Jungs braucht echt keiner! (Band 2) ... und trotzdem klopft das blöde Herz - Patricia Schröder - E-Book

Jungs braucht echt keiner! (Band 2) ... und trotzdem klopft das blöde Herz E-Book

Patricia Schröder

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Beschreibung

Hannah kann nicht verstehen, wieso Elias seit ihrem letzten Treffen nicht mehr durch den Schrank zu ihr gereist ist. Dabei hatte sie gerade angefangen, ihn irgendwie zu mögen. Dann eben nicht! Auf Hannahs beste Freundinnen sind keine Hilfe, denn sie denken, dass Hannah Elias nur erfunden hätte. Als Elias zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt wieder auftaucht, steckt sie bereits mitten im größten Gefühlschaos. Wie kann Hannah ihm zeigen, was er ihr wirklich bedeutet?

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Erstes Kapitel,

in dem es große Langeweile, erfundene Spielregeln und jede Menge peinliche Chatnachrichten gibt

»Käferchen?«, ruft Moms aus der Wohnküche.

»Ja?«, rufe ich zurück.

»Liegst du immer noch im Bett?«

»Jaha!« Was, bitte schön, soll ich denn sonst machen? »Ich lese!«

»Ist dein Buch spannend?«, fragt Moms.

Na ja …

»Geht so!«, antworte ich.

»Paps, Lilly und ich wollen gleich Carcassonne spielen. Hast du vielleicht auch Lust?«

Eigentlich schon. ABER …

»Nur Paps, Lilly, du und ich?«

»Ich denke schon«, erwidert Moms.

Okay.

Hoffnungsvoll schäle ich mich unter der Bettdecke hervor und tappe in die Wohnküche. Der Boden unter meinen Füßen schaukelt sanft. Ich glaube nicht, dass ich mich jemals daran gewöhnen werde.

Zum Glück dauert unser Jemals nur noch zwei Tage, dann geht es endlich wieder nach Hause.

Keine Ahnung, wer auf die Schnapsidee mit dem Hausboot gekommen ist. Ich vermute ja, dass es Paps war, auch wenn meine Mutter noch immer so tut, als wäre es ihr Wunsch gewesen. Weil sie unmöglich länger als eine Woche in der Buchhandlung fehlen kann und weil es sich deshalb einfach nicht gelohnt hätte, nach Schweden in unser Ferienhaus zu fahren. Außerdem wären die Herbstferien sowieso viel zu kurz, und ein bisschen Zeit sollten die Kinder – also Lilly und ich – ja auch noch mit ihren Freundinnen verbringen.

Was meine Eltern im Übrigen nicht wissen: Bei mir schreibt man Freundinnen mittlerweile mit einem *, also Freund*innen.

Denn seit ungefähr zwei Wochen gibt es in meinem Leben Elias. Und der ist irgendwie auch ein Freund. Glaube ich zumindest, weil wir es zwar nicht ausgesprochen, aber trotzdem irgendwie miteinander verabredet haben. Na ja, jedenfalls, dass wir uns wiedersehen wollen. Exakt ausgedrückt, es zumindest versuchen. Schließlich ist es alles andere als sicher, dass es auch klappt.

»Du siehst müde aus«, sagt Moms. Sie sitzt am Esstisch und ist dabei, das Spielmaterial aufzubauen.

Passenderweise muss ich gähnen.

»Na, komm mal her!«, sagt sie, rückt den Stuhl ein wenig vom Tisch weg und zieht mich zu sich heran.

»Das liegt am vielen Rumliegen«, sage ich und lasse mich auf ihren Schoß fallen, wo ich schon ewig nicht mehr gesessen habe.

Ich bin fast dreizehn und eigentlich schon viel zu alt für so was. Aber fernab von zu Hause, eingesperrt auf einem viel zu kleinen Hausboot und ringsherum nur von Wasser, Wind und Regentropfen umgeben, kann man schon mal eine Ausnahme machen.

Dabei hatte ich mir sogar gewünscht, dass wir endlich wieder mal einen richtigen Familienausflug machen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass mir dieser Wunsch so schnell erfüllt wird und jener Elternteil, der dafür verantwortlich ist, es gleich so übertreiben musste! Ein gemeinsamer Tag in einem Wildtierpark, einem Experimentiermuseum oder im Spaßbad hätte für meinen Geschmack völlig ausgereicht.

»Das Wetter ist wirklich furchtbar«, sagt Moms, während sie mir eine Strähne nach der anderen aus dem Gesicht streicht. »Aber das konnte ja keiner ahnen.«

Ich glaube, mir wäre dieses schwimmende Minihaus auch bei schönstem Sonnenschein zu eng gewesen. Und nicht weniger geheuer. Im Gegensatz zu meiner zehnjährigen Schwester Lilly, die ihr knallrosa Regenzeug viermal pro Stunde an- und auszieht und zusammen mit Flimingi, wie sie ihren aufblasbaren pinkfarbenen Flamingo nennt, ruckzuck das Kommando über das Boot – und damit auch über uns – übernommen hat.

Gerade ist sie draußen auf der Terrasse und sammelt Regenwasser in einer Plastikschüssel, die sie sich aus der Küche geliehen hat. Ohne zu fragen, ob das okay ist, denn wie schon gesagt, sie hat ja das Kommando.

Und anders als daheim lassen Moms und Paps sie gewähren. Weil alles andere unseren langweiligen, aber relativ harmonischen Familienausflug wahrscheinlich längst in einen Horrortrip verwandelt hätte.

Horror nicht im Sinne von Grusel wohlgemerkt, sondern im Sinne von Stress.

»Wo ist Paps?«, frage ich.

»In der Steuerkabine.« Moms drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Er lenkt uns näher ans Ufer heran, damit wir ankern können.«

Ich stehe von ihrem Schoß auf, setze mich ihr gegenüber und verteile Männchen, Äbte und Schweine auf unsere vier Plätze. Klar, dass Lilly Rosa bekommt. Papa Rot, Mama Blau, und ich nehme wie immer Gelb.

Im selben Moment schiebt Lilly die gläserne Terrassentür auf und stürmt patschnass zu uns herein.

»Du kriegst Grün!«, befiehlt sie und verteilt dabei jede Menge Wassertropfen. »Flimingi nimmt Gelb. Das passt am schönsten zu Rosa.«

»Flimingi spielt nicht mit«, brumme ich, obwohl ich weiß, dass es sinnlos ist. Bisher hat Flimingi immer mitgespielt. »Wir haben nur vier Stühle«, argumentiere ich.

»Dann sitze ich eben auf Paps’ Schoß oder Flimingi auf meinem«, bestimmt Lilly.

Na, das ist ja mal was Neues!

Normalerweise thront der Flamingo nämlich auf dem Tisch, damit er den »optimalischen« Überblick hat.

»Zuerst ziehst du dir bitte die nassen Sachen aus«, sagt Paps, der in dieser Sekunde in dem schmalen Gang auftaucht, der zu den holzkistenkleinen Schlafzimmern und der Steuerkabine führt.

»Das geht nicht«, protestiert Lilly. »Ich muss gleich wieder raus, das Wasser kontrooolieren.«

Moms schüttelt den Kopf. »Heute nicht mehr.«

»Aber dann kann ich nicht vergleichen«, jault meine Schwester.

»Doch«, widerspricht Paps. »Das kannst du. Ich werfe jetzt den Anker …«

»Nein, ich!«, brüllt Lilly und stürzt zur Tür.

»… und um Punkt achtzehn Uhr hole ich die Schüssel rein, damit du abmessen kannst, wie viel Regen heute gefallen ist«, führt mein Vater seinen Satz zu Ende, während er Lilly am Schlafittchen packt und zu uns an den Tisch zurückzieht.

»Das macht Flimingi!«, faucht Lilly ihn an.

»Meinetwegen«, sagt Paps.

»Und das mit der Schüssel auch!«

»Ich finde, dein Flamingo hat heute schon genug getan«, mischt Moms sich ein.

»Jaaa!«, kräht Lilly. »Er ist ja auch der Kapitän!«

»Den Eindruck habe ich allerdings nicht«, erwidert Paps. »Ein echter Kapitän überarbeitet sich nicht, weil er sonst Gefahr läuft, müde zu werden, und er dann womöglich nicht mehr die richtigen Entscheidungen treffen kann. Wir sind jetzt seit fast fünf Tagen auf See, und ich habe noch kein einziges Mal erlebt, dass Flimingi Aufgaben verteilt, geschweige denn Befehle an seine Leute ausgibt.«

Mit jedem seiner Worte fällt Lillys Kinnlade ein wenig weiter herunter. Aus riesengroßen Augen starrt sie unseren Vater an, aber auch die von Moms weiten sich vor Entsetzen.

Du lieber Himmel!

DAS hätte Paps wohl besser nicht gesagt!

Langsam klappt Lilly ihren Mund wieder zu.

»Na gut«, sagt sie, hält sich den Schnabel des Flamingos ans Ohr und tut so, als würde sie angestrengt lauschen.

»Flimingi ist müde und muss dringend ausruhen«, teilt sie uns schließlich mit. »Und deshalb soll ich jetzt solange die Befehle verteilen.«

»Soso«, sagt Paps. »Dürfte ich dann bitte mal deinen Bootsführerschein sehen?«

»Hä?« Lilly verdreht die Augen. »Wieso?«

»Weil man den braucht, wenn man hier Kapitän sein will«, erwidert Paps.

»Aber Flimingi hat auch keinen!«, hält meine Schwester lautstark dagegen.

Plötzlich leuchtet es in ihren Augen auf, und ihr Blick gleitet zum Küchentresen hinüber, wo sie ihren Zeichenblock und die Buntstifte abgelegt hat.

»Ich mal schnell einen«, erklärt sie eifrig. »Der gilt dann für uns beide.«

»Ich schlage vor, wir nehmen lieber den von Moms«, meint Paps.

»Gute Idee«, sagt meine Mutter lächelnd. »Dann bin ich jetzt wohl die Kapitänin. Und die bittet den Steuermann, den Anker zu werfen. Außerdem gewährt sie Flimingi zwei Tage Urlaub und bittet die Erste Offizierin Lilly, sich der nassen Arbeitsklamotten zu entledigen und unmittelbar danach ein leckeres Eis für alle aus der Kombüse zu spendieren.«

Innerhalb weniger Sekunden verwandelt sich Lillys anfängliches Protestgesicht in das eines Honigkuchenpferds. »Au ja!«, ruft sie, platziert den Flamingo auf Moms’ Stuhl und reißt sich das Regenzeug herunter. »Wo ist die Kombüse?«

Kopfschüttelnd zeigt Paps auf den rosafarbenen Haufen auf dem Fußboden.

»Zuerst hängst du bitte die nassen Sachen auf!«

»Nö«, kontert Lilly ebenfalls mit dem Kopf schüttelnd. »Das war nicht der Befehl. Ich sollte zuerst die Klamotten erledigen und sofort danach das Eis holen.«

»Ich möchte keins«, sage ich. »Und ich spiele auch nicht mit.«

Wenn Flimingi bereits auf einem der vier Stühle sitzt, heißt das nämlich, dass er auf jeden Fall mitmacht. Und das wiederum bedeutet, dass seine und Lillys Städte, Wege und Wiesen – also alle von beiden erspielten Punkte! – am Ende zusammengezählt werden.

Ich habe meine Schwester wirklich lieb, aber im Moment nervt sie einfach nur noch.

Meinetwegen soll sie bei Carcassonne jedes Mal gewinnen, das gönne ich ihr von Herzen. Aber dafür sollte sie keine Tricks anwenden. Im Grunde sehen Moms und Paps das ganz genauso. Und zu Hause käme Lilly mit ihrer Flimingi-Doppelstrategie auch nicht durch. Doch hier auf dem Boot drücken meine Eltern leider beide Augen zu. Um des lieben Friedens willen. Und weil es bei Carcassonne eigentlich mehr ums Spielen und nicht so sehr ums Gewinnen gehe.

Okay, meinetwegen. Aber dann eben ohne mich.

»Och, Käferchen!« Meine Mutter zieht einen minikleinen Bettelflunsch. »Das ist aber schade.«

»Und wenn Flimingi nicht mitspielt?«, bietet Lilly an. »Willst du dann trotzdem kein Eis?«

Danke, Schwesterchen, du hast das Problem erkannt!, denke ich grinsend. Ich hatte meinen Hintern zwar schon um mehrere Zentimeter vom Stuhl erhoben, lasse ihn nun aber umso lieber wieder zurücksinken.

»Die Kombüse befindet sich übrigens im Eisfach«, sage ich immer noch grinsend.

Und schon geht alles blitzschnell. Die Kühlschranktür fliegt auf, danach die vom Eisfach. Zwei Sekunden später landen eine Großpackung Haselnusseis und vier Esslöffel auf dem Esstisch.

»Du bist ein Schatz«, murmele ich, kaum dass Flimingi zu Boden geflattert ist und Lilly sich neben mich gepflanzt hat.

»Ist doch klaro«, erwidert sie und stupst mich in die Seite.

Finde ich auch. Immerhin hat sie diesen Flamingo von mir bekommen. Im Tausch gegen ihr matratzengroßes aufblasbares Krokodil, das seitdem einen erheblichen Teil meines Zimmers einnimmt.

Ursprünglich sollte darauf ja Elias übernachten. Mittlerweile bin ich mir allerdings gar nicht mehr sicher, ob er sich überhaupt noch mal bei mir blicken lässt.

Eine halbe Stunde später ist die Eispackung bis auf den letzten Rest leer gefuttert. Natürlich hat meine Mutter es nicht zugelassen, dass wir uns allesamt gleichzeitig »wie die Wilden im Wettkampffieber« auf die begehrte »Beute« stürzen, sondern darauf bestanden, dass wir die Köstlichkeit ganz »zivilisiert« aus Schälchen zu uns nehmen.

»Ich kann nicht mehr«, stöhnt Lilly, nachdem sie ihren Löffel geräuschvoll auf dem Tisch abgelegt hat.

»Ist ja auch nichts mehr übrig«, sage ich.

Langsam lässt meine Schwester ihren gequälten Ich-bin-total-fix-und-fertig-Blick von mir über Moms bis zu Paps wandern.

»Ich kann gar nix mehr«, jammert sie.

»Dann machst du dich am besten sofort bettfertig und verschwindest in der Koje«, schlägt mein Vater vor.

Augenblicklich ist Lilly wieder putzmunter.

»Au ja, und da guck ich dann Filme!«, jubelt sie, während sie vom Stuhl springt, ihren Flamingo am Hals packt und in Richtung Waschecke flitzt.

»Das werden wir ja sehen«, murmelt Moms.

»Und ich?«, frage ich. »Wo soll ich denn in Ruhe mit Sophie und Elif chatten, wenn Lilly unser Schlafzimmer belegt?« Das machen meine beiden besten Freundinnen und ich nämlich jeden Nachmittag zwischen fünf und sechs. »Die kann doch um diese Zeit sowieso noch nicht schlafen.«

»Auch das werden wir sehen«, erwidert Moms. »Aber wenn du magst, kannst du dich bis zum Abendbrot gerne in Paps’ und meine Koje zurückziehen.«

Das ist ein Angebot!

»Und was macht ihr in der Zwischenzeit?«, frage ich.

Meine Eltern sehen sich an.

»Ebenfalls ganz in Ruhe …«, beginnt Paps.

»… Carcassonne spielen«, sagen sie dann wie aus einem Munde.

Ich schließe die Schiebetür, damit ich von Lillys Gejaule nicht allzu viel mitkriege. Denn das wird ohne Frage losgehen, sobald sie erfährt, dass sie keinen Film gucken, sondern – ich vermute mal – »nur« Hörbuch hören darf.

Dann zücke ich mein Handy und lasse mich auf den bunten Patchworküberwurf sinken.

Das breite Elternbett ist viel gemütlicher als die beiden engen Kojen, mit denen meine Schwester und ich uns begnügen müssen.

Ich knuffe noch ein paar der blauen Kissen in meinem Rücken zusammen und breite die kuschelige Wolldecke über mir aus – und schon kann es losgehen. Die Nachmittagsstunden mit meinen beiden Freundinnen sind immer mein Highlight des Tages. Klar, dass ich das niemals laut sagen würde, aber ich glaube, Moms und Paps wissen es auch so.

Es ist zwar erst kurz vor fünf, aber Sophie und Elif sind anscheinend schon am Start. Jedenfalls zeigt die Chatapp bereits sechs Eingänge an. Doch als ich sie öffne, sehe ich, dass sie nicht von meinen Freundinnen, sondern von Jarik sind.

Na, was machst du so?, will er als Erstes wissen. Da war es kurz nach vier.

Wann seid ihr noch mal wieder zurück?

Das ist Frage Nummer zwei. Reingeploppt um 16:12 Uhr.

Ich finde dich voll hübsch. Hab ich das eigentlich schon mal gesagt?

Neeeiiin! Hast du nicht. Und hättest du auch getrost für dich behalten können!

Die restlichen drei Nachrichten mag ich eigentlich gar nicht mehr anschauen, mache es dann aber trotzdem, weil ich mich sonst garantiert wieder ellenlang vor Sophie und Elif dafür rechtfertigen muss, wenn ich ihnen nicht alles haarklein bis in die hinterletzten Details erzählen kann. Schließlich haben die beiden mir Jarik sozusagen »besorgt«, damit ich nicht länger darunter »leiden« muss, dass ich noch keinen Freund habe.

Tatsache Nummer eins ist allerdings: Ich leide nicht. Und Tatsche Nummer zwei: Ich will überhaupt keinen Freund. Also jedenfalls nicht SO einen »Freund«.

Elif hat schließlich auch keinen, sondern nur Verehrer, die es mehr auf ihre Skateboardkünste abgesehen haben als auf sie selbst. Und Sophie wartet schon seit Ewigkeiten darauf, dass ihr endlich einer aus der Neunten vor die Füße fällt.

Ein Problem mit Jungs haben also eigentlich die zwei und nicht ich. Meins wäre dann schon eher meine kaum vorhandene Oberweite. Aber ganz ehrlich: Das ist mir inzwischen so was von egal. Und wenn Lukas oder Leo oder sonst wer aus meiner Klasse mich deswegen hundertmal ans Ende ihrer bescheuerten Listen setzen!

Außerdem habe ich jetzt Jarik an der Backe. Und das ist wirklich ein Problem. Vor allem, nachdem ich seine letzten drei Nachrichten gelesen habe.

Ich habe einen Gutschein für den Wahre-Liebe-Cup bei Valentino. Walnuss, Vanille und Schoko mit heißen Himbeeren, und dann machen die da noch irgendwas mit Feuer. Klingt total spannend! Ich hoffe, du magst Himbeeren? Jedenfalls könnten wir da gleich am Montag hingehen.

Das Ganze ist so ja schon peinlich genug, aber dann hat er zu allem Überfluss auch noch drei Smileys mit Herzchenaugen dahintergesetzt.

Hallo Hannah! Melde dich doch mal! Das ist Nachricht Numero fünf, um 16:26 Uhr auf meinem Handy gelandet. Ich hab nämlich auch noch Kinokarten. Was hältst du davon, wenn wir die am Dienstag einlösen?

Himmel, hilf! Was soll ich denn darauf antworten?

Valentino ja, Kino auch, aber lieber mit Sophie oder Elif?

Vergiss es, Hannah, das kannst du nicht machen!

Schon klar.

Und dann ist da noch Jariks letzte Nachricht von 16:47 Uhr, und die treibt mir echt die Schweißperlen auf die Stirn.

Wir gehen doch zusammen? Oder?

WHAT?

Zusammen in die Eisdiele?

Zusammen ins Kino?

Oder zusammen zusammen?

Mir schwant, er meint Letzteres.

ABER:

Müssten wir uns dafür nicht erst mal kennenlernen? Also zuerst zu Valentino (um dort zwei unverfängliche Spaghettieise zu essen) und dann ins Kino (irgendwas Lustiges, bei dem man so viel lachen muss, dass es gar nicht zum Händchenhalten kommt) und erst danach überlegen, ob es überhaupt passt.

Doch leider habe ich das untrügliche Gefühl, Jarik zäumt das Pferd von hinten auf.

Ich hatte gerade ein Kilo Haselnusseis zum Nachmittagstee tippe ich, lösche es allerdings sofort wieder.

Obwohl ich es tatsächlich am liebsten abgeschickt hätte.

Doch zum Glück ist es inzwischen Punkt fünf Uhr, und wie auf Kommando ploppt eine Nachricht von Sophie auf.

Wieso antwortest du Jarik nicht?

Zweites Kapitel,

in dem eine wilde Diskussion mit einem Riesenkrach endet und ein hoffnungsvolles Vorhaben gründlich missglückt

Hallo Hannah, bist du anwesend?, wollen Elif und Sophie gleichzeitig wissen.

Plopp! Plopp! im Sekundenbruchteiltakt.

Klar, tippe ich.

O Mann, antwortet Elif. Und ich dachte schon!

Was?, frage ich.

Dass du nicht mehr mit uns redest, schreibt Sophie. Und auch nicht mit Jarik.

Ich hab nicht auf mein Handy geguckt, rechtfertige ich mich. Lilly hält uns hier alle mächtig in Atem. Wie geht’s Karlchen?, erkundige ich mich als Nächstes, damit sie bloß nicht weiter auf der Sache mit Jarik herumreiten.

Klar, aufgeschoben ist nicht aufgehoben, das weiß ich auch. Aber ich brauche einfach noch eine kurze Atempause, um mir eine richtig gute Erklärung zurechtzulegen. Vielleicht kriege ich es sogar hin, dass meine Freundinnen mir die unangenehmste Aufgabe abnehmen, indem sie Jarik schonend beibringen, dass das Ganze ein furchtbares Missverständnis gewesen ist. Immerhin haben sie mir die Suppe eingebrockt. Warum also soll ich sie jetzt alleine auslöffeln?

Gut geht’s dem, schreibt Elif. Er macht den ganzen Tag das Käfigklappengeräusch. Und wenn ich ihm in aller Ruhe erkläre, dass er bei mir nicht im Zimmer herumfliegen kann, weil meine Mam das nicht erlaubt, beschmeißt er mich mit »Mist« ;).

Arme Elif, tippe ich. Aber »Mist« ist nun mal sein Lieblingswort.

Weshalb du mir gar nicht genug danken kannst dafür, dass ich diesen Frechdachs von einem Wellensittich bei mir aufgenommen habe!, kommt es von meiner Freundin zurück.

Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke! Danke!,schreibe ich.

Ich glaube, das reicht, geht Sophie dazwischen, bevor ich weitermachen kann.

Übermorgen Abend bist du ihn wieder los, schreibe ich stattdessen und setze drei Freudensmileys dahinter.

Ich vermisse Karlchen schrecklich und freue mich schon jetzt halb tot darauf, ihn bald zurückzubekommen.

Können wir dann mal zum Thema zurückkehren?, fragt Sophie.

Welches Thema?, frage ich zurück.

Jarik, ist die erwartete und gleichzeitig gefürchtete Antwort.

Ich atme einmal tief durch, bevor ich loslege:

Ich will ihm nicht schreiben, und ich will und werde ihn auch nicht treffen!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Das kannst du nicht machen, entrüstet Sophie sich mit einer Reihe Wutsmileys im Schlepptau. Wenn ich dich erinnern darf: DUHASTIHNDIRAUSGESUCHT!

Ja! Weil du mich gezwungen hast!, kontere ich.

Es war ein Deal, erwidert sie.

Den ich übrigens bis heute nicht verstanden habe! Allmählich kocht Wut in mir hoch, und meine Finger fliegen jetzt nur so über das Display. Du hast mich total überrumpelt!, werfe ich ihr vor.

Also, ich halte mich da raus, weil ich euer Gespräch vor den Ferien nicht mitbekommen habe, ploppt die Meinung von Elif herein. Aber ich finde, Sophie hat recht.

Alles klar! So ist das also, wenn man sich raushält. Muss ich mir merken!

Mannomann, ich glaub, ich spinne!

So eine Sache zwischen einem Mädchen und einem Jungen ist etwas total Persönliches. Da können einem andere doch nicht sagen, wie man sich zu verhalten hat. Und beste Freundinnen schon mal gar nicht!

Ihr habt das alles ausgeheckt!, tippe ich. Also badet auch ihr das bitte wieder aus.

Einen Moment lang passiert gar nichts. Es ist, als hätte die Welt den Atem angehalten. Nicht mal das leise Platschen der Wellen gegen die beiden Rümpfe, die das Hausboot tragen, sind zu hören.

Mit klopfendem Herzen starre ich auf das Handydisplay.

Bitte lass Sophie jetzt nicht völlig ausrasten!

Bitte, bitte, bitte!

Doch genau das passiert.

Weißt du eigentlich, was du da von mir verlangst?, erwidert sie. Ich habe auf meinem Blog für dich geworben! Wenn ich Jarik jetzt sagen muss, dass du dich nicht mal mit ihm treffen willst, weil du ihn kacke findest oder was, bin ich für alle Zeit komplett unten durch. Ich könnte nicht mal ein neues Blog starten, weil mich immer irgendeiner der Jungs, die sich für dich gemeldet haben, enttarnen und dissen würde. Du ruinierst gerade mein Leben, Hannah, keine Ahnung, ob dir das klar ist oder auch egal. Ja, wahrscheinlich ist dir das so was von total egal! Weil es dich in letzter Zeit überhaupt nicht mehr interessiert, was mit mir und Elif los ist! Und das ist total gemein von dir!!!Dabei haben wir so viel investiert, um dir zu helfen!, ist der letzte Satz, gefolgt von mehreren Reihen Wut- und Heulsmileys.

»Ich wollte eure Hilfe doch gar nicht«, krächze ich.

In meinem Hals steckt ein Gummikloß vom Ausmaß eines Basketballs, und meine Augen brennen wie Hölle.

Ich finde auch, dass du dich wenigstens ein Mal mit Jarik verabreden könntest, meldet Elif sich derweil zu Wort. Das ist doch nicht zu viel verlangt.

Ernsthaft?, schreibe ich, während mir die Tränen aus den Augen quellen. Zu einem Date mit einem Liebespaar-Eisbecher? Der Typ hat sie ja nicht mehr alle!

Das finde ich jetzt echt fies, Hannah, erwidert Elif. Du kennst ihn doch überhaupt nicht. Vielleicht ist er so sehr in dich verliebt, dass er gar nicht merkt, dass sein Verhalten ein bisschen drüber ist.

Jarik kennt mich auch nicht!, tippe ich. Wie soll er sich denn da so doll in mich verliebt haben?

Liebe hat nun mal nichts mit Vernunft zu tun, kommt es von Elif zurück. Gegen solche Gefühle ist man einfach machtlos.

Tja, sie muss es ja wissen!

Wenn ich darüber nachdenke, wie lange sie in Tom Kaulitz verknallt war, könnte ich mir jetzt noch an den Kopf fassen. Aber ich habe nie etwas dazu gesagt. Weder dass ich sie verstehe noch dass ich sie deswegen für bescheuert halte. Ich habe sie einfach in Ruhe gelassen, und das wünsche ich mir von meinen besten Freundinnen eben auch. Dass sie es mir überlassen, wie ich die Sache mit Jarik regele. Und sie mich nicht dafür verurteilen.

Doch wie es aussieht, komme ich nicht so leicht aus dieser Geschichte heraus.

Sophie zuliebe und wenn dir unsere Freundschaft etwas wert ist, wirst du dich mit Jarik treffen, verlangt Elif. Nur ein einziges Mal. Es muss ja nicht unbedingt zum Eisessen sein. Geh halt mit ihm ins Kino!,empfiehlt sie mir. Am besten in irgendeinen Actionfilm, der ihn richtig in den Bann zieht. Und danach sagst du ihm dann, dass du Zeit brauchst und noch überlegen musst, ob du mit ihm zusammen sein willst. Oder halt irgendwas in der Art, das ihn nicht direkt verletzt.

Ich kann nicht glauben, was ich da lese.

Wenn mir die Freundschaft mit ihnen etwas wert ist? Was soll das denn heißen? Dass die beiden sie mir aufkündigen, wenn ich nicht mache, was sie von mir verlangen?

Ihr könnt mich mal!, würde ich am liebsten antworten, doch ich verkneife es mir. Stattdessen pfeffere ich mein Handy ans Fußende des Bettes und breche in Tränen aus.

Lautlos, damit Moms und Paps – und erst recht Lilly! – nichts davon mitkriegen, schluchze ich in mich hinein. Wieder und immer wieder wische ich mir mit dem Handrücken über die Augen und verfluche mich selbst dafür, dass ich eine solche Heulsuse bin.

In meinem Kopf fliegt alles hin und her und rundherum. Unzählige Fragen, was ich denn jetzt nur machen soll, vermischen sich mit einem schrecklich wehen Gefühl in meiner Brust zu einem zähen Brei, der mir das Herz zu verkleistern droht.

Wie gerne würde ich jetzt schreien, laut, laut, laut über die ganze dämliche Müritz hinweg, aber dann müsste ich meinen Eltern erklären, was los ist. Und das geht einfach nicht.

Nicht hier in diesem winzigen Hausboot, auf dem man sich nicht in eine stille Ecke verkriechen, sondern sich nur kluge Ratschläge anhören kann, die bestimmt allesamt gut gemeint sind, mir aber im Moment ganz sicher nicht weiterhelfen. Und die ich gerade auch gar nicht hören will.

Erst einmal muss ich mich selbst sortieren.

Und dann, ganz unvermittelt, taucht inmitten dieses ganzen Durcheinanders Elias’ Gesicht vor mir auf, und schon fliegt mein Blick zum Kleiderschrank hinüber.

Er befindet sich seitlich vom Bett, ist nicht besonders groß und genau wie das Regal daneben platzsparend in die Holzwand eingebaut. Vermutlich ist er auch nicht besonders tief, aber für eine so schmale Person wie mich wird das schon reichen.

Die paar Pullis und Hosen, die meine Eltern auf diese Reise mitgenommen haben, liegen im Regal und ihre Unterwäsche und die Socken daneben in einem Klappkorb. In diesen Dingen sind Moms und Paps echt unkompliziert.

Ich höre auf zu schluchzen, wische mir das Gesicht in meinem Hoodie trocken und rutsche vom Bett herunter. Keine Ahnung, wie spät es inzwischen ist, ich schätze aber mal, dass mir noch ungefähr eine halbe Stunde bis zum Abendbrot bleibt. Außerdem haben die Schranktüren keinen Schlüssel, sondern werden von Schnappmagneten zugehalten, weshalb ich nicht weiß, ob das Ganze überhaupt funktioniert.

Das Innere des Schrankes ist auf jeden Fall schon mal geräumig genug. Meine Eltern haben lediglich ihren Koffer und die Reisetasche hineingestellt, daneben wäre sogar noch dicke Platz für drei oder vier Hannahs.

Ich ziehe die Tür zu, lasse mich auf den Boden hinunter und lehne mich mit dem Rücken an eine der beiden Schmalwände.

Es duftet nach Holz und ein bisschen auch nach See, und es ist angenehm dunkel, jedoch nicht so, dass ich gar nichts mehr sehen kann, denn durch die schmalen Ritzen rund um die Türen herum fällt ein wenig Licht herein.

Leise seufzend schließe ich die Augen und konzentriere mich voll und ganz auf Elias – und schon läuft alles wie ein Film vor mir ab:

Wie er eines schönen Abends aus meinem Kleiderschrank gepoltert kam und behauptete, mein Zimmer wäre seins.

Wie sich herausstellte, dass er für alle außer für mich unsichtbar war, und ich von meiner Familie und meinen Freundinnen für komplett meschugge gehalten wurde, als ich ihnen erklärte, dass auf einmal ein Junge in unserer Wohnung sein Unwesen treibt, und mein Leben daraufhin in ein totales Chaos stürzte.

Wie Elias und ich uns zuerst gegenseitig angestresst haben, dann aber irgendwann so etwas wie Freunde geworden sind, nachdem ich ihm dabei geholfen habe, den Verbleib seiner früheren Babysitter-Oma aufzuklären.

Und wie wir uns schließlich in seinem neuen Zuhause voneinander verabschiedet haben.

Ich weiß noch genau, wie sich seine Umarmung anfühlte. Außerdem ist es total süß von ihm gewesen, dass er mir den Flamingo für Lilly geschenkt hat.

Seitdem haben wir uns blöderweise nicht mehr wiedergesehen, weil Paps heimlich dieses Hausboot gemietet hat und wir gleich zu Beginn der Herbstferien verreist sind. Vielleicht war Elias inzwischen längst bei mir und hat festgestellt, dass ich nicht daheim bin. Womöglich hat er es sogar mehrmals versucht und denkt jetzt, dass ich nichts mehr mit ihm zu tun haben will.

Wieso habe ich Oberhornöchsin auch nicht einfach eine Nachricht für ihn hinterlassen?

Und warum, zur Hölle, haben wir bloß vergessen, unsere Handynummern auszutauschen?

Nicht durchdrehen, Hannah, alles wird gut! Du musst dich nur richtig konzentrieren, und schon – schwuppdiwupp – landest du in seinem Kleiderschrank.

Bestimmt freut Elias sich wie Bolle, mich zu sehen. Das hoffe ich zumindest. Und auch, dass er mich ein wenig trösten, vor allem aber ablenken kann. Denn ich brauche dringend eine Pause von diesem engen Hausboot, meiner nervigen Schwester und dem Gekreisel in meinem Kopf und meinem Herzen.

Also, bitte, bitte, Schrank, lass mich zu ihm reisen! Insgesamt zwölf Stunden wären mir dadurch vergönnt. Sechs auf der Hin- und noch einmal sechs auf der Rückreise. Ich könnte es sogar so timen, dass ich noch vor dem Chat mit Sophie und Elif wieder zurück bin – und unseren Streit dann vielleicht sogar verhindern würde.

Ja, okay, ich weiß schon noch, dass Henry Schmiedjens Elias und mich ermahnt hat, so etwas gar nicht erst zu versuchen. Er und Grete Helbig, Elias’ Babysitter-Oma, haben das Schrankreisen schließlich entdeckt und als heimliches Liebespaar viele Jahre lang genutzt. Sie kennen sich also ziemlich gut damit aus. Trotzdem könnten sie auch etwas übersehen haben. Oder sie sind einfach zu vorsichtig gewesen – aus lauter Angst, es sich mit diesem tollen Zauber zu verderben.

Okay, die Angst habe ich auch. Zumindest ein bisschen. Und ich habe auch gar nicht vor, den Chatverlauf mit meinen Freundinnen eigenmächtig zu ändern, sondern werde es auf jeden Fall erst mal mit Elias besprechen.

Ach, Elias! Ich wünsche mir so sehr, dass du mich tröstest! Dass du mich vielleicht sogar noch einmal in die Arme nimmst. Das hat sich wirklich gut angefühlt. Obwohl es natürlich auch ein bisschen peinlich war.

Sophie, Elif und ich umarmen uns so jedenfalls nie. Das kommt nur mit Lilly und meinen Eltern vor. Aber die gehören ja auch zur Familie.

Also, los geht’s!

Warum bin ich immer noch auf dem Hausboot?

Wie fest soll ich meine Augen denn noch zukneifen?

Hallo!

Elias!

Schrankreisen ist angesagt!

Könnte das bitte endlich mal klappen!

Beim letzten Mal ist es doch so einfach gewesen!

Und dann – endlich! – spüre ich es, das ersehnte Magenumdrehen, das jeden Moment meinen ganzen Körper erfassen wird.

Elias, ich komme, denke ich noch, dann wird mir plötzlich speiübel. Das Haselnusseis, das ich vorhin noch so genussvoll in mich hineingefuttert habe, drückt nun auf einmal von unten gegen meine Kehle.