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Antje Barabasch

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Beschreibung

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen. Was zeichnet eine innovative Lernkultur aus? Wer einen Einblick in den Ausbildungsbetrieb der Schweizerischen Post wagt, gerät ins Staunen: Hier werden die Lernenden früh in den Arbeitsprozess integriert und dürfen selbstständig arbeiten; sie können im Rahmen eigener Projekte Erfahrungen in verschiedenen Teamrollen und dem Projektmanagement sammeln oder aber bei -kreativ werden. Von Anfang an wachsen sie hinein in die Postfamilie, die ihnen nicht nur zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten, sondern auch eine Perspektive bietet.

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Antje Barabasch, Anna Keller, Bruno Schumacher

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Verantwortungsvoll lernen und arbeiten bei der Schweizerischen Post Neue Lernkulturen in der Berufsbildung

ISBN Print: 978-3-0355-2019-4

ISBN E-Book: 978-3-0355-2020-0

Bilder: Die Schweizerische Post AG

1. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© 2022 hep Verlag AG, Bern

hep-verlag.com

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Zum Geleit

Teil 1Die Schweizerische Post und ihre Berufsbildung

1Die Schweizerische Post – eine Erfolgsgeschichte

2Berufsbildung bei der Post

3Einblicke in die gelbe Zukunft

Teil 2Gelbes Blut – Innenansichten zur Berufsbildung bei der Post

1Schnuppererlebnis bei der Post

2Jump in

3So bunt ist Gelb – oder schöne bunte Ausbildungswelt

4Du bist nicht allein – die Rolle der Bezugspersonen

5Miteinander auskommen

6Ich kann das

7Den Umgang mit Kund*innen lernen

8Kreativität und Innovation

9Digital kompetent

10Nicht alle haben es leicht

11Die Berufsbildung aktiv gestalten und stetig weiterentwickeln

12Wie geht es weiter?

13Gelb eingefärbt

Schlusswort

Anmerkungen

Über die Autor*innen

Vorwort

«Bei der Post zu arbeiten, fühlt sich an, wie im Backstage-Bereich eines großen Theaters zu arbeiten, wo alles ganz genau geplant wird, damit auf der Bühne die Show abgeht.» Diese Aussage einer unserer Lernenden zeigt, welch spannendes Umfeld wir jungen Mitarbeitenden in 18 verschiedenen Lehrberufen bieten können.

Das Bild der großen Bühne bringt es auf den Punkt – die Schweizerische Post gehört zu den bekanntesten Marken der Schweiz. Wir alle kommen tagtäglich mit ihr in Berührung: Wenn die Zustellerin die Briefe in unseren Briefkasten legt, wenn wir Pakete bestellen oder versenden, mit dem Postauto auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule sind oder wenn wir Finanzgeschäfte tätigen. Die Post ist ein fester Bestandteil unseres Alltags, ja Teil unserer Identität. Mit ihren Dienstleistungen und Produkten bringt die Post die Schweiz zusammen, sie verbindet Menschen und Unternehmen. Und das jeden Tag seit 1849.

Bei der Schweizerischen Post sind wir davon überzeugt, dass jeder Mensch die Kraft hat, etwas zu bewegen – im Kleinen wie im Großen und auf ganz persönliche Weise. Nach diesem Grundsatz richten wir auch unsere Berufsbildung aus. Die rund 2000 Lernenden der Post werden nicht einfach «nur» ausgebildet. Sie erhalten Freiräume, um Besonderes zu schaffen. Sie können Verantwortung übernehmen, unternehmerisch handeln und Eigeninitiative zeigen. Denn SIE sind die Post von morgen und damit ein wesentlicher Treiber von Innovation und Service public.

Genauso wie sich der Alltag und die Bedürfnisse unserer Kundschaft laufend verändern, passt sich auch die Post diesen Veränderungen an. Als drittgrößte Arbeitgeberin und auch drittgrößter Ausbildungsbetrieb der Schweiz gestalten wir diese Entwicklung aktiv und innovativ mit, innerhalb des Unternehmens ebenso wie in der Gesellschaft als tragende Säule der Berufsbildungslandschaft Schweiz.

Wir wissen: Megatrends wie Digitalisierung, steigende berufliche Mobilität oder demografischer Wandel fordern von Fachkräften neue Kompetenzen. Mit dem dualen Bildungsweg verfügt die Schweiz bereits über eine sehr vorteilhafte und international anerkannte Ausgangslage, um auf solche Veränderungen zu reagieren. Doch auch die Ausbildungsbetriebe sind individuell gefordert, die dafür erforderlichen neuen Kompetenzen gezielt zu entwickeln, um die Jugendlichen ideal auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten.

Ausbildungsbetrieb zu sein, ist aber auch mit einer großen Verantwortung verbunden. Wir begleiten die Lernenden während eines sehr prägenden Lebensabschnitts und leisten so auch einen Beitrag zur gesellschaftlichen und beruflichen Integration der Jugendlichen. Bei der Post sollen sie die Werte unserer Unternehmenskultur – «engagiert», «vertrauenswürdig» und «kundenzentriert» – verinnerlichen. Gleichzeitig sollen sie auch Lernfreude, Team- und Konfliktfähigkeit, Verlässlichkeit sowie Integrität entwickeln und im Berufsalltag leben. Insofern ist jede Berufslehre auch eine Lebensschule und damit ein wichtiges Puzzleteil der persönlichen Entwicklung, weit über die jobspezifische Fachkompetenz hinaus.

Wir haben aber auch den Anspruch, neue Berufsbilder anzubieten, diese mitzuprägen und dadurch unseren Teil zur Wettbewerbsfähigkeit der Post und der Schweizer Wirtschaft beizutragen. Dafür kooperieren wir eng mit Hochschulen sowie mit Partnerinstitutionen aus der Wirtschaft. Aus der Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung EHB entstand die Idee für dieses Buch als gemeinsames Projekt der Wissenschaft und Wirtschaft, damit wirksame Modelle für die Praxis entstehen.

Es ist unser Ziel, den Lernenden eine individuelle Laufbahnentwicklung zu ermöglichen und ihnen die nötigen Kompetenzen mit auf den Weg zu geben. Wir fordern Engagement und bieten im Gegenzug vielfältige und spannende Möglichkeiten zur beruflichen und persönlichen Entfaltung. Dazu gehören überbetriebliche interdisziplinäre Angebote, selbst organisierte PowerTeams, Sozialeinsätze oder auch spezifische Ausbildungsangebote für besonders sportlich oder musisch begabte Jugendliche.

Und schließlich sind wir davon überzeugt, dass die Förderung von Vielfalt und Inklusion ein wichtiger Erfolgsfaktor ist. Deshalb sensibilisieren wir bereits unsere Lernenden bezüglich der sozialen und ökologischen Verantwortung und bieten beispielsweise auch Ausbildungsplätze für Jugendliche an, die in die Schweiz geflüchtet sind.

All diese verschiedenen Aspekte fließen in der Berufsbildung der Post zusammen. Das Ergebnis ist eine qualitativ hochstehende, vielfältige und nachhaltige Ausbildung mit spannenden Zukunftsperspektiven – heute wie auch morgen.

Valérie Schelker

Leiterin Personal, Mitglied der KonzernleitungDie Schweizerische Post AG

Zum Geleit

Wie können Unternehmen angemessen, engagiert, zielgerichtet und modern junge Menschen auf die Herausforderungen der künftigen Arbeitswelt vorbereiten? Diese Frage beschäftigt uns an der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB) seit 2017. Sie führte und führt uns in verschiedene Schweizer Unternehmen in unterschiedlichen Branchen. Dort suchen wir nach innovativen Ansätzen in der betrieblichen Berufsbildung, wollen wissen, wie Lernende in der Welt der Arbeit sozialisiert werden, selbstständiges Arbeiten und Mitgestalten der Arbeitswelt erlernen und sich wichtige Kompetenzen in ihrem gewählten Beruf, aber auch für das Berufsleben ganz generell aneignen. Insbesondere die großen Schweizer Unternehmen bieten hier zahlreiche Beispiele, die zeigen, wie diese Aufgabe gelingen kann. So führte uns eine Fallstudie zur Schweizerischen Post.

In unserem Buch zeigen wir, welche besonderen Arbeitsbedingungen die Post mit ihren Bereichen Logistik-Services, Kommunikations-Services, PostNetz, Mobilitäts-Services, Swiss Post Solutions und PostFinance kennzeichnen und wie die Berufsbildung dort organisiert ist. Zentral ist für uns die Frage: Was zeichnet eine innovative Lernkultur aus? Unser Einblick in den Ausbildungsbetrieb Post ließ uns staunen: Hier werden die Lernenden früh in den Arbeitsprozess integriert und dürfen selbstständig arbeiten; sie können im Rahmen eigener Projekte Erfahrungen in verschiedenen Teamrollen und dem Projektmanagement sammeln oder aber bei IT-Projekten kreativ werden. Von Anfang an wachsen sie hinein in die Postfamilie, die ihnen nach Beendigung der Ausbildung Festanstellungen und zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten bietet.

Die Themen, die sich aus den Befragungen herauskristallisierten und uns beschäftigen, umfassen Rekrutierung und Onboarding der jungen Pöstler*innen, die vielfältige Gestaltung der Berufsbildung über verschiedene Berufe und Unternehmensbereiche hinweg oder die Betreuung der Lernenden und das Beziehungsmanagement. Auch Erfahrungen mit autonomem Arbeiten und der Kundenbetreuung, die Arbeit im Team, die Förderung der Kreativität und digitalen Kompetenz sowie der Umgang mit schwierigen Situationen werden thematisiert. Darüber hinaus sprechen wir über die Möglichkeiten der Zukunftsgestaltung und innovative Maßnahmen, die dazu beitragen, die Ausbildung zukunftsorientiert zu gestalten und an neuen Kompetenzen auszurichten. Angereichert werden unsere Schilderungen dazu durch die Aussagen der Beteiligten. Darüber hinaus erfahren Sie viel über die Geschichte des Unternehmens Post und die Gestaltung der Berufsbildung.

Die Schweiz als Land mit einer langen Tradition der dualen Berufsbildung ist seit geraumer Zeit Vorbild und Orientierung für andere Länder, die über die Gestaltung ihrer Berufsbildungssysteme nachdenken. Dabei ist längst bekannt, wie das duale System funktioniert, wer beteiligt ist, wie es finanziert wird und wie viele junge Erwachsene den Weg über diese Art der Qualifizierung einschlagen und auf das Arbeitsleben vorbereitet werden. Viel weniger bekannt ist hingegen, warum es so gut funktioniert, eben auch völlig unabhängig von den Strukturen und Institutionen, die es tragen. Zu wenig wissen wir über den wichtigsten Teil der Ausbildung, nämlich den Teil, der im Unternehmen oder generell in der Arbeitswelt verbracht wird.

Wir Autor*innen kommen aus recht unterschiedlichen Kontexten. Antje Barabasch ist Professorin für Berufsbildung und leitet seit 2015 die Forschungsabteilung «Lehren und Lernen in der Berufsbildung» und das Forschungsfeld «Lernkulturen und Didaktik». Als Expertin für Berufsbildung hat sie zuvor unter anderem gut vier Jahre beim Europäischen Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP) gearbeitet sowie als Wissenschaftlerin an verschiedenen Hochschulen in Deutschland, USA und Kanada. Lange ging es ihr in der Forschung vor allem um die Analyse der Berufsbildungsstrukturen. Daraus erwuchs über die letzten Jahre ein starkes Interesse daran, mehr darüber zu erfahren, wie Berufsbildung tatsächlich in den Betrieben stattfindet und inwieweit dies auch eine Lernkulturfrage ist. Nach mittlerweile sechs großen Fallstudien in Schweizer Unternehmen ist sie fest davon überzeugt, dass Werte, Einstellungen und Überzeugungen der Akteur*innen für den Erfolg der Berufsbildung verantwortlich sind. Insbesondere in der Schweiz prägen sie die Strukturen des Systems. Deshalb scheint die Entwicklung einer modernen Lernkultur leitgebend für eine gelingende Berufsbildung.

Anna Keller ist Doktorandin und arbeitet an der EHB im Forschungsfeld «Lernkulturen und Didaktik». Sie war von Beginn an in das Projekt zur Lernkultur von Unternehmen involviert und hat sich auf die Spur neuer Trends in der betrieblichen Ausbildung begeben. Insbesondere verfolgt sie dabei das Thema Coaching und fragt sich, wie dieser neue Betreuungsansatz auch in den beruflichen Schulen mehr zum Einsatz kommen könnte. Das Studium der Erziehungswissenschaft an der Universität Bern und ihre Tätigkeit als Lehrerin sorgten für das pädagogische Hintergrundwissen im Projekt.

Bruno Schumacher ist seit fünf Jahren Leiter des Berufseinstiegs bei der Schweizerischen Post. Nach der abgeschlossenen Lehre als Kaufmann EFZ arbeitete er mehrere Jahre in der Kundenberatung eines Finanzinstituts, bevor er vor 20 Jahren als Ausbildner in die Berufsbildung einstieg und seither in der Berufs- und Erwachsenenbildung in verschiedenen Leitungsfunktionen tätig ist, seit 2007 beim gelben Riesen. Lebenslanges Lernen lebt er vor, und er absolvierte regelmäßig berufsbegleitende Weiterbildungen in den Bereichen Betriebswirtschaft und Bildung, zuletzt mit einem CAS «Bildung in Organisationen strategisch und interkulturell führen». Seither spielen die Förderung und das Managen von Vielfalt, Integration und Inklusion eine wesentliche Rolle in seinem Wirken. Einen Beitrag zur Entwicklung von jungen Menschen zu leisten und die Gestaltung von Rahmenbedingungen für angstfreies Lernen ist die Triebfeder. Wie dies bei der Schweizerischen Post umgesetzt wird und welche Entwicklungsgeschichte, Werte und Haltungen dahinterstehen, beschreibt er in diesem Buch.

Lernkultur als Bestandteil einer Organisationskultur manifestiert sich vor allem in sozialen Interaktionen. Deshalb interessiert uns beim Verständnis innovativer Lernkulturen vordergründig das Handeln der Organisationsmitglieder und welche Ergebnisse sie damit erzielen. Obgleich Lernkulturen im Kern aus Normen, Werten, Einstellungen und Überzeugungen bestehen, sind diese jedoch nicht statisch, sondern ändern sich meist in der Interaktion mit anderen, also als Ergebnis der täglichen Arbeitserfahrungen und des Austauschs mit Kolleg*innen. Das Bewusstwerden über die unternehmensinterne Lernkultur kann sinnstiftend und in der täglichen Arbeit leitgebend sein. Die Untersuchung einer Lernkultur ist auf die Aussagen der Akteur*innen der Berufsbildung, ihre Interpretationen und die Interpretationen der Wissenschaftler*innen angewiesen. Dabei interessieren sowohl die Lernerfahrungen der Lernenden, die Interaktion mit ihren Betreuenden, aber auch die organisationalen Strukturen und Rahmenbedingungen. Eigentlich wird die Lernkultur täglich neu ausgehandelt und gestaltet. Ihre Veränderungen richten sich nach gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfordernissen, aber auch den für die Generation Z typischen Erwartungen und natürlich auch nach den Initiativen der Organisationsmitglieder. Dieser daraus entstehende permanente Erneuerungsprozess muss für das Gelingen der Berufsbildung ebenso an Berufsschulen, in überbetrieblichen Einrichtungen, den Organisationen der Arbeitswelt (OdA) und der Politik stattfinden.

Im Rahmen des Forschungsprojekts haben wir Lernende, Berufsbildende, regionale Berufsbildungsverantwortliche und Personen aus dem Management interviewt. Wir haben uns verschiedene Arbeitsstandorte und die Arbeit in ausgewählten Projekten angesehen, an Veranstaltungen, an denen Lernende beteiligt waren, teilgenommen und uns mit der Geschichte des Unternehmens beschäftigt. Die Interviews wurden aufgezeichnet und transkribiert. Dazu kamen Feldaufzeichnungen und Logbücher, in denen wir Hintergrundinformationen, Reflexionen und Beobachtungen notierten. So hatten wir eine Fülle an Informationen, aus der wir schöpfen konnten, um Antworten auf unsere Frage nach der Gestaltung innovativer Lernkultur zu finden.

Unser zweites Buch der Reihe «Neue Lernkulturen in der Berufsbildung» erzählt die Innovationsgeschichte der Berufsbildung bei der Post. Es berührt dabei alle relevanten Themen, auf die wir bei unseren Besuchen und Interviews gestoßen sind, und verleiht den Akteur*innen in Form zahlreicher Zitate eine Stimme. Im ersten Teil wird in kompakter Form die Transformation der Schweizerischen Post als Unternehmen beschrieben. Die diesbezüglichen Auswirkungen auf die Berufsbildung sowie die Entwicklungsgeschichte und die Grundpfeiler des innovativen Berufsbildungsmodells folgen in einem zweiten Teil. Den Abschluss des ersten Kapitels bilden konkrete Einblicke in die Berufsbildung sowie persönliche Erfahrungen und Einsichten Bruno Schumachers zum Berufseinstieg.

Teil 2 zeigt anhand 13 ausgewählter Themen, wie die Berufsbildung bei der Post konkret gestaltet wird, und schließt jeweils mit wichtigen Einsichten und Erkenntnissen ab, die für Sie wegweisend sein mögen. Im Schlusswort fassen wir noch einmal die besonders herausragenden Bestandteile innovativer Lernkultur bei der Post zusammen. Das Buch ist keine Wissenschaftslektüre. In einigen Kapiteln verweisen wir auf aufschlussreiche Literaturquellen oder Erkenntnisse aus der Welt der Wissenschaft sowie Definitionen, die interessierten Leser*innen zur Vertiefung der Themen dienen können. Unser Ziel ist es, in diesem Buch eine interessante und möglichst aufrüttelnde Geschichte moderner Berufsbildung zu erzählen, die zum Weiterdenken beziehungsweise Nachmachen anregt.

Danksagen möchten wir an dieser Stelle allen Postmitarbeitenden, die uns Auskunft gegeben haben, bei der Organisation der Interviews und Besuche halfen, uns an Standorten herumführten oder für Nachfragen zur Verfügung standen. Insbesondere danken wir ganz speziell (in alphabetischer Reihenfolge): Martina Eissing, Annemarie Gäumann, Livio Jenni, Severin Küpfer, Cornelia Magnin, Roland Scheidegger, Kilian Schreiber und Alexander Volz.

Für die Mitarbeit am Projekt danken wir den Hochschulpraktikant*innen Therese Palm und Fabio Briante sowie Gaby Walker für die Kodierung der Daten und erste Auswertungen.

 

Teil 1Die Schweizerische Post und ihre Berufsbildung

1Die Schweizerische Post – eine Erfolgsgeschichte

Die Schweizerische Post verfügt über eine lange Tradition und hat sich von einem Staatsbetrieb zu einem modernen, beweglichen und international vernetzten Unternehmen gewandelt. Die Veränderungen der Post widerspiegeln sich auch in der Art, wie bei der Post gelernt und gearbeitet wird. Doch mehr dazu später im Buch.

Die Post – damals und heute1

Die Schweizerische Post wurde knapp ein Jahr nach der Gründung der Schweizerischen Eidgenossenschaft als Bundespost 1849 gegründet, um den Postverkehr zu vereinheitlichen und ihn sicherer sowie erschwinglicher zu machen. Sie war zuerst sowohl für den Personentransport zuständig als auch für Brief-, Paket- und Geldsendungen. Später kamen der Postcheck- und Giroverkehr dazu, welche den bargeldlosen Kapitaltransfer ermöglichten. Dann erfolgte der Zusammenschluss mit der Telegraphen- und Telephonverwaltung unter dem Dach der PTT (Schweizerische Post-, Telegraphen- und Telephonverwaltung). Seit 1939 tritt die Post im gelben Kleid auf – die Geburtsstunde der «gelben Familie».

Das Unternehmen erlebte die verschiedenen industriellen Revolutionen und entwickelte sich über Jahrzehnte mit Motorisierung, Mechanisierung, Automatisierung, Digitalisierung und natürlich den verändernden Kund*innenbedürfnissen laufend weiter. Die Veränderungen an den Märkten vollzogen sich in den 80er- und 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts rasant. Insbesondere die technologischen Innovationen im Fernmeldewesen waren dramatisch. Zudem wurden die Märkte innerhalb von Europa, aber auch weltweit, liberalisiert. Dies führte zu grundlegenden Überlegungen, wie die PTT erfolgreich für die Zukunft aufgestellt werden kann, auch um die Querfinanzierung der postalischen Dienste durch das Fernmeldewesen aufzuheben. Die Post wurde mit verschiedenen Projekten fit für die Zukunft gemacht, um sich von einem defizitären Staatsbetrieb in ein profitables Unternehmen zu verwandeln. Die gesetzlichen Grundlagen wurden neu definiert und aus der PTT entstanden 1998 zwei neue Unternehmen. Das Fernmeldewesen/Telecom wurde unter dem Namen Swisscom in eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft übergeführt und mit dem Bund als Mehrheitsaktionär an die Börse gebracht. Die postalischen Dienste, PostFinance und der Postautodienst wurden in die Schweizerische Post als öffentlich-rechtliche Anstalt umgewandelt. Sie wurden Eigentum der Eidgenossenschaft mit einer Konzernstruktur, einem Konzernleiter und einem Verwaltungsrat, um die unternehmerische und politische Verantwortung zu trennen. Der unternehmerische Spielraum sollte dadurch erweitert werden – und die Stoßrichtung war klar: Die Post sollte kundenorientiert und eigenwirtschaftlich werden.

Mit der Totalrevision der Postgesetzgebung wurde 2013 die Grundlage für die Umwandlung in eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft «Die Schweizerische Post AG» geschaffen, mit 100 Prozent Aktienbesitz des Bundes sowie den drei strategischen Konzerngesellschaften «Post CH AG» mit den Geschäftsbereichen PostMail, PostLogistics, PostNetz sowie Swiss Post Solutions, «PostAuto Schweiz AG» sowie «PostFinance AG» (eine privatrechtliche Aktiengesellschaft). Mit der Entflechtung der verschiedenen Geschäftsbereiche wurde eine branchenkonforme Aufsicht ermöglicht. Der Bund nahm seine Rolle neu als Aktionär wahr. Die Post sollte dadurch moderner und kundenorientierter werden sowie die Sicherstellung einer qualitativ hochstehenden und eigenfinanzierten Grundversorgung unterstreichen. Mit diesen Schritten wurde der notwendige unternehmerische Spielraum gewährt, um die vielfältigen Aufgaben zu meistern und auf die veränderten Kundenbedürfnisse, den technologischen sowie gesellschaftlichen Wandel zu reagieren. So war zum Beispiel ein wachsender Teil der Kund*innen dauernd online, kommunizierte über elektronische Kanäle und wollte Dienstleistungen sofort und überall beanspruchen. Sie pflegten einen mobilen Lebensstil, der sich unter anderem in neuen Arbeitsformen ausdrückte. Wichtig waren ihnen ein hoher Grad an Selbstbestimmung und Individualität.

Doch wie wird ein Unternehmen plötzlich kundenorientiert, nachdem die Politik und nicht die Kund*innen Auftraggeberin war? Das Angebot und die Dienstleistungen waren öffentliche Güter, in denen die Kund*innen primär als Nutzer*innen dieser Angebote und Dienstleistungen betrachtet wurden. Plakativ ausgedrückt bestimmte das Angebot die Nachfrage. Neu sollte sich das Angebot nach der Nachfrage und den Bedürfnissen der Kund*innen orientieren. Aber wie kann sich ein Verwaltungsbetrieb in ein eigenwirtschaftliches Unternehmen wandeln? Das war ein gewaltiger Paradigmenwechsel; dieser stellte die Post und ihre Mitarbeitenden vor erhebliche Herausforderungen.

Transformation der einzelnen Märkte seit 1998

Die Schweizerische Post ist seit 1998 für die Beförderung von Briefen und Paketen, den Personentransport sowie die Erbringung von Finanzdienstleistungen zuständig. Sie stellt einerseits den Service-public-Auftrag zur landesweiten Grundversorgung sicher und andererseits erbringt sie zahlreiche Dienstleistungen im freien Wettbewerb. Zur Sicherstellung der Grundversorgung wurden gewisse Dienstleistungen im Brief- und Paketmarkt noch für die Post reserviert (Monopol). Das Postgesetz bildet die rechtliche Basis. Die Monopole wurden jedoch laufend reduziert. So wurde 2004 der Paketmarkt vollständig liberalisiert, 2006 wurde das Briefmonopol auf Briefe bis 100 Gramm und 2009 auf 50 Gramm beschränkt.2 Der inländische Briefversand bis 50 Gramm ist noch das einzige Restmonopol für die Schweizerische Post. Alle weiteren Dienstleistungen werden im freien Wettbewerb erbracht, die heute gut 85 Prozent des Betriebsertrags ausmachen.

Ulrich Gygi, Konzernleiter von 2000 bis 2009, prägte den Begriff «Penser jaune» und rückte die Metapher des gelben Bluts in den Vordergrund.3

Briefpost – das verbriefte Geheimnis

Der Bereich Briefpost verantwortete die Annahme, Sortierung und Zustellung der Briefe, Zeitungen sowie Werbesendungen für alle Kund*innen der Schweiz. Er wurde 2001 zu Mail und 2005 zu PostMail umbenannt und 2021 in den Geschäftsbereich Logistik-Services integriert. Durch die Liberalisierung der Märkte und die oben erwähnte Reduktion des Monopols im Briefmarkt traten neue Player in den Markt ein. Der technologische Fortschritt brachte mit den elektronischen Medien wie SMS, E-Mail und Social-Media-Plattformen zunehmende Konkurrenz zum klassischen Briefgeschäft, und die Kundenbedürfnisse änderten sich stetig. Die Post war gefordert und konnte mit verschiedenen Maßnahmen reagieren, um im physischen wie auch digitalen Markt erfolgreich zu bleiben. Nachdem jahrzehntelang das Credo lautete, dass die Post fast alles selbst mache, wurde neu auf Allianzen und Akquisitionen gesetzt, um Know-how rasch aufzubauen. Mit der Abschaffung der Bahnpost wurde auch vor traditionellen Bereichen und Aufgaben nicht haltgemacht. Mit der Schaffung einer eigenen Verkaufsorganisation ist die Post näher zu den Kund*innen gerückt und lernte diese mit ihren vielfältigen Bedürfnissen kennen. Mit neuen Angeboten und Kundenlösungen wie zum Beispiel Web-Stamp, SuisseID, IncaMail, PostCard Creator und dem Ausbau des Direct Marketing konnte die Konkurrenz auf Distanz gehalten und die eigenen Ziele bezüglich Wirtschaftlichkeit und Kunden-orientierung erreicht werden. Doch die Post blieb weiter gefordert und musste laufend die Kosten senken, um dem permanenten Mengenrückgang entgegenzuwirken. Mit Großprojekten wie der Realisierung der weltweit modernsten Briefzentren4 zur radikalen Prozessoptimierung durch Automatisierung und Digitalisierung konnten die Kosten nachhaltig gesenkt werden.

Die große Stärke von Logistik-Services liegt im flächendeckenden Zustellnetz sowie im hohen Vertrauen der Kund*innen in die Zustellboten und das Briefgeheimnis. Die Post verfügt heute mit rund 15 000 sicheren Briefkästen über eines der dichtesten Netze an Briefeinwürfen im europäischen Vergleich. Durch das Aufkommen von E-Commerce (Onlinehandel) steigt zunehmend die Verarbeitung von Kleinwarensendungen, insbesondere aus dem asiatischen Raum, die das klassische Geschäft ergänzen. Mit der Schaffung von neuen, intelligenten und nützlichen Services für die Kund*innen (z. B. Brot-Post, Zähler ablesen (Strom, Gas, Wasser), Rücknahme von Kaffeekapseln) will die Post Arbeitsplätze nachhaltig sichern und eine attraktive Arbeitgeberin bleiben.

Die Mitarbeitenden haben einen langen Weg von Veränderungen zurückgelegt und bleiben weiterhin gefordert, sich auf neue Gegebenheiten einzustellen. Sie organisieren sich innerhalb ihrer Teams und Regionen viel selbstständiger und autonomer als früher. Entscheidungen werden vor Ort, dort, wo das Wissen und die Erfahrung vorhanden sind, und viel weniger zentral getroffen. Die Arbeit bei der Post bleibt abwechslungsreich, und es bieten sich immer wieder neue Entwicklungschancen. Mit der Zusammenführung der Brief- und Paketpost 2021 unter Logistik-Services entstehen beispielsweise neue Möglichkeiten für Optimierungen wie auch zur Schaffung von neuen Dienstleistungen für die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse.

Paketpost – boomender E-Commerce

Die Paketpost erlebte in den letzten gut 20 Jahren ebenfalls einen fundamentalen Wandel. Mit der Umwandlung der PTT stieg der finanzielle Druck, die chronisch defizitäre Paketpost profitabel zu machen. Spätestens die vollständige Liberalisierung der Expresspost 1998 und insbesondere des Paketmarktes 2004 rüttelte den Bereich auf und wirkte sich auf die Struktur der Paketpost aus. Sie wurde 2002 in Logistics, ab 2005 in PostLogistics umbenannt und 2021 in den neuen Geschäftsbereich Logistik-Services integriert. Die Geschäftstätigkeit wurde konsequent auf die Bedürfnisse der Kund*innen ausgerichtet und nicht mehr auf die internen Logistikprozesse. Nachdem man lange nicht hatte verkaufen müssen, weil die Kund*innen keine Wahl hatten, musste der Verkauf durch die steigende Konkurrenz zuerst gelernt werden. Ein radikales Umdenken fand statt, und der Wettbewerb beflügelte die interne Kreativität. Neue Produkte und Dienstleistungen wurden eingeführt, um die zunehmend komplexen Bedürfnisse von Privat- wie auch Geschäftskund*innen zu erfüllen. Aktuell gehören Logistiklösungen für den nationalen und grenzüberschreitenden Paket- und Stückgutversand sowie Kurier-, Express- und SameDay-Angebote (z. B. am Vormittag bestellt und am gleichen Tag bereits nach Hause geliefert) zum Portfolio. Die Post übernimmt für Unternehmen die Transport- und Lagerlogistik und bietet Privatkunden-Services für einen einfachen Paketempfang (z. B. individuelle Sendungssteuerung oder Sendungsnachverfolgung). Ein Digital-Commerce-Leistungsportfolio und ganzheitliche Logistiklösungen im Gesundheits- und Bauwesen runden das Angebot ab. Mit innovativen Angeboten wie der Zustellung per Drohne oder dem Lieferroboter werden neue Potenziale der technologischen Entwicklung aufgenommen. Die Post kann für die Kund*innen alles aus einer Hand anbieten, inklusive digitaler Lösungen. Dank dem flächendeckenden Logistiknetz und dem geschulten Zustellpersonal kann Logistik-Services punkten. Mit dem Bedarf an neuen Kompetenzen und der damit einhergehenden Einführung von neuen Berufen (Logistiker*in mit Berufsattest und eidgenössischem Fähigkeitszeugnis) ergeben sich für die Mitarbeitenden spannende Entwicklungsmöglichkeiten.