Julia Ärzte zum Verlieben Band 152 - Louisa Heaton - E-Book

Julia Ärzte zum Verlieben Band 152 E-Book

Louisa Heaton

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Beschreibung

KEINER KÜSST WIE DR. MORGAN von JANICE LYNN Noch nie hat Krankenschwester Taylor sich so begehrt gefühlt wie von Sonnyboy Dr. Jack Morgan. Mit ihm auf einem Open-Air-Festival zu arbeiten, ist ein Abenteuer. Doch Taylor weiß: Ein Arzt bricht ihr kein zweites Mal das Herz – doch dann macht sie einen fatalen Fehler … NUR EINE AFFÄRE MIT DEM MILLIARDÄR? von CHARLOTTE HAWKES Ärztin Saskia will endlich etwas Verrücktes tun! Und das Liebeswochenende mit Milliardär Malachi Gunn entpuppt sich tatsächlich als die sinnlichste Erfahrung ihres Lebens. Doch dann muss sie feststellen, dass sie ein Kind von ihm erwartet. Dabei kennt sie ihn kaum! DER ARZT, DER NICHT LIEBEN WOLLTE von LOUISA HEATON Lane hat die Stelle bei Dr. Cole Branagh nur angetreten, um ihm zu sagen, dass er eine kleine Tochter hat. Eigentlich sollte sie den Mann, der ihre verstorbene Freundin sitzen gelassen hat, hassen. Doch ihr neuer Boss ist ganz anders, als sie erwartet hat …

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Seitenzahl: 600

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Janice Lynn, Charlotte Hawkes, Louisa Heaton

JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN BAND 152

IMPRESSUM

JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN, Band 152 05/2021

© 2019 by Janice Lynn Originaltitel: „A Nurse to Tame the ER Doc“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MEDICAL ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Michaela Rabe

© 2020 by Charlotte Hawkes Originaltitel: „Surprise Baby for the Billionaire“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MEDICAL ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Claudia Weinmann

© 2020 by Louisa Heaton Originaltitel: „Healed by His Secret Baby“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MEDICAL ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Karin Klas

Abbildungen: mauritius images/Wavebreakmedia, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751501590

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

JANICE LYNN

Keiner küsst wie Dr. Morgan

Nach einem harten Verlust gibt es für Dr. Jack Morgan nur eins: als Notarzt auf Musikfestivals junge Menschen retten. Dafür zieht er von Konzert zu Konzert. Daran wird auch die hinreißende Krankenschwester Taylor nichts ändern, mit der er dieses Mal zusammenarbeitet. Doch warum wecken die Küsse der aufregenden Blondine plötzlich ein vollkommen neues Verlangen in ihm?

CHARLOTTE HAWKES

Nur eine Affäre mit dem Milliardär?

Milliardär Malachi Gunn kann die schöne Kinderärztin Saskia nicht vergessen. Zu einzigartig war das sinnliche Wochenende, das er mit ihr verbracht hat. Außerdem imponiert dem Womanizer ihr unermüdlicher Einsatz für ihre kleinen Schützlinge. Doch irgendwie wird er das Gefühl nicht los, dass sie etwas vor ihm verbirgt …

LOUISA HEATON

Der Arzt, der nicht lieben wollte

Vom ersten Moment an fühlt Dr. Cole Branagh sich zu seiner neuen Mitarbeiterin Lane hingezogen. Ihr Charme ist nicht nur für seine Arztpraxis eine Bereicherung, der attraktive Arzt spürt auch, dass es zwischen ihm und der bezaubernden Lane heftig knistert. Doch dann macht sie ihm ein Geständnis, und nichts ist mehr, wie es vorher war …

Keiner küsst wie Dr. Morgan

1. KAPITEL

O ja! Schwester Taylor Hall genoss das lustvolle Prickeln, während ihr Blick im Sanitätszelt des Rockin’-Tyme-Musikfestivals auf den hochgewachsenen Mann in marineblauen Shorts und dem T-Shirt mit dem Aufdruck „Medical Staff“ fiel. Was ihn als zugehörig zum medizinischen Personal auswies.

Ja. Ja. Ja!

Ihr Körper hatte einen Mann bemerkt. Sie war nicht innerlich abgestorben, wie sie gedacht hatte. Ihr Ex hatte es doch nicht geschafft, dass sie nichts mehr empfand.

Als spürte der heiße Typ da drüben, dass ihn jemand beobachtete, hob er den Kopf, ihre Blicke trafen sich, und Taylor sah in leuchtend blaue Augen. So intensiv blau, dass sie im ersten Moment dachte, er würde farbige Kontaktlinsen tragen.

Wow. Einfach wow.

Taylor wurde heiß.

Verrückt, wie euphorisch sie auf einfache körperliche Anziehung reagierte! Aber war es nicht ein Zeichen, dass es ihr endlich besser ging? Dass sie sich nicht mehr durchs Leben schleppte wie die niedergedrückte, mutlose Frau, die sie bei ihrer Scheidung vor einem Jahr gewesen war?

Natürlich hatte sie Fortschritte gemacht. Sie war stark und unabhängig, sie brauchte keinen Mann, der ihr die Hand hielt. Niemand anders als sie selbst bestimmte ihre Zukunft.

Auch das Vorstellungsgespräch vorhin bewies, dass sie die Vergangenheit hinter sich gelassen und ihr Leben in die Hand genommen hatte.

Neugierig betrachtete sie den Mann, der ihre Weiblichkeit aus dem Dornröschenschlaf geweckt hatte. Er war nicht der schönste Mann, den sie je gesehen hatte. Verglichen mit ihrem Ex jedenfalls nicht, den man auf den ersten Blick für einen Hollywoodstar halten konnte. Dennoch hatte dieser Mann etwas, das sie magisch anzog.

Braun gebrannt, mit schulterlangem, von sonnengebleichten Strähnchen durchzogenem braunem Haar, das von einem Gummiband zusammengehalten wurde, wirkte er wie jemand, der sich oft und gern an der frischen Luft aufhielt. Ein Mann, der sich um sein Äußeres nicht scherte, aber von Natur aus gut aussah. Freundliches Gesicht, strahlende Augen, ein umwerfendes Lächeln und dazu ein hinreißender Körper. Wenn Taylor richtig vermutete, hatte sie einen von Amys Freunden vor sich.

Ihre beste Freundin hatte Taylors Ex-Mann nie ausstehen können.

Amy war sich sicher gewesen, dass Taylor Dr. Jackson Morgan erkennen würde, sobald sie ihn vor sich sah.

Taylor lächelte ihm zu. Würde er sie für irre halten, falls sie sich bei ihm bedankte?

Im selben Moment legte er sein Klemmbrett auf dem Tisch neben ihm ab und kam auf sie zu. Konnte er Gedanken lesen, würde er gleich sagen: Gern geschehen …?

Ha, dann falle ich ihm um den Hals!

Sie unterdrückte ein Lächeln. Nur weil ihr Körper sich plötzlich erinnert hatte, dass er weiblich war, musste sie noch lange nicht darauf reagieren. Nach den bitteren Erfahrungen mit Neil hatte sie sich vorgenommen, um Männer in Zukunft einen großen Bogen zu machen. Natürlich wusste sie, dass nicht alle wie Neil waren. Trotzdem war sie auf der Hut.

Männer waren den Ärger nicht wert, den sie verursachten.

Früher hatte sie geglaubt, dass sie einen Mann brauchte. Das letzte Jahr hatte sie jedoch gelehrt, dass sie ohne besser dran war.

Viel besser!

„Taylor, stimmt’s?“ Er grinste jungenhaft, und die feinen Lachfältchen an seinen Augenwinkeln verliehen ihm zusätzlichen Charme.

Tolles Lächeln, dachte sie, während sie bestätigend nickte. Aufrichtig, nicht berechnend. Ein Lächeln, das auch in seinen ausdrucksstarken Augen leuchtete.

„Halte mich bitte nicht für einen Stalker.“ Er lachte leise. „Amy Sellars hat mir gesagt, dass ich nach dir Ausschau halten soll.“

Wieder verspürte sie die Enttäuschung, dass Amy nicht hier sein konnte. Sicher war es nicht ihre Schuld, dass ihre Großmutter sich die Hüfte gebrochen hatte, aber Taylor hatte sich so sehr darauf gefreut, ihre beste Freundin wiederzusehen. Zwar war Amy im letzten Sommer sofort nach Louisville gekommen, um ihr während der Scheidung beizustehen. Doch diese Zeit, in der Taylor praktisch nur geheult hatte, schien eine Ewigkeit her zu sein.

Anfangs hatte sie um verlorene Träume geweint, dann waren es Freudentränen, weil sie Neil mit seiner Eifersucht, seinen Gewaltausbrüchen entkommen war.

„Bei Amy steht ein Foto von euch beiden auf dem Kamin“, fuhr ihr Gegenüber fort. „Ich habe dich sofort erkannt.“

Taylor wusste, welches Bild er meinte. Ein gerahmter Abzug davon hing in der kleinen Einzimmerwohnung, die sie nach ihrem Auszug aus Neils pompöser Villa gemietet hatte. Das Foto zeigte Amy und sie bei ihrer Examensfeier nach der Krankenpflegeausbildung. Strahlend und voller Vorfreude auf die Zukunft lächelten sie in die Kamera.

Seit Jahren versuchte Amy, Taylor als Helferin auf dem jährlichen Musikfestival zu gewinnen, und nun, da sie es endlich geschafft hatte, war sie selbst nicht einmal in der Stadt.

Am meisten hatte Taylor die Gelegenheit gereizt, viel Zeit mit ihrer Freundin zu verbringen, aber auch das großzügige Honorar für die drei Zwölfstundenschichten, zu denen sie sich verpflichtete, war nicht zu verachten.

Außerdem würde sie, wenn alles nach Plan verlief, bald öfter Gelegenheit haben, sich mit Amy zu treffen. Diese hatte sie schon im letzten Jahr zu einem Umzug in ihre Nähe bewegen wollen, doch Taylor wollte erst sicher auf beiden Beinen stehen. Obwohl es leichter gewesen wäre, Amy das Kommando zu überlassen und ihr einfach zu folgen.

So wie Taylor es ihr Leben lang gehalten hatte.

Sie tat, was von ihr erwartet wurde. Erst bei ihren Eltern, später bei Neil. Nie hatte sie die Grenzen, die man ihr setzte, überschritten. Fast fünfundzwanzig Jahre lang.

Bis sie Neil verließ und die Scheidung beantragte.

Ihr Leben war eine einzige Baustelle, aber sie mochte die Frau, die sich langsam aus den Trümmern ihrer bisherigen Existenz hervorkämpfte. Es war nicht einfach, und trotzdem lächelte sie sich manchmal morgens im Spiegel zu.

„Amy war ganz aus dem Häuschen, weil Sie bei diesem Festival mitarbeiten wollen.“

Taylor richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Mann, der sie aufmerksam betrachtete. Der Mann, der bei Amy zu Hause gewesen war.

Standen sich die beiden näher? Amy hatte zwar von dem Kerl in den höchsten Tönen geschwärmt, aber nichts erwähnt.

Der streckte nun die Hand aus. „Jackson Morgan.“

Er hatte sich ohne seinen Doktortitel vorgestellt, etwas, das ihr Ex niemals tun würde. Es gefiel ihr.

„Freut mich, dich kennenzulernen, Jackson.“ Taylor erwiderte sein Lächeln und schüttelte ihm die Hand. Sein Händedruck war warm und kräftig, und gleich bei der ersten Berührung schoss ein elektrisierendes Prickeln durch ihren Arm.

Obwohl sie Männern abgeschworen hatte, musste sie zugeben, dass der Typ heiß war.

„Meine Freunde nennen mich Jack“, sagte er, als sie ihre Hand zurückzog.

„Okay, Jack … Du bist also der brillante Notfallarzt, mit dem Amy jedes Jahr beim Rockin’ Tyme zusammenarbeitet?“

„Wie ich sehe, eilt mir mein Ruf bereits voraus.“ Seine Augen blitzten übermütig.

Taylor versuchte, sich zu erinnern, was genau Amy über ihn gesagt hatte. Sie lobte ihn auf eine Art, dass Taylor dachte, sie wollte sie mit ihm verkuppeln. Dabei hatte sie sich auf ihre beste Freundin gefreut, nicht darauf, einen Mann zu treffen.

Jetzt fielen ihr auch Amys Worte wieder ein.

Gut aussehend, humorvoll … Ich kann es kaum erwarten, dass du ihn kennenlernst. Der wird dir gefallen. Er ist einfach toll.

„Und kein schlechter“, gab sie lächelnd zu.

„Gut zu wissen, dass sie mich nicht in die Pfanne haut.“ Er sah zum Sanitätszelt hinüber. „Sie wird mir fehlen. Tut mir leid, was mit ihrer Großmutter passiert ist.“

„Damit sind wir schon zwei. Sie hat mich überredet, hier mitzumachen, und jetzt ist sie nicht da.“ Taylor folgte seinem Blick und holte tief Luft. „Ich frage mich, worauf ich mich eingelassen habe.“

„Keine Sorge, ich musste Amy versprechen, dass ich gut auf dich aufpasse.“

„Tatsächlich?“

Jack lächelte. „Mindestens ein Dutzend Mal – allein heute Morgen.“

Ja, Amy behielt sie immer im Auge. Hätte ich nur früher auf sie gehört … „Siehst du sie oft?“

„Mehrmals in der Woche.“ Er wirkte leicht überrascht, dass sie fragte. „Am Warrenville Hospital hat es mir so gut gefallen, dass ich vor zwei Monaten wieder einen Vertretungsjob übernommen habe, für einen Kollegen, der sich eine lange Auszeit nimmt.“

„Ach so.“ Hatte ihre kecke Freundin seine Entscheidung beeinflusst? Taylor freute sich für Amy. Aber warum hatte sie ihr nichts von ihrer Beziehung erzählt?

Allerdings musste sie zugeben, dass sie selbst jahrelang gute Miene zum bösen Spiel gemacht hatte, damit Amy nicht die Wahrheit über ihre Ehe herausfand.

„Hast du die anderen schon kennengelernt?“, fragte Jack.

Sie schüttelte den Kopf. „Kennt ihr euch alle?“

„Bis auf wenige Ausnahmen, ja. Es sind immer ein paar Neue dabei, doch die meisten kommen jedes Jahr wieder her. Das ist Tradition. Viele arbeiten in der Nähe, aber manche reisen auch durch die Gegend, um hier und da einzuspringen. Eine nette Truppe. Es wird dir gefallen, mit uns zu arbeiten.“

„Und wie bist du an dieses Festival gekommen?“ Taylor blickte vom Zelt zur „Oase“ hinüber, die einige Hundert Yards entfernt lag. Unechte Palmen steckten in einer riesigen Sandlandschaft mit Planschbecken, wo man sich unter der heißen Julisonne abkühlen konnte.

„Musikfestivals liegen mir im Blut. Meine Großeltern waren Hippies und hatten sich in Woodstock kennengelernt.“ Grinsend formte er mit den Fingern das Peace-Zeichen. „Ich war schon auf Festivals, bevor ich laufen konnte. Meine Eltern dachten, dass ich Musiker werde – oder Vagabund“, fügte er leise lachend hinzu. „Aber ich wollte Arzt werden. Nach dem Studium war ich jedes Jahr bei vielen Konzerten im Einsatz. Ein guter Ausgleich zum normalen Arbeitsalltag. Außerdem gibt es mir das Gefühl, dass ich mich weiterentwickelt habe, seit ich mit Leuten in einem klapprigen Bus durchs Land gefahren bin, nichts als gute Musik und Freiheit im Sinn.“

„Hört sich nach viel Spaß an.“ Taylor konnte sich solche unbeschwerten Trips gar nicht vorstellen. Ihre strengen Eltern waren finanziell kaum über die Runden gekommen, sodass sie sich mit fünfzehn den ersten Job gesucht hatte. Seitdem hatte sie nur gearbeitet. Geld für Reisen war trotzdem nie übrig. Ganz am Anfang ihrer Beziehung zu Neil war sie glücklich und entspannt gewesen. Erst nach der Hochzeit erlebte sie ein böses Erwachen, das sie furchtbare zwei Jahre lang ertrug.

„Es gibt nichts Besseres.“ Jack lächelte. „Komm, ich zeige dir, wie hier der Hase läuft, und stelle dir die anderen vor.“

Taylor war für Donnerstag und Freitag von vier Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags eingeteilt und für eine weitere Zwölfstundenschicht von Sonntag auf Montag.

„Wir haben zur selben Zeit Dienst“, stellte sie fest, als sie auf dem Plan Jacks Namen neben ihrem entdeckte.

„Was kein Zufall ist“, erklärte er lächelnd. „Amy und du wart gleichzeitig mit mir eingeplant. Ich sah keine Veranlassung, das zu ändern, nachdem sie in letzter Minute absagen musste. Wie soll ich mein Versprechen halten, wenn du und ich unterschiedlich Dienst haben?“

„Stimmt.“ Wenigstens hatte sie jemanden mit einem freundlichen Gesicht an ihrer Seite. Jack schien ständig gute Laune zu haben. Schon lange war sie nicht mehr jemandem begegnet, der dermaßen entspannt wirkte. Vielleicht sogar noch nie! „Was machen die anderen in ihren freien Stunden? Schlafen sie eher, oder hören sie sich die Konzerte an?“

„Beides. Die meisten nutzen die Gelegenheit, Musik zu hören. Manche halten sich allerdings auf dem Campingplatz auf oder verlassen die Farm, um die örtlichen Sehenswürdigkeiten zu erkunden.“

„Hast du dich so in diese Gegend verliebt?“

Jack zögerte einen Moment, antwortete dann: „Daran ist Amy nicht ganz unschuldig.“

Wäre sie nicht völlig sicher gewesen, dass zwischen ihrer Freundin und Jack etwas lief, so hatte sie nun die Bestätigung. Taylor unterdrückte die Enttäuschung, sagte sich, dass er als Arzt sowieso nicht infrage kam und sie nicht interessiert war. Außerdem freute sie sich aufrichtig für Amy. Jack war ein sympathischer Mann.

„Ich freue mich für euch.“

Überrascht starrte er sie an. „Ich weiß nicht, was Amy dir erzählt hat …“ Er lachte leise, bevor er fortfuhr: „… aber wir sind befreundet, mehr nicht. Und ich bin sicher, dass sie das genauso sieht.“

Taylor spürte die Hitze, als ihr das Blut in die Wangen schoss. „Oh.“

„Dachtest du, wir wären zusammen?“

Ihr Gesicht brannte, ihre Ohren glühten. Konnte sich bitte die Erde auftun und sie verschlucken? Und zwar jetzt, sofort!

„Du hast erzählt, dass du bei ihr zu Hause warst.“

„Auf einer Party, die sie für Kolleginnen und Kollegen geschmissen hat.“ Seine Augen blitzten. „Nicht annähernd so aufregend wie das, was du dir vorgestellt hast.“

„Dein Pech. Amy ist eine tolle Frau.“

„Da gebe ich dir recht. Amy und mein bester Freund haben sich in den letzten zwei Wochen öfter getroffen. Ich würde mich wirklich freuen, wenn mehr daraus würde.“

Auch diesen besten Freund hatte Amy ihr gegenüber nicht erwähnt. Haben wir uns in den vergangenen Jahren auseinandergelebt? Taylor war so sehr mit ihrer Ehekrise beschäftigt, dass sie für Amy kaum Zeit gehabt hatte. Und trotzdem war ihre beste Freundin immer für sie da gewesen, vor allem zum Schluss, als Taylor sich zur Scheidung entschlossen hatte.

Gewissensbisse plagten sie. Ich werde es in Zukunft besser machen, viel besser, versprach sie stumm. Sie hatte nur das ganze letzte Jahr gebraucht, um sich um sich selbst zu kümmern. Um herauszufinden, wer sie war, wer sie sein wollte.

„Also läuft zwischen euch nichts?“, vergewisserte sie sich noch einmal.

„Nichts außer Freundschaft.“

„Tut mir leid“, entschuldigte sie sich für ihre voreilige Vermutung.

„Mir nicht.“

„Wie bitte?“ Ihre Blicke verfingen sich, und sie hielt unwillkürlich den Atem an. In seinen Augen tanzten Funken wie Sonnenlicht auf einem See.

„Sagen wir mal so …“ Er sah ihr tief in die Augen. „Ich habe mich darauf gefreut, dich kennenzulernen.“

Sofort war das Prickeln wieder da. Das sinnliche Kribbeln, das eine Frau atemlos macht, wenn sie einem besonderen Mann begegnet. Ihr Körper schien sich nicht darum zu scheren, dass Taylor sich nie wieder mit einem Arzt, geschweige denn überhaupt mit Männern einlassen wollte.

Oooh … Vielleicht hätte sie sich doch nicht darüber freuen sollen, dass sie wieder Lust empfinden konnte …

Als Taylor ihn wachsam ansah und spürbar auf Distanz ging, bereute Jack sein Eingeständnis. Wenn er nicht aufpasste, würde sie ihn doch für einen Stalker halten.

Aber Amy hatte ihm so viel von ihrer besten Freundin erzählt, dass Jack es seit Wochen kaum erwarten konnte, sie endlich kennenzulernen.

Nein, länger noch.

Zum ersten Mal war sie ihm aufgefallen, als er das Foto in Amys Wohnung sah. Ihr Lächeln, ihre strahlenden Augen hatten etwas in ihm berührt. Er erinnerte sich noch genau an das Bedauern, nachdem er erfahren hatte, dass sie verheiratet war. Als Amy dann neulich erwähnte, dass ihre geschiedene beste Freundin auch beim Rockin’ Tyme mitarbeiten wollte, war das Gefühl wie damals beim Anblick ihres Fotos sofort wieder da gewesen. Jack war gespannt, ob Amys Freundin ihn in natura genauso faszinieren würde wie auf dem Bild.

Die Antwort lautete ja.

Taylor Hall war eine bezaubernde Frau. Platinblondes Haar, goldbraune Augen, volle Lippen, hinreißende Figur. Jack gestand sich ein, dass sie eine der schönsten Frauen war, die er je gesehen hatte. Und noch immer lag in ihren Augen ein Ausdruck, der ihn ebenso fesselte wie damals.

Sie hatte etwas an sich, das ihn neugierig machte. So, als würde sich wie ein kostbarer Schatz hinter der äußeren eine innere Schönheit verbergen.

Jack stellte sie den anderen vor, die zunächst freundlich, aber dann begeistert reagierten, nachdem er erzählt hatte, dass sie eine Freundin von Amy war.

„Schade, dass sie dieses Jahr nicht dabei sein kann“, sagte einer und schüttelte ihr herzlich die Hand.

„Tut mir leid wegen ihrer Großmutter“, meinte eine Kollegin.

Robert, ein Paramedic, der nicht unmittelbar aus der Gegend kam, streckte ihr grinsend die Hand hin. „Sag mir, dass ich der glücklichste Kerl unter der Sonne bin, weil du Single bist.“

Jack blickte sie an, um zu sehen, wie sie auf die deutliche Anmache reagierte.

Überrascht lachte sie leise auf. „Ja, bin ich.“

Robert blickte theatralisch zum Himmel und machte eine Dankesgeste.

„Aber ich bin nicht auf der Suche nach einer Festivalaffäre, falls du das meinst“, stellte sie klar.

„Jammerschade.“ Robert schenkte ihr ein breites Grinsen. „Wir beide hätten viel Spaß haben können.“

Jack mochte den Sanitäter, aber jetzt hätte er ihn am liebsten erwürgt. „Achte nicht auf Robert. Er verträgt die Sonne nicht und redet dann viel Blech.“

Taylor lachte. „Das erklärt einiges.“

„Außerdem werden bestimmte ‚Bindungen‘ beim medizinischen Personal nicht gern gesehen.“

Robert sah ihn an, als wäre Jack ein zweiter Kopf gewachsen. „Davon habe ich nie was gehört. Jedenfalls nicht hier.“

Liebeleien gab es hier jedes Jahr. Jack selbst hatte im Lauf der Zeit einige interessante Frauen kennengelernt. Aber er wollte nicht, dass Robert sich bei Taylor falsche Hoffnungen machte.

Sie war tabu.

Jack stellte sich vor, wie er sich als Nächstes auf die Brust trommelte – wie ein Gorillamännchen! Er schüttelte den Kopf, lachte kurz und sagte dann: „Okay, Casanova, sei brav, damit ich ihr Duffy vorstellen kann.“

Mit dem Mittfünfziger hatte er schon bei vielen Events zusammengearbeitet, und er schätzte den erfahrenen Krankenpfleger, der Abenteuer fast genauso sehr liebte wie er.

„An Duffy Reynolds kannst du dich wenden, falls du Fragen hast und ich nicht erreichbar bin.“

„Mich kannst du auch fragen“, meldete sich Robert und scherte sich nicht darum, dass Jack ihm einen finsteren Blick zuwarf. „Ich sage dir alles, was du wissen willst – und zeige dir auch gern die Gegend.“

Taylor ignorierte ihn, blickte kurz zu Jack und lächelte Duffy an. „Freut mich, dich kennenzulernen.“

Nachdem Jack ihr den 20-Betten-„Betrieb“ gezeigt hatte, fragte er: „Hast du dir die Bühnen schon angesehen?“

„Nein. Ich habe mich als Erstes im Hauptzelt gemeldet und bin direkt hierhergekommen.“

„Campst du?“

Sie nickte. „Amy und ich wollten zusammen zelten und vielleicht gelegentlich ihre Wohnung nutzen, wenn die Schlange vor den Duschräumen zu lang ist. Jetzt habe ich das Zelt für mich.“

„Lass das Robert nicht hören, sonst bietet er dir an, seins zu teilen.“

Taylor blickte ihn an. „Er hat nur Spaß gemacht.“

„Glaub das nicht“, warnte Jack. „Ein Lächeln genügt, und er wird dir nicht mehr von der Seite weichen in der Hoffnung, sich während des Festivals ein paar nette Stunden mit dir machen zu können. Willst du kein Liebesabenteuer, geh ihm besser aus dem Weg.“

„Verstanden.“

Jack betrachtete sie, wartete, ob sie noch mehr sagen würde. „Ist es das, was du willst, Taylor?“

„Eine Romanze mit Robert?“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich wollte hierher, um Zeit mit meiner besten Freundin zu verbringen, nicht, um mir jemanden fürs Bett zu suchen.“

„Das erleichtert mir meine Aufgabe, auf dich aufzupassen, sehr.“

„Wieso, ist er gefährlich?“

Schuldbewusst, weil er diesen Eindruck erweckt hatte, sagte er schnell: „Nein. Ich will nur sichergehen, dass ich mein Versprechen halten kann. Amy wäre nicht gerade erfreut, wenn ich zuließe, dass dir hier jemand das Herz bricht.“

„Okay.“ Sie musterte ihn, lächelte dann. „Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass du viel gefährlicher bist als Robert?“

Jack lachte auf. Jepp, sie hatte ihn durchschaut.

„Komm, ich zeige dir das Gelände, bevor es zu voll wird. In den nächsten Stunden werden die Leute nur so hereinströmen.“

Taylor war beeindruckt. Das Event war perfekt organisiert. Man hatte drei große und einige kleinere Bühnen aufgebaut. Fünf Tage sollte das Festival dauern, und neben den Stars der Popszene traten mehrere lokale Bands auf, die darauf hofften, groß rauszukommen.

In langen Reihen standen Foodtrucks und andere Imbiss- und Verkaufsstände, sodass ein richtiges Einkaufsdorf entstanden war. Es gab Zelte für Bühnenshows und ein großes für Tanzpartys, das ein bekannter Musik-TV-Sender gesponsert hatte. Und es wimmelte von Menschen. Überall.

„Ich finde, es sind schon ziemlich viele Leute da“, meinte Taylor zu Jack. „Wie viele werden erwartet?“

„An die hunderttausend. Morgen Abend ist hier der Bär los.“

Taylor nickte. Sie hatte junge Leute um die zwanzig erwartet, sah jedoch auch Familien mit zwei, drei kleinen Kindern und sogar Festivalbesucher, die älter als ihre Eltern schienen.

„Meistens werden wir es mit Dehydrierung und den Folgen übermäßigen Alkoholkonsums zu tun haben, aber vor Überraschungen sind wir auch hier nicht sicher.“

Sie wusste, dass die Security die Leute auf Drogen checkte, aber wo ein Wille war, war auch ein Weg. Amy hatte ihr von einigen Patienten erzählt. Unglücklicherweise hatte es sogar Drogentote gegeben, die sich eine Überdosis gespritzt hatten.

„Nach allem, was Amy berichtet hat, werden wir uns nicht langweilen.“

Jack lachte. „Gerade auf Langeweile hoffe ich bei all diesen Veranstaltungen.“

„Ach ja?“

„Wenn wir vor Langeweile Däumchen drehen, heißt das, alle sind gesund und haben ihren Spaß.“

Sie blickte auf die glückliche, ausgelassene Menge. „Dann wünsche ich mir auch Langeweile.“

Als sie allerdings den Mann ansah, der auf dem Weg zum Hauptzelt neben ihr ging und das Festivalprogramm beschrieb, vermutete Taylor, dass Langweile das Letzte war, was ihr in den nächsten Tagen blühte!

2. KAPITEL

Skeptisch betrachtete Taylor Stangen und Zelt und studierte wieder die Aufbauanleitung. Du bist eine hoch qualifizierte Fachkrankenschwester für Intensivmedizin, du kannst allein ein Zelt aufbauen.Kein Problem.

Es war doch ein Problem.

Jedes Mal, wenn sie eine Stange in die vorgesehene Öse steckte, rutschte sie wieder heraus, sobald Taylor versuchte, das andere Ende …

„Brauchst du Hilfe?“

Taylor fuhr zusammen und sah hoch. Sie war drauf und dran, Jack zu sagen, dass sie es allein schaffte. Schließlich brauchte sie keinen Mann, um im Leben zurechtzukommen, oder?

Der gesunde Menschenverstand siegte.

„Ehrlich gesagt, ja. Dies ist die Plane zum Schutz vor Feuchtigkeit. Das Zelt ist ausgebreitet, wie es hier steht …“ Sie deutete auf die Anleitung. „Aber das Ende will nicht in dem Schlaufendings bleiben, wenn ich die andere Seite einhängen will.“

Jacks Mundwinkel zuckten. „Schlaufendings?“

Bevor sie antworten konnte, bückte er sich und hatte mit ein paar Handgriffen die Sache erledigt.

„Aha …“ Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Bei dir sah das leicht aus.“

„Hängt davon ab, wie man die Stange packt.“

Taylor wurde rot und befahl ihrer Fantasie, sich zu benehmen. „Ja, also …“ Verlegen wischte sie sich die Hände an den Shorts ab. „Danke für die Hilfe.“

„Jederzeit gern.“

Er grinste übermütig. „Kann ich für dich noch irgendwo Hand anlegen?“

„Tut mir leid, dass ich dich mit so etwas belästigt habe.“ Eine starke unabhängige Frau sollte sich ihr Zelt allein aufbauen können, oder?

„Keine Ursache. Ich war sowieso auf dem Weg zu meinem Zelt, um etwas zu trinken zu holen.“

„Deinem Zelt?“

Er zeigte auf das neben ihrem.

Ernsthaft, jetzt? Okay, der Park- und Campingplatz fürs medizinische Personal hinter dem Sanitätszelt war nicht riesig. Also nicht unwahrscheinlich, dass ihre Zelte zufällig nebeneinanderstanden.

Diesmal gewann ihr Bedürfnis nach Unabhängigkeit. „Ich versuche es noch mal allein“, sagte sie lächelnd. „Aber du kannst gern in ein paar Minuten nachsehen, ob ich nicht verzweifelt bin.“

„Mit dem größten Vergnügen.“ In seinen Augen lag ein Ausdruck, den sie nur als glücklich bezeichnen konnte. Unglaublich, was für eine positive Ausstrahlung dieser Mann hatte!

Während sie nicht genauer darüber nachzudenken versuchte, dass Jack jeden Laut hörte, ob sie nun hustete oder nieste oder im Schlaf andere Geräusche von sich gab, zog Taylor die Luftmatratze aus der Hülle und legte sie ins Zelt. Sie drückte den Knopf für die batteriebetriebene Pumpe und beobachtete erleichtert, wie sich die Matratze selbsttätig aufblies. Minuten später hatte sie ihr Bett gemacht und ihre Tasche danebengestellt. Da das Zelt groß genug für zwei Matratzen war, hatte sie viel Platz.

„Alles okay?“, fragte Jack, als sie nach draußen kroch.

„Bis jetzt ja.“

Eine Wasserflasche in der einen und einen Energieriegel in der anderen Hand, saß er in einem Faltstuhl vor seinem Zelt. „Du weißt schon, dass es mich umbringt, nicht helfen zu dürfen, oder?“

„Beschützersyndrom?“

„Momma hat mir das Mach-dich-nützlich-Syndrom beigebracht“, meinte er achselzuckend.

Taylor lachte. „Na gut, du kannst mir helfen.“

Sofort stand er auf und stellte die Flasche auf den kleinen Tisch, der sehr viel stabiler aussah als das Exemplar, das Taylor gerade aus ihrem Auto geholt hatte.

„Anweisungen befolgen kann ich gut.“

Verwundert sah sie ihn an. „Ein Mann, der gern Anweisungen befolgt? Ich dachte, das ist Einhörnern und guten Feen vorbehalten?“

Jack zwinkerte ihr zu. „Dein Wunsch ist mir Befehl. Probier’s aus.“

Taylor musste ihrer Fantasie schon wieder auf die Finger hauen. „Okay, ich möchte das Vorzelt aufbauen. Amy meinte, ich brauche es, um mein Schlafzelt zu beschatten.“

„Richtig. Sonst wird es da drin höllenheiß.“

Sie zog das Vorzelt hervor, das ihre Freundin zusammen mit allen anderen Campingutensilien in ihrem Wohnzimmer für Taylor gestapelt hatte. „Mal sehen, wie das geht.“

Das Vordach war schneller errichtet, und nicht nur, weil Jack mithalf.

Oder vielleicht doch. Auf jeden Fall machte es mehr Spaß.

„Was jetzt, Ma’am?“

„Den Tisch?“

Jack klappte den Tisch auf und stellte ihn ans Vorzelt. Unterdessen nahm sie eine von zwei verbliebenen Planen aus Amys Tasche.

„Eine habe ich als Feuchtigkeitsschutz unter das Zelt gelegt, aber was mache ich hiermit?“

„Normalerweise hat Amy eine am Vorzelt für zusätzlichen Schatten angebracht und die andere benutzt, um das Schlafzelt zu schützen, falls das Wetter nicht mitspielt und es in Strömen gießt.“

„Wenn es schüttet, schlafe ich im Wagen!“

Jack lachte. „Du wärst nicht die Erste. Stell dir nur einen Wecker, damit du nicht überhitzt, sobald die Sonne rauskommt. Im Wagen wird es dann zu heiß.“ Er griff nach einer Plane und befestigte sie am Vorzelt. „Mich wundert, dass du nicht in Amys Wohnung übernachtest.“

Sie beobachtete, was er tat, und machte es mit der zweiten Plane auf der anderen Seite nach. „Amy fand, dass ich auf jeden Fall hierbleiben und mein erstes Musikfestival genießen sollte.“

„Ist das wahr?“ Verblüfft blickte er sie an. „Du warst noch nie auf einem Festival?“

„Kaum zu glauben, aber es stimmt.“

„Na, dann muss ich dafür sorgen, dass es dir gefällt, damit du wiederkommen willst.“

Schmetterlinge tanzten in ihrem Bauch. „Ja?“

„Da wir beide heute Abend keinen Dienst haben, hast du Lust, dir mit mir ein paar Auftritte anzusehen?“

Was für eine Frage! Sollte sie allein herumlaufen oder neben einem charismatischen Mann sitzen, der es geschafft hatte, ihre Hormone aus dem Tiefschlaf zu wecken? Hmm … schwierige Entscheidung.

Oder eine leichte, wenn sie bedachte, dass sie sich nie wieder mit einem Arzt einlassen wollte!

Lächelnd sagte sie: „Sehr gern.“

Für Open-Air-Konzerte konnte sie sich begeistern. Oder für den Mann an ihrer Seite? Während sie zu ihm hinüberblickte, dachte sie, was für ein Glück sie hatte, dass er da war. Ohne ihre Freundin hätte sie wahrscheinlich schnell ihre Sachen gepackt und wäre in Amys Wohnung gezogen.

Amy hatte ihr vorhin eine Nachricht geschickt, um sich zu vergewissern, dass sie angekommen war und es ihr gut ging. Taylor schrieb zurück, es sei alles bestens. Ihre unerwartete Reaktion auf Jack erwähnte sie allerdings nicht.

Wäre Jack kein Arzt gewesen, hätte sie ihrem Verlangen vielleicht nachgegeben und sich auf ein erotisches Festivalabenteuer eingelassen.

Sie schlang die Arme um die angezogenen Knie und sah zur Bühne, wo eine bekannte Band vor einer Stunde das erste Stück gespielt hatte und noch immer das Publikum zu Jubelstürmen hinriss.

Um sie herum lagen Leute auf ihren Decken, viele tanzten ausgelassen. Einige trugen Shorts und T-Shirt wie sie, andere hatten sich verkleidet, manche hatten kaum noch etwas an.

„Gefällt es dir?“

Sie lächelte Jack an und nickte.

„Die Gruppe ist fantastisch, oder?“

Wieder nickte sie. Nicht, dass sie sich in der Musikszene besonders auskannte, aber sie sang oft mit, wenn im Radio ein Song lief, der ihr gefiel.

Als die Musiker sich unter lautem Beifall verabschiedeten, wandte sich Jack ihr zu. „Möchtest du hier auf die nächste Band warten, wollen wir zu einer anderen Bühne oder uns etwas zu essen holen?“

Sofort knurrte ihr der Magen. „Essen?“ Taylor stand auf.

Jack verstaute die Decke in seinem Rucksack und schlang ihn sich auf die rechte Schulter. „Worauf hast du Hunger?“

„Was gibt es denn?“

„Alles, von Burgern bis zu ganzen Menüs. An den Ständen wird so ziemlich alles angeboten, was du dir vorstellen kannst. Warum laufen wir nicht ein bisschen herum und sehen, was dein Herz begehrt?“

„Oder riechen.“ Sie schnupperte. Ein verlockender Duft war ihr in die Nase gestiegen.

Jack lachte. „Meinetwegen auch das.“

Von einem Foodtruck, an dem es Gerichte der Cajun-Küche gab, holten sie sich jeder eine Schüssel Jambalaya und stellten sich an einen der Stehtische.

„Hm, das ist köstlich!“

Jack hatte seine Schüssel schon geleert. „Jepp.“

Verlegen spürte sie, dass er sie betrachtete, und sagte rasch: „Willst du dir heute Abend bestimmte Bands ansehen?“

Er nannte eine, von der sie zwar gehört hatte, sich aber an keinen ihrer Songs erinnern konnte. Taylor fühlte sich, als hätte sie seit ihrem Examen hinterm Mond gelebt. Eigentlich davor auch schon.

Im Grunde hatte sie sich in ihrem Leben erst nach ihren Eltern gerichtet und dann übergangslos nach Neil. Erst im letzten Jahr lernte sie, Entscheidungen selbst zu treffen. Lernte, dass sie dafür weder die Richtschnur noch die Anerkennung anderer brauchte. Und wenn es die falschen waren, na und? Es war ihr Leben, es waren ihre Erfahrungen.

„Ist das okay für dich?“

Sie nickte. „Klingt gut.“

„Falls du eine irgendeine Gruppe hören willst, sag Bescheid, und wir gehen hin. Ich bin für alles zu haben.“

„Verstanden.“ Für alles zu haben. Der Mann hatte keine Ahnung, was ihr bei dieser harmlosen Bemerkung durch den Kopf ging!

Oder doch? In seinen Augen tanzten tausend Teufelchen. Also gar nicht so harmlos?

„Wie kommt es, dass du nie auf einem Musikfestival warst?“ Er lehnte sich über den Tisch und sah ihr in die Augen.

Unwillkürlich fragte sie sich, ob er ihre Gedanken lesen konnte und vielleicht mehr wusste, als sie ahnte. „Hat sich nicht ergeben“, meinte sie achselzuckend.

„Ich bin froh, dass du bei diesem gelandet bist.“

„Ich auch.“

Sein Lächeln strahlte heller als die glitzernde Discokugel ein paar Hundert Yards entfernt. Taylor war wirklich glücklich, dass sie sich für die Arbeit hier gemeldet hatte, dass sie aus Louisville weg war und dass sie Jack getroffen hatte.

Ja, sie bestimmte ihr Leben selbst, bestimmte, was sich ändern sollte, welche Abenteuer sie erleben, welche Chancen sie ergreifen wollte.

Als ihre Blicke sich wieder trafen, schlug ihr Herz schneller, während sie sich fragte, ob Jack ihr nächstes Abenteuer sein sollte. Ob sie es wagte, auch wenn die Chance bestand, dass sie es bereuen könnte.

Weil es ein Fehler wäre, sich wieder mit einem Mann einzulassen.

Und ein besonders großer, wenn Jack dieser Mann war.

Taylor hatte schlecht geschlafen. An der Matratze lag es nicht, und auch die Luft war nicht so heiß und stickig, wie sie gedacht hatte, sondern angenehm kühl.

Aber das Festivalpublikum feierte nicht gerade leise. Wahrscheinlich waren Jack und sie die Einzigen, die schlafen wollten. Andererseits gehörten sie zu den wenigen, die um vier Uhr morgens aufstehen und „zur Arbeit“ mussten.

Sie zog Kaki-Shorts und ein T-Shirt an, band ihr Haar zu einem Pferdeschwanz und schlüpfte aus dem Zelt.

Ihr erster Blick glitt hinüber zu Jacks Zelt. Im schwachen Mondlicht und dem Abglanz der Lichter vom Festivalplatz sah sie, dass er auf war. Jack winkte ihr zu.

Ihr Magen grummelte. Was auch immer Jack auf seinem kleinen Gaskocher brutzelte, machte ihr den Mund wässrig. Der Müsliriegel, den sie zum Frühstück essen wollte, kam da nicht mit.

„Ich habe genug für zwei“, flüsterte er.

Obwohl hinter dem Hauptzelt Geräusche zu hören waren, lag der Campingbereich des medizinischen Personals recht ruhig da. Grillen zirpten, während die Kolleginnen und Kollegen der Frühschicht langsam aus ihren Zelten krochen.

„Danke“, sagte sie leise und nahm den Teller, den er ihr reichte. „Oh, das ist lecker“, erklärte sie nach dem ersten Bissen.

Jack grinste. „Dachtest du, es schmeckt nicht?“

„Nein, dafür hat es zu gut gerochen. Hab nur nicht erwartet, dass es so köstlich ist.“

Sie aßen zu Ende, räumten auf und machten sich auf den Weg zum Hauptzelt. Drinnen meldeten sie sich zum Dienst und bekamen das obligatorische T-Shirt mit der Aufschrift Medical Staff ausgehändigt, das jeden Tag gewechselt wurde. Die Männer zogen sich sofort um. Taylor kämpfte mit sich, wollte Jacks muskulöse Brust nicht angaffen. Sie verlor. Während er das T-Shirt über sein Sixpack zog, grinste er, als wüsste er genau, dass sie ihn beobachtet hatte. Und dass ihr gefiel, was sie sah.

„Ich … bin gleich wieder da“, sagte sie hastig und verschwand in einem der abgeschirmten Untersuchungsbereiche. Dort entledigte sie sich rasch ihres T-Shirts und streifte das andere über.

Nachdem sie ihr Shirt in den Tagesrucksack gestopft hatte, kehrte sie zu den anderen zurück, die darauf warteten, mit einem Golfmobil zum Sanitätszelt gefahren zu werden.

Als sie dort ankamen, hielt Jack ihr die Hand hin, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Es mochte früher Morgen und sie noch schläfrig sein, aber kaum berührten sich ihre Finger, war sie hellwach. Ihr Arm kribbelte wie von einem leichten Stromschlag, und sofort schlug ihr Herz ein paar Takte schneller.

„Danke“, murmelte sie und schob die Hand in die Hosentasche, kaum dass Jack sie losgelassen hatte.

Wie war es möglich, dass sie gestern innerlich noch wie tot gewesen war und heute ein Blick, eine flüchtige Berührung genügten, um ein Verlangen anzufachen, das in all den Jahren einfach nicht existiert hatte?

Und warum, warum, warum musste Jack ausgerechnet Arzt sein? Wenn sie sich von seinem Lächeln verführen ließ, verriet sie sich selbst. Hatte sie sich doch geschworen, nie wieder etwas mit einem Arzt anzufangen!

Im Zelt angekommen, erlösten sie den Nachtdienst und übernahmen die wenigen Fälle, die zurzeit noch behandelt wurden. Taylor kümmerte sich um eine junge Frau, die sich den Magen verdorben hatte, und einen Festivalbesucher, der seinen Rausch ausschlafen musste.

Die Stunden vergingen, die Sonne stieg höher und damit die Hitze, die im Zelt herrschte.

Zwei Mädchen tauchten auf. Eins bat um ein Pflaster, weil es gestolpert war und sich das Knie aufgeschürft hatte. Taylor wollte die Wunde versorgen, als Duffy neben ihr erschien.

„Ich übernehme das“, meinte er.

Während er dem Mädchen das Knie säuberte, kamen noch zwei junge Frauen herein. Eine konnte kaum laufen und wurde von der anderen gestützt.

„Sie ist umgekippt, war aber nur kurz ohnmächtig. Und sie redet Quatsch, erzählt, was sie gemacht hätte, doch sie hat nichts gemacht“, stieß sie atemlos hervor, als Taylor ihr half, ihre Freundin zu einer freien Untersuchungsliege zu bringen. „Ich bin fast durchgedreht. Ich war nicht sicher, dass wir es bis hierher schaffen, und was hätte ich dann machen sollen?“

„Mir ist so heiß“, flüsterte die Patientin kaum hörbar. „Und mein Kopf tut weh.“

„Wie heißen Sie?“

„Cindy Frazier“, antwortete die andere. „Sie ist neunzehn, ich auch. Ich bin Lori. Wir kommen aus Maine.“

Maine? Was für eine lange Reise, um bei einem Musikfestival dabei zu sein, dachte Taylor, als sie die Patientendaten notierte.

Anschließend hielt sie ein Thermometer an Cindys Stirn. 40,5! Auf der Suche nach jemandem, der ihr ein Kühlpack bringen konnte, sah Taylor sich um. Alle waren mit Patienten beschäftigt. Außer Jack.

„Dr. Morgan?“

Es war seltsam, ihn so anzusprechen, wenn er in ihren Gedanken immer nur Jack war. Er sah von seinem Klemmbrett auf, intensive blaue Augen suchten ihren Blick.

„Ich habe hier jemanden mit Hyperthermie. Temperatur über 40. Holst du mir bitte eine Kühlmanschette und kaltes Wasser, während ich Blutdruck und Puls checke?“ Wahrscheinlich hätte sie die Patientin an ihn, den Arzt, übergeben und die Sachen besorgen sollen, aber Jack war nicht kleinlich, sondern lief sofort los.

Cindy stöhnte auf und presste die Hand auf den Magen.

„Ist Ihnen übel?“

Die Augen immer noch geschlossen, nickte sie. „Vielleicht muss ich spucken.“

Jack erschien, reichte Taylor das Gewünschte und sagte: „Ich hole eine Spuckschale und ein Antiemetikum.“

Taylor legte der jungen Frau die Manschette um den Hals.

„Ist das kalt!“, beschwerte sie sich zitternd.

„Wir müssen Ihr Fieber senken. Ihnen geht es so schlecht, weil Ihre Körpertemperatur zu hoch ist und Sie dehydriert sind.“

Jack war wieder da und reichte Cindy eine Plastikschale. Mit seiner Stablampe leuchtete er ihr in die Augen, dann in Nase und Mund, bevor er Herz und Lungen abhorchte.

„Sie ist tachykard“, befand er schließlich.

„Ich möchte, dass Sie so viel trinken wie möglich.“ Taylor öffnete die Wasserflasche und gab sie Cindy.

„Dann muss ich spucken.“

„Nicht unbedingt, aber falls doch, übergeben Sie sich in die Schale. Trinken Sie.“ Sie sah zu Jack hinüber. „Einverstanden, wenn ich intravenös kühlende Flüssigkeit zuführe und das Antiemetikum verabreiche?“

„Genau das wollte ich gerade vorschlagen.“

Taylor untersuchte die Venen. Durch den Flüssigkeitsmangel im Körper waren sie kaum zu ertasten. Aber sie war schon immer stolz darauf gewesen, unter schwierigen Umständen einen Zugang legen zu können. Sie hoffte, dass es ihr auch diesmal auf Anhieb gelang.

Mit einem Alkoholtupfer desinfizierte sie die Einstichstelle, während Jack die Patientin weiter untersuchte und erneut die Temperatur maß.

„Immer noch über 40.“

„Ist das schlimm?“ Lori knetete nervös ihre Hände, während sie die Freundin nicht aus den Augen ließ.

„Das Fieber ist nicht gestiegen, also ein gutes Zeichen“, beruhigte Taylor sie und atmete insgeheim erleichtert ein, als die Kanüle mühelos in Cindys Vene glitt. „Sobald sie am Tropf hängt, sollte die Temperatur sinken.“

„Ich kriege keine Luft mehr.“ Cindy keuchte auf und presste die Hand auf die Brust.

„Es ist alles okay“, sagte Jack ruhig. „Atmen Sie langsam und tief ein und aus.“

Deutlich sichtbar holte die junge Frau Luft.

Während Taylor den Zugang mit einem Klebestreifen sicherte, ertappte sie sich dabei, dass sie auch tief durchatmete. Jacks Stimme hatte etwas Hypnotisches.

„Ihr Fieber wird gleich zurückgehen“, versicherte er der Patientin. „Dann werden Sie sich viel besser fühlen.“

Taylor fühlte sich jetzt schon besser. Wie konnte der Mann so gelassen sein, obwohl Cindys Zustand eine kritische Wendung nehmen könnte?

„Ich hab Angst“, flüsterte Cindy und fing an zu weinen. Woraufhin ihre Freundin ebenfalls in Tränen ausbrach.

„Sehen Sie mich an, Cindy“, forderte Jack. Sie hob den Kopf, blickte ihn mit tränenfeuchten Augen an, und Jack nahm ihre Hand behutsam in seine und drückte sie. „Sie werden das bald überstanden haben. Wir tun alles, um Ihre Körpertemperatur in den Normalbereich zu senken, und behalten Sie hier bei uns, bis es Ihnen besser geht.“

„Puh …“ Seufzend ließ sich Lori auf das leere Feldbett neben Cindys sinken. „Ich hab mir fast in die Hosen gemacht! Man hört immer wieder, dass bei solchen Konzerten Leute sterben. Aber ich hätte nicht gedacht, dass das jemandem passiert, den ich kenne. Sie hat mir einen üblen Schrecken eingejagt, als sie ohnmächtig wurde.“

Taylor beugte sich vor, um das Antiemetikum zu injizieren. Plötzlich krümmte sich Cindy, und Taylor griff rasch nach der Spuckschüssel. Doch Jack war schneller und hielt das Gefäß gerade noch rechtzeitig der Patientin an den Mund.

„Oh nein“, stöhnte deren Freundin, während Cindy ihren Mageninhalt von sich gab. „Das ist echt schlimm.“

„Bei Überhitzung ist es nicht ungewöhnlich, dass man sich erbrechen muss“, erklärte Taylor und spritzte das Medikament über den intravenösen Zugang. „Die Übelkeit sollte sich aber gleich legen.“

Was zum Glück auch eintrat.

Taylor blieb bei der Patientin und überprüfte in der folgenden halben Stunde immer wieder die Vitalzeichen.

Gelegentlich tauchte Jack auf, der sich inzwischen um andere Patienten kümmerte, deren leichte Verletzungen schnell behandelt waren.

Gerade als Taylor wieder Cindys Temperatur maß, trat Jack zu ihr.

„Wie viel?“

„37,2.“

„Großartig.“ Jack legte ihr die Hand auf die Schulter. „Fast wieder normal.“

Einerseits erleichtert, andererseits besorgt, wie schnell ihre eigene Temperatur nur von seiner harmlosen Berührung stieg, nickte Taylor.

Er drückte ihr kurz die Schulter und ließ die Hand sinken.

Oh, Mann … Hatte er auch gespürt, wie die Funken sprühten, sobald sie einander berührten? Oder bildete sie sich nur etwas ein?

Cindy hatte ihre Wasserflasche leer getrunken.

Taylor nahm sie ihr ab und reckte anerkennend den Daumen. „Möchten Sie noch eine?“

Obwohl es ihr besser ging, wirkte Cindy noch schwach. „Komme ich dann schneller auf die Beine?“

„Ein paar Tage werden Sie sich weiterhin schlapp fühlen, aber es hilft auf jeden Fall, den Körper ausreichend mit Flüssigkeit zu versorgen“, antwortete Jack und horchte sie wieder ab. Als er das Stethoskop abnahm, grinste er. „Herzfrequenz ist auf 88 gesunken.“

„Ist das gut?“, fragte Lori, die treu an ihrer Seite geblieben war, sie ermuntert hatte, Wasser zu trinken, und ihr die Hand hielt, wenn Cindy das heulende Elend packte.

Taylor unterhielt sich eine Weile mit Cindy und überließ sie dann Loris Obhut. Die junge Frau war stabil, nun konnte Taylor sich um andere Patienten kümmern.

„Gute Arbeit“, lobte Jack, als sie zu ihm an den Triage-Tisch trat, wo eine neue Patientin eingetroffen war.

„Danke. Ich übernehme gern, wenn du andere untersuchen willst“, bot sie an. Das Zelt war voll mit Menschen, die sich ein Arzt ansehen musste.

Ihre Blicke trafen sich. In ihrem Bauch flatterte ein Schmetterlingsschwarm auf.

Jack stand von seinem Stuhl auf. „Danke dir.“

Die Patientin wirkte überhitzt und sah fertig aus, konnte jedoch keine Symptome nennen. Sie beschrieb nur, dass sie völlig erschöpft sei. Taylor notierte alles, maß Blutdruck und Puls und stellte nichts Auffälliges fest. Sie brachte die Frau zu einem Feldbett und ließ sie allein, um ihr eine Flasche Wasser zu holen.

Als sie zurückkam, schlief sie tief und fest.

„Okay“, meinte sie, griff zum Klemmbrett und machte einen Vermerk.

„Es sind immer ein paar dabei, die sich einfach nur ausruhen müssen.“ Jack erschien neben ihr.

„Für mich ist das eine völlig neue Welt“, gab sie zu.

„Warte nur, bis wir nachher die Shows erleben. Was wir gestern gesehen haben, ist damit nicht zu vergleichen.“

Sie warf ihm einen verwunderten Blick zu. Hatte er wirklich vor, dass sie wieder zusammen loszogen?

„Die Kostüme, die Leute, die besondere Atmosphäre …“ Ansteckende Begeisterung schwang in seinen Worten mit. „Heute Abend haben sich alle eingerichtet und sind entspannter. Es gibt von allem mehr: Alkohol, Drogen, Sex …“

Ihr wurden die Wangen warm. „Oh.“

„Keine Sorge, die meisten sind hier, um eine gute Zeit zu haben. Und wir sind hier, dass sie das ohne bleibende Schäden überstehen.“

Sein Lächeln machte sie atemlos.

Ihre Vorsätze drohten über Bord zu fliegen. Ihr Körper war aufgewacht und erinnerte sie bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit daran, dass sie jung war, von Verlangen erfüllt. Und er suchte Aufmerksamkeit. Jacks Aufmerksamkeit.

Warum nicht? flüsterte eine innere Stimme. Was in dieser Woche passiert, geht nicht über das Festival hinaus.

Vielleicht könnte … sollte … sie die Welt da draußen vergessen und sich einfach treiben lassen? Hatte sie das nicht sogar vorgehabt? Ihre Komfortzone zu verlassen?

Jack Morgan befand sich weit außerhalb ihrer Komfortzone und würde ihr sicher eine Lebenserfahrung bieten, die sie nicht alle Tage machte.

3. KAPITEL

Duschen war noch nie so herrlich gewesen!

Taylor hatte eine halbe Stunde in der Warteschlange gestanden, aber das war es wert! Sich den Staub aus den Haaren und vom Körper zu spülen und frische Kleidung anzuziehen fühlte sich wundervoll an.

Als sie zum Campingplatz zurückkehrte, saßen Jack, Duffy, Robert und einige andere vor seinem Zelt und spielten Gitarre. Duffy sang gerade einen Countrysong über heißblütige Frauen und in Strömen fließenden Alkohol.

Taylor schnappte sich einen Stuhl und setzte sich dazu. Während sie dem Lied lauschte, bürstete sie sich die Haare, flocht sie zu einem französischen Zopf und sicherte das Ende mit einem Zopfgummi. Sie blickte auf und direkt in Jacks Augen.

Er hatte ihr zugesehen. Seinem Blick nach zu urteilen, mit mehr als oberflächlichem Interesse.

Allerdings hatte es zwischen ihnen schon den ganzen Tag wild geknistert. Daran war nichts oberflächlich gewesen.

Jack zwinkerte ihr zu, und sie zwinkerte zurück, während ihr das Herz im Halse schlug.

So etwas hatte sie noch nie gemacht. Ihr Ex-Mann war kein Typ, dem man zuzwinkerte. Sich necken, Spaß haben … mit Neil? Unmöglich.

Mit Jack schon.

Irgendwann musste er auch geduscht haben, trug nun dunkelblaue Shorts und ein T-Shirt. Gut gelaunt griff er in die Saiten seiner Gitarre, die ihn anscheinend schon länger begleitete. Ein geliebtes Instrument, das er virtuos beherrschte.

Taylor hielt sich nicht für sonderlich musikalisch und war beeindruckt.

Und sie staunte noch mehr, als Duffys Song endete und die Gruppe ein neues Lied anstimmte. Diesmal sang Jack. Mit einem rauen Bariton, der sie zutiefst berührte.

Ein wunderbares, einzigartiges Timbre.

Der ganze Mann war wunderbar und einzigartig.

Am liebsten hätte sie die Augen geschlossen und seiner Stimme gelauscht, doch die weigerten sich, wollten sich den faszinierenden Anblick nicht entgehen lassen.

Als der letzte Ton verklang, applaudierte Taylor und stieß einen bewundernden Pfiff aus. Auch das tat sie zum ersten Mal. Sich aus der Komfortzone zu wagen war gar nicht so schlimm …

Im Gegenteil, es machte Spaß!

„Ich glaube, du hast ein Groupie“, neckte Duffy.

„Hatte ich noch nie.“ Jack lächelte Taylor an. „Aber da wir auf einem Musikfestival sind, soll es mir recht sein.“

„Ich kann nicht behaupten, dass ich schon mal ein Groupie war“, gestand Taylor. Sie war rot geworden, lächelte jedoch. „Vielleicht bin ich besser ein begeisterter Fan als ein vollwertiges Groupie.“

„Das ist aber nicht so aufregend. Bleib beim Groupie“, schlug Robert vor und erntete Gelächter.

„Der Fan ist eher meine Kragenweite“, sagte sie verlegen, weil sie die gesamte männliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. „Hört nicht meinetwegen auf zu spielen. Ich habe euch gern zugehört.“

„Spielst du auch?“ Duffy hielt ihr seine Gitarre hin.

Sie schüttelte den Kopf. Vielleicht sollte sie Gitarrenunterricht auf die Liste der Dinge setzen, die sie seit ihrer Scheidung ausprobieren wollte. Bisher hatte sie Keramik- und Kochkurse besucht, war ins Sportstudio gegangen und lernte online eine Fremdsprache. Nicht, um ihren Horizont zu erweitern, sondern um herauszufinden, was ihr gefiel und wofür sie sich begeistern konnte, statt als Anhängsel ihrer Eltern – und später von Neil – durchs Leben zu gehen.

„Singst du?“, wollte Robert wissen.

Sie warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Nicht, wenn ich euch als Freunde behalten will.“

Die anderen lachten.

„Wir sind nicht wählerisch, sing einfach mit, wann immer du Lust dazu hast.“ Duffy stimmte den nächsten Song an, aber da sie den Text nicht kannte, konnte sie nicht mitmachen, selbst wenn sie es gewollt hätte.

Nach ein paar Liedern stand Robert auf, streckte sich und verriet, dass er sich mit einer süßen Krankenschwester aus dem Hauptzelt treffen wollte. Auch die anderen brachen nach und nach auf, bis Taylor und Jack allein zurückblieben.

„Singst du wirklich nicht und spielst auch kein Instrument, oder hast du dich nur zurückgehalten, damit wir Kerle neben dir nicht blass aussehen?“

„Haha. Du kannst mir ruhig glauben, dass ich euch einen Gefallen getan und den Mund gehalten habe.“

Jacks Blick glitt zu ihren Lippen. „Schade. Ich hätte es bestimmt genossen, dich singen zu hören.“

„Das kannst du auch nur behaupten, weil ich nicht gesungen habe.“ Abgesehen davon würde sie sich niemals trauen, vor Publikum zu singen.

„Du singst nicht, du spielst kein Instrument und bist zum ersten Mal auf einem Musikfestival.“ Er suchte ihren Blick. „Was tust du in deiner Freizeit, Taylor?“

Gute Frage. Vor zwei Jahren hätte sie geantwortet, dass sie alles tat, um ihren Mann zufriedenzustellen. Immer mit der Hoffnung, dass ihre scheiternde Ehe sich vielleicht doch so entwickelte, wie sie es sich am Anfang erträumt hatte. Vor einem Jahr wäre sie in Tränen ausgebrochen und wollte nur vergessen, was sie sich angetan hatte: Nahezu überwältigt, weil ein attraktiver Schönheitschirurg sie, die schlichte Krankenschwester, heiraten wollte, hatte sie sich Hals über Kopf in eine Ehe gestürzt und sich für die Glücklichste unter der Sonne gehalten.

Dabei war ihr einziges Glück gewesen, dass sie nie seinem Drängen nachgegeben hatte, ihren Job im Krankenhaus zu kündigen und zu Hause zu bleiben. Als seine Frau hatte sie zwar nur noch halbtags gearbeitet, doch die Tätigkeit auf der Intensivstation und ihre Patienten retteten sie. Außerhalb ihrer Arbeit hatte sie kein Leben, Taylor mit ihren Wünschen und Bedürfnissen existierte praktisch nicht, sondern nur Mrs. Dr. Neil Norris.

„Ich laufe.“ Auch etwas, das sie sich nach der Scheidung angewöhnt hatte.

„Wettkampfmäßig?“

Sie lachte auf. „Oh nein. Ich laufe für mich, um Stress abzubauen, fit zu bleiben, einen klaren Kopf zu bekommen.“

Fitness war der ursprüngliche Antrieb gewesen, aber bald waren die regelmäßigen Läufe zu ihrer Therapie geworden. Taylor arbeitete ihre Vergangenheit auf, fragte sich, was sie geprägt hatte und wie sie ihre Fesseln abstreifen und zu dem Menschen werden konnte, den sie mochte. Weder ihre gleichgültigen Eltern noch Neil sollten bestimmen, wer sie war.

„Also, du arbeitest, du schläfst, und du läufst.“ Jack runzelte die Stirn. „Kein besonders aufregendes Leben, was du da beschreibst. Da muss doch noch mehr sein.“

„Ich habe nie behauptet, dass ich ein sensationell aufregendes Leben führe.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

„Was noch, Taylor?“, sagte er nur.

Sie betrachtete das grüne Gras unter ihren Tennisschuhen. „Ich habe Hobbys wie andere Leute auch.“ Seit Neuestem. „Ich modelliere.“

Nachdem sie auf Social Media eine Werbeanzeige gesehen hatte, meldete sie sich zu einem Bildhauerkurs an und war Feuer und Flamme vom ersten Moment an, als sie den Ton in Händen hielt.

„Skulpturen nackter Kerle zum Beispiel?“

Taylor verdrehte die Augen. „Typisch Mann, das zu fragen.“

Ein Lächeln zuckte in seinen Mundwinkeln. „Aber stimmt es denn?“

„Ja, ich habe es ein paarmal gemacht“, gab sie zu und spürte, wie ihre Wangen immer wärmer wurden, während sie ihm in die blitzenden Augen sah.

„Natürlich im Namen der Kunst?“, neckte er.

Sie lächelte nur. Wozu sollte sie ihm erklären, dass sie die Männer in ihren Kursen als das gesehen hatte, was sie für sie waren: Aktmodelle. Taylor konnte sich kaum erinnern, wie sie ausgesehen hatten. Viel faszinierender fand sie es, den Ton zwischen ihren Fingern zu spüren und aus einem unansehnlichen Klumpen etwas zu erschaffen.

Ähnlich wie mit ihrem Leben.

Von Nichts zu Etwas.

„Ich würde mir deine Arbeiten gern einmal ansehen.“ Er lächelte bedeutungsvoll. „Und falls es dich während deiner Zeit hier treibt, etwas zu machen und du Inspiration brauchst …“

Ja, wenn Jack das Modell wäre, würde sie bestimmt nicht unbeteiligt bleiben. Sie hätte sich nicht sattsehen können an seinem athletischen Körper, den markanten Zügen, der charaktervollen Ausstrahlung.

Doch das musste sie ihm nicht auf die Nase binden. Sie blickte ihn an, täuschte Begeisterung vor und fragte: „Meinst du wirklich, Robert würde das für mich tun?“

Jack lachte schallend. „Ich glaube schon, dass er sich überzeugen ließe.“

„Ich weiß nicht.“ Taylor tat unsicher. „Da ist doch diese Krankenschwester, mit der er sich heute Abend trifft.“

„Richtig.“ Ihre Blicke verfingen sich, Jack lächelte, Taylor auch und fühlte sich prickelnd lebendig dabei.

„Hast du Hunger?“, fragte er schließlich.

Und wie … aber nicht auf Essen. Sie wollte das, was sie in seinen Augen las. Wollte, was ihr Körper verlangte, wenn sie in Jacks Nähe war.

Hieß das, dass sie kein Problem hatte, sich auf eine lockere Affäre einzulassen?

Oder wollte sie wissen, was Jack ihr zeigen, was sie durch ihn über sich lernen konnte?

Er stellte seine Gitarre ab und stand auf. „Wir können Sandwichs machen. Möchtest du mit mir essen oder dir lieber etwas von einem der Stände holen?“

„Du musst mich nicht durchfüttern. Ich habe auch etwas dabei.“

„Vielleicht etwas Besseres als Schinken und Käse?“, fragte er lächelnd.

„Gibt es so etwas überhaupt?“, konterte sie gespielt ernst und wurde mit einem Lachen belohnt.

Während er die Zutaten für Sandwichs aus der Kühltasche nahm, suchte Taylor in ihren Vorräten nach dem Plastikbehälter mit den selbst gebackenen Keksen, die sie für Amy und sich als Leckerei mitgebracht hatte.

Als sie das Gebäck auf den Tisch stellte, unterbrach Jack, was er gerade tat, und schnappte sich ein Stück.

„Hey, die sind gut.“

Er klang so überrascht, dass sie lachen musste.

„Du hast gar nicht gesagt, dass du eine gute Köchin bist.“

„Bin ich nicht, aber ich kann Kekse backen.“ Während der Kochkurse fand sie Kochen so lala, doch das Backen hatte ihr großen Spaß gemacht.

„Sie schmecken wirklich gut.“ Jack griff zum nächsten.

Taylor schlug ihm spielerisch auf die Finger. „Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass der Nachtisch so heißt, weil er nach dem Essen gegessen wird?“

Er blickte sie an und schüttelte lächelnd den Kopf. „Meine Mutter wäre die Erste gewesen, die mich ermuntert hätte, das Gute zuerst zu genießen. Das Leben ist kurz, hätte sie gesagt.“

Wow. „Hört sich nach viel Spaß an.“

Undenkbar bei ihren älteren Eltern, die nie Kinder geplant hatten, keine haben wollten und in ihrer Tochter stets eher Pflicht als Freude gesehen hatten.

„Ist aber nicht gerade gesund“, fügte Jack trocken hinzu.

„Stimmt.“

Jack hatte in einiger Entfernung von der Bühne eine Decke ins Gras gelegt. Von dort aus konnten sie die Band besser sehen, als wären sie näher herangegangen, wo sich unzählige Menschen drängten.

Taylor hatte die Arme um die angezogenen Knie geschlungen und verfolgte wie gebannt das Konzert. Ihr Kopf wippte im Takt der Musik.

„Unsere kleine Jam Session wird dir langweilig vorkommen, wenn du das hier siehst.“

Sie warf ihm einen Blick zu. „Wie kommst du darauf? Ihr wart gut.“

„Freut mich, dass es dir gefallen hat.“

Noch immer sah sie ihn an. „Hast du jemals daran gedacht, Profimusiker zu werden?“

Er lachte leise. „Wahrscheinlich genau wie jedes andere Kid, das ein Instrument spielt und davon träumt, ein Rockstar zu werden. Allerdings habe ich im Lauf der Jahre in einigen Bands mitgespielt.“

„Und dann?“

„Ich war nicht überragend gut, und irgendwann habe ich mich für Medizin begeistert.“

„Musiker oder Arzt“, meinte sie nachdenklich. „Interessante Wahl.“

„Wäre ich ein besserer Musiker gewesen, hätte ich mich vielleicht gar nicht entscheiden müssen.“ Jack zuckte mit den Schultern. „Aber schon im ersten Semester des Medizinstudiums habe ich erkannt, dass ich nichts anderes machen will.“

Diesen Entschluss hatte er nie bereut. Manchmal warf einem das Schicksal etwas in den Weg, um die richtige Richtung zu zeigen. In seinem Fall hatte es ihm einen Schlag auf den Kopf – und mitten ins Herz – versetzt, um ihm seinen Pfad zu weisen.

„Ich freue mich, dass du gelegentlich spielen und dadurch beides im Leben haben kannst.“

Jack schob die Vergangenheit weit von sich und trank einen Schluck Bier. „Ich genieße das Leben.“

So war es auch. Das, was mit Courtney passiert war, lag lange zurück, und er hatte viele Jahre Abbitte geleistet.

„Das können nur wenige Menschen von sich behaupten“, meinte Taylor und klang fast sehnsüchtig.

Er wandte sich ihr zu. „Du auch?“

Es dauerte eine Weile, bis sie antwortete. Schließlich nickte sie. „Danke, ich genieße mein Leben sehr.“

Der gefühlvolle Unterton, der sie selbst zu überraschen schien, ging ihm zu Herzen. Jack griff nach ihrer Hand und drückte sie sanft. „Das freut mich, Taylor.“

Er freute sich auch darüber, dass sie nicht die Finger wegzog, sondern sie mit seinen verschränkte und ihm ein dankbares Lächeln schenkte. So als hätten diese Momente hier mit ihm sie dazu gebracht, dass ihr Leben schön war.

Als wäre sie seinetwegen glücklich.

Es berührte ihn.

Taylor hatte etwas Zerbrechliches an sich. Etwas, das in ihm den Wunsch weckte, sie zu beschützen. Ein ungewohntes Gefühl.

Bisher war er, ohne zu zögern, aktiv geworden, wenn er sich zu einer Frau hingezogen fühlte und spürte, dass sie nicht abgeneigt war. Er war kein Heiliger, wirklich nicht.

Auch Taylor war nicht abgeneigt. Jack hätte darauf wetten können. Selbst wenn sie manchmal zögerte, verbarg sie ihr Interesse nicht. Doch die Verletzlichkeit, die er in ihren Augen las, bremste ihn. Er wollte ihr nicht wehtun, und das konnte passieren, wenn er nahm, was sie ihm bot, und danach wieder seiner Wege ging.

Trotzdem wollte er sich zu ihr hinüberlehnen und sie küssen.

Sie wären nicht das einzige Paar, das auf diesem Festival seiner Lust nachgab. Wobei ein Kuss noch harmlos war. Im Schatten der Bühnen, in den Zelten und sonst wo auf dem Veranstaltungsgelände passierte viel mehr.

Aber meistens war es nur körperliche Anziehung zwischen jungen Menschen, von denen die meisten sich danach nie wiedersahen.

Nur?

Was sollte das sein zwischen ihm und Taylor, wenn er sie küsste? Mehr als rein körperliches Verlangen?

Für eine ernsthafte Beziehung war er nicht zu haben. Niemals.

Zumindest niemals wieder.

Es war lange her, dass Taylor ein Date gehabt hatte.

Jahre.

Die letzten Dates waren die mit Neil gewesen.

Neil, der weltgewandte Chirurg, immer perfekt und knitterfrei gekleidet, immer perfekt frisiert, das Haar modisch gestylt.

Neil, der sie in die angesagtesten Restaurants der Szene ausführte, zu Theaterpremieren in Louisville, immer das Beste vom Besten. Taylor dachte, dass er sie beeindrucken wollte. In Wahrheit ging es ihm um sich. Neil zeigte der Welt seine Besitztümer, zeigte, was er sich leisten konnte. Er war der Meinung, dass ihm nur das Beste zustand, dass sich die Welt allein um ihn drehte.

Auf Station wurde sie von den Kolleginnen glühend beneidet, weil sich der begehrteste Junggeselle des Krankenhauses in sie verliebt hatte, ihr elegante Kleidung und teuren Schmuck kaufte, die sie zu gesellschaftlichen Anlässen trug. Sie ahnten nicht, dass Neil nur sich selbst liebte.

Bis heute wusste sie nicht, was ihn an ihr angezogen hatte. So vieles wollte er an ihr verändern. Vielleicht brauchte er jemanden, den er wie eine Puppe nach seinen Vorstellungen biegen und formen konnte. Diese Rolle hatte sie bereits bei ihren Eltern erfüllt, also leichtes Spiel für Neil.

Als er ihr einen Antrag machte, war sie überglücklich. Der renommierte Chirurg wollte sie, die unscheinbare Krankenschwester, zur Frau, wollte sie aller Welt zeigen, überschüttete sie mit kostbaren Geschenken.

All ihre Freunde beneideten sie, und genau das bezweckte Neil. Mit ihr fügte er seinen Besitztümern ein weiteres Teil hinzu, ein Stück seiner Sammlung ohne eigene Stimme, das er selbstgefällig präsentierte.

„Was immer du gerade denkst, hör auf damit.“

Taylor blickte Jack an. Einen faszinierenden Mann in Shorts und T-Shirt mit langem, leicht zerzaustem Haar, sexy Bartschatten und tiefgründigen blauen Augen. Einen Mann, der ihr Herz schneller schlagen ließ.

Jack schien in sich selbst zu ruhen, er hatte es nicht nötig, andere zu beeindrucken.

Was sich anfühlte wie eine frische Brise.

„Abgemacht“, antwortete sie und holte tief Luft, fest entschlossen, jeden Gedanken an Neil zu verbannen. Zurzeit dachte sie selten an ihn, aber seit sie Jack begegnet war, verglich sie die beiden Männer ständig.