Next Generation (E-Book) - Antje Barabasch - E-Book

Next Generation (E-Book) E-Book

Antje Barabasch

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Beschreibung

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen. Was zeichnet eine innovative Lernkultur aus? Wer einen Einblick in den Ausbildungsbetrieb bei Swisscom wagt, gerät ins Staunen: Hier ziehen die Lernenden eigene Projekte auf, verwirklichen ihre Ideen und lassen ihrer Kreativität freien Lauf. Sie sind agil, übernehmen Verantwortung und lernen aus ihren Fehlern. Die "Next Generation" lernt und arbeitet selbstgesteuert und projektbasiert in Teams. Sei es im Betrieb, in Coworking-Spaces, von unterwegs oder im Homeoffice. Kein Wunder, dass die Lernenden bei Swisscom hochmotiviert sind.

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Antje Barabasch, Anna Keller, Marc Marthaler

Next Generation

Selbstgesteuert und projektbasiert

lernen und arbeiten bei Swisscom

Neue Lernkulturen in der Berufsbildung

ISBN Print: 978-3-0355-1687-6

ISBN E-Book: 978-3-0355-1688-3

Bilder: Fototeam Swisscom AG

1. Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 hep Verlag AG, Bern

hep-verlag.com

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Zum Geleit

Teil 1 Die Telekommunikationsbranche, Swisscom und die betriebliche Berufsbildung

1 Swisscom – eine Entwicklungsgeschichte

2 Berufsbildung bei Swisscom

3 Einblicke in die Next Generation

Teil 2 Was wirklich zählt – Innenansichten zur Berufsbildung bei Swisscom

1 Recruitment – «Run for Talents»

2 Der Markt der Möglichkeiten

3 Coaching und Lernbegleitung

4 «Welpenschutz» oder modernes Beziehungsmanagement?

5 Management von Vorwissen

6 Von Anfang an durchstarten

7 Flexibilität fördern – den Horizont erweitern

8 Eine steile fachliche und persönliche Entwicklung

9 Reflektiert vorankommen

10 Die Kreativität fördern

11 Den Unternehmergeist entwickeln

12 Der Balanceakt zwischen Schule und Betrieb

13 Umgang mit schwierigen Situationen

14 Arbeit und Freizeit – getrennt oder vermischt?

15 Was bringt die Zukunft?

Schlusswort

Anmerkungen

Die Autorinnen und der Autor

Vorwort

Auf Wikipedia kommt die Digitalisierung ja eigentlich recht harmlos daher. Dort bezeichnet der Begriff ursprünglich das Umwandeln von analogen Werten in digitale Formate und die informationstechnische Verarbeitung der so gewonnenen Daten. Unterdessen haben wir aber längst erfahren, welch fundamentale Kräfte hier wirken. Hoteliers wie Musikerinnen, Taxifahrer erst recht – sie alle erleben derzeit, wie die digitale Revolution ganze Branchen und ihre althergebrachten und bestens verankerten Businessmodelle innert kürzester Zeit komplett umzukrempeln vermag. Man muss längst keine Prophetin mehr sein, um zu behaupten, dass diese Entwicklung breiteste Kreise erfassen und immer tiefer in unsere Leben greifen wird. Wir sind alle in unserer Innovationsfähigkeit gefragt, um diesen Veränderungen gut begegnen zu können und neue Lösungen für die großen Herausforderungen zu finden, die die Digitalisierung mit sich bringt.

Hand aufs Herz, beim Thema «Innovation» denkt man schnell an «das nächste große Ding». Doch es gibt auch eine andere Art der Innovation, nämlich die kontinuierliche Erneuerung im Kleinen und im Alltäglichen, die uns allen jederzeit offensteht und damit besonders kraftvoll und wirksam ist. Die duale Berufsbildung ist aus meiner Sicht geradezu ein Garant für diese Transformation. Der größte Teil der Jugendlichen in der Schweiz wird so Schritt für Schritt in die Berufswelt und damit in den Arbeitsalltag integriert. Immer mit einem starken Fokus auf Bildung, aber auch mit klaren Erwartungen an die Leistungsbereitschaft dieser jungen Menschen. Sie bringen neue Meinungen, andere Herangehensweisen, zukunftsgerichtete Fähigkeiten und manchmal quer in der Landschaft stehende Bedürfnisse in die Betriebe ein, fordern damit oft die bestehenden Strukturen heraus und wollen Muster aufbrechen – eine Frischzellenkur im besten Sinn!

Im vorliegenden Buch beschreiben die Autorinnen Antje Barabasch, Anna Keller und der Autor Marc Marthaler aus unterschiedlichen Blickwinkeln das Erfolgsmodell «Next Generation» von Swisscom. Als führendes Unternehmen im schweizerischen Telco-Markt steht Swisscom dafür ein, dass ihre Kunden und Kundinnen die Chancen einer vernetzten und digitalisierten Zukunft einfach nutzen können. Bedingt durch die rasante Entwicklung der gesamten Branche, sieht sich Swisscom laufend durch internen Strukturwandel und neue Arbeitsformen herausgefordert. Diesem Wandel begegnet das Unternehmen mit einem innovativen und hoch agilen Ansatz in der Berufsbildung, bei dem Lernende ihre Lehre weitgehend selbst gestalten können und projektbasiert lernen und arbeiten. Diese Art des selbstgesteuerten Arbeitens bereitet sie einerseits auf vielfältig zukunftsorientierte Tätigkeiten bei Swisscom vor und sichert ihnen darüber hinaus ihre «Employability». Ein nicht zu vernachlässigender Effekt des Ansatzes von Swisscom ist zudem die sich selbst steuernden Allokation von Lernenden auf Projekte – Markt statt Plan. Dazu arbeitet das Unternehmen eng mit verschiedenen Partnern der Berufsbildung zusammen, auch mit dem Eidgenössischen Hochschulinstitut für Berufsbildung EHB. Das EHB leistet als schweizerische Expertenorganisation der Berufsbildung einen ganz entscheidenden Beitrag, indem es Berufsbildungsverantwortliche aus- und weiterbildet und die Weiterentwicklung der Berufe unterstützt. Im Rahmen seiner Forschungstätigkeit beleuchtet das EHB die Wirksamkeit des Berufsbildungssystems und untersucht unter anderem neue Lernkulturen in Unternehmen, so auch die von Swisscom.

Dieses enge Zusammengehen von Wirtschaft und staatlichen Organisationen ist ganz sicher ein entscheidender Faktor im Erfolgsmodell Berufsbildung Schweiz. Es steht für Stabilität und Erneuerung, die dabei quasi physikalisch verschränkt und inhärent im System verankert sind. Beste Voraussetzungen, um den Herausforderungen der sich rasant verändernden Lebens- und Arbeitsweisen effektiv begegnen zu können.

Andri Rüesch

Co-Chapterhead Future Workforce Management& HR-Business-Partner Swisscom Retail Channels

Mitglied des EHB-Rates

Zum Geleit

Wie können junge Erwachsene ideal auf das Berufsleben vorbereitet werden? Diese Frage beschäftigt Unternehmen genauso wie Berufsfachschulen, überbetriebliche Kursanbieter, die Organisationen der Arbeitswelt (OdA), Politik und natürlich die jungen Erwachsenen selbst und ihre Eltern. Was muss sich bei der Ausbildung im Betrieb ändern? Was benötigen junge Erwachsene dort, um sich ideal entwickeln zu können? Und was haben Schweizer Unternehmen unternommen, um ihr Ausbildungsangebot auf die neuen Anforderungen abzustimmen? Diesen und weiteren Fragen gehen wir in unserer Reihe nach. Ein Jahr lang haben wir beim führenden Schweizer ICT-Unternehmen Swisscom Personen interviewt, die in die Berufsbildung involviert sind, vor allem auch die Lernenden selbst. Wir waren offen und neugierig und sind dabei auf erstaunliche Innovationen gestoßen.

Die Schweiz, als Land mit einer langen Tradition der dualen Berufsbildung, ist seit geraumer Zeit Vorbild und Orientierung für andere Länder, die über die Gestaltung ihrer Berufsbildungssysteme nachdenken. Dabei ist längst bekannt, wie das duale System funktioniert, wer beteiligt ist, wie es finanziert wird und wie viele junge Erwachsene den Weg über diese Art der Qualifizierung einschlagen und auf das Arbeitsleben vorbereitet werden. Viel weniger bekannt ist hingegen, warum das System so gut funktioniert, eben auch völlig unabhängig von den Strukturen und Institutionen, die es tragen. Zu wenig wissen wir über den wichtigsten Bereich der Ausbildung, nämlich den Teil, der im Unternehmen oder generell in der Arbeitswelt verbracht wird. Wir sind losgezogen, um herauszufinden, wie bei Swisscom gelernt und gearbeitet wird. Dabei haben wir erfahren, mit welchen innovativen Ansätzen junge Erwachsene adäquat auf die Anforderungen der Arbeitswelt vorbereitet werden. Uns ist klar geworden, dass vieles von dem, was an neuen Methoden ausprobiert wird, auch branchenspezifisch verstanden werden muss. Und genau deshalb scheint uns das Kennenlernen und Hinterfragen der jeweiligen Lernkultur, die sich in einem Unternehmen oder einer Branche etabliert hat und die aber auch in Bewegung ist, wegweisend zu sein.

Wir, die Autorinnen und der Autor, kommen aus recht unterschiedlichen Kontexten. Antje Barabasch ist Professorin für Berufsbildung und leitet seit 2015 den Forschungsschwerpunkt «Lehren und Lernen in der Berufsbildung» und das Forschungsfeld «Lernkulturen und Didaktik» am EHB. Sie forscht zu den Themen Lernkultur in Organisationen, Kreativitätsförderung in der Berufsbildung, Migration und Policy Transfer. Als Expertin für internationale Berufsbildung arbeitete sie zuvor beim Europäischen Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP) in Thessaloniki. Dort hat sie viel Zeit investiert, um wertvolles systemisches Wissen über die Gestaltung von Berufsbildung zusammenzutragen. Eine wichtige Einsicht aus dieser Zeit ist, dass das Wissen über funktionierende Strukturen noch lange kein wirksames Berufsbildungssystem hervorbringt, sondern dass stattdessen die über Generationen hinweg entstandenen Werte, Einstellungen und Überzeugungen der Akteure maßgebend für den Erfolg sind. Antje Barabasch spricht hier von einer Lernkultur – und weil diese sich an neue Anforderungen, wie Ansprüche der Wirtschaft, aber auch neue Erwartungen nachwachsender Generationen, anpassen muss, auch von innovativer Lernkultur.

Anna Keller ist Doktorandin und am EHB im Forschungsfeld «Lehren und Lernen in der Berufsbildung» tätig. Von Beginn an arbeitete sie im Projekt zur Lernkultur von Unternehmen mit und begab sich auf die Spur neuer Trends in der betrieblichen Ausbildung. Besonderes Interesse hat sie am Thema «Coaching» und sie fragt sich, wie dieser neue Betreuungsansatz auch in den beruflichen Schulen mehr zum Einsatz kommen könnte. Dank ihrem Studium der Erziehungswissenschaft an der Universität Bern und ihrer Tätigkeit als Lehrerin konnte sie unser Projekt mit pädagogischem Hintergrundwissen versorgen.

Marc Marthaler ist seit 2016 Leiter der Next Generation bei Swisscom. Als ausgebildeter Lehrer mit einem abgeschlossenen Sportstudium war er als Quereinsteiger von 2003 bis 2009 selbst als Lernbegleiter im Berufsbildungsmodell bei Swisscom tätig. Die Arbeit mit Menschen und die Motivation als Triebfeder von Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit sind zwei Aspekte, die ihn schon immer und in unterschiedlichen Kontexten fasziniert und vorangetrieben haben. Nach Abschluss eines Master of Advanced Studies in Coaching, Supervision und Organisationsberatung arbeitete er vier Jahre als Dozent, Coach und Projektleiter, bevor er – um viele Erfahrungen und neue Ideen reicher – zurück zu Swisscom kam. Über die Entwicklungsgeschichte der innovativen Lernkultur und darüber, was sein Verhalten, seine Werte und Überzeugungen im Lernen und Arbeiten bei Swisscom geprägt hat, schreibt er in diesem Buch.

Lernkultur gestalten heißt auch, dass ein permanenter Erneuerungsprozess stattfindet. So ist der alte Begriff der «Auszubildenden» oder «Lehrlinge» beispielsweise durch «Lernende» ersetzt worden. Darin begründet ist die Idee des selbstgesteuerten Lernens genauso wie die des lebenslangen Lernens. Junge Erwachsene sind nicht mehr nur diejenigen, denen noch viel beigebracht werden muss, sondern sie werden zunehmend als aktiv zur Arbeit und auch zu Innovationsprozessen Beitragende wahrgenommen.

Im Rahmen des Forschungsprojekts haben wir Lernende, Projektanbieterinnen, Lernbegleiter und Personen aus dem Management interviewt. Wir haben uns verschiedene Arbeitsstandorte und die Arbeit in ausgewählten Projekten angesehen, an Veranstaltungen, in die Lernende involviert waren, teilgenommen und uns in Hubs begeben, die auch von Lernenden frequentiert werden. Die Interviews wurden aufgezeichnet und transkribiert. Dazu kamen Feldaufzeichnungen und Logbücher, in denen wir Hintergrundinformationen, Reflexionen und Beobachtungen notierten. So hatten wir eine Fülle an Informationen, aus denen wir schöpfen konnten, um Antworten auf unsere Frage nach der Gestaltung innovativer Lernkultur zu finden.

In unserem ersten Buch der Reihe «Neue Lernkulturen in der Berufsbildung» erzählen wir die Innovationsgeschichte der Berufsbildung bei Swisscom. Wir behandeln darin alle relevanten Themen, auf die wir bei unseren Besuchen und Interviews gestoßen sind, und lassen auch die beteiligten Akteurinnen und Akteure anhand von zahlreichen Zitaten zu Wort kommen. Im ersten Kapitel von Teil 1 wird in kompakter Form die Transformation von Swisscom als Unternehmen beschrieben. Die Auswirkungen auf die Berufsbildung sowie die Entwicklungsgeschichte und die Grundpfeiler des innovativen Berufsbildungsmodells werden in einem zweiten Kapitel geschildert. Den Abschluss des ersten Teils bilden in Kapitel 3 konkrete Einblicke in die Erfahrungen mit der Next Generation Swisscom.

In Teil 2 zeigen wir anhand von 15 ausgewählten Themen, wie Berufsbildung konkret gestaltet wird, und schließen jeweils mit wichtigen Einsichten und Erkenntnissen ab, die für Sie wegweisend sein mögen.

Im Schlusswort fassen wir noch einmal die besonders herausragenden Bestandteile innovativer Lernkultur bei Swisscom zusammen.

Das Buch ist keine Wissenschaftslektüre. In einigen Kapiteln verweisen wir auf aufschlussreiche Literaturquellen, sodass interessierte Leser und Leserinnen sich in wichtige Themen vertiefen können. Unser Ziel ist es, in diesem Buch vordergründig eine interessante und möglichst aufrüttelnde Geschichte moderner Berufsbildung zu erzählen, die zum Weiterdenken und Nachmachen inspiriert.

Danksagen möchten wir an dieser Stelle allen Swisscom-Mitarbeitenden, die uns Auskunft gegeben haben, bei der Organisation der Interviews und Besuche halfen, uns an Standorten herumführten oder für Nachfragen zur Verfügung standen. Ganz speziell danken wir (in alphabetischer Reihenfolge):

Thomas Albori, Gabriele Barbarossa, Tom Diggelmann, Louise Flüeler, Tobias Frehner, Jasmina Friedli, Urs Gloggner, Michael Haueter, Julien Hautle, Jan Minder, Martin Näf, Fabrizio Pera, Willy Rösch, Fulvia Rusconi, Aurelio Simione, Graciela Sollberger und Reto Wälchli.

Für die Mitarbeit am Projekt danken wir den EHB-Praktikanten Jan Danko und Dominik Caldart und für das Feedback zu ersten Entwürfen des Buches Vera Husfeldt und Alexandra Dehmel.

Teil 1

1 Swisscom – eine Entwicklungsgeschichte

Woher wir kamen, und wo wir heute stehen

Eines vorweg: Lernende beziehungsweise Lehrlinge, wie sie damals noch hießen, wurden bereits zu Zeiten der Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe (PTT) ausgebildet. Doch bevor wir dieses Thema vertiefen, werfen wir einen kurzen Blick zurück auf die Geschichte und Entwicklung von Swisscom.

In den 1980er-Jahren wurde in der Schweiz vermehrt die Monopolstellung der PTT im Fernmeldebereich kritisiert, was letztlich zum Fernmeldegesetz von 1991 führte. Die neue PTT-Unternehmensstrategie richtete die Bereiche Post und Telekommunikation stärker auf ihre eigenen Märkte aus. Die sogenannte PTT-Reform führte 1990 eine Kostentransparenz ein, welche die Quersubventionierung, also die Unterstützung des Departements Post durch das Departement Fernmeldedienste, beendete. Das Unternehmen wurde 1993 in Post PTT und Telecom PTT aufgeteilt. Sein neues Selbstverständnis visualisierte der Telekombereich nicht nur mit einem neuen Logo, in dem der Schriftzug «Telecom» dominierte, sondern er versuchte sich anschließend auch mit mehreren ausländischen Beteiligungen zu profilieren, die jedoch wenig erfolgreich verliefen. In der Schweiz entwickelte sich das 1996 eingeführte Internetportal Blue Window rasch zum schweizerischen Marktleader.

Mit Inkrafttreten des neuen Fernmeldegesetzes von 1997 kam es zu einer Deregulierung des Schweizer Telekommunikationsmarkts, und infolgedessen teilte sich die PTT in die Schweizerische Post, als öffentlich-rechtliche Anstalt, und Swisscom AG, als Aktiengesellschaft, auf. Die Börsennotierung des Telekombereichs führte das ehemals monopolistische, staatsgegründete Unternehmen in die marktwirtschaftliche Selbstständigkeit. Die Liberalisierung brachte neue Herausforderungen; sie bot aber auch Chancen. Damit begann die bis heute anhaltende Umgestaltung des Unternehmens. Eigentlich wurde Swisscom mit dem Börsengang «agil», denn der Wettbewerb der Telekommunikationsunternehmen in der Schweiz führte zu effizienterem Arbeiten, einer stärkeren Ausrichtung an den Bedürfnissen der Kunden und Kundinnen und vor allem: zu vielen Innovationen. Und das ist bis heute so, doch hierzu später mehr.

Die Struktur von Swisscom wurde deutlich verändert. Seit Januar 2008 sind alle operativen Tätigkeiten der Swisscom AG in der Schweiz in die Swisscom (Schweiz) AG ausgegliedert worden. Während die Swisscom AG seit diesem Zeitpunkt als reine Holding[1] fungiert, umfasste das Tätigkeitsfeld ihrer hundertprozentigen Tochtergesellschaft Swisscom (Schweiz) AG die bisherigen Gruppengesellschaften Swisscom Fixnet,[2] Swisscom Mobile[3] und Swisscom Solutions,[4] deren Aktivitäten neu nach Kundensegmenten in die Geschäftsbereiche Privatkunden, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Großunternehmen gegliedert wurden. Zudem wurden die bisher getrennten IT-Plattformen und die Festnetz- und Mobilfunkinfrastrukturen im Bereich «IT, Network & Infrastructure» zusammengeführt.

Swisscom wurde dynamischer und zukunftsorientierter, und das sollte auch das neue Markenbild verdeutlichen. Seit 2008 ist das Logo ein zentraler Bestandteil des Markenauftritts und verleiht Swisscom eine unverwechselbare Identität. Es setzt sich aus der Wortmarke «swisscom» und der Bildmarke, der sogenannten «Lifeform», zusammen, die sich um die eigene Achse dreht. Die bewegte Bildmarke war ein Novum für die Schweiz und für die Branche; sie visualisiert den konstanten Dialog mit dem Umfeld, die kontinuierliche Bewegung und die Notwendigkeit, sich ständig zu entwickeln.

Auch wenn der Begriff der agilen Organisation eher neueren Datums ist, wurde 2008 bereits veranschaulicht, wie die Liberalisierung aus einem eher starren Betrieb eine dynamische Unternehmung macht, die stetig in Bewegung ist und etwas bewegen will. Swisscom ist heute ein Unternehmen, das die Segmente Telekommunikation, Informatik, Multimedia und Entertainment umfasst, und dafür war eine übergeordnete Dachmarke notwendig, die alle Segmente vereint.

Logos ab 1940[5]

Die letzte Dekade stand nun ganz unter dem Stern der Digitalisierung, vorangetrieben durch den massiven Ausbau des Glasfasernetzes und den Einstieg ins TV-Geschäft. Swisscom betrieb die Mobilfunknetze der zweiten (GSM/EDGE), dritten (UMTS/HSPA+) und vierten Generation (LTE/4G+), und aktuell wird der neue Mobilfunkstandard 5G in Betrieb genommen (Stand: Oktober 2019).[6] Von einem ehemals reinen Telekommunikationsanbieter hat sich Swisscom zu einem führenden IT-Unternehmen der Schweiz entwickelt.

Mit insgesamt 19 500 Mitarbeitenden, darunter über 900 Lernenden, 10 Trainees und rund 100 Hochschulpraktikantinnen und Hochschulpraktikanten, ist Swisscom heute nicht nur eines der großen nationalen Unternehmen, sondern auch ein Global Player, was das Unternehmen nicht zuletzt aufgrund der Vielfalt der Aufgaben zu einem interessanten Arbeitgeber und Ausbildungsanbieter macht (Stand: Ende September 2019). Etwa ein Drittel der Mitarbeitenden steht täglich im direkten Kontakt zu Kundinnen und Kunden, sei es im Verkauf oder im Bereich Kundenservice. Swisscom umfasst per 2019 vier Geschäftsbereiche und fünf Konzernbereiche. Der Konzern umfasst weiter den Geschäftsbereich Digital Business sowie Konzerngesellschaften wie die Fastweb S. p. A., die italienische Tochtergesellschaft in Italien.[7] Trotz eines gewissen Trends zur Globalisierung ist Swisscom bis heute ein vorrangig schweizerisches Unternehmen, denn rund 80 Prozent des Nettoumsatzes und des Betriebsergebnisses vor Abschreibungen (EBITDA) werden in der Schweiz erzielt.

Innovation als Ansporn und Passion

Das Marktumfeld von Swisscom hat sich in den letzten Jahren stark verändert. 75 Prozent des Umsatzes werden heute mit Produkten generiert, die es vor zehn Jahren noch nicht im Portfolio gab. Zu den Produkten von Swisscom gehört das Angebot von Mobilfunk, Festnetz, Internet und Digital-TV. Das Unternehmen gehört schweizweit auch zu den größten Anbietern für IT-Dienstleistungen in den Bereichen Cloud, Sicherheit (Security), Internet of Things (IoT) und Business-Applikationen. Es sorgt für den Bau und Unterhalt der Mobilfunk- und Festnetzinfrastruktur, verbreitet Rundfunksignale und ist überdies im Banken-, Energie-, Unterhaltungs-, Werbe- und Gesundheitsbereich tätig.

Die zunehmende Vernetzung von Mensch und Maschine, sich verändernde Kundenbedürfnisse und die steigende Bedeutung von Sicherheit und Datenschutz bedingen, dass Unternehmen dem Zahn der Zeit immer einen Schritt voraus sein und den technologischen Fortschritt selbst weiter vorantreiben müssen. Nicht nur Endgeräte, wie zum Beispiel Smartphones, benötigen laufend neue Updates ihrer Software, auch ihre Hardware wird oft im Jahresrhythmus erneuert. Das beschleunigte Tempo der Veränderungen erzeugt einen hohen Innovationsdruck. Hier sind Kreativität und Flexibilität, Ideenreichtum und Offenheit der Mitarbeitenden in höchstem Maße gefragt, damit die Schweiz wettbewerbsfähig bleibt und weiter an der Spitze mithalten kann. Globale Internetfirmen nutzen ihre Skalenvorteile und drängen in lokale Märkte der Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT, Information and Communication Technology). Als Markt-, Technologie- und Innovationsführerin will sich Swisscom auch weiterhin im umkämpften Kerngeschäft behaupten und Produkte und Preise bieten, die die technischen Entwicklungen allen Menschen zugänglich machen. Themen wie Smart Data, künstliche Intelligenz, Industrie 4.0, Smart City, Smart Home oder eSports erfordern Einfallsreichtum und hohes technisches Know-how. Und natürlich schläft auch die Konkurrenz nicht. Neue Angebote und Produkte kommen manchmal rasend schnell auf den Markt, und Swisscom ist gefordert, erfolgreich mitzuhalten oder Vorreiterin zu sein. Kreative Ideen sollen deshalb zu kommerziell nutzbaren Innovationen führen. Überhaupt ist Innovation das, was zählt, um im Kerngeschäft relevant zu bleiben, in neuen Themenfeldern zu wachsen oder interne Arbeitsabläufe zu digitalisieren. Innovativ sein heißt deshalb, ständig am Ball zu bleiben und strategische Herausforderungen, neue Wachstumsfelder sowie künftige Kundenbedürfnisse früh zu erkennen. Dafür kooperiert Swisscom über die Unternehmensgrenzen hinaus mit Partnern wie Hochschulen, Start-ups und etablierten Technologieunternehmen. Hierfür werden verschiedene Innovations- und Entwicklungsansätze wie Open Innovation, Cooperations, Ventures oder Enabling Services verwendet.[8] Welche Innovationen schließlich daraus resultieren, ist uns als Kunden und Kundinnen oft gar nicht bewusst. Dass meine Ferienfotos unmittelbar und automatisch in der myCloud gesichert werden, dass ich praktisch überall meine E-Mails über das (mobile) Datennetz von Swisscom bearbeiten oder auf der Zugfahrt die Lauberhornabfahrt über Swisscom TV anschauen kann, ist aber nichts anderes als das Resultat innovativer Entwicklungen, an denen Menschen jeden Tag mit viel Herzblut bei Swisscom arbeiten. Und diese Mitarbeitenden gilt es für den Wandel und die damit verbundenen Veränderungen zu begeistern und auf die digitale Reise mitzunehmen.

Rahmenbedingungen einer neuen Arbeitswelt

Wandel und Veränderungen im Unternehmen erfordern, dass Mitarbeitende über immer wieder neue Kompetenzen verfügen. Dazu kommt, dass zunehmend unabhängig von Zeit und Ort gearbeitet wird. Dies ermöglicht es, Arbeit und Freizeit flexibel einzuteilen. Die neue Beweglichkeit nimmt zu und kann sehr motivierend sein. Auch neue Arbeitsmethoden schaffen Abwechslung im Arbeitsleben. Der Trend geht zurzeit in Richtung einer Zunahme von temporärer und projektbezogener Arbeit, die manchmal auf virtuellen Jobbörsen angeboten wird. Dies führt zu mehr «Patchwork»-Tätigkeitsprofilen, die herausfordernd sind, aber auch neue Entwicklungschancen bieten. Die Sharing Economy hält Einzug in Unternehmen, das heißt, verschiedene Arbeitsbereiche «teilen» sich ihre Mitarbeitenden. Und immer öfter werden Mitarbeitende, die über gesuchte spezifische Kompetenzen verfügen, auf internen oder externen Marktplätzen gefunden. Als zukunftssichere Kompetenzen gelten Kreativität und soziale Fähigkeiten. Dies zum einen, weil sie für die Ausübung vieler Aufgaben der Zukunft notwendig sein werden, und zum anderen, weil kreative Menschen mit sozialen Fähigkeiten gegenüber Maschinen im Vorteil sind beziehungsweise weil ihre Arbeit durch die zunehmende Automation nicht bedroht ist.

Die durch die Digitalisierung geforderte Flexibilität und Geschwindigkeit bezieht sich nicht nur auf technologische Entwicklungen, sie bedingt auch ein Umdenken in der Führungs- und Unternehmenskultur. Technische Neuerungen im Unternehmen allein nützen wenig, wenn nicht ein konkreter Bedarf damit verbunden ist. Technischer Fortschritt, der nur zu Spielereien führt, wird von Mitarbeitenden häufig kaum akzeptiert. Für sie zählt, wie sie sich selbst einbringen können, und dies muss in einer offenen, transparenten und partizipativen Unternehmenskultur kommuniziert werden.

Flexibles Arbeiten ist bei Swisscom ein großes Thema; Arbeitsformen wie Work-Anywhere, Homeoffice oder Teilzeitpensen sind weit verbreitet, und Mitarbeitende haben Anspruch auf bis zu fünf Weiterbildungstage im Jahr. Die flexible Arbeitszeitregelung ermöglicht es, die Bereiche Arbeit, Haushalt und Familie, Freizeit und Bildung besser zu kombinieren. Mutter- und Vaterschaftsurlaub sind familienfreundliche Angebote, die für viele das Weiterlernen und Weiterarbeiten vereinfachen oder überhaupt erst möglich machen.

Aus- und Weiterbildungen haben grundsätzlich einen hohen Stellenwert im Unternehmen und werden von vielen Mitarbeitenden in Anspruch genommen, wobei sowohl in formalen als auch in nonformalen und informellen Zusammenhängen gelernt wird. Sich kontinuierlich weiterzubilden, ist eine wichtige Voraussetzung, um im Denken und Handeln beweglich zu bleiben.

Ein Mehr an Bewegungsspielraum – agile Transformation

Agilität ist nicht nur ein aktuelles Schlagwort, sie ist auch gelebte Realität bei Swisscom. Denn hier wird schon seit einiger Zeit in unterschiedlichen Bereichen mit sogenannten agilen Arbeitsmethoden wie zum Beispiel Holokratie[9]