariq für seine Familie ebenso wie für andere, die auch unter der Krankheit litten. Dafür brauchte er Dr. Martin. Er musste eine Möglichkeit finden, sie zu überzeugen. Ein Angebot, das sie nicht ablehnen konnte. Außerdem, wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, akzeptierte er grundsätzlich kein Nein.
Zwei Tage später griff Laurel beim zweiten Klingeln nach dem Telefon in ihrem Labor.
„Laurel, ich müsste dich mal in meinem Büro sprechen“, erklärte Stewart.
War der Prinz wieder da? Seit dessen Besuch konnte sie an kaum etwas anderes denken. Aus irgendeinem Grund war er ihr im Gedächtnis geblieben. „Gut, dann bin ich in zehn Minuten da.“
Sie klopfte leicht an, bevor sie das Büro betrat. Stewart und sie hatten ein gutes freundschaftliches Verhältnis, seitdem Laurel vor fünf Jahren in sein Labor aufgenommen worden war. Er hatte sie immer ihre Arbeit machen lassen, was sie sehr an ihm schätzte.
„Was ist los?“ Laurel war erleichtert, aber zugleich auch enttäuscht, dass der Prinz nicht hier war. Sie setzte sich, und diesmal wirkte der Raum weniger eng, denn Stewart hatte nicht diese ungeheure Ausstrahlung, die der Prinz besaß.
„Ich fürchte, ich habe keine guten Nachrichten für dich. Die Bewilligung der Fördermittel wurde abgelehnt.“
Laurel erschrak.
„Deine Arbeit war eine Ergänzung für das Labor. Es tut mir leid, aber du kannst nicht weitermachen“, fuhr Stewart mitfühlend fort.
Sie konnte kaum atmen. Ihr Lebenswerk. Was sollte sie jetzt tun? Der Durchbruch war so nahe. „Aber warum, Stewart?“, stieß sie hervor. „Ich habe die Antwort schon fast gefunden. Meine Forschung ist wichtig.“
Stewart nickte. „Ich weiß. Aber die Arbeit von anderen ist genauso wichtig. In der Forschung ist Geld eben immer ein Thema.“
„Gibt es denn keine andere Lösung?“ Es musste doch eine Möglichkeit geben. Es ging schließlich um Menschenleben. „Ich kann jetzt nicht aufhören. Ich bin zu nah dran.“
„So ungern ich das auch sage, aber in unserem Labor wird das nicht passieren“, meinte er bedauernd.
Laurel beugte sich vor. „Das ist einfach nicht richtig! Was ist mit den Menschen, die ich zu retten versuche?“
„Ich wünschte, ich könnte dir etwas anderes sagen, aber damit würde ich dir nur falsche Hoffnungen machen. Vielleicht solltest du das Angebot des Prinzen doch annehmen. So wie ich es verstanden habe, war es sogar ein ziemlich beeindruckendes Angebot. Mit etwas Glück ist es noch nicht zu spät dafür“, antwortete Stewart.
Misstrauisch sah Laurel ihn an. „Der Prinz hatte nicht zufällig was damit zu tun, oder?“
„Nicht, dass ich wüsste. Aber er kennt sicher einige Leute im Finanzausschuss. Die meisten Forscher wären froh über eine so wunderbare Gelegenheit“, sagte er.
„Ich will nicht umziehen. Ich weiß nichts über Zentar oder Prinz Tariq. Ich bin ein häuslicher Typ.“
„Möglicherweise wäre es für dich an der Zeit, aus deiner Komfortzone rauszukommen“, gab Stewart zurück. „Denk doch nur, was du mit all den Forschungsgeldern machen könntest, die dir dann zur Verfügung stehen. Eine solche Chance kriegt man höchstens einmal im Leben.“
Wenn man es so ausdrückte, konnte sie nichts dagegen einwenden. Wenn es nur nicht so weit weg wäre! Und der Prinz nicht diese verheerende Wirkung auf sie ausüben würde! Was ihn betraf, musste Laurel sich schützen, da sie nicht die Absicht hatte, ihre früheren Fehler zu wiederholen. „Ich mag es so, wie es gerade ist.“
„Das verstehe ich. Aber vielleicht ist es wirklich mal Zeit für eine Veränderung, damit du aus dem Labor rauskommst und ein paar Abenteuer erlebst“, stellte Stewart fest. „Das könnte deine große Chance sein. Manchmal haben Veränderungen auch etwas Gutes.“
„Ich will keine Veränderung und kein Abenteuer. Ich brauche bloß eine Möglichkeit, Blutern zu helfen.“
Über den schwarzen Rand seiner Brille sah Stewart sie an. „Dir ist aber schon klar, dass der Prinz dir genau dazu die Gelegenheit bietet, oder? Du könntest ja auch so lange nach Zentar gehen, bis hier neue Gelder bewilligt werden.“
Im Grunde blieb ihr keine andere Wahl. Laurel warf ihm einen langen Blick zu, ehe sie resigniert seufzte. „Weißt du, wie ich den Prinzen erreichen kann?“
Tariq hatte Dr. Martins Anruf erwartet. Seit gestern wusste er, dass sie keine weiteren Fördermittel erhalten würde. Er hatte zwar nichts damit zu tun, war jedoch durchaus erfreut darüber. Allerdings hatte er die Nachricht verbreitet, dass sie ihre Forschungsarbeit aus anderen Quellen finanzieren konnte, damit niemand anders einsprang und sie sich daher an ihn wenden musste.
„Mr. Al Marktum … Äh … Prinz, hier ist Dr. Laurel Martin.“
„Ja?“
Sie klang etwas atemlos. „Ich … Na ja … Ich habe mich gefragt, ob Sie noch immer einen Leiter für Ihr Labor suchen.“
„Ja, das tue ich.“ Er wartete ab.
„Vielleicht wäre ich doch interessiert. Ich würde mich gerne mit Ihnen treffen, um die Sache zu besprechen“, sagte sie schnell.
„Da ich gleich morgen früh zurückfliege, sollten wir uns heute Abend treffen.“
„Dann werde ich das so einrichten.“ Sie wirkte unsicher, als wollte sie es sich womöglich wieder anders überlegen.
Das durfte Tariq nicht zulassen. Er lehnte sich auf seinem Sessel zurück. „Ich wohne im Chicago Hotel. Kommen Sie hoch in die Präsidenten-Suite. Hier wird uns niemand stören.“
Schweigen trat ein.
Machte es sie nervös, mit ihm allein zu sein? „Ich würde sonst die Bar vorschlagen“, sagte er daher, „aber ich glaube, dass es dort sehr laut sein wird. Und ich kenne mich in dieser Gegend nicht gut genug aus, um einen anderen Ort zu empfehlen. Mein Assistent wird bei mir sein, sodass Sie sich sicher fühlen können.“
„Ich brauche keinen Aufpasser. Ich freue mich darauf, mit Ihnen zu sprechen.“
Tariq lächelte ein wenig. „Wenn Sie das sagen.“
„Dann sehen wir uns in einer Stunde.“
„Mit dem größten Vergnügen, Dr. Martin.“
Sie hielt Wort, und einer seiner Bodyguards kündigte an, dass sie pünktlich auf die Minute eintraf. Allein das nahm Tariq schon für sie ein.
Er empfing seine Besucherin an der Tür und begleitete sie zu einem der beiden Sofas mitten im Raum. Sie war ein zierliches Persönchen. Nicht hochgewachsen und langbeinig wie die Frauen, die er normalerweise attraktiv fand. Aber hier ging es um eine geschäftliche Besprechung. Dr. Martin sollte sein Labor leiten, mehr nicht. Die Farbe ihrer Augen oder die Länge ihrer Beine spielten dabei keine Rolle.
„Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“, erkundigte sich Tariq.
„Nein danke.“ Sie hielt ihre große Tasche wie einen Schutzschild vor sich.
„Bitte nehmen Sie Platz.“
Mit einem schüchternen Nicken setzte sie sich dicht an die Armlehne des Sofas. Tariq hingegen ließ sich auf dem gegenüberliegenden Sofa nieder. „Sie möchten also über mein Angebot sprechen?“
„Ja. Ich wollte fragen, ob Sie bezüglich der angebotenen Stelle eventuell einen Kompromiss in Erwägung ziehen würden.“
„Ich höre.“ Aufmerksam betrachtete er seine Gesprächspartnerin.
Das Haar hatte sie wieder zu einem straffen Knoten zusammengefasst, und die Brille war ihr über die Nase gerutscht. Sie trug unauffällige Kleidung und überhaupt keinen Schmuck. So, als wollte sie möglichst unbemerkt bleiben. „Ich habe meine Forschungsmittel verloren. Und ich dachte, Sie wären vielleicht bereit, dem Labor hier ein paar Gelder zukommen zu lassen, damit ich meine Arbeit fortsetzen kann. Mit der Vereinbarung, dass Ihr Land als Erstes Zugang zu all meinen Erkenntnissen hätte.“
Sofort schüttelte Tariq den Kopf. „Das genügt mir nicht. Ich will, dass jemand in meinem Land und mit meinem Volk arbeitet.“
„Aber das geht nicht.“ Dr. Martins Stimme klang gepresst und fast verzweifelt.
„Warum? Ich werde Ihnen eine Unterkunft zur Verfügung stellen. Außerdem einen Fahrer und alle Annehmlichkeiten, die Sie benötigen.“ Er beugte sich vor und musterte sie eindringlich. Sie besaß tatsächlich interessante Augen, mit kleinen goldenen Pünktchen darin.
„Ich kann nicht einfach an irgendeinen Ort fliegen, den ich nicht kenne“, wandte sie ein.
„Darüber haben wir bereits gesprochen. Ich biete Ihnen die Chance, Ihre Forschung fortzusetzen. Und ich denke, Sie werden von unserem Labor nicht enttäuscht sein“, erklärte Tariq. „Wollen Sie denn nicht weiter forschen?“
Sie hielt ihre Tasche noch enger an sich gedrückt. „Doch, natürlich. Diese Arbeit ist wichtig. Und ich stehe kurz vor einem Durchbruch. Wenn Sie mir die nötigen Fördermittel nicht zur Verfügung stellen wollen, werde ich woanders welche finden“, erwiderte Laurel.
„Ich würde ja gerne, aber meine Gelder sind die meines Volkes. Ich selbst kann Ihnen nichts geben.“
„Sie haben keine privaten Mittel, die man dafür einsetzen könnte?“
„Nein. Die sind in den Bau des Labors geflossen. Sie sollten es sich noch einmal überlegen, ob Sie nicht doch mit nach Zentar kommen möchten.“
Finster sah sie ihn an. Warum wollte er sie denn einfach nicht verstehen? „Ich kann nicht. Das habe ich Ihnen doch schon erklärt.“
„Bisher habe ich bloß Ausreden gehört“, entgegnete Tariq. „Ich habe, was Sie brauchen. Sie haben hier kein Labor mehr für Ihre Arbeit, und ich biete Ihnen eins an. Ich verstehe das Problem nicht. Vielleicht ist Ihnen diese Forschung doch nicht so wichtig, wie Sie behaupten.“
Damit war er eindeutig zu weit gegangen. Laurel sprang auf und fuhr ihn an: „Wie können Sie es wagen?“
„Weil ich Sie als Leiterin für mein Labor brauche. Es gibt wichtige Arbeit zu tun.“
Sie war kurz davor gewesen, die Beherrschung zu verlieren. Der Gedanke, um die halbe Welt zu reisen, erschreckte sie zutiefst. Was würden ihre Eltern und ihre Geschwister dazu sagen, wenn sie nach Zentar ging? Das schaffte sie nicht. Oder doch? Der Prinz ließ ihr keine andere Wahl.
Laurel atmete tief durch. „Über die Notwendigkeit weiterer Forschungsarbeit sind wir einer Meinung. Da Sie offensichtlich nicht bereit sind nachzugeben, werde ich nach Zentar kommen und Ihr Labor einrichten. Im Gegenzug sorgen Sie dafür, dass ich eine Studie derjenigen Familien durchführen kann, in denen die Krankheit zwei Generationen betrifft. Darüber hinaus werde ich nichts versprechen.“
„Ausgezeichnet.“ Er lächelte wie ein Held, der gerade neues Terrain erobert hatte. „Ich werde meine Abreise um einen Tag verschieben, sodass Sie Ihre Angelegenheiten regeln können.“
Fassungslos starrte sie ihn an. „Um einen Tag?“
Er nickte. „Mehr Zeit kann ich leider nicht erübrigen.“
Laurel presste den Mund zusammen und schaute an seiner Schulter vorbei ins Leere. Wie sollte sie so schnell alles schaffen?
„Mein Assistent kann Ihnen bei allem behilflich sein, was Sie benötigen.“
„Ich werde keine Zeit haben, meine Familie zu sehen“, meinte sie niedergeschlagen.
„Das tut mir leid. Aber sobald das Labor betriebsbereit ist, können Sie gerne zu einem Besuch zurückkehren.“ Das hörte sich zumindest aufrichtig an.
Die Schultern gestrafft, ging Laurel Richtung Tür. „Nun, wenn ich bald abreisebereit sein soll, muss ich jetzt los. Ich habe sehr viel zu erledigen.“
Tariq folgte ihr. „Da gibt es nur noch eine Sache.“
Sie blieb stehen und sah ihn an. „Ja?“
„Sie müssen mich heiraten.“
„Was? Sind Sie verrückt?“ Laurel war wie vom Donner gerührt. Auf gar keinen Fall würde sie ihn heiraten! Es kostete sie schon ungeheure Kraft, überhaupt nach Zentar zu reisen. Aber irgendeinen Mann heiraten, den sie nicht kannte, das war vollkommen ausgeschlossen. „Was soll das heißen, ich muss Sie heiraten?“
„Mein Land hält noch sehr an traditionellen Werten fest. Es wird erwartet, dass eine alleinstehende Frau unter der Fürsorge eines Mannes steht“, erklärte Tariq. „Niemand wird Ihre persönlichen Fragen zur Gesundheit beantworten, wenn nicht der Name eines Mannes mit Ihrem in Verbindung steht. Unsere gesellschaftlichen Regeln haben sich in der Hinsicht noch nicht so schnell geändert.“
„Das muss ein Scherz sein.“ Sie schlang die Tasche über ihre Schulter.
Er warf ihr einen Blick zu. „Ich versichere Ihnen, dass dies keineswegs der Fall ist.“
„Sie wollen mich doch gar nicht heiraten.“ Laurel konnte diese unerwartete Wendung des Gesprächs nicht fassen.
„Das ist wahr. Ich hatte nicht die Absicht, jemals zu heiraten“, erwiderte er knapp.
„Und warum würden Sie dann mich heiraten?“
„Weil ich weiß, wie wichtig Ihre Arbeit ist und was getan werden muss, um Sie nach Zentar zu holen.“
„Sie würden also deshalb Ihr Privatleben auf Eis legen?“
„Wenn es nötig ist, ja“, bestätigte Tariq.
Prüfend musterte sie ihn. „Falls ich zustimme, wird dies lediglich eine Ehe auf dem Papier sein, ist das klar?“ Die Vorstellung, mit dem Prinzen eine Beziehung einzugehen, ließ sie schaudern. Laurel fühlte sich völlig überfordert. Einmal war sie schon in einer solchen Situation gewesen, und das sollte nie wieder geschehen.
„Etwas anderes hatte ich nicht erwartet.“
Offenbar war die Anziehungskraft, die sie empfand, bloß einseitig. Umso besser.
„Könnten wir nicht einfach bloß sagen, dass wir verheiratet sind, um keine große Sache daraus zu machen?“, fragte sie.
„Nein. Wenn die Presse das herausfindet, wird mein Volk sich getäuscht fühlen.“
„Ihre Leute finden das gut so?“
„Wie ich zu Hause lebe, ist meine Angelegenheit. Davon muss niemand etwas wissen“, antwortete Tariq.
Ihren Eltern wollte Laurel das jedoch nicht antun. „Darf ich es wenigstens meiner Familie erzählen? Ihnen kann ich vertrauen.“
„Nein. Es wäre möglich, dass die Presse sie befragt. Ich möchte nicht, dass sie lügen müssen oder man ihnen möglicherweise etwas ansieht, was der Mitteilung unseres Kommunikationsministers widerspricht.“
Ihr Herz zog sich schmerzlich zusammen. „Meine Eltern wird das sicher sehr verletzen.“
„In absehbarer Zeit können Sie es ihnen erklären.“ Tariq klang eher entschieden als mitfühlend.
„Was wird denn Ihre Familie denken, wenn Sie plötzlich mit einer Amerikanerin auftauchen, von der vorher noch niemand was gehört hat?“, wollte Laurel wissen.
„Der König weiß, wer Sie sind. Den anderen werde ich einfach sagen, dass ich Sie zu meiner Frau gewählt habe, und damit ist die Sache erledigt.“ Sein Tonfall ließ darauf schließen, dass er es nicht gewohnt war, irgendjemandem Rechenschaft abzulegen.
„Sie sagen doch, dass Ihr Land sehr traditionell ist. Werden die Leute mich einfach so ohne irgendwelche Fragen akzeptieren?“
„Ich habe nicht gesagt, dass es keine Fragen geben wird. Ich fürchte sogar, es wird ziemlich viele geben. Aber an meiner Entscheidung wird sich dadurch nichts ändern“, erklärte er.
„So wichtig ist es Ihnen also, dass ich mitkomme?“
„Ja. Das heißt, wir sind uns einig?“
Flüchtig presste Laurel den Mund zusammen, ehe sie nickte.
„Dann werde ich alle Vorbereitungen treffen. Wir heiraten, sobald wir in Zentar ankommen.“
Zwei Tage später hielt Laurel die Armlehne ihres luxuriösen Flugzeugsitzes umklammert und kniff die Augen zu. Zum tausendsten Mal fragte sie sich, ob sie den Verstand verloren hatte, weil sie alles hinter sich ließ, was sie kannte, um in ein weit entferntes Königreich im Mittleren Osten zu fliegen und in einem Labor, das sie noch nie gesehen hatte, für einen Mann zu arbeiten, den sie kaum kannte. Und den sie zu allem Überfluss auch noch heiraten würde. Was war bloß mit ihrem schönen, wohlgeordneten Leben passiert?
„Wir sind jetzt in der Luft“, sagte der Prinz belustigt vom Sitz gegenüber. „Sie können Ihre Augen aufmachen.“
„Lieber nicht.“
„Wollen Sie sie etwa die nächsten zehn Stunden geschlossen halten?“, fragte er ungläubig.
„Kann schon sein.“
Einen Moment lang legte er seine Hand auf ihre. „Sie sollten sich diese Aussicht auf Chicago nicht entgehen lassen.“
Als Laurel die Augen zu einem schmalen Schlitz öffnete, begegnete sie dem Blick des Prinzen.
„Schauen Sie hinaus.“ Mit einem Nicken wies er auf das ovale Fenster.
Da seine Stimme so gebieterisch klang, fühlte sie sich verpflichtet, seiner Aufforderung Folge zu leisten. Mit halb geschlossenen Augenlidern lehnte sie sich zum Fenster, wobei sie noch immer die Armlehne des Ledersitzes umklammert hielt. Die letzte halbe Stunde war sie aus lauter Furcht fast erstarrt gewesen. Jetzt öffnete sie ihre Augen langsam, bis sie ihre Umgebung klar erkennen konnte, und warf dann einen schnellen Blick aus dem Fenster.
Prinz Tariq hatte recht. Die Aussicht war fantastisch. Unter ihnen lag der Lake Michigan in glitzerndem Blau, am Ufer gesäumt von den hohen Wolkenkratzern Chicagos, die in der Nachmittagssonne glänzten. Laurel konnte sogar den Fluss erkennen, der durch die Stadtmitte verlief. So etwas hatte sie noch nie zuvor gesehen. Ihr stockte der Atem, aber auf eine positive Weise.
Sie sah den Prinzen an.
„Sind Sie jetzt nicht froh, dass Sie es riskiert haben?“, fragte er.
„Doch, auf jeden Fall.“
Mit einem vielsagenden Blick auf ihre Hand fügte er hinzu: „Glauben Sie, Sie können den Sitz vielleicht loslassen? Ich fürchte, Sie werden ihn sonst noch zu Staub zerkrümeln.“
Rasch presste sie ihre Hände im Schoß zusammen, bis die Knöchel schmerzten.
„Das war nur ein Scherz“, meinte er trocken.
Woher hätte ich das wissen sollen, dachte Laurel. Sie hatte keine Ahnung von dem Humor dieses Mannes. Sie waren einander fremd. Der Prinz betrachtete ebenfalls den Ausblick aus dem Fenster. Es war verwirrend, dass er versuchte, mit ihr zu scherzen. Die meiste Zeit über wirkte er viel zu ernsthaft. Im Allgemeinen machte er den Eindruck, als würde die ganze Welt auf seinen Schultern lasten. Als Gesundheitsminister trug er sicherlich große Verantwortung.
„Prinz Tariq, machen Sie sich lustig über mich?“
„Nein, Dr. Martin. Ich wollte Sie bloß beruhigen.“
„Danke.“
„Versuchen Sie einfach, sich ein bisschen zu entspannen, Laurel.“
Die Art, wie er ihren Namen aussprach, gefiel ihr schon fast zu sehr. Es klang so exotisch und sogar ein wenig frech.
„Übrigens dürfen Sie mich gerne Tariq nennen, wenn wir unter uns sind. Ich weiß, dass mein Titel ziemlich kompliziert ist. Möchten Sie etwas zu trinken? Und vielleicht ein paar Cracker, um Ihren Magen zu besänftigen?“
Laurel war verblüfft, dass er das bemerkt hatte. „Ja, das wäre nett.“
Sobald Tariq den Finger hob, stand auch schon der Steward neben ihnen. „Dr. Martin möchte ein …“
„Ginger Ale“, warf sie ein.
„Für mich dasselbe. Und bitte bringen Sie auch noch ein paar Cracker mit.“
Der Steward nickte und verschwand genauso lautlos, wie er erschienen war.
Da Laurel sich inzwischen etwas entspannt hatte, schaute sie sich im Flugzeug um. Die Kabine war in Hellgrau gehalten, mit Vorhängen in einem dunkleren Grau zu beiden Seiten der Fenster. Das Sitzleder fühlte sich unglaublich weich an. Als sie über den Gang hinweg zu einem anderen Sitz blickte, sah sie auf dessen Kopfteil eine Grafik, von der sie vermutete, dass sie das Wappen von Zentar darstellte. Es bestand aus einem blauen Emblem mit einem gelben Drachen darüber.
Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es wohl war, immer in einer so luxuriösen Umgebung zu leben und sich einen Privatjet leisten zu können. Allein der Gedanke an die Kosten überstieg ihr Vorstellungsvermögen. Ihr Elternhaus hatte keinen solchen Lebensstil ermöglicht, und sie fühlte sich absolut fehl am Platz.
Als der Steward zurückkehrte, brachte er ein silbernes Tablett mit zwei Gläsern und einem Porzellanteller voller Cracker. Aus der Sitzarmlehne klappte er ein Tischchen heraus und breitete eine Serviette darauf aus, ehe er ein Glas und den Teller darauf abstellte. Danach tat er dasselbe mit dem Glas des Prinzen und zog sich dann schweigend wieder zurück.
Tariq hatte seinen Laptop geöffnet. Ohne aufzuschauen, sagte er: „Das Dinner wird in zwei Stunden serviert. Sie können gerne im Flugzeug herumlaufen. Und falls Sie sich hinlegen möchten, im hinteren Teil befindet sich ein Schlafzimmer. Ich habe Arbeit zu erledigen, daher müssen Sie sich alleine amüsieren.“
Seufzend schloss Laurel die Augen.
Tariq. Würde sie sich jemals daran gewöhnen, ihn so anzusprechen? In den letzten vierundzwanzig Stunden hatten sich die Ereignisse überschlagen. Nasser, Tariqs Fahrer, hatte sie nach dem Treffen im Hotel nach Hause gefahren. Dort hatte Laurel ihre Eltern angerufen und ihnen erklärt, wohin sie reisen würde. Allerdings hatte sie dabei wohlweislich die Tatsache ausgelassen, dass sie auch im Begriff war zu heiraten. Sie verabscheute es, ihnen gegenüber unaufrichtig zu sein, doch etwas Besseres fiel ihr nicht ein.
Ihre Eltern hatten verblüfft und besorgt reagiert, sich aber auch für Laurel gefreut. Sie hatte ihnen versichert, dass sie sich regelmäßig zu einem Video-Chat bei ihnen melden würde. Ihre Brüder und ihre Schwester waren hingegen begeistert gewesen. Alle hatten gefragt, ob sie zu Besuch kommen könnten. Vor allem, wenn der Prinz bereit wäre, sie mit seinem Flugzeug abzuholen. Doch Laurel hatte gleich gesagt, dass sie ihn bestimmt nicht darum bitten würde.
Den Rest des Tages hatte sie damit verbracht zu telefonieren, Dinge zu organisieren und zu packen. Tariq hatte darauf bestanden, dass sein Assistent sich um die geschäftliche Seite ihrer Abreise kümmerte, sodass Laurel ihre persönlichen Angelegenheiten regeln konnte.
In Chicago nahte der Winter, der oft bitterkalt sein konnte. Aber sie würde in ein trockenes, heißes Klima fliegen. Die wenigen dafür passenden Kleidungsstücke, die sie besaß, stopfte sie in ihren uralten Koffer. Da sie nicht die Absicht hatte, lange fortzubleiben, wollte sie mit dem auskommen, was sie hatte. Sie musste jedoch zugeben, dass sie das eiskalte, windige Wetter des Mittleren Westens nicht gerade vermissen würde.
Als Nasser heute kurz nach zwölf Uhr mittags vor ihrem Haus vorfuhr, hatte Laurel bereits mit zwei Koffern und einer Kiste voller Bücher auf dem Gehweg gewartet, damit er das Gepäck einladen konnte. Als Reisende wider Willen, die zu einem großen Abenteuer aufbrach, hatte sie im Rückfenster gesehen, wie ihr Apartment immer kleiner wurde.
Einige Zeit später wurde sie von einer warmen Hand an ihrer Schulter wachgerüttelt. Laurel fuhr hoch. Trotz ihrer Aufregung war sie offenbar eingeschlafen. „Oh, was ist?“
„Das Dinner wird serviert, sobald Sie dazu bereit sind.“ Tariq stand neben ihr. „Das Bad befindet sich den Gang hinunter am hinteren Ende des Flugzeugs, falls Sie es benötigen.“ Er ging weiter.
Sie blickte ihm nach. Er holte sein Handy aus der Tasche und ließ sich auf einem Stuhl an dem elegant gedeckten Tisch nieder, während der schweigsame Steward aufmerksam in der Nähe wartete.
Das Bad war doppelt so groß wie das in ihrem Elternhaus früher. Mit seinen vergoldeten Armaturen und den vornehmen Handtüchern wirkte selbst dieser Raum elegant. Als Laurel in die Kabine zurückkehrte, nahm sie Tariq gegenüber Platz.
Daraufhin begann der Steward, das Essen zu servieren, das aus Hähnchenbrustfilet, Röstkartoffeln und gedünstetem Brokkoli sowie einem Brötchen bestand. Obwohl schlicht, war es ein sehr schmackhaftes und sättigendes Menü. Weil Laurel heute noch kaum etwas gegessen hatte, kam ihr das Dinner gerade recht.
Tariq stellte sich als charmanter Gesprächspartner heraus. Er berichtete davon, was er in Chicago alles gesehen und unternommen hatte, während er auch Laurel kleinere, belanglose Fragen nach ihren Lieblingsaktivitäten in der Stadt stellte.
Sobald er sein Mahl beendet hatte, lehnte er sich zurück und musterte sie mit seinem durchdringenden Blick. „Ist es Ihnen gelungen, vor unserer Abreise Ihre Angelegenheiten ohne Schwierigkeiten zu regeln?“
„Ja. Allerdings musste ich dafür sehr viel herumtelefonieren und auch zwei meiner Nachbarn darum bitten, meine Pflanzen zu sich zu nehmen, um sie zu versorgen.“ Mit ihrer gestärkten Serviette tupfte sie sich den Mund ab.
„Und konnten Sie auch mit Ihren Eltern alles klären?“
„Ja.“ Obwohl es ihr gar nicht gefiel, ihre Familie zu hintergehen.
Aufmerksam sah Tariq sie an. „Erzählen Sie mir von ihnen.“
Erstaunlicherweise hörte es sich an, als würde es ihn tatsächlich interessieren. Damit hatte Laurel nicht gerechnet. „Sie wohnen etwa eine Stunde von Chicago entfernt. Mein Vater ist Industrietechniker und meine Mutter Lehrerin. Sie sind sehr glücklich miteinander. Ich habe zwei Brüder und eine Schwester, und ich wünschte, ich hätte Zeit gehabt, sie alle noch einmal zu sehen. Ich werde sie vermissen.“
„Ihre Familie ist Ihnen anscheinend sehr wichtig“, meinte er. „Es tut mir leid, dass es so schnell gehen musste. Hätten Sie mein Angebot gleich angenommen, wäre dafür noch genug Zeit geblieben.“
„Wollen Sie sich mit mir streiten?“
Ein belustigtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Keineswegs. Ich habe lediglich eine Tatsache festgestellt. Also, wie hat Ihre Familie es aufgenommen, dass Sie ins Ausland gehen?“
„Dass meine Eltern überrascht waren, wäre eine Untertreibung. Außerdem waren sie besorgt und meinetwegen vielleicht auch ein bisschen aufgeregt. Seit Jahren haben sie mir immer gesagt, ich sollte mehr unternehmen und öfters mal rausgehen“, erwiderte Laurel.
„Es tut mir leid, dass Sie keine Zeit hatten, sich richtig zu verabschieden. Familie ist wichtig.“
„Das weiß ich zu schätzen, aber ich habe nicht vor, lange wegzubleiben. Meine Geschwister waren neidisch. Sie wären am liebsten alle mitgekommen.“ Als der Steward erst ihren Teller und dann den des Prinzen abräumte, lehnte auch sie sich zurück. „Sind Sie sicher, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als dass wir heiraten?“
In diesem Augenblick servierte ihnen der Steward einen köstlich aussehenden Schokoladenkuchen zum Dessert.
„Absolut.“
Sobald der Steward gegangen war, meinte sie entschuldigend: „Verzeihung.“
„Er ist loyal und weiß, dass nichts von dem, was er sieht oder hört, weitergetragen werden darf“, gab Tariq zurück. „Aber Sie sollten mit Ihren Äußerungen trotzdem vorsichtig sein.“
Laurel griff nach ihrer Gabel und widmete sich dem Kuchen. „Ich werde darauf achten.“
„Gut.“ Mit einem undurchdringlichen Blick sah er sie an. „Mussten Sie noch irgendwelche anderen Verpflichtungen aufgeben, um nach Zentar zu kommen?“
„Das fragen Sie jetzt?“
„Ich wollte mich nur vergewissern, dass nicht irgendwann unangekündigt ein Mann auftaucht und Probleme verursacht.“
„Keine Sorge, das wird sicher nicht geschehen.“ Den Grund dafür wollte sie ihm jedoch nicht nennen.
„Freut mich zu hören. Ich nehme an, Sie leben für Ihre Arbeit“, stellte Tariq fest.
Das mochte zwar richtig sein, aber die Bemerkung gefiel ihr nicht. Glaubte er etwa, sie hätte kein Privatleben? Das erinnerte Laurel zu sehr an ihre Kindheit, als sich andere Kinder über sie lustig gemacht hatten, weil sie ständig nur gelesen hatte. Abweisend erklärte sie: „Ich gehe davon aus, dass wir vermutlich beide dazu neigen.“
„Stimmt.“ Er aß ein großes Stück von seinem Kuchen.
„Das heißt, ich habe also wirklich etwas mit einem Prinzen gemeinsam!“, erwiderte sie sarkastisch. Wem wollte sie hier etwas vormachen? Sie hatte so gut wie nichts mit ihm gemeinsam, und das würde auch in Zukunft so bleiben.
Er lächelte. „Scheint so.“
Sein Lächeln löste ein Gefühl der Wärme in ihr aus, so als wäre sie tatsächlich etwas Besonderes. Diese lockere Seite an ihm fand Laurel auf jeden Fall sympathischer. „Ich habe mich schon gefragt, wo ich wohnen werde. Muss ich mir ein Auto mieten, oder kann ich zu Fuß zum Labor gehen?“
„Als meine Frau werden Sie in meinen Räumlichkeiten auf dem Palastgelände wohnen. Dort müssen Sie nur sagen, was Sie alles brauchen.“
Im Palast? Da gehörte sie doch gar nicht hin. Sie passte nicht in ein Königshaus, sie war anders als diese Leute. „Könnte man nicht etwas anderes arrangieren?“
„Nicht, wenn Sie meine Frau sind“, antwortete Tariq. „In meiner Wohnung gibt es genügend Räume. Niemand wird Sie stören. Und Nasser oder einer der anderen Fahrer wird immer zur Verfügung stehen, um Sie zur Klinik und wieder zurück zu bringen.“
„Benötige ich aus irgendeinem Grund eine Begleitung?“
„Nein.“ Er wirkte fast gekränkt. „Zentar ist ein sehr sicheres Land. Sie können gerne westliche Kleidung tragen, aber nehmen Sie sich vor der Sonne in Acht. Die Sonneneinstrahlung ist oft sehr stark, sodass Sie draußen am besten immer einen Hut und eine Sonnenbrille benutzen. Und bedecken Sie in der Mittagszeit Ihre helle Haut.“
Es verursachte ihr ein seltsames Gefühl, dass ihm so etwas Persönliches wie ihre Haut aufgefallen war. Als würde es ihm etwas bedeuten. Doch das konnte nicht sein.
„Ich denke, Sie werden alles, was Sie für Ihre Arbeit benötigen, im Labor vorfinden, das vollkommen unter Ihrer Leitung steht“, fuhr Tariq fort. „Ich habe bereits sechs hochqualifizierte Mitarbeiter eingestellt.“
„In Ordnung.“ Laurel wollte forschen und sich nicht mit irgendwelchen Mitarbeitern herumschlagen.
„Das Labor befindet sich im selben Gebäude wie unsere staatliche ambulante Klinik, die fünf Tage pro Woche geöffnet ist. Dort ist immer viel los. Und jeder, der mit Hämophilie in die Klinik kommt, wird automatisch zum Testen ins Labor geschickt.“ Begeisterung schwang in seiner Stimme mit. „Im Labor werden auch alle Sonderfälle behandelt, so wie Krebs.“ Da klingelte sein Telefon, und stirnrunzelnd schaute er auf das Display.
„Ich weiß nicht, ob es entsprechende Notizen in Ihren Unterlagen gibt, aber ich bin keine Managerin“, erklärte Laurel. „Das ist ein Grund, weshalb ich mich für die Forschung entschieden habe. Ich bin nicht gut darin, Anweisungen zu erteilen.“
Tariq hob die Brauen. „Es fällt mir schwer, das zu glauben. Bisher hatten Sie nicht die geringsten Schwierigkeiten, mir deutlich zu verstehen zu geben, was Sie mögen und was nicht.“
Sie beugte sich vor. „Aber selbst Sie müssen doch zugeben, dass hier eine außergewöhnliche Situation vorliegt. Oder verlangen Sie ständig von irgendwelchen Frauen, Sie zu heiraten?“
„Nein, Sie sind die Erste. Ich denke, Sie werden mit dem Labor gut zurechtkommen.“ Damit richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf sein Telefon.
„Ich möchte nicht den Leuten sagen müssen, was sie tun sollen.“ Mit diesem Teil ihrer Persönlichkeit hatte Laurel immer zu kämpfen.
„Eigentlich dürfte das kein Problem sein. Ich habe professionelle Mitarbeiter eingestellt, die sich in ihrem Beruf auskennen. Falls es doch Schwierigkeiten geben sollte, sagen Sie mir Bescheid.“
„Darauf können Sie sich verlassen“, murmelte sie. „Meine Forschung kommt an erster Stelle.“
Jetzt sah Tariq sie wieder an. „Das sollte sie auch.“
„Gibt es sonst noch etwas, was Sie von mir erwarten?“
Sein Blick ruhte einen Moment zu lang auf ihr, und Laurel wurde unbehaglich zumute. Wieder einmal wünschte sie sich, sie könnte seine Gedankengänge erraten.
„Nein, ich erwarte nur von Ihnen, dass Sie das tun, wozu Sie gekommen sind. Mehr nicht.“ Er erhob sich. „Es sind noch sieben Stunden bis zur Landung. Sie dürfen gerne Bad und Schlafzimmer benutzen. Der Steward wird Sie eine Stunde vor unserer Ankunft wecken. Im Schlafzimmer ist ein Fernseher, den Sie ebenfalls gerne nutzen können. Falls es Sie interessiert, unseren Flug zu verfolgen, schalten Sie Kanal drei ein. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich muss mich um eine dringende Angelegenheit kümmern.“ Damit ging er zu einem Büroraum im vorderen Teil des Flugzeugs.
Laurel hatte sich bei diesem Job und der vorgetäuschten Heirat von Anfang nicht wohlgefühlt. Die ganze Situation war vollkommen schräg.
Vielleicht würden eine Dusche und ein bisschen Lektüre ihre Nerven beruhigen. Draußen war es mittlerweile Nacht geworden.
Ihre kleine Reisetasche stand neben dem Badezimmer. Offenbar hatte der Steward sie während des Dinners dorthin gebracht. Nach einer heißen Dusche in dem geräumigen Bad zog Laurel sich wieder an, ehe sie zum Schlafzimmer hinüberging.
Erst nachdem sie die Tür abgeschlossen hatte, testete sie das Bett wie Goldlöckchen im Märchen, indem sie sich draufsetzte und auf und ab wippte. Es war genauso vornehm wie der Rest des Flugzeugs. Es fühlte sich merkwürdig an, in dem Bett von Prinz Tariq Al Marktum zu schlafen. Wie viele andere Frauen hatten das schon vor ihr getan? Aber das ging sie nichts an. Falls sie bei der Ankunft einen klaren Kopf haben wollte, musste sie sich jetzt ausruhen.
Neugierig darauf, wo genau sie sich gerade befanden, schaltete Laurel den Fernseher an. Zu sehen, dass sie mitten über den Ozean flogen, war allerdings nicht gerade beruhigend. Daher wechselte sie schnell zu einem anderen Kanal. Da jedoch keine der Sendungen sie interessierte, schaltete sie das Gerät wieder aus und schlüpfte unter die Decke. Wo der Prinz schlafen wollte, wusste sie nicht.
Mit der Hand fuhr sie über den glatten, weichen Stoff. Wie wäre es wohl, immer in einer so luxuriösen Umgebung zu schlafen? Mit Tariq? Sie erschrak. Wo war dieser seltsame Gedanke plötzlich hergekommen?
Laurel fuhr aus dem Schlaf hoch, als ein Klopfen an der Tür ertönte und der Steward ankündigte, dass es an der Zeit sei aufzustehen. Sie schlüpfte in einen blauen Hosenanzug und ein hellrosa Strick-Top in der Hoffnung, damit einen selbstbewussten und professionellen Eindruck zu machen. Flache blaue Schuhe vervollständigten ihr Outfit. Denn Selbstbewusstsein hatte sie dringend nötig, um den bevorstehenden Tag zu bewältigen.
Nervös rieb sie ihre Hände über das Jackett. So etwas zu ihrer Hochzeit zu tragen, war nicht gerade das, was sie sich erträumt hatte. Aber es handelte sich ja schließlich nicht um eine echte Hochzeit. Also spielte es auch keine große Rolle.
Tariq saß bereits am Esstisch, einen Teller mit Rührei vor sich. Der Duft nach starkem Kaffee erfüllte den Raum.
Unvermittelt hielt Laurel inne.
Tariq trug keinen westlichen Geschäftsanzug mehr, sondern war stattdessen mit einem weißen Gewand sowie einer langen, minzgrünen Weste mit einem breiten dekorativen Flechtband bekleidet, das die offene Vorderseite umsäumte. Den Bart hatte er am Hals und den Wangen akkurat gestutzt, was seine markanten Gesichtszüge noch zusätzlich betonte. Von Kopf bis Fuß sah er aus wie ein Wüstenprinz, und unvermittelt durchzuckten Laurel bisher völlig unbekannte Empfindungen.
Entschlossen ignorierte sie die plötzliche Hitze, die sie durchströmte, und sagte: „Guten Morgen.“
„Setzen Sie sich zu mir.“ Der Klang seiner Stimme schien über ihre Nerven zu streichen wie ein Geigenbogen über eine Saite. Wie üblich war seine Bitte eher eine Aufforderung als eine Einladung.
Seine männliche Ausstrahlung übte eine solch intensive Wirkung auf Laurel aus, dass ihre Hände leicht bebten. Schnell nahm sie ihm gegenüber Platz und legte sich die Serviette auf den Schoß. Diese eigenartigen körperlichen Reaktionen auf Tariq mussten unbedingt aufhören.
Der Steward trat an den Tisch.
„Was möchten Sie frühstücken?“, erkundigte sich Tariq.
Laurel sah den Steward an. „Toast und Tee wäre schön.“
„Ich fürchte, Sie werden heute mehr benötigen als das“, bemerkte Tariq, der weiterhin die Unterlagen betrachtete, die vor ihm lagen. „Noch ein paar Eier dazu.“
Der Steward nickte und ging davon.
„Mir ist nicht klar, wieso Sie mich für intelligent genug halten, Ihr Labor zu leiten, wenn Sie der Meinung sind, dass ich nicht imstande bin, selbst zu wissen, was ich bestellen möchte“, erklärte Laurel.
Mit hochgezogenen Brauen sah Tariq sie an und nickte dann. „Verzeihen Sie. Es wird nicht wieder vorkommen.“
„Was? Ich bekomme ausnahmsweise wirklich mal das, was ich will?“ In der kurzen Zeit, die sie ihn kannte, war jede Meinungsverschiedenheit zu seinen Gunsten ausgegangen.
Ein belustigtes Glitzern lag in seinen Augen. „Es scheint wohl so. Ich nehme an, Sie haben gut geschlafen?“
„Das habe ich.“ Sie lächelte.
„Sehr gut.“ Er schob ein Papier zur Seite und zog ein anderes darunter hervor. „Ich möchte gerne den heutigen Tagesplan mit Ihnen durchgehen.“
Sie war noch nicht einmal ausgestiegen, und er wollte bereits ihren Tag verplanen? Laurel fragte sich, ob er ständig über ihre Zeit bestimmen würde. Wann sollte sie dann ihre Forschung durchführen?
„Wir kommen am Vormittag in Zentar an. Vom Flughafen aus fahren wir direkt zum Palast, wo eine kleine Zeremonie stattfindet. Ein paar meiner Familienangehörigen werden dabei sein“, erklärte Tariq. „Danach besuchen wir das Labor und kehren von dort wieder in den Palast zurück. Am späten Nachmittag habe ich noch ein wichtiges Meeting.“
Heiraten und dann gleich weglaufen. Das war nicht viel anders als das, was Larry ihr angetan hatte. Er hatte bekommen, was er wollte, und war dann verschwunden. Sie war sich bewusst, dass der Prinz sie manipulierte. Aber wenigstens erhielt sie als Gegenleistung die Chance, ihre Forschung fortzusetzen. Dafür hätte sie alles gegeben.
„Laurel, hören Sie mir zu?“ Sein Ton klang verärgert. Offenbar war Tariq es nicht gewohnt, sich zu wiederholen.
Sie sah ihn an.
„Danach können Sie selbst über Ihre Zeit verfügen. Nehmen Sie den Rat eines erfahrenen Reisenden an, dass Sie sich Ruhe gönnen sollten. Denn Jetlag gibt es tatsächlich.“ Er ließ das Papier sinken.
„Ich werde sicherlich gut zurechtkommen.“ Sie hatte es satt, von ihm alles vorgeschrieben zu bekommen. „Ich möchte so bald wie möglich mit der Arbeit im Labor anfangen.“
Wie immer zeigten sich in seinen Augen keine Emotionen. „Das ist Ihre Entscheidung, aber ich fürchte, Sie werden es bereuen. Vor übermorgen müssen Sie dort nicht erscheinen.“
„Ich werde gleich morgen früh dort sein. Ich stand in meiner Forschung kurz vor einem Durchbruch und will schnellstmöglich weitermachen.“
„Wie Sie wünschen.“ Tariq wandte sich wieder seinen Unterlagen zu.
Gleich darauf wurde ihr Frühstück serviert, und während sie aß, ging er weiterhin seine Papiere durch. Gelegentlich machte er sich eine Notiz oder warf einen Blick auf sein Handy. Als Laurel schließlich ihr Besteck hinlegte, fing sie seinen Blick auf, und Röte stieg ihr in die Wangen. Obwohl sie zunächst nur wenig Appetit gehabt hatte, hatte sie alles komplett aufgegessen. Dass Tariq diesbezüglich recht behalten hatte, ärgerte sie.
Er stand auf. „Kommen Sie und genießen Sie Ihren ersten Blick auf Zentar.“ Er zeigte auf das Fenster, aus dem sie gestern hinausgeschaut hatte.
Neugierig ging Laurel zu dem Ledersitz und umklammerte wieder die Armlehne, ehe sie sich zögernd zum Fenster hinüberbeugte.
„Wie ich sehe, haben Sie Ihre Furcht noch nicht überwunden.“ Zu ihrem Erstaunen lag ein mitfühlender Unterton in Tariqs Stimme.
„Nein. Und ich bezweifle, dass dies jemals der Fall sein wird.“ Sie hatte so viele Ängste. Aber diese Reise war ein großer Schritt, um diese Ängste zu besiegen. Im Grunde war sie stolz darauf, den Mut aufgebracht zu haben, nach Zentar zu fahren.
„Ich verspreche Ihnen, die Aussicht lohnt sich“, versuchte er sie zu überzeugen.
Laurel wappnete sich und lehnte den Kopf an den Rand des Fensters. Unter ihnen lag das dunkelblaue Arabische Meer.
„Sehen Sie den kleinen weißen Fleck dort in der Ferne? Das ist Zentar.“
Erschrocken fuhr sie zusammen, denn Tariqs Kopf war plötzlich ganz nah neben ihr. Viel zu nah. Ihr Mund war dicht vor seinem Gesicht, und sein zitrusartiges Aftershave stieg ihr in die Nase. Mit einer Hand stützte er sich an die Kabinenwand und stand über Laurel gebeugt, während sie gemeinsam aus demselben Fenster blickten.
Sie wusste nicht, was ihr den größeren Schwindel verursachte – Tariqs Nähe oder das Gefühl, wie das Flugzeug über das Meer auf das kleine helle Juwel vor ihnen zusteuerte. Sie spürte Tariqs Atem in ihrem Haar. Eindeutig viel zu nah.
„Sie müssen lernen, nicht jedes Mal zusammenzuzucken, wenn ich in Ihrer Nähe bin oder Sie berühre. Sonst denken meine Leute noch, dass Sie mich nicht mögen. Das wäre nicht gut“, meinte er.
„Vielleicht sollten Sie dann ein bisschen Abstand zwischen uns wahren, damit es keiner merkt.“
„Ich weiß nicht, ob das möglich ist.“
Hatten seine Lippen etwa gerade ihr Haar berührt? Laurel zwang sich dazu, sich auf den Blick aus dem Fenster zu konzentrieren. Allmählich wurde Zentar größer und zeigte sich als weißgelbe Fläche, die von hier und da verstreuten grünen Stellen unterbrochen wurde. Da kippte das Flugzeug auf einmal nach rechts. Laurel schnappte entsetzt nach Luft und packte ihren Sitz mit beiden Händen.
Sanft legte Tariq eine Hand auf ihre Schulter. „Es ist alles in Ordnung. Wir schwenken nur gerade in die Einflugschneise ein.“
Seine Stimme und die leichte Berührung beruhigten sie. „Ich wette, für den Piloten war das ein wesentlich größerer Spaß als für mich.“
Er lachte. „Beim nächsten Mal werde ich ihn ermahnen, keine ganz so dramatischen Wendemanöver durchzuführen, wenn Sie mit an Bord sind.“
Wieder schaute Laurel aus dem Fenster, fasziniert von dem Land, das sich unter ihnen erstreckte. Jetzt konnte sie auch Gebäude erkennen. Einige waren in einem hellen Rosa gehalten, andere wiederum in Gelb oder Blau. Auf dem Gipfel einer Anhöhe im Norden lag eine funkelnde Ansammlung von Gebäuden, die alle anderen überragte.
„Dort hinten am Horizont, das ist der Palast. Schön, nicht wahr?“
Allerdings. Sehr schön sogar. Wie wäre es wohl, wenn ein Mann wie Tariq so voller Stolz und Liebe über sie sprechen würde? Rasch unterdrückte Laurel diesen völlig unangebrachten Gedanken. Und dann ertönte ein deutliches Signal in der Kabine.
Tariq setzte sich auf den gegenüberliegenden Sitz. „Wir werden gleich landen. Sie müssen sich anschnallen.“
Fröstelnd lehnte Laurel sich zurück. Ohne Tariqs Nähe schien es plötzlich kalt zu sein. Sie brauchte einen Moment, bis sie den Sicherheitsgurt befestigt hatte.
Während das Flugzeug mit dem Landeanflug begann, krampfte Laurel die Hände zusammen, schloss die Augen und presste den Kopf gegen die Kopfstütze. Das Landen gefiel ihr genauso wenig wie das Starten.
„Es ist schmerzlich, Ihnen zuzusehen. Sie müssen damit aufhören. Denn am liebsten würde ich Sie in die Arme nehmen und festhalten.“
Sie riss die Augen auf und begegnete dem eindringlichen Blick des Prinzen.
„Schon besser“, sagte er aufmunternd. „Zumindest habe ich Sie damit aus Ihrem Elend herausgeholt.“
Er hatte es also nur gesagt, um ihr zu helfen? Komisch, dass sie darüber enttäuscht war. Angespannt antwortete Laurel: „Machen Sie sich bitte nicht lustig über mich.“
„Das würde ich nie tun. Ich finde es sehr mutig von Ihnen, alles, was Sie kennen, hinter sich zu lassen, und bei Ihrem ersten Flug gleich einmal um die halbe Welt zu reisen, obwohl Sie keine Erfahrung darin haben.“
Sie hatte sich selbst nie als mutig betrachtet. Als Kind war sie immer ängstlich gewesen. Sich hinter ihren Büchern zu verstecken, war für sie die einzige Möglichkeit gewesen, den Spott ihrer Mitschüler zu ertragen. Sie hatte sich nur dann gut gefühlt, wenn sie gute Noten bekam. Was ihre Mitschüler dann auch wiederum gegen sie verwendet hatten.
Im College war es ihr nicht besser ergangen. Nachdem Larry sie abserviert hatte, hörte Laurel zufällig, wie einige seiner Kumpel sich über das Superhirn lustig machten, mit dem er ins Bett gegangen war, um eine Wette zu gewinnen. Anstatt sie damit zu konfrontieren und ihnen zu sagen, dass sie auch ein Mensch mit Gefühlen war, hatte Laurel sich nur still zurückgezogen. Danach hatte sie sich geschworen, nie wieder einem Kerl zu vertrauen. Doch nun war sie von einem Mann abhängig, den sie weder wirklich kannte noch vertrauen konnte. Dieses Mal würde sie besser auf ihr Herz aufpassen.
Selbst nach ihrer Approbation als Ärztin hatte Laurel sich nicht weiter als zwei Autostunden von ihrer Heimstadt entfernt. Nach Chicago zu ziehen, war für sie ein großes Unterfangen gewesen. Sie hatte es nur wegen ihres glühenden Wunsches geschafft, ihre Suche nach einem Heilmittel für Hämophilie fortzusetzen. Der Flug nach Zentar hatte also vermutlich weniger mit Mut zu tun als vielmehr mit der Notwendigkeit, Zugang zu einem Labor zu bekommen. Die Forschung war ihr Antriebsmotor. Zwar besaß sie durchaus einige positive Eigenschaften, aber Mut gehörte sicher nicht dazu.
Als Sekunden später das Fahrgestell mit quietschenden Bremsen auf dem Asphalt aufsetzte, versteifte Laurel sich erneut vor lauter Anspannung. Tariq legte seine Hand auf ihre und hielt ihren Blick fest, wobei erneut plötzliche Hitze sie durchzuckte.
Dann rollte das Flugzeug langsam und ruhig aus. Sie waren sicher wieder auf dem Erdboden gelandet, und Tariq zog seine Hand zurück. Er löste seinen Gurt, stand auf und ging wortlos zum hinteren Teil des Flugzeugs.
Durch das Fenster bemerkte Laurel den Hitzedunst über dem Asphalt und das niedrige hellbraune Flughafengebäude. Auf der Flagge, die darüber wehte, war dasselbe Emblem zu sehen wie auf den Flugzeugsitzen. Jenseits des Flughafens erblickte man zahllose weitere Gebäude, jedoch keines höher als zwei Stockwerke. In der Ferne stand der weitläufige Palast, der wie eine Perle im Sonnenlicht glänzte. Der Ort, der für die nächste Zeit Laurels Zuhause sein würde. Das war auf jeden Fall eine Nummer zu groß für sie. Sich hier einzufügen, würde noch schwerer sein als damals in ihrer Schulzeit.
Der zischende Luftzug, als der Steward die Außentür öffnete, brachte Laurel unvermittelt in die Gegenwart zurück. Hastig löste auch sie ihren Gurt.
Als Tariq wieder erschien, trug er eine weiße Kopfbedeckung mit einer goldfarbenen Schnur, die ihm über die Schultern fiel. Wie gebannt sah Laurel ihn an. So attraktiv er auch in westlicher Kleidung war, durch das Gewand des Prinzen dieser Insel wirkte er noch viel faszinierender.
„Wenn ich nach einer offiziellen Staatsreise wieder nach Hause komme, wird von mir erwartet, dass ich wie ein Mitglied der Königsfamilie aussehe“, erklärte er. „Auf diese Weise erinnert der König unsere Bevölkerung daran, dass wir unsere Traditionen respektieren. Als Gesundheitsminister muss ich mich meiner Position entsprechend verhalten.“
„Das verstehe ich. Ich habe nur nicht damit gerechnet …“ Verlegen brach sie ab. Sie konnte ja schlecht zugeben, wie sehr er ihr mit seiner Erscheinung aus Tausendundeiner Nacht, seinem Charme und dem eindrucksvollen Lebensstil den Atem raubte.
„Womit?“ Forschend schaute er sie an.
„Na ja … Ich weiß nicht. Ich bin wohl einfach davon ausgegangen, dass Sie immer westliche Kleidung tragen.“
„Meistens ist dies auch der Fall, aber es werden Reporter da sein. Deshalb muss ich meiner Rolle gemäß auftreten.“
„Ich verstehe.“ Für ihn war das Gewand so etwas wie der Laborkittel für Laurel. Sozusagen die Status-Uniform.