Julia Sommeredition Band 5 - Anne Mather - E-Book

Julia Sommeredition Band 5 E-Book

Anne Mather

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Beschreibung

STÜRMISCHE GEFÜHLE IN DER KARIBIK von ANNE MATHER Alles könnte so wunderbar sein: Sommer, Sonne, weißer Strand und ein toller Mann, der heftig mit Rachel flirtet. Doch der attraktive Matt Brody scheint sich auch für ihre Mutter zu interessieren! Oder gibt es einen anderen Grund, warum die beiden so vertraut wirken? TRAUMINSEL IM BLAUEN MEER von ANNE MCALLLISTER Die heiße Romanze mit sexy Segler Theo Savas lässt Martha endlich wieder an die Liebe glauben. Aber ihre gemeinsamen Tage auf der griechischen Insel Santorin sind gezählt: Theo verschwindet spurlos – und Martha steht unvermittelt vor einer schweren Entscheidung … UNSER SOMMER DER LEIDENSCHAFT von MARGARET MAYO Es sind Tage der Leidenschaft, die Simone mit Cade Dupont in seinem noblen Strandhaus und auf seiner Luxusjacht verbringt. Ihr Körper steht in Flammen, sobald er sie berührt. Hat der atemberaubend gut aussehende Millionär sie wirklich nur aus süßer Rache zu seiner Geliebten gemacht?

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Seitenzahl: 510

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Anne Mather, Anne McAllister, Margaret Mayo

JULIA SOMMEREDITION BAND 5

IMPRESSUM

JULIA SOMMEREDITION erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage 2024 in der Reihe JULIA SOMMEREDITION, Band 5

© 2010 by Anne Mather Originaltitel: „Innocent Virgin, Wild Surrender“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Petra Pfänder Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 333

© 2006 by Barbara Schenck Originaltitel: „The Santorini Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Anike Pahl Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 270

© 2008 by Margaret Mayo Originaltitel: „The Billionaire’s Blackmail Bargain“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Emma Luxx Deutsche Erstausgabe 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 300

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751525220

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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Stürmische Gefühle in der Karibik

1. KAPITEL

„Ist das Ihr erster Besuch auf St. Antoine?“

Rachel riss sich vom Anblick des wilden Hibiskus los, der üppig neben dem Flughafengebäude wucherte.

„Wie bitte?“ Noch leicht erschöpft vom Flug sah sie den Taxifahrer an. „Ah, äh … ja, ich bin zum ersten Mal in der Karibik. Ich kann kaum glauben, dass ich wirklich hier bin.“

Das war die Wahrheit. Vor einer Woche noch hatte sie nicht die geringste Absicht gehabt, in die Tropen zu reisen. Doch dann hatte ihr Vater ihr eröffnet, dass ihre Mutter ihn verlassen hatte. So wie es aussah, hatte Sara Claiborne Heim und Ehemann im Stich gelassen, um auf die kleine Insel St. Antoine zu fliegen und einen Mann zu besuchen, den sie vor vielen Jahren gekannt hatte.

„Hat sie gesagt, wann sie zurückkommt?“, war Rachels erste Frage gewesen.

„Meinst du damit, ob sie zurückkommt?“, hatte ihr Vater ganz untypisch verdrießlich erwidert. „Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn sie nicht wiederkommt.“

„Wer ist der Mann überhaupt?“

Doch ihr Vater war plötzlich merkwürdig schweigsam geworden. „Sein Name ist Matthew Brody“, war alles gewesen, was er erwidert hatte. „Jemand, den Sara vor Jahren gekannt hat.“

Besonders beunruhigend an der ganzen Sache fand Rachel, dass ihre Mutter ausgerechnet eine karibische Insel für ein Wiedersehen mit diesem Mann gewählt hatte. Doch ihr Vater erklärte ihr, dass Matthew Brody auf St. Antoine lebte.

Er schwieg einen Moment, bevor er die nächste Bombe platzen ließ. „Ich möchte, dass du ihr nachreist, Rachel. Bitte bring sie zurück.“

Rachel starrte ihn ungläubig an. „Ich? Warum gehst du nicht selbst?“

„Weil ich nicht kann.“ Ralph Claiborne warf ihr einen Blick zu. „Was sollte ich tun, wenn sie mich zurückweist?“

Rachel fühlte sich mit der Situation völlig überfordert. Ihr Leben lang hatte sie fest daran geglaubt, dass ihre Eltern einander liebten und ihre Ehe nicht, wie die vieler Freunde und Nachbarn, durch Streit oder Untreue zerstört werden würde. Aber da Rachels Mutter nun gegangen war, mussten sich ihre Eltern im Laufe der Zeit doch entfremdet haben, was Rachel offensichtlich entgangen war.

Aber was wusste sie letztendlich schon über langjährige Beziehungen? Sie war dreißig Jahre alt, unverheiratet und auch noch Jungfrau, weil ihr der Richtige leider noch nicht über den Weg gelaufen war. Was wusste sie also schon über Beziehungen?

Rachel war so in ihre Erinnerungen vertieft, dass sie keinen Blick für die tropische Landschaft hatte, die vor dem Taxifenster vorbeizog. Sie seufzte, als sie an den Rest des Gesprächs mit ihrem Vater dachte.

„Aber das ist unmöglich!“, hatte sie ihrem Vater geantwortet. „Ich kann die Redaktion nicht so kurzfristig im Stich lassen“, hatte sie argumentiert, auch wenn sie kaum ertragen hatte, das gequälte Gesicht ihres Vaters zu sehen.

Er war ihr bester Freund, und er brauchte ihre Hilfe. Rachel liebte ihre Mutter von ganzem Herzen, doch solange sie denken konnte, war diese ihr gegenüber immer ein wenig distanziert gewesen. Wirkliche Nähe hatte es zwischen Mutter und Tochter nie gegeben.

„Ach was! Ich werde mit Don, deinem Chef, reden.“ Ihr Vater hatte Rachels Einwand nicht gelten lassen. „Gegen ein paar Wochen unbezahlten Urlaub wird er nichts einzuwenden haben.“

Don Graham, Rachels Chef und Herausgeber der Zeitung, war ein alter Freund ihres Vaters. Rachel hatte bisher versucht, das nicht zu ihrem Vorteil zu nutzen, doch als sie jetzt ihren Vater anschaute, wusste sie, dass es keinen Zweck hatte, sich ihrem Vater zu widersetzen.

Wie üblich tat Ralph Claiborne auch diesmal, was er angekündigt hatte. Am nächsten Morgen wurde Rachel von Don in sein Büro gerufen.

„Rachel, ich habe mit deinem Vater gesprochen.“ Ihr Chef räusperte sich. „Ab morgen wird dich jemand in der Anzeigenabteilung vertreten. Ich habe gehört, dass es deiner Mutter seit einiger Zeit nicht gut geht. Du bist für ein paar Wochen beurlaubt, damit du ihr zur Seite stehen kannst.“

Rachels Wangen brannten. „Don … das ist wirklich nicht …“

Er hob eine Hand und lächelte sie an. „Ist schon in Ordnung, Rachel. Lass unbezahlten Urlaub nur nicht zur Gewohnheit werden.“

Und jetzt war Rachel also tatsächlich hier, fast fünftausend Kilometer von zu Hause weg, ohne die leiseste Ahnung, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte. Trotz allem, was passiert war, zweifelte sie nicht daran, dass ihre Mutter ihren Vater liebte. Aber wie wichtig war ihrer Mutter diese Liebe? Ganz offensichtlich war ihr Ehemann jedenfalls nicht der Einzige, der ihr etwas bedeutete.

Wer in aller Welt war dieser andere Mann? Und warum erfüllte Rachel so eine dunkle Vorahnung bei dem Gedanken, ihre Mutter wiederzusehen?

Der Taxifahrer riss sie aus ihren Gedanken. „Machen Sie hier Urlaub?“

Rachel unterdrückte einen Seufzer. Sie wusste, dass der Fahrer nur versuchte, freundlich zu sein. Aber was sollte sie ihm antworten?

„Urlaub?“, wiederholte sie gedehnt. „Ja, ich denke, das könnte man so ausdrücken.“

Offenbar war das nicht die richtige Antwort gewesen. Sie bemerkte, dass der Taxifahrer sie im Rückspiegel neugierig musterte, während er seinen üppigen Schnurrbart glatt strich. Vermutlich fragt er sich, ob er eine Spinnerin durch die Gegend kutschiert, dachte Rachel.

Um sich abzulenken, versuchte sie, sich auf die Umgebung zu konzentrieren. Außerhalb des Flughafengeländes war die Straße nur noch eine schmale Schotterpiste. Unterhalb der Klippen erstreckte sich unendlich weit der leuchtend blaue Ozean, und der Strand schimmerte fast weiß in der Sonne. Dieser Anblick hob Rachels Stimmung drastisch. Egal, wie schwierig die Umstände auch sein mochten – sie war ganz unerwartet im Paradies gelandet, und sie würde das Beste daraus machen!

Von ihrem Vater hatte Rachel zum ersten Mal von diesem Ort gehört. St. Antoine war Teil einer kleinen Inselgruppe vor Jamaica, in der Nähe der Cayman Islands. Nur ein paar Berge, Korallenriffe und üppige tropische Vegetation. Die gesamte Landwirtschaft bestand aus einigen Zuckerrohr- und Kaffeeplantagen. Wie überall in der Karibik, lebte man hauptsächlich vom Tourismus.

„Bleiben Sie länger?“ Offenbar hatte der Taxifahrer die Hoffnung auf ein Gespräch noch immer nicht aufgegeben.

Wenigstens konnte Rachel auf diese Frage ehrlich antworten: „Zwei Wochen.“

Falls meine Mutter mich nicht auf der Stelle wieder nach Hause schickt, ergänzte sie im Stillen. Zwar hatte ihr Vater ihr für zwei Wochen ein Zimmer in St. Antoines einzigem Hotel gebucht, aber sie wusste nicht, ob sie bleiben würde, wenn ihre Mutter nicht mit ihr sprechen wollte. Rachel konnte nicht einschätzen, wie ihre Mutter auf ihre Ankunft reagieren würde.

„Mögen Sie Wassersport?“ Offenbar war der Taxifahrer fest entschlossen, mehr über Rachel herauszufinden.

„Ich schwimme gern“, erwiderte sie. Und ich schnorchele gern, dachte sie. Doch das hatte sie nur einmal in Spanien ausprobiert.

„Ist auch so ziemlich alles, was man hier machen kann“, teilte ihr der Fahrer mit. „Auf St. Antoine gibt’s weder Kino noch Nachtclubs. Keine Nachfrage nach so was.“

„Das kann ich mir vorstellen“, erwiderte sie knapp.

Offensichtlich hatte der Taxifahrer sie der Sorte von Touristen zugeordnet, die wild auf das Nachtleben von Havanna oder Kingston war. Rachel verzog das Gesicht. Warum unterstellte man ihr nur immer, dass sie sich vor allem amüsieren wolle? Wahrscheinlich, weil sie einen Meter achtzig groß war, lange Beine, blondes Haar und eine üppige Oberweite hatte. Sie zog fast überall die Blicke auf sich, und die meisten Menschen hielten sie für eine Wuchtbrumme.

Aber was brachte ihr das? Sie mochte weder ihr Aussehen noch die Blicke, mit denen Männer sie bedachten. Vermutlich waren das ja die Gründe, warum sie noch immer Single war – und wohl auch bis auf weiteres bleiben würde. Früher hatte sie sich gewünscht, kleiner zu sein, dunkler, mehr wie ihre Mutter auszusehen. Hauptsache, sie würde nicht mehr auf den ersten Blick aus jeder Gruppe gleichaltriger Mädchen herausstechen.

Seit ihrer Studienzeit war sie davon überzeugt, dass Männer sehr oberflächlich waren und sie nur nach Äußerlichkeiten beurteilten. Wegen ihrer Haarfarbe war sie stets automatisch als dummes Blondchen abgestempelt worden, dem man keinerlei Tiefe oder geistige Fähigkeiten zutraute.

Sie beschloss, die Geschwätzigkeit des Taxifahrers zu nutzen, um selbst einige Fragen zu stellen und mehr über die Insel zu erfahren. „Ist es weit bis in die Stadt?“

„Nein.“ Schwungvoll lenkte er den Wagen um einen Eselskarren herum, der mit Bananen beladen war. Der Esel zuckte zusammen, als der Fahrer auf die Hupe drückte. „Wohnen Sie im Tamarisk?“

„Ja. Es ist ein kleines Hotel, nicht wahr? Um diese Jahreszeit ist sicher viel Betrieb.“

„Allerdings!“ Der Taxifahrer nickte, dass seine schwarzen Rastalocken hüpften. Dann fuhr er so schwungvoll um eine Kurve, dass die kleine Madonna an seinem Rückspiegel hin und her tanzte. „Januar, Februar – das ist die Hochsaison. Im Sommer kommen zwar auch Leute her, aber wenn es Winter in Europa und den USA ist, ist hier am meisten los.“

„Hm.“ Rachel überlegte, wie sie die Sprache auf Matthew Brody bringen sollte. St. Antoine war eine kleine Insel mit wenigen Einwohnern. Es war gut möglich, dass der Fahrer schon von diesem Mann gehört hatte.

Die Straße, die sich bis jetzt am Rand der Klippen entlanggeschlängelt hatte, führte plötzlich von der Küste weg ins Inselinnere. Bäume, dichte blühende Büsche und Farne wucherten überall. Selbst jetzt, am späten Nachmittag, schienen die Farben im Sonnenlicht hell zu leuchten.

Offenbar nähern wir uns der kleinen Hauptstadt von St. Antoine, vermutete Rachel, als sie an ersten Gebäuden vorbeifuhren. Zu einigen gehörte ein Stück Land, das als Viehweide oder Anbaufläche genutzt wurde. An manchen Häusern prangten handgemalte Schilder, die stolz „Frische Sandwiches“ oder „Hausgemachte Eiskrem“ anpriesen.

Als sie die Stadt erreichten, teilte sich die Straße und ein schmaler Palmenstreifen erstreckte sich zwischen den Fahrbahnen. Von den Balkonen der Wohnhäuser hingen tiefrote Bougainvilleen. Immer wieder sah Rachel Einheimische, die neugierig ins Taxi starrten.

„Äh … kennen Sie vielleicht einen Mann namens Brody?“, platzte Rachel schließlich heraus. Bald mussten sie am Hotel sein, und dann hätte sie keine Gelegenheit mehr zu fragen.

„Meinen Sie Jacob Brody?“ Der Taxifahrer wartete nicht auf ihre Antwort, sondern fuhr fort: „Sicher! Jeder hier kennt Jacob Brody. Er und sein Sohn besitzen schließlich den größten Teil der Insel.“

Rachels Augen weiteten sich. Ihr Vater hatte ihr nicht das Geringste über die Brodys erzählt, und irgendwie hatte sie den Eindruck gehabt, dieser Matthew Brody müsste eine Art Playboy sein, der einmal eine Affäre mit ihrer Mutter gehabt hatte.

Ob Matthew Brody mit Jacob verwandt ist? überlegte sie. Sie hatte gerade den Mund geöffnet, um den Taxifahrer danach zu fragen, als dieser den Wagen durch ein schmiedeeisernes Tor lenkte. Vor ihnen lag ein zweistöckiges weiß getünchtes Gebäude. Auf dem Vorplatz sprudelte ein Springbrunnen.

„Das ist es!“ Der Fahrer stieß schwungvoll seine Tür auf und stieg aus.

Nachdem er die Beifahrertür für Rachel geöffnet hatte, ging er hinter das Auto und holte Rachels Gepäck aus dem Kofferraum. Rachel ging zu dem Mann und drückte ihm einige Dollarscheine in die Hand. Sie wusste nie, wie viel Trinkgeld sie geben sollte, aber dem Gesichtsausdruck des Taxifahrers nach zu urteilen, hatte sie es diesmal ein wenig übertrieben.

„Kennen Sie die Brodys?“ Offenbar verband der Mann ihre Großzügigkeit mit dem Reichtum der Familie.

Doch Rachel schüttelte den Kopf. „Nein“, erwiderte sie kurz, um ein Gespräch zu vermeiden. Als der Fahrer Anstalten machte, ihren Koffer ins Hotel zu tragen, lächelte sie ihm verabschiedend zu. „Vielen Dank, aber ich komme jetzt schon zurecht.“ Um ihre Worte zu bekräftigen, zog sie mit einem energischen Ruck den Griff aus ihrem Koffer.

„Es war mir ein Vergnügen!“ Der Mann stopfte die Geldscheine in seine Tasche. „Wenn Sie irgendetwas brauchen, lassen Sie es einfach Aaron wissen.“ Er nickte in Richtung Hotel. „Sie haben dort meine Nummer.“

Rachel bezweifelte allerdings, dass sie auf sein Angebot zurückkommen würde. Egal, was in den nächsten zwei Wochen hier noch passieren würde: Sie musste in Zukunft etwas sorgsamer mit ihrem Geld umgehen. Doch sie nickte dem Taxifahrer noch einmal freundlich zu, dann rollte sie ihren Koffer hinter sich her zum Eingang.

Zwei flache Stufen führten zu einer breiten Veranda hinauf, die sich über die Front des Hauses zog. Stühle und Tische aus Bambusrohr waren locker im Schatten des Vordachs verteilt, und blühende Kletterpflanzen rankten an den hohen Stützpfeilern empor.

Rachel schaute sich um, aber niemand war zu sehen. Kurz entschlossen ging sie hinein. War es draußen noch feuchtwarm gewesen, herrschte hier drinnen angenehme Kühle. In der Luft lag ein bestimmter Duft. Er war süß und duftig. Rachel konnte nicht sagen, wonach es roch. Marmorfliesen bedeckten den Boden der Eingangshalle, und Blumen leuchteten überall in Vasen und Kübeln. Als Rachel nach oben schaute, hielt sie unwillkürlich den Atem an. Die Decke über dem gesamten Empfangsbereich öffnete sich zu einem hellen, luftigen Innenhof. Von weißen Säulen gestützt, zog sich um den ersten Stock eine Galerie, von der die Zimmertüren abgingen.

Ein hübsches schwarzhaariges Mädchen stand hinter der Rezeption. Da sich sonst kaum jemand im Foyer aufhielt, beobachtete es den Neuankömmling kritisch. Rachel war diese Art der Aufmerksamkeit gewohnt – und auch, diese zu ignorieren.

„Hallo, willkommen im Tamarisk.“ Das Mädchen begrüßte Rachel mit einem Lächeln, das genauso eingeübt war wie ihr gutes Benehmen. Auf dem Namensschild stand der Name Rosa. „Sie haben eine Reservierung, Miss … äh …?“

„Claiborne“, sagte Rachel freundlich. „Ja, das Zimmer ist erst vor einigen Tagen gebucht worden.“

„Selbstverständlich“, erwiderte die junge Frau in der gedehnten Sprechweise dieser Insel, die Rachel bereits am Flughafen aufgefallen war. Die Frau tippte etwas in ihren Computer, dann nickte sie. „Da haben wir Sie!“

Plötzlich veränderte sich die Miene der Rezeptionistin. Ihr geschäftsmäßiges Lächeln wurde breiter und wirkte mit einem Mal direkt herzlich. Sie straffte sich merklich und rückte rasch ihr Dekolleté zurecht.

Rachel musste sich ein Schmunzeln verkneifen, denn es hatte gerade ein Mann die Halle betreten, und zwar ein sehr attraktiver, was Rosas Verhalten erklärte. Offensichtlich wollte Rosa den Neuankömmling beeindrucken.

„Hi Matt“, sagte Rosa. Ihre Stimme klang leicht rau.

Matt! Rachel zuckte zusammen. War das reiner Zufall? Sie konnte ihre Neugier nicht mehr zügeln und drehte sich um.

Vor ihr stand ein großer dunkelhaariger Mann, breitschultrig und muskulös. Vermutlich ist er attraktiv, wenn man auf athletische Typen steht, dachte sie spöttisch. Doch sie merkte erstaunt, dass es ihr seltsam schwerfiel, so kühl zu bleiben.

Das kurzärmlige schwarze Hemd des Fremden passte zu seiner Hose, die locker um seine schmalen Hüften fiel und nur von einem Gürtel an ihrem Platz gehalten wurde. Seine Haut war tief gebräunt, und obwohl er frisch rasiert wirkte, lag auf seinem Kinn bereits wieder ein dunkler Schatten.

Er ist wirklich sexy, gestand Rachel sich widerwillig ein. Allerdings war er ganz und gar nicht ihr Fall. Sein dichtes glattes Haar war für ihren Geschmack zu lang, und über einen seiner kräftigen Oberarme zog sich eine dunkle Tätowierung von irgendeinem geflügelten Raubtier.

Soweit es Rosa betraf, war dieser Mann offenbar die Verkörperung all ihrer Träume. „Hey, Mr. Brody hat bereits den ganzen Tag über angerufen und versucht, dich zu erreichen.“ Sie lehnte sich über den Tresen und schaute ihn verführerisch an. „Wenn ich du wäre, würde ich ihn anrufen. Würdest du das tun? Jetzt?“

Rachels Herz setzte einen Schlag aus, dann schlug es umso schneller weiter. Obwohl es keinen Zweifel mehr gab, dass dies der Mann war, den sie gesucht hatte, jagte seine dunkle, tiefe Stimme ihr einen Schauer über die Haut.

Rachel versuchte, die starke sinnliche Anziehungskraft des Fremden zu verdrängen. Sie war es nicht gewohnt, in dieser Weise auf einen Mann zu reagieren. Umso verstörender war der Gedanke, dass dies der Mann war, für den ihre Mutter Hals über Kopf in die Karibik geflogen war.

Aber das konnte nicht sein! Unmöglich! Ganz abgesehen davon, dass er einfach atemberaubend sexy war, musste er mindestens zehn Jahre jünger als Sara Claiborne sein.

Warum mochte er hier sein? Wohnt meine Mutter etwa auch im Hotel? fragte sich Rachel. Aber sie war nicht in der Lage, Matthew Brody anzusprechen und danach zu fragen. Nein, sie musste diesen Mann kennenlernen! Würde sie es irgendwie schaffen, sein Vertrauen zu gewinnen?

Resigniert presste sie die Lippen zusammen. Vermutlich nicht.

2. KAPITEL

Der Fremde hatte sie bemerkt.

Kein Wunder, ich starre ihn ja auch an, als hätte ich noch nie einen Mann gesehen, dachte Rachel errötend. Rasch drehte sie sich wieder zu Rosa um. Die Rezeptionistin widmete sich ihrem Computer, doch dabei schaffte sie es, gleichzeitig Matt Brody nicht aus den Augen zu lassen.

„Checken Sie ein?“

Rachel erstarrte beim Klang der tiefen Stimme. Da außer ihr sonst niemand am Tresen stand, gab es keinen Zweifel, dass der Mann sie gemeint hatte. Sie schluckte, dann wandte sie sich um.

„Ich – äh, ja.“ Rachel wusste zwar nicht, was ihn das anging, aber sie beschloss, die Gelegenheit zu nutzen. Sie leckte sich die trockenen Lippen. „Sie auch?“

Er setzte ein süffisantes Lächeln auf.

Bevor er etwas antworten konnte, sagte Rosa jedoch: „Mr. Brody gehört das Hotel.“

In diesem Moment tauchte ein junger Mann in der Hoteluniform vor der Rezeption auf. Rosa reichte ihm den Zimmerschlüssel, dann schenkte sie Rachel noch eins ihrer einstudierten Lächeln. „Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt, Miss Claiborne.“

„Claiborne?“

Mit einer geschmeidigen Bewegung trat Matthew Brody näher zu ihr. Er ist sicher einsfünfundneunzig groß, dachte Rachel. Es kam nicht oft vor, dass sie sich neben einem Mann klein fühlte. Besonders beunruhigend allerdings war, wie intensiv sie ihn spürte, seinen männlichen Duft, die Wärme seiner Haut, alles an ihm schien sie überdeutlich wahrzunehmen.

So ein Gefühl hatte sie zum ersten Mal und nicht die geringste Ahnung, wie sie damit umgehen sollte. Das ist der Nachteil, wenn man mit dreißig noch Jungfrau ist, schoss es ihr durch den Kopf. In diesem Augenblick hätte sie etwas Erfahrung gut gebrauchen können.

Aber hier geht es nicht um meine eigene Unzulänglichkeit, auch nicht darum, bei einem völlig Fremden dahinzuschmelzen, ermahnte sie sich, als Matthew Brody die Arme vor seiner breiten Brust verschränkte und sie mit eindringlichem Blick musterte. Seine Augen waren grün, nicht dunkel, wie sie zuerst gedacht hatte, mit langen, geschwungenen Wimpern, um die ihn jede Frau glühend beneiden würde.

„Ihr Name ist Claiborne?“, wiederholte er seine Frage.

Rachel musste sich zwingen, ihre Augen von seiner faszinierenden Tätowierung loszureißen. „Ähm … das ist richtig.“ Mit mehr Kühnheit, als sie verspürte, fuhr sie fort: „Warum? Kommt Ihnen der Name bekannt vor?“

Er schien zu zögern. Seine Brauen zogen sich zusammen, und seine Augen wirkten plötzlich dunkler. „Vielleicht“, sagte er schließlich. „Ich habe … ihn schon mal gehört. Es ist ein Name, der nicht so häufig vorkommt.“

„Das stimmt.“

Rachel versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, auch wenn sie ihn am liebsten gefragt hätte, wo er den Namen schon einmal gehört hatte. Aber sie bezweifelte, dass sie eine ehrliche Antwort bekommen hätte. Was würde er wohl sagen, wenn sie ihm verriet, dass Sara Claiborne ihre Mutter war?

„Wie auch immer.“ Er schien nicht zu bemerken, wie hin- und hergerissen sie war. „Toby wird Ihnen nun Ihr Zimmer zeigen.“ Er nickte dem jungen Mann zu, der geduldig neben Rachels Koffer gewartet hatte. „Ich hoffe, es gefällt Ihnen. Sollten Sie noch etwas brauchen, greifen Sie einfach zum Telefon. An der Rezeption ist immer jemand, der Ihnen gern weiterhelfen wird.“

„Vielen Dank.“ Rachel war erschöpft, auch wenn sie noch immer spürte, wie das Adrenalin durch ihre Venen floss.

Nach einem langen Flug nach Jamaica war sie in Montego Bay in eine kleine Propellermaschine umgestiegen. Das winzige Flugzeug war anschließend in jedes Luftloch über der Karibik gefallen. Auf St. Antoine war Rachel mit zitternden Beinen aus der Maschine geklettert.

Jetzt wünschte sie sich nur noch, ihre Kleidung abzustreifen und sich ausgiebig unter die kühle Dusche zu stellen. Dann würde sie sich etwas zu essen aufs Zimmer kommen lassen.

Rachel seufzte. St. Antoine hatte sie auf den ersten Blick bezaubert, und sie mochte dieses kleine Hotel, doch Matt – Matthew – Brodys Anwesenheit machte alles etwas kompliziert.

Vor allem war es nicht hilfreich, dass sie auf eine ganz und gar unangemessene Weise auf ihn reagierte.

Rachel rang sich ein Lächeln ab, dann folgte sie dem jungen Mann, der ihren Koffer trug, zur Treppe. Sie spürte, dass Matt und Rosa sie beobachteten, und unterdrückte den Impuls, mit den Hüften zu wackeln, um zu demonstrieren, dass sie deren Blicke sehr wohl bemerkt hatte.

Vielleicht bin ich ja auch nur paranoid oder eingebildet, dachte sie und musste ein wenig schmunzeln. Matt Brody hatte ihr keinerlei Anlass gegeben, zu glauben, dass er an ihr interessiert war. Lediglich ihr Name hatte ihn aufhorchen lassen. Und wenn er tatsächlich etwas mit ihrer Mutter hatte, war es nicht verwunderlich, dass er Rachels Nachnamen kannte.

Toby lief vor Rachel die Galerie entlang, von der die Hotelzimmer abgingen. Schließlich blieb er vor einer der Türen stehen, schloss auf und öffnete. Rachel trat ins Zimmer und schaute sich um. Das Zimmer war bezaubernd, zwar nicht groß, aber hell und luftig, mit einem Balkon zum Garten, der sich auf der Rückseite des Hotels befand. Ein großzügiges Bett beherrschte den Raum, und vor dem Fenster standen ein kleiner Tisch und zwei zierliche Sessel.

Rachel versicherte Toby, dass sie rundum zufrieden war, und verabschiedete ihn mit einem großzügigen Trinkgeld, dann öffnete sie die Balkontür und ging hinaus. Üppig blühende Kletterpflanzen schirmten den Balkon von der Umgebung ab. Unter ihr schimmerte das Wasser des Pools in der Nachmittagssonne.

Unter anderen Umständen wäre Rachel restlos begeistert gewesen. St. Antoine war so, wie sie sich eine Insel in der Karibik vorgestellt hatte. Doch wie in jedem Paradies lauerte auch hier die Schlange. In diesem Fall Matt Brody – ganz gleich, wie faszinierend er auch sein mochte.

Faszinierend, wiederholte Rachel in Gedanken entsetzt. Wieso kam ihr ausgerechnet dieses Wort in den Sinn? Hatte sie vergessen, warum sie hier war? Gingen etwa die Hormone mit ihr durch? Dies war weder die richtige Zeit noch der rechte Ort, um herauszufinden, ob ein Mann sexy und gefährlich zugleich sein konnte. Rachel stand abrupt auf und ging wieder hinein. Jetzt war ein guter Zeitpunkt, endlich ausgiebig zu duschen.

Eine halbe Stunde später zog sie Boxershorts und ein Trägerhemdchen an Mit einem zufriedenen Seufzer verstaute sie die Tweedhosen und die dicke Jacke, die sie auf der Reise getragen hatte, ganz hinten im Schrank.

Rachel schaute auf die Uhr. In London war es jetzt fast Mitternacht, und zu Hause würde sie um diese Uhrzeit schon gemütlich im Bett liegen. Sie überlegte, ob sie sich noch etwas zu essen aufs Zimmer kommen lassen sollte. Sie war zwar nicht besonders hungrig, aber ansonsten wäre sie bis zum Frühstück sicher halb verhungert.

Schließlich bestellte sie einen Salat und Eiskrem. Während sie auf den Zimmerservice wartete, ging sie hinaus auf den Balkon. Mittlerweile war es dunkel geworden, doch der Garten war romantisch beleuchtet. Sie legte die Hände auf die Balkonbrüstung und atmete den fremden exotischen Duft tief ein.

Sie hatte ganz vergessen, dass sie nur die knappen Shorts und das hautenge Hemdchen trug. Als sie ihre Arme über den Kopf hob, bewegten sich ihre vollen Brüste unter dem dünnen Stoff. Rachel fühlte sich seltsam frei, fast wie ein Teil der Natur. Sie lächelte, als eine warme Brise ihr über die Haut strich.

Dann sah sie ihn. Sie war so gut wie sicher, dass es Matthew Brody war, der dort unten im Schatten eines Sonnenschirms stand und zu ihr heraufschaute. Sie sprang sofort zurück und nahm die Arme herunter. Um Himmels willen! Hat er mich gesehen? fragte sie sich entsetzt. Natürlich hat er, dachte sie. Aber was hatte er dort unten überhaupt zu suchen? Er lebte doch sicher nicht im Hotel.

Sie zuckte panisch zusammen, als es an der Tür klopfte. Doch dann fiel ihr wieder ein, dass sie ja den Zimmerservice bestellt hatte. Hastig schlang sie ein Paschminatuch um und öffnete die Tür. Ein junger Mann, den sie noch nicht gesehen hatte, stand vor ihr. Seine dunklen Augen wanderten bewundernd über ihr feuchtes lockiges Haar und ihre üppigen Kurven, die kaum von dem dünnen Tuch verhüllt wurden.

„Ihr Abendessen, Miss Claiborne. Ich wünsche Ihnen guten Appetit.“ Er nahm ihr Trinkgeld und ging.

Während Rachel die Tür hinter ihm schloss und das Tablett zum Tisch trug, wunderte sie sich, wie komplett unterschiedlich sie auf zwei ähnlich attraktive Männer reagiert hatte. Doch sie ließ sich von diesem Gedanken nicht den Appetit verderben. Nachdem sie den Salat und fast das ganze Eis aufgegessen hatte, nahm sie die Eiswaffel und legte sich aufs Bett. Ihr Haar war noch immer leicht feucht. Ich sollte es föhnen, dachte sie schläfrig, während sie an der Waffel knabberte. Sie würde nur noch aufessen.

Es war hell, als Rachel erwachte. Sie hatte die Vorhänge nicht zugezogen, und die Sonne schien grell durch die Balkontüren. Wenigstens habe ich die Tür zugemacht, dachte sie und strich ihr Haar zurück. Aber die Vorstellung, jemand könne auf ihren Balkon steigen und in ihr Zimmer eindringen, war wirklich absurd.

Obwohl es gerade erst sieben Uhr war, war es bereits zu warm im Zimmer. Rachel schaltete die Klimaanlage ein, dann lief sie barfuß ins Badezimmer. Beim Blick in den Spiegel stellte sie fest, dass ihre helle Haut unter den Augen leichte Schatten zeigte.

Rachel seufzte und drehte die Dusche auf. Sie hatte sich noch immer nicht entschieden, was sie als Nächstes tun wollte. Sollte sie versuchen, mit Matt – Matthew Brody zu sprechen? Oder nach ihrer Mutter suchen? Sara hatte ihrem Ehemann keine Adresse hinterlassen. Es war wohl nicht damit zu rechnen, dass sie auch hier im Hotel wohnte. Wahrscheinlich war sie bei dem Mann, dessentwegen sie hergeflogen war.

Rachel trocknete sich ab und begutachtete den Inhalt ihres Koffers. Schließlich entschied sie sich für einen kurzen Faltenrock und ein sonnenblumengelbes Trägerhemd, dazu Flip-Flops anstatt der hochhackigen Schuhe, die sie auf der Reise getragen hatte.

Falls ich Matt Brody begegne, wird er mir noch größer und einschüchternder vorkommen, schoss es ihr durch den Kopf. Doch schnell verdrängte sie den Gedanken. Sie fasste ihre schulterlangen Haare mit einem Gummi zu einem Zopf zusammen, dann verschloss sie die Zimmertür hinter sich und ging zur Treppe.

„Guten Morgen!“ Ein Paar mittleren Alters verließ gerade das Nachbarzimmer und grüßte freundlich.

Rachel erwiderte den Gruß und folgte ihren Nachbarn hinunter ins Foyer. Sie musste schmunzeln, als sie sah, wie bleich sie gegen die beiden wirkte. Sie mussten schon einige Tage auf der Insel sein.

Heute Morgen stand eine andere junge Frau hinter der Rezeption, die sie freundlich grüßte. Sind die Leute hier gut geschult oder von Natur aus so freundlich? fragte sie sich. Wie Matthew Brody.

Wieso dachte sie schon wieder an ihn? Sie schüttelte den Kopf und folgte ihren Nachbarn in den Speiseraum. Nur wenige Tische waren belegt. Die meisten Gäste saßen draußen auf der Terrasse. Auch Rachel ging durch die großen Glastüren hinaus. Als sie die Sonne auf ihrer Haut spürte und sich umschaute, fühlte sie sich plötzlich schon viel besser.

„Ein Tisch für zwei?“, fragte eine Kellnerin freundlich.

Rachel verzog das Gesicht. „Ich bin allein“, entgegnete sie halb entschuldigend.

Sie folgte der jungen Frau zu einem Tisch am anderen Ende der Veranda. Rachel war dankbar für den Schatten, den die Markise spendete, denn obwohl es kaum acht Uhr war, hatte die Sonne hier bereits viel Kraft.

Nach einem Glas frisch gepresstem Orangensaft, vorzüglichem Kaffee und warmen Brötchen lehnte Rachel sich zufrieden zurück. Am liebsten wäre sie jetzt schwimmen gegangen. Aber sie war ja nicht hier, um sich zu amüsieren. Sie beschloss, sich noch eine letzte Tasse Kaffee zu gönnen, bevor sie sich an ihre Aufgabe machte.

Plötzlich fiel ein Schatten über ihren Tisch. Rachel sah aus dem Augenwinkel, dass ein großer, dunkler und verstörend vertrauter Mann neben ihren Tisch getreten war. Ihr Atem beschleunigte sich, und ihre Haut begann zu prickeln. Sie brauchte nicht aufzuschauen, um zu wissen, wer es war.

„Guten Morgen, Miss Claiborne.“

Beim Klang seiner tiefen, leicht rauen Stimme bekam sie eine Gänsehaut. „Ähm … guten Morgen.“

Matthew Brody trug knielange Khakishorts, dazu ein enges weißes T-Shirt, unter dem Rachel das Spiel seiner Muskeln erkennen konnte. Ihr Blick fiel auf seine muskulösen, braun gebrannten Waden. Hastig schaute sie woandershin.

Wieso reagierte ihr Körper mit jeder Faser auf ihn? In ihrem Leben war sie nicht gerade wenigen Männern begegnet, doch eine solche Reaktion war ihr völlig neu.

Wie die Mutter, so die Tochter, schoss es ihr durch den Kopf. Rasch verdrängte sie diesen Gedanken.

„Haben Sie gut geschlafen?“

Sie würde sich den Nacken verrenken, wenn sie weiter zu ihm hinaufschaute. Rachel schob ihren Stuhl zurück und stand auf. Doch noch immer musste sie den Kopf heben, um ihn anzusehen. Seine grünen Augen blickten sie sanft und harmlos an. Konnte es sein, dass er sie verspottete? Aber warum sollte er? Ahnte er vielleicht, warum sie hier war?

„Ja, vielen Dank.“ Sie hörte selbst, wie scharf ihre Stimme klang. „Und Sie?“

„Ich schlafe immer gut, Miss Claiborne.“ Seine vollen Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. „Haben Sie schon Pläne für heute Morgen?“

Rachel musste sich beherrschen, um ihn nicht mit offenem Mund anzustarren. „Pläne?“, wiederholte sie. „Ich … warum, nein. Ehrlich gesagt, war ich gerade dabei, darüber nachzudenken, was ich unternehmen soll.“

Zum Beispiel, herausfinden, wo Sie wohnen und ob meine Mutter bei Ihnen ist. Oder lieber abwarten, was passiert, wenn Sie ihr sagen, dass ich hier bin, ergänzte sie in Gedanken.

„Gut.“ Unter dem Blick seiner grünen Augen hatte Rachel das Gefühl, als wüsste er genau, wie er auf sie wirkte. „Was halten Sie davon, die Insel ein wenig besser kennenzulernen?“

Rachel konnte kaum glauben, was er gerade gesagt hatte. „Ich … ja“, erwiderte sie. „Daran hatte ich auch schon gedacht. Gibt es hier geführte Touren?“

„So könnte man es auch ausdrücken.“ Matt grinste, und Rachels Magen fühlte sich an, als wäre gerade ein Schwarm Schmetterlinge aufgeflogen.

Wenn er entspannt war, wie in diesem Moment, sah er einfach umwerfend aus.

In seinen Augenwinkeln bildeten sich feine Fältchen, und das Lächeln ließ seine harten, maskulinen Züge weicher erscheinen.

„Genau genommen wollte ich Ihnen meine Dienste anbieten“, murmelte er. „Ich wurde zwar in England geboren, habe aber, abgesehen von meiner Collegezeit, immer hier auf St. Antoine gelebt. Ich denke, ich kann Ihnen Orte zeigen, die Sie in keinem Reiseführer finden.“

Davon war Rachel überzeugt. Aber sie war nicht halb so sicher, ob sie ihn wirklich beim Wort nehmen sollte. Hier bot sich ihr zwar die perfekte Gelegenheit, mehr über ihn zu erfahren, ohne ihre Identität preiszugeben, aber sein Angebot war viel zu verlockend. Außerdem – was würde ihr Vater dazu sagen?

„Äh … wird sonst noch jemand mitkommen?“, fragte sie unschuldig.

Seine Augen verdunkelten sich, als würde er ungeduldig. „Nein“, erwiderte er ausdruckslos. „Stört Sie das? Würden Sie mich begleiten, wenn ich Ihnen verspreche, Sie nicht anzufassen?“

Rachel spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. „Oh … ich, also, ich wollte nicht andeuten …“

„Doch, Sie wollten.“ Er zuckte gleichgültig die Achseln. „Also, wie ist Ihre Antwort?“

Rachel stieß nervös die Luft aus. „Muss ich irgendetwas mitbringen?“

„An was haben Sie denn gedacht?“, fragte er gedehnt. Doch dann, als hätte er plötzlich Mitleid mit ihr bekommen, lächelte er sie offen an. „Nur Sonnenschutz. Und einen Badeanzug.“

„Gut.“ Rachel trat einen Schritt von ihm zurück. Badekleidung war das Letzte, was sie auf diesen Ausflug mitnehmen würde. „Wann fahren wir los?“

Er sah auf seine goldene Armbanduhr. „Schaffen Sie es in fünfzehn Minuten?“

Rachel nickte. „Ich denke, schon.“

Matt grinste ironisch. „Eine Frau, die weniger als eine Stunde braucht, um sich fertig zu machen? Ich muss ein Glückspilz sein!“

Das werden wir sehen, dachte Rachel, aber sie schwieg.

„Also treffen wir uns in einer Viertelstunde im Foyer.“ Matt lächelte ihr noch einmal höflich zu, dann ging er langsam ins Hotel.

Kaum war er außer Sicht, ließ Rachel sich wieder in ihren Stuhl fallen. Um den Kaffee auszutrinken, sagte sie sich, aber wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass ihr die Knie zitterten. Meine Güte, in was für eine Situation hatte sie sich da gebracht!

Schließlich raffte sie sich auf, ging zurück auf ihr Zimmer und packte eine Flasche Sonnenmilch in eine Tasche. Sollte sie wirklich keinen Badeanzug mitnehmen? Sie sah an sich herunter. Ihr kurzer Rock zeigte ohnehin nicht viel weniger von ihrer Haut. Als sie den Koffer gepackt hatte, hatte sie nicht erwartet, dass der – sie schluckte – Liebhaber ihrer Mutter kaum zehn Jahre älter sein würde als sie selbst.

Rachel zog kurz entschlossen ihren schwarzen Bikini aus dem Rucksack und stopfte ihn in die Strandtasche, dazu ihre Sonnenbrille und eins der hoteleigenen Handtücher. Sollte Matthew Brody sich doch darüber beschweren!

Rachel warf einen letzten Blick in den Spiegel. Nach kurzem Zögern zog sie das Gummi aus ihren Haaren und lockerte die seidigen Strähnen mit beiden Händen auf. Das musste reichen.

Gerade als sie ihr Zimmer verließ, öffneten sich die Doppeltüren am anderen Ende der Galerie und Matt Brody trat heraus. Was mochte hinter diesen Türen liegen? Seine Wohnung?

„Kein Grund zur Eile.“ Gerade als sie die oberste Stufe erreicht hatte, umschloss eine überraschend harte Hand ihre nackte Schulter. „Ich bin direkt hinter Ihnen.“

Rachel fühlte die Wärme seiner Berührung wie einen Stromschlag. Sie stolperte hastig vorwärts, um seine Finger abzuschütteln, dabei löste sich der Flip-Flop von ihrem Fuß. Sie fiel vorwärts, ihre Hand griff vergeblich nach dem Geländer.

Im letzten Moment legte sich Matts Arm fest um ihre Taille und rettete Rachel vor dem sicheren Unglück. Nun, einem Unglück zumindest, dachte Rachel, als er sie hochzog. Sie fühlte, wie ein hysterisches Kichern in ihr aufstieg, als sie dabei gegen sein Becken gepresst wurde.

„V… vielen Dank.“

Sie schaffte es, sich aus seinem Griff zu lösen, den Flip-Flop aufzuheben und die Treppe barfuß hinunterzulaufen. Während sie ihren Schuh überstreifte, kam Matt zu ihr. „Alles in Ordnung?“

Sie versuchte, ihm unbekümmert zuzunicken. „Bestens“, erklärte sie leichthin und deutete auf ihre Flip-Flops. „Ich hätte andere Schuhe anziehen sollen.“

„Sie hätten nicht versuchen sollen, vor mir davonzulaufen“, erwiderte Matt trocken. „Was ist los, Miss Claiborne? Mache ich Sie nervös?“

Im ersten Moment wollte Rachel widersprechen, doch dann nickte sie. „Vielleicht ein bisschen. Ich bin es nicht gewohnt, angefasst zu werden.“

Matt runzelte seine dunklen Augenbrauen. „Sie meinen wohl, Sie sind es nur gewohnt, von Leuten angefasst zu werden, die Sie mögen.“

„Ich würde weder sagen, dass ich Sie mag, noch, dass ich Sie nicht mag, Mr. Brody“, wich Rachel einer direkten Antwort aus. „Haben Sie einen Wagen?“

Matt schaute sie so lange schweigend an, dass Rachel schon befürchtete, er würde alles abblasen. Doch plötzlich wurde ihr klar, dass sie mit ihm den Ausflug unternehmen wollte. Ganz gleich, wie leichtsinnig das sein mochte. Immerhin war sie darum nach St. Antoine gekommen.

Schließlich zuckte Matt die Schultern und deutete nach draußen. Rachel folgte ihm hinaus. Vor einem offenen Jeep blieb er stehen, öffnete die Beifahrertür und wartete, bis sie eingestiegen war. Sobald er im Auto saß, setzte er eine Sonnenbrille auf, sodass Rachel seinen Gesichtsausdruck nicht mehr deuten konnte.

Während Matt den Motor anließ und losfuhr, schaute Rachel ihn immer wieder von der Seite an, aber bald nahm das lebhafte Treiben im Ort ihre Aufmerksamkeit gefangen. Schon am Morgen drängten sich Einheimische und Touristen in den engen Gassen. Von einem Straßenmarkt wehten verlockende Düfte herüber. Es roch nach frischem Fisch, Knoblauch und exotischen Gewürzen.

Matt schaute noch immer geradeaus und schwieg. Langsam gewann Rachel den Eindruck, dass er nicht ganz so begeistert von ihrem Ausflug war wie sie selbst.

Vielleicht war er noch verärgert. Vorhin im Hotel hatte sie sich wirklich sehr unhöflich verhalten, gestand sie sich ein. Es war ja nicht sein Fehler, dass sie nicht an körperlichen Kontakt gewöhnt war. Er hatte sie vor einem üblen Sturz gerettet und nicht zu seinem Vergnügen an sich gerissen.

Bald ließen sie den lebhaften kleinen Ort hinter sich. Immer wieder spielten Kinder auf der Straße. Offensichtlich hatten sie keine Angst, von einem der vorbeifahrenden Autos erfasst zu werden. Zu Rachels Erstaunen reagierte Matt nicht ungehalten darauf, obwohl er immer wieder bremsen und ausweichen musste. Stattdessen winkte er zurück, wenn die Kinder ihm winkten. Offensichtlich kannte und mochte ihn jeder hier.

Obwohl es noch früh war, wurde die Luft wärmer und feuchter. Rachel konnte spüren, wie ihr der Schweiß zwischen den Brüsten hinunterlief. Auch Matts Stirn war feucht, stellte sie fest, als sie zur Seite schaute.

Ihr stockte der Atem, als er plötzlich sein Hemd hob und sich damit Luft zufächelte. Sein Bauchnabel glitzerte feucht. In ihrem Magen spürte sie ein Flattern. Sie wollte die Weichheit seiner Haut fühlen und die feinen Härchen auf seinem Bauch unter ihren Fingern spüren. Rachel musste sich beherrschen, um nicht die Hand auszustrecken und ihn zu berühren.

Entsetzt über ihre eigenen Gedanken, verkrampfte sie ihre Hände miteinander. Dies war der Mann, für den ihre Mutter in die Karibik geflogen war! Nachdem Rachel ihn kennengelernt hatte, glaubte sie nicht mehr daran, dass es aus reiner Freundschaft geschehen war.

Hinter der nächsten Kurve lag plötzlich der Ozean vor ihnen. Hinter einem schneeweißen Sandstrand glitzerte er blau und grün in der Morgensonne.

„Wie wunderschön“, brach Rachel unwillkürlich das Schweigen.

Ihre ehrliche Begeisterung schien Matt freundlicher zu stimmen. „Dies ist der schönste Teil der Insel, Mango Cove.“ Er parkte den Jeep am Rand der Klippen, sodass sie die Bucht überblicken konnten. „Wir haben Glück gehabt auf St. Antoine. Jamaica hat den Touristen so viel zu bieten, dass unsere Insel bisher noch nicht mit Hotels und Urlaubsanlagen zugebaut worden ist.“

Rachel drehte sich in ihrem Sitz zu ihm. „Von meinem Taxifahrer habe ich gehört, dass den Brodys der größte Teil der Insel gehört. Hat er dabei von Ihnen gesprochen?“

Langsam nahm Matt seine Sonnenbrille ab und sah Rachel aus schmalen Augen an. „Warum würde Ihnen ein Taxifahrer so etwas erzählen?“

Auf diese Frage war Rachel nicht vorbereitet gewesen. „Ich … äh … ich habe ihn gefragt, ob die Felder und Weiden bei den Häusern auch den Hausbesitzern gehören.“ Sie hoffte, dass ihre gestammelte Erklärung Matt überzeugen würde. „Daraufhin hat er geantwortet, sie seien nur Mieter, das meiste Land sei im Besitz der Brodys.“

„Ach, wirklich?“ Matt wirkte noch immer misstrauisch. „Zu Ihrer Information: Den Einheimischen hier gehören sowohl ihre Häuser als auch ihr Land. Wir ermutigen die Leute, unabhängig zu sein. Offenbar war Ihr Taxifahrer falsch informiert.“

Er betrachtete Rachel nachdenklich, als wollte er noch etwas sagen, doch dann setzte er seine Sonnenbrille wieder auf, stieg aus und ging zum Klippenrand. Rachel sah ihm mit roten Wangen nach. Hatte er ihre dumme Lüge durchschaut?

„Kommen Sie?“ Er drehte sich um, dann begann er, die Dünen zum Strand hinunterzulaufen.

Habe ich eine Wahl? dachte Rachel. Außerdem sehnte sie sich danach, den Sand zwischen ihren Zehen zu spüren und ins kühle Meer einzutauchen. Hastig schulterte sie ihren Rucksack und folgte ihm. Ohne sich nach ihr umzuschauen, war Matt bereits auf dem Weg zum Wasser.

Schweißbedeckt erreichte Rachel den Strand. Inzwischen bereute sie bitterlich, dass sie keinen Hut mitgenommen hatte. Obwohl am Meer ein leichter Wind ging, brannte die Sonne unbarmherzig auf ihre helle Haut nieder. Rachel seufzte und versuchte, ihre Augen mit der Hand von den grellen Strahlen abzuschirmen.

Sie hatte nicht bemerkt, dass Matt neben sie getreten war. „Ist Ihnen heiß?“

„Ein bisschen.“

„Gehen Sie ins Wasser, das wird Sie abkühlen. Vielleicht gefällt es Ihnen sogar.“

Rachel verzog den Mund. „Woher wissen Sie, dass ich einen Bikini mitgebracht habe?“

Er nahm seine Brille wieder ab und sah sie spöttisch an. „Oh, ich bin nicht prüde. Wir können auch nackt baden, wenn Ihnen das lieber ist.“

Wieso schafft er es immer wieder, mich in Verlegenheit zu bringen? dachte Rachel und wurde rot. Hoffentlich dachte er, die Sonne sei für ihre Röte verantwortlich.

„Ich weiß, Sie meinen das nicht ernst“, entgegnete sie steif, obwohl sie da keineswegs sicher war. „Aber zufällig habe ich meinen Bikini dabei. Wenn Sie in die andere Richtung schauen, ziehe ich ihn an.“

Matt grinste breit. „Sie haben sich wohl noch nie vor einem Mann ausgezogen.“

Ganz genau! dachte Rachel, aber das würde sie ihm sicherlich nicht verraten.

„Nicht vor einem, den ich kaum kenne“, erwiderte sie kühl. „Also drehen Sie sich bitte um.“

„Ihr Pech“, spottete er und wandte ihr ohne ein weiteres Wort den Rücken zu.

Doch mit ihrer Erleichterung war es vorbei, als er sein Hemd über den Kopf zog und in den Sand warf. Dann öffnete er seine Gürtelschnalle. Rachel schnappte hörbar nach Luft, als die Hose über seine schmalen Hüften rutschte. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, aber darunter kam eine schwarze Badehose zum Vorschein.

Wusste ihre Mutter, dass Matt in ihrer Abwesenheit mit anderen Frauen flirtete? schoss es ihr durch den Kopf. Doch hatte er wirklich mit ihr geflirtet? Nein, gestand sie sich ein. Es war nicht seine Schuld, dass sie so heftig auf ihn reagierte. Matt war einfach nur unkonventionell und frei von Hemmungen, ganz anders als die Männer, die sie sonst kannte.

Als sie sich umgezogen hatte und zum Meer ging, stand Matt bereits bis zur Hüfte im Wasser. Rachel konnte sich vom Anblick seines schlanken, muskulösen Körpers kaum losreißen.

Mein Gott, dieser Mann ist mit deiner Mutter zusammen, ermahnte sie sich. Bewusst wählte sie eine Stelle einige Meter von ihm entfernt, um in die erfrischenden Fluten einzutauchen. Ohne sich nach ihm umzusehen, schwamm sie los. Der Boden unter ihr fiel überraschend steil ab, doch sie schwamm weiter hinaus. Sie war eine gute Schwimmerin, und das Wasser fühlte sich so erfrischend an, weich wie Seide umgab es ihre erhitzte Haut.

Von Matt war nichts zu sehen. Rachel wusste nicht, ob sie erleichtert oder enttäuscht darüber war. Plötzlich entdeckte sie seinen dunklen Körper ein Stück weiter vor sich. Er lag auf dem Rücken und ließ sich treiben. Ihr Verstand mahnte sie, die Richtung zu wechseln, stattdessen schwamm sie zu ihm.

„Ist es nicht wunderbar?“, fragte sie atemlos. „Ich bin noch nie in so klarem Wasser geschwommen. Vielen Dank, dass Sie mich hergebracht haben.“

„Kein Problem.“ Er drehte sich zu ihr und begann, neben ihr Wasser zu treten. „Und ich hatte schon das Gefühl, Sie hätten bereut, dass Sie meine Einladung angenommen haben.“ Er betrachtete sie spöttisch, dann streckte er eine Hand aus, um ihr eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen.

Unwillkürlich zuckte Rachel zurück, und seine Gesichtszüge verhärteten sich wieder. „Meine Güte, entspannen Sie sich ein bisschen, Miss Claiborne! Denken Sie, jeder Mann, der Sie berührt, will mit Ihnen ins Bett steigen?“

Rachels Freude über den Tag war plötzlich verschwunden. „Ich bin sicher, das trifft zumindest nicht auf Sie zu, Mr. Brody.“

Sie drehte sich abrupt um und schwamm zurück zum Strand. Dieser Mann ist unmöglich, dachte sie, während sie wütend durch die Fluten kraulte. Er schaffte es wirklich, alles in eine persönliche Beleidigung zu verwandeln.

Noch bevor sie das flache Wasser erreicht hatte, überholte Matt sie. Ohne auf sie zu warten, lief er zu seiner Kleidung und trocknete sich mit seinem Unterhemd den Oberkörper ab.

Rachels Magen krampfte sich zusammen, als sie ihn anschaute. Seine nasse schwarze Badehose saß eng wie eine zweite Haut, und bei jeder Bewegung konnte sie das Spiel seiner Muskeln sehen. Ihm schien es ganz egal zu sein, ob sie ihn beobachtete oder nicht. Sie öffnete ihren Rucksack. Plötzlich war es ihr peinlich, das hoteleigene Handtuch herauszuholen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, es mitzunehmen? Doch Matt sah nicht zu ihr. Seine Aufmerksamkeit galt einem großen Vogel, der auf dem Sand nach Essbarem suchte.

Rachel wickelte sich fest in ihr Handtuch. „Was ist das für ein Vogel?“

„Ein Pelikan.“

„Oh. Den kannte ich bis jetzt nur aus Kinderbüchern“, sagte Rachel beeindruckt. Sie schaute auf seinen Oberarm. „Ist Ihre Tätowierung ein Pelikan?“

„Nein, das ist ein Falke. Ich habe sie stechen lassen, als ich auf dem College war.“ Er sah flüchtig zu ihr. „Ziehen Sie sich an, dann bringe ich Sie zum Hotel zurück.“

„Ach.“ Rachel seufzte enttäuscht. „Müssen wir?“

„Müssen wir was?“

„Zurückfahren.“

Sein Stirnrunzeln war nicht gerade ermutigend.

„Sehen Sie, ich weiß, ich habe vorhin überreagiert, aber das hatte nichts mit Ihnen zu tun.“

Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich. Statt zu antworten, drehte er sich um und zog seine Badehose aus. Rachels Augen weiteten sich. Dieser Mann war völlig schamlos! Ihm war offensichtlich ganz egal, wer ihn sah und dass er andere mit seinem Verhalten vielleicht vor den Kopf stieß. Dennoch konnte sie den Blick nicht abwenden. Sein Körper war nahtlos gebräunt und perfekt proportioniert, wie von einem Künstler geschaffen.

Erst als er seine Shorts übergestreift hatte, merkte sie, dass sie die Luft angehalten und ihn angestarrt hatte, anstatt sich selbst anzuziehen. Rasch versuchte sie, sich unter ihrem Badetuch umzuziehen, doch der nasse Bikini klebte und verdrehte sich auf ihrer feuchten Haut. Endlich hatte sie es geschafft. Doch als sie ihre nasse Kleidung in ihren Rucksack stopfte, bemerkte sie, dass ihr BH noch im Sand lag. Aber jetzt war es zu spät, um noch etwas daran zu ändern. Unauffällig steckte sie ihn in ihre Tasche.

Matt schlenderte bereits am Wasser entlang über den Strand. Genau in dem Moment, als Rachel ihren Rucksack schloss, drehte er sich zu ihr um, sodass sie sich fragte, ob er wirklich so desinteressiert an ihrem Kampf mit der Badebekleidung gewesen war.

„Lassen Sie uns einen Strandspaziergang machen“, sagte er. Seine Stimme klang neutral. „Falls es Ihnen nicht zu heiß ist.“

„Geht schon.“ Sie schulterte ihren Rucksack und lief zu ihm.

Als sie ihn erreicht hatte, griff er nach ihrer Tasche und ließ sie in den Sand fallen. „Die brauchen Sie nicht, und hier ist niemand, der sie wegnehmen wird. Außer ihm, natürlich.“ Er deutete auf den Pelikan. „Aber ich bezweifle, dass meine Handtücher nach seinem Geschmack sind.“

Rachel errötete. „Ich weiß. Ich hätte es nicht mitnehmen sollen.“

„Habe ich das gesagt?“

„Das müssen Sie nicht. Ich fühle mich auch schon so schuldig genug.“

„Vergessen Sie es.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Was bedeutet schon ein Handtuch zwischen Feinden?“

Rachel stockte der Atem. „Sind wir Feinde, Mr. Brody?“

„Matt“, korrigierte er sie knapp. „Nun, Freunde sind wir jedenfalls ganz sicher nicht.“ Er ging weiter. „Kommen Sie!“

Rachel setzte sich in Bewegung, um mit ihm Schritt zu halten. Schweigend gingen sie im flachen Wasser nebeneinanderher. Nur das Geschrei der Seevögel und das dumpfe Grollen des Ozeans durchbrach die Stille. Zu ihrem Erstaunen genoss Rachel trotz seiner Worte den Spaziergang.

Doch dann stellte Matt die Frage, vor der sie sich gefürchtet hatte: „Warum sind Sie nach St. Antoine gekommen, Miss Claiborne?“

3. KAPITEL

Matt blieb stehen und sah sie an.

Sie atmete tief ein. „Mein Name ist Rachel, wie Sie ja bereits wissen.“

„Okay. Also warum sind Sie nach St. Antoine gekommen, Rachel?“

Sie konnte ihm nicht die Wahrheit sagen, nicht jetzt, nicht hier. Sie schaffte es einfach nicht. „Ähm, warum kommen Leute normalerweise auf diese Insel?“, fragte sie betont leichthin. „Ich brauchte eine Auszeit, und St. Antoine schien mir der ideale Ort, um auszuspannen.“

„Auszuspannen?“ Er betrachtete sie mit zusammengekniffenen Augen. Schließlich drehte er sich um und schlenderte weiter am Wasser entlang.

Erleichtert, seinem kritischen Blick entkommen zu sein, ging Rachel neben ihm den Strand entlang.

„Das erklärt nicht, warum Sie ausgerechnet diese Insel gewählt haben“, fuhr er hartnäckig fort. „Ich meine, wir sind nicht gerade das typische Touristenziel.“

„Aber Sie haben Touristen hier.“

„Viele davon kommen auf Empfehlung her“, informierte er sie. „Und die meisten sind aus Amerika.“

Rachel schaffte es, aufzulachen. „Wissen Sie, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass neue Gäste hier nicht willkommen sind, Mr. Brody. Unterziehen Sie all Ihre Besucher einem solchen Verhör?“

„Matt.“ Er blieb stehen und schaute sie ungeduldig an. „Nein, dies hier ist nicht mein üblicher Gäste-Empfang.“

„Oh.“ Rachel verzog den Mund. „Wie auch immer, ich bin nun jedenfalls hier. Es tut mir leid, wenn Ihnen das nicht passt.“

Matt sah ihr fest in die Augen, und sie musste sich zwingen, seinem Blick standzuhalten. Schließlich schüttelte er den Kopf. „Habe ich gesagt, dass es mir nicht gefällt? Sie … machen mich neugierig, das ist alles. Ich denke, Sie sagen mir nicht die Wahrheit, warum Sie ausgerechnet hierhergekommen sind.“

Angriff ist die beste Verteidigung, entschied Rachel. Sie stemmte die Fäuste in ihre Hüften. „Also nennen Sie mich eine Lügnerin, Mr. Brody?“

„Legen Sie mir nichts in den Mund, Miss Claiborne. Ich würde eher sagen, Sie gehen sehr sparsam mit der Wahrheit um.“

„Sie kämpfen wirklich mit harten Bandagen, Mr. Brody. Und ich dachte, Sie wüssten meine Gesellschaft zu schätzen.“ Rachel wandte sich ab und ging weiter.

„Ob ich Ihre Gesellschaft schätze oder nicht, ist ein anderes Thema. Und hören Sie endlich auf, mich Mr. Brody zu nennen!“

„Also gut, Matt! Offenbar erfülle ich nicht Ihre Erwartungen, und Sie mögen mich nicht.“

„Und wie kommen Sie jetzt darauf?“ Seine Brauen zogen sich zusammen. „Aber Sie haben recht: Sie sind wirklich nicht das, was ich erwartet habe.“

Unwillkürlich zuckte Rachel zusammen. Hatte sie wirklich geglaubt, dass er anders als andere Männer war? Aber vor allem: Wieso war ihr so wichtig, was er von ihr hielt? Er war das Problem ihrer Mutter, nicht ihres.

„Ich denke, wir sollten zurückgehen.“ Gegen ihren Willen konnte sie ihre Augen nicht von seinem geöffneten Hemdausschnitt abwenden. Beim Anblick der dunklen Haare auf seiner muskulösen Brust wurden ihr die Knie weich, aber zumindest wich sie so dem Blick seiner grünen Augen aus. „Es war wirklich sehr … unterhaltsam, aber alle guten Dinge müssen …“

„Wissen Sie, genau das ist ein Teil des Problems“, unterbrach er sie. „Sie sind anders als jede Frau, die ich kennengelernt habe.“

„Und ich bin sicher, das waren jede Menge“, erwiderte Rachel ohne nachzudenken.

„Einige“, stimmte er zu. „Warum? Stört Sie das, Miss Claiborne? Die Tatsache, dass ich Sie eigentlich unsympathisch finden will, Sie aber trotzdem anziehend finde?“ Langsam kam er näher auf sie zu.

Unwillkürlich wich Rachel zurück. „Was haben Sie vor, Mr. … Matt? Ich warne Sie, ich kann mich verteidigen!“

„Oh, meine Güte!“ Matt verkniff sich einen Fluch und ging an ihr vorbei. „Merken Sie eigentlich selbst, was Sie sagen? Holen Sie Ihren Rucksack! Wir fahren zurück.“

Rachel musste sich anstrengen, mit ihm Schritt zu halten. Mühsam kämpfte sie sich die Dünen hinauf, während Matt scheinbar ohne jede Anstrengung hinaufstieg und ihr dann zuschaute.

„Sie hätten mir helfen können!“ Sie keuchte, als sie oben angekommen war.

Doch er hob nur die Hände. „Um dann wieder beschuldigt zu werden, ich würde meine Gäste belästigen?“, spottete er. „Außerdem, warum sollte ich auf das Vergnügen dieses amüsanten Anblicks verzichten?“

Rachel schmollte. „Trottel!“

Matt zuckte die Achseln. „Tussi.“

Rachel schnappte nach Luft. „Ich bin keine Tussi!“

„Und ich kein Trottel, Miss Claiborne. Ich schlage vor, Sie steigen ein, und ich fahre Sie zurück zum Hotel.“

Rachel presste die Lippen zusammen und kletterte in den Jeep. Matt warf seine nasse Badehose auf den Rücksitz, dann stieg auch er ein und ließ den Motor an. Schon bald hatten sie das Hotel erreicht. Rachel sprang aus dem Wagen und wendete sich zu Matt um, um sich zu verabschieden, doch er warf ihr nur beiläufig „Noch einen schönen Tag!“ zu und fuhr los.

Er war weg und mit ihm jede Chance, mehr über ihre Mutter zu erfahren. Obwohl Rachel bezweifelte, dass sie den Mut aufgebracht hätte, Matt nach ihr zu fragen. Sie zuckte die Achseln und holte ihren Schlüssel von der Rezeption.

In ihrem Zimmer warf sie sich aufs Bett. Hatte sie die einzige Chance vertan, ihre Mutter zu finden? Sie hatte nicht die leiseste Idee, was sie jetzt unternehmen sollte. Das Tamarisk war das einzige Hotel auf der Insel, und wenn Sara Claiborne ebenfalls hier wohnen sollte, hätte die Rezeptionistin dies sicherlich erwähnt. Immerhin trugen Rachel und ihre Mutter ja denselben Nachnamen. Erschöpft schloss Rachel die Augen. Sie würde ihre Mutter finden – auch ohne Matts Hilfe! Das war sie ihrem Vater schuldig.

Die nächsten zwei Tage suchte Rachel nach Sara. Im Ort fand sie eine Touristeninformation, wo sie eine Liste privater Zimmervermieter bekam, doch keiner von ihnen hatte je von ihrer Mutter gehört.

Matt Brody sah sie nur, wenn er das Hotel betrat oder verließ. Bei seinem Anblick bekam sie noch immer eine Gänsehaut, aber sie hatte den Eindruck, dass er ihr ganz bewusst auswich.

Am dritten Tag versuchte Rachel ihr Glück am Hafen. Beim Anblick der bunten Fischerboote, die neben luxuriösen weißen Jachten am Pier schaukelten, vergaß sie für einen Moment, dass sie nur hier war, um ihre Mutter zu finden. Sie lehnte sich an die Hafenmauer und genoss das turbulente Treiben um sich herum, als ein auffallend großer Mann, der über den Bootssteg ging, ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie Matt Brody erkannte. Er trug einen Anzug, der oberste Knopf des Frackhemdes war geöffnet. Um den Hals trug er lose eine Krawatte. Sein dunkles Haar war vom Wind zerzaust.

Ihr Instinkt riet Rachel zu verschwinden, bevor er sie bemerkte. Seit ihrem Ausflug mied er sie, und wenn sie bedachte, wie sie sich am Strand verhalten hatte, konnte sie ihm keinen Vorwurf daraus machen.

Sie vermutete, dass ihm eine der Jachten gehörte, aber er war für eine Segeltour nicht gerade passend gekleidet. Sie beschloss, zu ihm zu gehen und mit ihm zu reden. Wie sollte sie ohne seine Hilfe jemals ihre Mutter finden? Das Schlimmste, was passieren konnte, war, dass er nicht mit ihr sprechen wollte, aber dann hatte sie es wenigstens versucht.

Sie atmete tief durch, um Mut zu schöpfen, als sie eine junge Frau entdeckte, die eine der Jachten verließ und zielstrebig hinter Matt herlief. Rachel ließ den Arm, den sie zur Begrüßung erhoben hatte, langsam wieder sinken. Offenbar gehörte die junge Frau zu Matt.

„Warte!“, rief sie hinter ihm her. Ihre Stimme klang aufgeregt. „Matt, warte auf mich! Oder soll ich mir auf diesen verfluchten Planken die Knöchel brechen?“

Die junge Frau war atemberaubend schön, was Rachel einen Stich in der Magengegend versetzte. Sie war nicht besonders groß, schlank und anmutig, mit kurzem schwarzem Haar und elfenhaften Gesichtszügen. Doch jetzt blickte sie finster, ihre schlechte Laune richtete sich ganz offensichtlich gegen Matt.

„Ich habe dich nicht gebeten herzukommen!“, rief er ihr über die Schulter zu.

Rachel war es peinlich, Zeugin dieser Szene zu werden, auch wenn sie an der Situation völlig unschuldig war.

„Ich weiß“, gab das Mädchen ärgerlich zurück, als es Matt eingeholt hatte. „Aber ich wollte mit dir reden, und es ist nicht leicht, dich zu erreichen.“

„Du meinst, du bist nicht in der Lage, vor Mittag aufzustehen“, entgegnete Matt. Er öffnete das Tor, des Bootsstegs.

„Ich brauche nun mal meinen Schlaf“, protestierte die junge Frau, als sie den Steg verließen.

In wenigen Minuten würden die beiden bei Rachel auf der Hafenpromenade sein. Wenn sie ungesehen entkommen wollte, sollte sie das besser jetzt tun. Wer auch immer das Mädchen sein mochte, Matt war offenbar mit dessen Schlafgewohnheiten vertraut. Wie viele Frauen gibt es im Leben von Matt Brody? fragte sich Rachel.

Bevor sie entscheiden konnte, was sie tun sollte, tauchte Matt auf der obersten Stufe der Treppe zur Promenade auf. Er streckte eine Hand aus, um seiner Begleiterin zu helfen, dann gingen die beiden weiter in Rachels Richtung.

Seine Augen verengten sich, als er Rachel entdeckte, doch er grüßte sie nicht.

„Hi!“, rief Rachel, als er näher kam. Sie bemerkte, dass ihr Gruß die Aufmerksamkeit des Mädchens erregt hatte. „Ein wunderschöner Morgen, nicht wahr?“

„Jeder Morgen ist wunderschön auf St. Antoine“, antwortete Matt knapp.

Anscheinend hatte er vor, einfach an ihr vorbeizugehen, doch seine Begleiterin nahm seinen Arm, und widerstrebend blieb er stehen. „Außer in der Hurrikan-Saison“, sagte sie und musterte Rachel neugierig. „Machen Sie Urlaub auf St. Antoine, Miss … äh …?“

„Rachel“, erwiderte diese ein wenig steif.

Sie war sich bewusst, dass Matt sie mit unverhohlener Ungeduld beobachtete. Ganz offensichtlich wollte er nicht mehr Worte mit ihr wechseln, als zum Grüßen notwendig waren.

„Ich wohne im Tamarisk.“

„Oh. Sie sind ein Hotelgast.“ Das Mädchen zog die dunklen Brauen hoch und schaute ihren Begleiter an. „Interessant, nicht wahr, Matt?“

Er zuckte nur mit den Achseln. Das Mädchen betrachtete ihn noch einen Moment, dann wandte es sich wieder Rachel zu. „Bleiben Sie noch lange hier?“

Rachel gefiel es nicht, so ausgefragt zu werden, erst recht nicht, wenn eine vollkommen Fremde die Fragen stellte. Doch wenn sie Matt nicht völlig verprellen wollte, musste sie höflich bleiben.

„Äh … nein“, erwiderte sie daher freundlich. „Nur zwei Wochen. Ich denke, die Hurrikan-Saison wird kein Problem für mich werden.“

„Ebenso wenig wie für Amalie.“ Matt fühlte sich anscheinend verpflichtet, auch etwas zur Konversation beizutragen. Er löste die Finger des Mädchens von seinem Arm und musterte Rachel von Kopf bis Fuß. Sie wünschte sich plötzlich, nicht ausgerechnet ihre kurzen, engen Shorts zu tragen, die ihre langen, schlanken Beine mehr betonten als verbargen. Doch Matt wirkte kühl und desinteressiert.

„Wenn die Stürme beginnen, ist meine Schwester normalerweise sicher in New York.“

Sie war seine Schwester! Rachel ärgerte sich, dass sie so erleichtert darüber war, doch sie konnte es nicht ändern. „Aha. Waren Sie segeln?“, wagte sie es, Matt direkt anzusprechen.

Er zog die Brauen hoch. „In diesem Outfit?“

Amalie verdrehte die Augen. Rachel biss sich ärgerlich auf die Lippen. Wieso hatte sie nur diese dumme Frage gestellt?

„Ich habe nur nach dem Boot gesehen“, sagte Matt überraschend freundlich. Offenbar hatte er plötzlich Mitleid mit Rachel. „Morgen kommt eine Gruppe Angler an, und sie wollen mit dem Boot rüber nach Grand Cayman.“

„Oh.“ Rachel nickte. „Es ist ein Charterboot.“

„Stimmt“, ergriff Amalie wieder das Wort. „Mein Bruder besteht darauf, sich persönlich um die Boote zu kümmern.“

Rachels Augen weiteten sich. „Sie haben mehr als eins?“

„Himmel, ja. Wir haben …“

„… mehr als eins“, fiel Matt seiner Schwester ins Wort. „Wenn Sie uns jetzt entschuldigen würden?“

„Ähm …“ Rachel war es nicht gewohnt, einen Mann zu bitten, mehr Zeit mit ihm verbringen zu dürfen, aber sie musste es versuchen. „Ich dachte, dass Sie und Ihre Schwester vielleicht Lust hätten, mir Gesellschaft zu leisten, auf einen Kaffee oder etwas anderes.“

Für einen Moment war es ruhig. Amalie musterte Rachel, dann blickte sie zu ihrem Bruder. „Hey“, sagte sie spöttisch. „Ich denke, das ist ein eindeutiges Angebot, mein Lieber.“

4. KAPITEL

„Um Himmels willen, Amalie!“, fuhr Matt seine Schwester wütend an.

Rachel spürte, wie ihr das Blut heiß in die Wangen schoss. Am liebsten wäre sie auf der Stelle im Erdboden versunken.

„Was? Wieso?“ Amalie sah ihren Bruder betont unschuldig an.

„Werd endlich erwachsen“, entgegnete er barsch. „Nicht jede Frau denkt jede Minute des Tages an Sex. Du solltest nicht ständig von dir auf andere schließen. Behalte deine gemeinen Kommentare für dich!“

„Schon gut, schon gut.“ Amalie hob abwehrend die Hände, dann wandte sie sich wieder Rachel zu. „Ich habe Sie doch nicht etwa beleidigt?“