Julia - Heidrun Päulgen - E-Book

Julia E-Book

Heidrun Päulgen

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Beschreibung

Als Julia ihre Großeltern im pfälzischen Wachenheim besucht, ahnt sie nicht, wie sehr sich ihr Leben innerhalb weniger Tage verändern wird. Schuld daran ist Paul, mit dem sie so manches spannende aber auch das erste romantische Abenteuer erlebt.

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Für meine Mädchen

Unsere Zeit ist ohne Garantie, aber unsere Liebe ist Zeitlos

Endlich Sommerferien! Das letzte halbe Jahr in der Schule war stressig, eine Klausur nach der anderen. Julia fühlt sich ausgelaugt. Sie sehnt sich danach, mehr Zeit mit ihrer Freundin Hannah zu verbringen, einfach nur abzuhängen. Doch die Zeit der Ferien ist verplant und getaktet, der Urlaub gebucht, drei Wochen Norderney, „der guten Luft wegen“, sagt Mama. Julias jüngerer Bruder Tom leidet unter Allergien. „Vorher fahren wir noch eine Woche aufs Land zu den Großeltern, das liegt auf dem Weg“, bestimmt Papa. Die Koffer sind gepackt, am Abend des ersten Ferientages geht es los. Papas Eltern leben im südpfälzischen Wachenheim. Sie bewohnen ein altes Weingut, das unmittelbar an eine Burgruine angrenzt. Die beachtlichen Reste der Burgmauer bieten ein imposantes Bild, und der Burgfried reckt sich stolz über die Häuser des Ortes. Als kleines Mädchen hat sie am alten Gemäuer ›Prinzessin‹ gespielt. Sie erinnert sich gerne daran. Da sie so weit weg wohnen, sehen sie Vaters Eltern nicht oft. Sie wollen möglichst viel Zeit miteinander verbringen. Trotzdem hat Julia sich ein paar nette DVDs eingepackt und jede Menge Musik auf ihrem iPhone, für alle Fälle und gegen potentielle Langeweile.

Inhaltsverzeichnis

Erster Tag

Zweiter Tag

Dritter Tag

Vierter Tag

Fünfter Tag

Sechster Tag

Tag sieben

Achter Tag

Neunter Tag

Zehnter Tag

Elfter Tag

Zwölfter Tag

Dreizehnter Tag

Vierzehnter Tag

Fünfzehnter Tag

Erster Tag

Während die Erwachsenen an der Kaffeetafel sitzen und viel zu erzählen haben, wird es dem achtjährigen Tom allmählich langweilig. Opa Justus bietet ihm an mit in die Werkstatt zu kommen, was er freudig annimmt. Julia beschließt erst mal raus zu gehen, um zu entspannen. Es ist sommerlich warm. Sie setzt sich auf eine Mauer, packt ihr Handy aus und schaut ihre Nachrichten an, … nichts Wichtiges! An der Mauer krabbelt eine kleine Spinne, die ihr Netz spinnt. In Gedanken versunken schaut sie zu, wie das kleine Tier unermüdlich die Fäden hin und her webt. Plötzlich wird sie von einem Jungen angesprochen. „Hi“, grüßt er freundlich. Julia schaut überrascht auf, hatte ihn nicht kommen hören. „Hi, ich bin Paul“, stellt er sich vor. Sie nickt und schweigt. Er schwingt sich auf die Mauer, setzt sich ungefragt neben sie und folgt ihrem Blick zu dem Insekt. Schweigend schaut auch er dem Treiben des kleinen Tierchens zu. ›Ziemlich frech der Typ, sich einfach neben mich zu setzen‹, denkt Julia. „Magst du?“, fragt er unvermittelt und hält ihr eine Tüte duftender Croissants unter die Nase. „Ganz frisch, echt lecker“, versichert er und beißt herzhaft in das Gebäck. „Danke, netter Versuch, aber ich hab gerade keinen Hunger“, lehnt sie sein Angebot ab. ›Kleine Zicke‹, denkt Paul und beginnt das Gespräch erneut.„Ich hab dich hier noch nie gesehen?“ Eigentlich wollte sie Ruhe haben, möchte aber nicht gänzlich unhöflich sein und antwortet knapp: „Bin zu Besuch.“ Sie zeigt mit dem Kopf in Richtung des Hofes. „Auf dem Weingut?“ Julia nickt. „Und du?“, fragt sie leicht genervt, „bist wohl von hier?“ „Ähh..., ja, wir sind letztes Jahr von Berlin hierher gezogen.“ „Wow, krass, von Berlin nach Wachenheim!“, nickt sie übertrieben, „fällt dir hier nicht die Decke auf den Kopf? Hier ist doch irgendwie... gar nichts los, oder?“ „Meinst du?“, lächelt er, „also, die Decke fällt mir jedenfalls nicht auf den Kopf. Ehrlich gesagt bin ich nicht so der Stadtmensch, ist nicht mein Ding. Ich fand's cool hierher zu kommen, als mein Dad sich für die IGS hier entschieden hatte.“ „IGS??“ „Drüben in Deidesheim“, erklärt Paul. ›Oh je, ein Streber und Angeber..., auch das noch!‹, denkt sie und antwortet stattdessen: „Dann bist du ja bestens versorgt, in schulischer Hinsicht, meine ich.“ ›Boah..., Alter..., ist die überheblich!‹, steigert Paul sein Bild von ihr. Er hatte sie netter eingeschätzt. Rein optisch gesehen scheint sie ihm sympathisch. Aber er hat echt keinen Bock auf das Gezicke und springt von der Mauer „Geht so...“, antwortet er trotzdem. „Für das, was ich mir vorstelle, reicht es sicher.“ „Ach so, und das weißt du jetzt schon??“, lacht Julia. „Was schwebt dir denn so vor?“, fragt sie belustigt. So genau weiß sie immer noch nicht, was sie von einem Typen halten soll, der so viel quasselt. „Ökologische Landwirtschaft, Weinanbau zum Beispiel, ...Bauer halt!“, antwortet er salopp und fügt hinzu: „Nicht nur, weil man Geld nicht essen kann. Das war schon immer mein Ding. Bio, Nachhaltigkeit und auf dem Land lebe ich, wie gesagt, auch gerne.“ „Echt selten, aber cool“, bemerkt Julia und meint es ehrlich. Paul lehnt mit dem Rücken an der Mauer und malt mit einem Stock Kringel in den sandigen Boden. Sie guckt vorsichtig zu ihm rüber und stellt fest, dass er wohl etwas älter ist als sie. Außerdem bemerkt sie seine unglaublich blauen Augen und die rotbraune Lockenmähne, die er im Nacken zusammengebunden hat. ›Ganz passabel, rein äußerlich betrachtet, nicht unsympathisch‹, findet sie. „Und du, wo kommst du her, ich meine, wo lebst du?“, unterbricht er ihre Gedanken. „Aus Feldkirchen, bei Straubing.“ „Und was geht da ab? Ist da mehr los als hier in Wachenheim?“, grinst er herausfordernd. ›Der hält echt keine Ruhe‹, denkt sie, und antwortet: „Nee, nicht wirklich, da ist auch der Hund begraben. Es gibt 'ne Tanzgruppe, eine Musikschule und einen Pferdehof, auf dem ich mich ab und zu nützlich mache. Dafür darf ich reiten. ›Aha, sie kann also doch in ganzen Sätzen reden,...‹ denkt Paul erfreut. „Hört sich tatsächlich nicht nach viel Action an“, bemerkt er stattdessen. „Na ja, passt schon“, lenkt Julia ein. „Du tanzt??“, hakt er nach. „Ja, in einer Hip Hop Gruppe.“ „Geil, ... machst du selbst Musik?“ „Gitarre“, antwortet sie einsilbig. „Cool..., ich spiele auch, - Gitarre meine ich, Wenn du Bock hast und nichts besseres vor, wir haben morgen Probe, meine Band und ich, komm einfach vorbei, ich lade dich ein!“ „Echt??“, fragt sie überrascht. „Dann bist du wohl der Rockstar von Wachenheim, oder?“, neckt sie. „Erraten!“, lacht er herzlich, „immerhin spielen wir als 'Top Act' auf dem Lichterfest am Wochenende, den Job kriegt nicht jeder!“, erklärt Paul nicht ohne Stolz. „Nicht schlecht“, frotzelt Julia weiter, „und da ich gerade nichts besseres vor habe..., ja, warum nicht? „Super!“, freut sich Paul, „wir sind fünf Leute, leider ist unsere Frontfrau für das Konzert am Samstag ausgefallen..., du bleibst doch länger, oder?“ „Ja, bis Sonntag. Und was spielt ihr so?“ Sie ist aus dem Konzept geraten, wollte den Typen eigentlich abblitzen lassen, und jetzt macht der einen auf super freundlich, das verwirrt sie. „Alles quer Beet, Rock, Pop. Für Samstag spielen wir Justin Bieber, Rihanna, Mark Forster, Pink and Reuss...,“ „Boah..., echt? Hätte ich nicht erwartet, gar nicht schlecht für die Provinz!“, gesteht Julia. Paul grinst genießerisch. „Was machst du sonst so, außer Musik, meine ich?“, fragt sie, nur um etwas Unverfängliches zu sagen. Julias Interesse ist geweckt. „Ein bisschen skaten.“ „Gibt es hier einen Skate Park?“ „Ja, in Haßloch, aber ich mach es nur so just for fun. Bin ehrlich gesagt nicht besonders sportlich unterwegs. Am meisten interessiere ich mich für Geschichte. Klingt vielleicht langweilig, ist es aber nicht. In den Städten, wo ich bisher gelebt habe, hab ich jede Gelegenheit genutzt, um in Archiven zu jobben. Fegen, Aufräumen, Sortieren, ganz egal. Hauptsache, ich hatte die Möglichkeit in den Geschichtsarchiven zu stöbern. Ist mega spannend, weißt du?“ Pauls Augen leuchten vor Begeisterung. „Aahaaa..., äh, nee, offengestanden nicht“, gesteht sie, „hört sich für mich eher staubtrocken an, hätte ich gar nicht von dir erwartet. Bist du denn oft umgezogen?“ „Relativ oft, ja, Heidelberg, Münster, Siegen und Berlin, meine Mutter hat da als wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Unis gearbeitet. Aber ich denke, das war's mit dem Umziehen..., wir haben uns ganz gut eingelebt.“ „Mhm..., aber hier in Wachenheim gibt es doch keine Uni für deine Mama, oder?“ „Sie ist vor zwei Jahren gestorben.“ ›Oh nein, ich Trampel‹, schießt es ihr durch den Kopf. „Sorry, das tut mir leid!“ Sie ist geschockt, möchte am liebsten im Boden versinken. Irgendwie will sie ihn trösten und legt ihre Hand kurz auf seinen Arm. Er quittiert die Berührung mit einem warmen „Danke.“ ›So ganz ohne Gefühl ist sie wohl doch nicht‹. Eine Zeitlang schweigen sie in Gedanken versunken. ›Jetzt bloß keine weiteren Peinlichkeiten‹, nimmt Julia sich vor. „Hey, hast du Lust was über die Geschichte Wachenheims zu erfahren? Ich meine, nur dass du verstehst, wie spannend das ist?“, fragt er so unvermittelt, dass sie irritiert aufblickt. „Nicht unbedingt“, antwortet Julia ehrlich, „ich sollte jetzt mal wieder heim zu den Großeltern gehen.“ „Schade! Ach übrigens,... zu dem 'Lichterfest' auf der Burg gibt es auch 'ne Geschichte“, erzählt Paul unbeirrt und bekommt zumindest eine halbwegs interessierte Antwort. „Ach ja?, und was sagt die?“ Paul grinst bis über beide Ohren, bevor er erzählt: „Die sagt, dass das Fest zum Gedenken an der verstorbenen Sohn des Grafen von Weißensee stattfindet. Er hat ihn nicht einmal sehen können, weil er unterwegs war. Aus dem Grund hat er bestimmt, den Geburtstag jedes Jahr mit einem Lichterfest zu feiern. Damit soll die Seele des Kindes Frieden finden. Und das gilt bis heute so!“ ›Jetzt spinnt er wohl komplett!‹, denkt Julia „Das ist nicht wahr, oder? Wir leben im Jahr 2018, und du meinst tatsächlich, du kannst mich mit so was beeindrucken?“ Sie schüttelt amüsiert den Kopf. ›Die denkt tatsächlich, ich spinne. Hoffentlich haut sie nicht gleich ab. Wäre schade, muss ich irgendwie verhindern‹, schießt es ihm durch den Kopf. Er dreht sich um und geht einige Schritte weiter. „Komm mit, wirst sehen, das flasht“, ruft er ihr im weggehen zu, „ist nicht weit.“ Julia starrt ihm mit offenem Mund hinterher. ›Oh je, das fängt ja gut an‹, denkt sie, ›und ich fing gerade an, ihn interessant zu finden, zumindest irgendwie anders, als die Jungs, die ich sonst so kenne.‹ Sie springt von der Mauer und läuft hinter ihm her. „Warte!“, ruft sie, doch Paul geht unbeirrt weiter. Als Julia ihn eingeholt hat, geht sie schweigend neben ihm her und denkt darüber nach, was er erzählt hat. „Du glaubst kein Wort,“ sagt er, als ob er ihre Gedanken lesen könnte. „Das glaubst du doch selber nicht!“, kontert sie. Ich werde sechzehn und interessiere mich mehr für Physik als für abgefahrenem mittelalterliche Geistergeschichten, dass passt nicht wirklich zusammen!“ Erst jetzt wird ihr bewusst, dass sie sich bislang noch nicht mit Namen vorgestellt hatte. „Ich bin übrigens Julia, darf ich?“ Sie greift jetzt doch in die Croissant Tüte. „Mein Lieblingsfach neben Musik und Geschichte ist Biologie“, antwortet Paul, ohne auf ihren Einwand einzugehen. Sie nehmen den Weg in Richtung Römerweg, am Hallenbad vorbei, und queren die Friedelsheimer Straße. Ein paar Minuten später stehen sie an einem eisernen Tor. Er öffnet es, und Julia erkennt, dass sie sich auf einem Friedhof befinden. „Was kommt jetzt? Muss ich mir Sorgen machen? Wird das ein Gruselmärchen?“, fragt sie leicht gereizt. „Sei nicht albern, aber wenn du wissen willst, was es mit dem Lichterfest auf sich hat, müssen wir hier anfangen!“, erklärt er bestimmt. „Schöner Name übrigens, Julia … “, fügt er grinsend hinzu. Er spricht ihn langsam und fast zärtlich aus, was sie schmunzelnd zur Kenntnis nimmt. Es ist ein kleiner, liebevoll gepflegter Friedhof, stellt sie fest. Die Wege sind mit Kieselsteinen ausgelegt, wodurch es unter den Füßen knirscht. Paul geht quer über den Friedhof, bis er vor einer Art Steinhaus stehen bleibt. „Das ist die zweitälteste noch erhaltene Grabstätte hier im Ort. Es ist die Gruft der Grafen von Weißensee.“ Julia staunt. Auf dem Türbogen am Eingang der Gruft steht gut lesbar die Zahl 1709. Gleich darunter ist etwas in lateinischer Schrift in den Stein gemeißelt. In dem First aus Marmor sind zwei Gesichter eingearbeitet, ein männliches und ein weibliches. Darum ein Kreis aus 12 kleinen Putten. „Die beiden stellen Graf Hunold von Weißensee und seine zweite Ehefrau Elena dar, er lernte sie auf einer Pilgerreise in Rom kennen und lieben. Seine erste Frau Sophia, mit der er noch verheiratet war, bekam in dieser Zeit einen Sohn. Sie nannte ihn Ferdinand. Er starb bei der Geburt und auch die Gräfin starb kurz darauf an den Folgen der schweren Niederkunft. Die Chronik sagt, dass sie das Kind nicht in der Burg, sondern in der Hütte der Amme zur Welt brachte. Zum Andenken an den verstorbenen Sohn, den sie Ferdinand nannten, bestimmte der Graf dessen Geburtstag zum Gedenktag, der bis heute mit dem Lichterfest auf der Burg gefeiert wird.“ „Okay, das erklärt das Lichterfest und klingt realistischer, als die geisternde Seelen - Version, die hörte sich ehrlich gesagt ein bisschen gaga an!“ „Eben, das ist der Unterschied zwischen mystischer und realer Geschichte“, lacht Paul und erzählt weiter „Nach der Trauerzeit hat Graf Hunold die Italienerin Elena di Estante geheiratet, sie war die Tochter eines sehr wohlhabenden italienischen Tuchhändlers. Leider blieb die Ehe kinderlos. So hatte er keine Nachfahren.“ Julia hat interessiert zugehört. „Okay, bis dahin alles klar, aber was macht der kleine Quengelgeist denn heute“?, fragt sie spöttisch, „das darfst du mir jetzt bitte nicht vorenthalten.“ „Naja, ich würde sagen, der „begeistert“ die Leute hier immer noch“, antwortet er lächelnd. „Aber ich zeige dir noch etwas, komm mit!“ Er fasst sie bei der Hand und zieht sie hinter sich her. „Da, siehst du, da ist es!“ „Was ist wo??“, fragt Julia irritiert. „Das zweite Grab!“ Sie stehen vor einem weiteren Grab aus dem Jahr 1702. Unscheinbar schlicht im Gegensatz zu Hunolds Grabstätte, doch gleichzeitig verwunschen und schön. Ein einfaches steinernes Kreuz und ein gemeißelter Blütenkranz, in dessen Mitte der Name Sophia steht. Darunter ein weiterer Name, der nur schwer zu entziffern ist: Ferdinand! „Ist das das Grab der ersten Gräfin?“, flüstert Julia. „Genau! Und das von Ferdinand, der bei ihr liegt.“ Als einziger Schmuck steht ein Rosenbaum auf dem Grab, an dem viele Knospen scheinbar darauf warten bald zu erblühen. Julia ist irgendwie gerührt und, was selten vorkommt, sprachlos.