Juwelen des Schicksals - Philipp Tingler - E-Book

Juwelen des Schicksals E-Book

Philipp Tingler

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Beschreibung

Mit der gewohnten ironischen Präzision öffnet Philipp Tingler in dieser Sammlung kleiner journalistischer Prosastücke viele Türen zu seinem Mikrokosmos aus Geist, Glamour und Witz. Er beleuchtet verschiedenste Sphären – von den Verrücktheiten in Bel Air über die unschönen Repräsentanten des Literaturbetriebs bis hin zum Heiratswunsch des durchschnittlichen Homosexuellen. Neben Prominenz, Popkultur und Ratschlägen zur Vernichtung ungewollter Geschenke, enthält der Band wertvolle Tipps dafür, wie man mit Plattitüden zurechtkommt, sich mit Anstand betrinkt, Beziehungen meistert und in Würde altert. Und wie man sich zurechtfindet, sowohl auf der Zürcher Bahnhofstrasse wie im Neuen Berlin, in St. Moritz oder auf Gran Canaria. Weiterhin wird anhand des schönsten Metzgers der Schweiz erörtert, ob Sehnsucht wahnsinnig macht sowie endlich die Frage beantwortet, was die Kessler-Zwillinge mit dem Ursprung der Materie zu tun haben.

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Seitenzahl: 356

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INHALT

» Über den Autor

» Über das Buch

» Buch lesen

» Inhaltsverzeichnis

» Impressum

» Weitere eBooks von Philipp Tingler

» www.keinundaber.ch

ÜBER DEN AUTOR

Philipp Tingler wurde 1970 in Berlin (West) geboren. Studium der Wirtschaftswissenschaften und Philosophie in St. Gallen, London und Zürich. Hochbegabten-Stipendium, Doktorarbeit über Thomas Mann und den transzendentalen Idealismus Immanuel Kants. Diverse Beiträge für Anthologien sowie für Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen, u. a. für den Westdeutschen Rundfunk, Schweizer Radio DRS, Vogue, Stern, Neon und NZZ am Sonntag. Kolumnen u. a. in GQ und Welt am Sonntag. 2001 Ehrengabe des Kantons Zürich für Literatur, 2008 Kasseler Literaturpreis für komische Literatur.

Weitere Titel von Philipp Tingler bei Kein & Aber: Leute von Welt(2006), Fischtal(2007), Stil zeigen! (2008), Doktor Phil(2010) und Leichter Reisen(2011) sowie die CD Das Abc des guten Benehmens (2008).

Der Autor lebt in Zürich.

www.philipptingler.com

ÜBER DAS BUCH

Das Schönste an der Demokratie ist die Freiheit der Rede. Danach kommt gleich das Einkaufen. Jedenfalls in Philipp Tinglers Welt. Diese Welt ist schnell, scharf, ein bisschen irre und voller komischer Zwischenfälle. Mit gewohnter ironischer Präzision öffnet der Autor in dieser Sammlung kleinerer Prosastücke viele Türen zu seinem Mikrokosmos aus Geist, Glamour und Witz. Philipp Tingler beleuchtet das Leben und seine Typen in den verschiedensten Sphären – von den Verrücktheiten in Bel Air über die unschönen Repräsentanten des Literaturbetriebs bis hin zum Heiratswunsch des durchschnittlichen Homosexuellen. Neben Prominenz, Popkultur und nützlichen Hinweisen zur unschädlichen Vernichtung ungewollter Geschenke enthält der Band wertvolle Ratschläge dafür, wie man mit Platitüden umgehen sollte, sich mit Anstand betrinkt, Beziehungen meistert und in Würde altert. Und wie man sich zurechtfindet sowohl auf der Zürcher Bahnhofstraße wie im Neuen Berlin, in St. Moritz oder auf Gran Canaria. Weiter wird anhand des schönsten Metzgers der Schweiz erörtert, ob Sehnsucht wahnsinnig mache, sowie endlich die Frage beantwortet, was die Kessler-Zwillinge mit dem Ursprung der Materie zu tun haben.

»Brillant und gnadenlos komisch.«

Vogue

Für Tante Regine

INHALTSVERZEICHNIS

Guten Tag!

Über mich selbst

I. DIE SÄULEN DER GESELLSCHAFT

Können wir reden?

Lunch

Swiss Blanking

Betrinken mit Verstand

Shooting

Heterosexuell

Ist Lesen in Mode?

In Würde altern

II. DER KÖRPER

Kritische Masse

Braun in Zürich

Auf dem Rücken

Akte der Menschlichkeit

III. GESETZE DER ANZIEHUNG

Macht Sehnsucht wahnsinnig?

Statt Sex

Passt ideal

Wie man Freunde gewinnt

Uneasy Rider

Fleisch

IV. EXPLAINING PEOPLE

Passfotos

Körpersprache

Wovor haben Männer Angst?

Soll man ein guter Mensch sein?

Das Straßenbahnunglück

Tattoos und Toleranz

Wie ist es, hochbegabt zu sein?

Tödlich gesund

Ravers Welt

V. EXPLAINING FAMOUS PEOPLE

Robbie Williams: Can He Kick It?

Verstehen Sie Bob Dylan?

Kylie Minogue: Die Göttin der drei Silben

Ethan Hawke: Bäume sind was Tolles

Königin Elizabeth

Marlene Dietrichs ABC

Marika Rökk: Kraft und Freude

Snoop Dogg: Greetings Funkateers

Paris brennt nicht

Leute wie wir

Das Paradies ist die Hölle

Außer Form

VI. NOT-SO-FAMOUS PEOPLE

Swiss Award: Oscar für Arme

Star Shopping

Spinne mit Hut

Paul Burrell: Mutti, bist du da?

Kalkutta gegen Klara O.

VII. UNTERWEGS

Gran Canaria: Fehltritt in den Dünen

St. Moritz: Reizdarm und Gucci-Gletscher

Der Ursprung der Materie, erklärt anhand der Kessler-Zwillinge

Ist ewige Neutralität die Voraussetzung für die Existenz von Duty-free-Shops?

Berlin, einfach

Big Cars

VIII. TAGEBÜCHER

Zürcher Tagebuch

Die ideale Anschauung

IX. PHILIPPS ADVENTSKALENDER

X. MEMENTO MORI

Abgesang fürs Kindchen

Der Tod steht ihm gut

Grace Under Pressure

Auf Wiedersehen!

GUTEN TAG!

(Ich will mein Leben zurück)

Guten Tag. Ich beglückwünsche Sie zum Kauf dieses Buches. Sie halten eine Auswahl meiner kürzeren prosaischen Bemühungen der letzten Jahre in den Händen.

Dieses Buch bietet vielleicht keine unmittelbare Antwort auf Daseinsfragen wie Warum leben wir in einer Welt, wo die Klugen und Weisen keine Macht haben, aber die Dummen alles dürfen? Dafür muss man Frau Jelinek lesen. Oder ansehen. Sie selbst ist die Antwort.

Stattdessen aber werden im prosaischen Rahmen dieses Bändchens andere Fragen erörtert, zum Beispiel Wie macht man ein gutes Passfoto? oder Was macht den perfekten Faux pas aus? oder, allgemeiner: Wie überlebt man die menschliche Gesellschaft? Ich bin kein Elendsrealist, dafür muss man Frau Jelinek lesen (oder ansehen), aber ich weiß trotzdem ein paar Sachen über das Leben und die Gesellschaft, zum Beispiel wie man einen Zigeunerfluch wieder los wird oder wie man sich mit Verstand betrinkt. Betrinken mit Verstand hat mir so viele freundliche Leserbriefe eingetragen wie kein anderer Artikel meiner bisherigen Karriere. Ist das bedenklich? Ich denke nicht.) Darüber hinaus kann ich allein eine Muskete nachladen. Außerdem weiß ich, dass eine völlig durchschnittliche Person im Verlauf einer Dekade etwa zehn Millionen Kalorien konsumiert (das habe ich in Science gelesen) und ungefähr halb so viele Laura-Ashley-Stehlampen (konservative Schätzung aus eigener Erfahrung). Schließlich weiß ich, dass die grundlegende Dynamik der Gesellschaft (besonders der besseren) darin besteht, dass jede beliebige Person ein Geheimnis mindestens einer ziemlich beliebigen anderen Person weitererzählt. Meistens beim Lunch. Lesen Sie dazu den gleichnamigen Erfahrungsbericht in diesem Band.

Der Leser wird feststellen, dass auf manchen Seiten des vorliegenden Buches Charaktere auftreten, die ihm hochwahrscheinlich schon bekannt sind, wenn er schon einmal etwas von mir gelesen hat. Allen voran Rich, mein treuer Lebensgefährte. Rich und ich sind wirklich fated to be mated. Meistens haben wir so viel Spaß wie die Reagans zu ihren besten Zeiten, nur manchmal kommt es zu kleinen Meinungsverschiedenheiten, zum Beispiel bei der Parkplatzsuche; und was dann passieren kann, können Sie weiter hinten nachlesen (Passt ideal). Darüber hinaus treten in tragenden Rollen folgende Publikumslieblinge wieder auf: mein alter schwedischer Freund Oliver und seine Lebenspartnerin, die wiederum niemand anders ist als meine alte Berliner Schulfreundin Franziska (wieder ein Glück, das ich gestiftet habe. Ist es nicht seltsam, dass mich manche Leute unausstehlich finden?). Beispielsweise können Sie in diesem Band lesen, wie wir alle zusammen durch die Selbstbräuner-Hölle gingen (Braun in Zürich).

Außerdem fragte ich Franzi und Oliver um Rat für den Beitrag Wie man Freunde gewinnt.

»Was meint ihr: Wie gewinnt man Freunde?«, frug ich also.

»Keine Ahnung«, erwiderte Franzi, »ich hab’ ja meine Ratten …«

»Es sollte wohl viel eher darum gehen, wie man Freunde wieder los wird!«, gab Oliver in seiner typischen lebensbejahenden Art zu bedenken.

»Okay«, sagte ich, »also: wie wird man Freunde wieder los?«

»Was?«, machte Franzi, »das fragst ausgerechnet du?«

Sie merken: Man kann dieses Buch ohne weiteres als Handbuch für den Umgang mit anderen Menschen benutzen, als Ratgeber für Fragen des guten Tons und überhaupt als Orientierungshilfe bei Konfrontationen mit sämtlichen Erscheinungen des modernen Gesellschaftslebens, seinen Herrlichkeiten (Big Cars) und Atrozitäten (Tödlich gesund), seinen mit Greueln und Schätzen gefüllten Verliesen … Das sind alles Juwelen! Und übrigens kann man dieses Buch auch als Weihnachtsvorlesebuch im Familienkreis anwenden (Philipps Adventskalender). Oder sich selbst vorlesen, falls man gerade keinen Familienkreis zur Hand hat. Oder als Reiseführer einsetzen (vor allem, wenn man sich nicht besonders für Sehenswürdigkeiten interessiert). Nicht nur für Zürich, die lustigste Stadt der Welt. Es gibt auf diesem Feld beispielsweise einen Beitrag über Gran Canaria (Fehltritt in den Dünen), der hier in einer längeren Version erscheint (wie die meisten Sachen, die ursprünglich für Zeitungen, Zeitschriften und Magazine verfasst wurden, hier in ihrer oft längeren und meistens schärferen Ursprungsfassung erscheinen). Jener Gran-Canaria-Report hat damals einen Schwung von Leserbriefen ausgelöst, die meisten empörter Natur, gipfelnd im Verdikt eines besonders aufgebrachten Herrn, der mir »Verunglimpfung der Balearen« vorwarf, was irgendwie die Vermutung nahelegt, dass besagter Herr noch nicht allzu viele Reiseberichte in seinem Leben gelesen haben dürfte. Ich grüße ihn an dieser Stelle unbekannterweise recht herzlich!

Der Aufschrei nach Gran Canaria war allerdings ein leichter Seufzer verglichen mit dem Sturm der Entrüstung, den ich mit einer Würdigung Bob Dylans erntete (Verstehen Sie Bob Dylan?). Herr Dylan ist offenbar für einige Leute schlechterdings so was wie Jesus, und diese Jünger schrieben mir, wenn ich der Auffassung sei, Herr Dylan könne nicht so besonders gut singen, nun, dann solle ich es doch bitte selbst mal versuchen, das Singen! Okay. Ich greife diese Anregung gerne auf. Eines Tages werde ich das machen. In der Tat ist das schon lange ein heimlicher Traum von mir: irgendeine sinnlose Aufgabe im Showgeschäft. So wie Frau Jelinek. Naja. Eigentlich möchte ich ja irgendwann auch noch gern Sexualtherapeut werden. Oder Urologe. Sexualtherapeutische Hilfe jedenfalls finden Sie in diesem Buch massenhaft, zum Beispiel in Statt Sex, welcher Beitrag einen Überblick über die geeignetsten Kompensations- und Sublimierungsmöglichkeiten bietet, die anstelle des eigentlichen Aktes treten können. (Und zum Thema »Akt« lesen Sie bitte auch Akte der Menschlichkeit). Ich darf von mir behaupten, dass ich immer sehr gewissenhaft recherchiere, wenn ich irgendwas schreibe. Vor allem frage ich meinen Lebenspartner, der auf vielen Gebieten mehr weiß als ich (nur bei Stehlampen liege ich vorn). So erkundigte ich mich bei der Arbeit an Statt Sex bei Rich: »Weißt du noch einen guten Ersatz für Sex?«

»Na klar«, antwortete mein Lebensgefährte, »Sex mit dir!«

OK. Nochmals zurück zu Herrn Dylan. Nicht wenige Menschen also betrachten Bob Dylan mit religiöser Verehrung, etwa so wie Nancy Reagan ihren Mann betrachtet hat, zu ihren besten Zeiten, aber ich für meinen Teil mache kein Geheimnis daraus, dass mir Robbie Williams lieber ist als Bob Dylan. Doch im Anschluss an meine Liebeserklärung an Robbie (Can He Kick It?) erreichte mich lediglich eine Zuschrift meiner Als-ob-Schwägerin Jennifer, des Inhalts, ich solle die Finger von Robbie lassen, der gehöre ihr.

Neben der Darstellung berühmter und nicht-so-berühmter Leute finden Sie in diesem Band außerdem einige Aufsätze zum Themenfeld Sport und Körper (Ich bin sehr sport- und körperbegeistert. Ich trage sogar jetzt ein Suspensorium). Und, selbstverständlich, aber nur am Rande, einige bescheidene Anmerkungen zu jener Sphäre des Kulturgeschäfts, die manche Leute den »Literaturbetrieb« nennen – ein Betrieb, der nicht selten sehr unrentabel arbeitet, regelmäßig Ramschware hervorbringt, damit ganze Landstriche verseucht, und nebenbei ziemlich vetternwirtschaftlich organisiert ist. Zur Erhellung dieses Milieus dient unter anderem die Studie Spinne mit Hut, welche sich mit dem Phänomen befasst, dass Autoren immer so scheiße aussehen. Sie ahnen schon: Das Literaturmilieu ist für mich dasselbe wie für Kirstie Alley ein Leibchen in Größe S: Es passt mir nicht. (Und ein Leibchen in Größe S passt mir auch nicht! Lesen Sie dazu das Zürcher Tagebuch oder Die ideale Anschauung oder praktisch jeden anderen Beitrag in diesem Band.)

Natürlich will ich Ihnen nicht nur Kram auftischen, der schon mal gedruckt wurde, sonst kämen Sie am Ende noch auf den Gedanken, ich hätte bei der Konzeption dieses Buches nur den schnellen Reibach im Sinn gehabt. Ich versichere Ihnen: An Geld habe ich dabei überhaupt nicht gedacht. Ich habe an die Zukunft von Ewing Oil gedacht. So habe ich auf meine bescheidene, aber publicity-bewusste Weise auch brandneue, bisher unveröffentlichte Schöpfungen in diese Sammlung eingefügt. Etwa den Essay Der Tod steht ihm gut. Darinnen geht es ums Sterben, um die Abtritte berühmter Dichter von der bunten Bühne des Lebens (an der Oscar Wilde wahrscheinlich die Farbkombination bemängelt hätte), zum Beispiel um das bühnenreife Ableben des Dichters Hugo von Hofmannsthal, von dem die schöne Ansicht stammt, dass immer etwas Wundervolles entsteht, wenn das Leben sich die Mühe nimmt, ein Schicksal dichterisch zu behandeln. Und sei’s nur im letzten Moment.

Brandneu ist auch der mir persönlich sehr am Herzen liegende wissenschaftliche Aufsatz Der Ursprung der Materie, erklärt anhand der Kessler-Zwillinge, der, angesichts der Unmöglichkeit eines Vernunftschlusses auf die Existenz Gottes, zugleich Theodizeefunktion übernimmt, indem er Gott wenigstens von der Verantwortung für die Übel der Welt entlastet. Und wenn man es einmal geschafft hat, die Kessler-Zwillinge und den Ursprung der Materie in ein Verhältnis zu bringen, so ist es ein Leichtes, Paris Hilton und Elfriede Jelinek in Beziehung zu setzen, und, stellen Sie sich vor, auch das geschieht in diesem Buch (und zwar in Paris brennt nicht)!

Ohh, und noch ein Wort zu Herrn Hess, dem schönsten Schlachter der Schweiz. Ich glaube, es wird langsam Zeit, dass ich mich bei Herrn Hess in aller Form entschuldige, denn seit Jahren verpasse ich keine Gelegenheit, Herrn Hess ins Spiel zu bringen, Herrn Hess zu erwähnen, und notfalls schaffe ich mir die Gelegenheit (und notfalls mit Gewalt). Manche Menschen würden vielleicht sagen, dass ich pathologisch auf Herrn Hess fixiert bin, und obschon das in meinen Augen eine solide Grundlage für eine sehr schöne, harmonische Beziehung zwischen mir und Herrn Hess wäre, so habe ich doch den armen Herrn Hess eventuell durch diese beharrlichen literarischen Nachstellungen schon längst aus diesem Land oder vielleicht auch in einen anderen Beruf getrieben, und beides wäre gegen den Sinn der Schöpfung, und das wollte ich nun wirklich nicht.

Nein, ich habe bloß aufgrund meiner preußischen Erziehung (dazu mehr gleich anschließend in Über mich selbst) das Gefühl, ich hätte mein Dasein durch Arbeit zu rechtfertigen, und in meinen besten Momenten besteht diese Arbeit darin, ein Gitter wohlgeschliffener Verse aus dem edelsten Metalle zu schmieden, mit Sternen und Kristallen reich besetzt, und diesen Juwelenhaufen Herrn Hess aufs Haupt zu setzen als eine ungeheure Krone. Denn Herr Hess ist wunderschön und nichts an ihm ist problematisch. Und so was ist phänomenal! Und was wäre Kunst ohne Verherrlichung! Das ist mein Schicksal. Womit wir einen Bezug zum Titel hergestellt hätten, und wenn Sie den verstehen, melden Sie sich bitte bei mir, denn dann verstehen Sie mehr als ich. Jedenfalls ist das mein Schicksal, und ich bin, von gewissen Niederschlägen abgesehen, die das Showgeschäft so mit sich bringt, sehr happy mit meinem Beruf. Denn als Dichter kriegt man auf eine gesunde Weise soziale Anerkennung und hat noch Spaß dabei! Ja, für mich scheint der größte Vorteil des Schriftstellertums seit jeher in einem einfachen Motto zu liegen, in einem Motto, welches zugleich in entzückender Prägnanz das Kriterium für wirklich große Poeten (oder vielleicht Künstler überhaupt) auf den Punkt bringt: You can behave like an asshole and people find it amusing.

So viel zu meiner schlichten privaten Kunstreligion, die sich zwar vielleicht nicht mit Frau Jelinek, dafür jedoch problemlos mit dem Besitz eines Mercedes SL verträgt (letzteren liebe ich sehr und eigentlich wollte ich über dieses fantastische Auto auch noch was schreiben, aber dann hatte ich zu viel zu tun mit dem Einkauf von Stehlampen bei Laura Ashley und zahllosen Terminen für Bindegewebsanalysen bei einem schwedischen Masseur namens Sven, also müssen wir das verschieben). Mehr über Herrn Hess aber finden Sie unter Fleisch und Macht Sehnsucht wahnsinnig?

Manchmal jedoch geht das Schicksal dilettantisch vor. Zuweilen scheint es uns, als ob unser ganzes Leben eine verhängnisvolle Aneinanderreihung von Fehlern sei. In der Tat laufen wir ja alle mit dreißig bis vierzig Fehlern in unserer DNA herum. Die Berechnung des daraus resultierenden Risikos ist so komplex, dass sie undurchführbar ist, auch schon wenn man keine äußeren Unsicherheitsfaktoren miteinbezieht, wie etwa die unkalkulierbare soziale Bewegung in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln (Das Straßenbahnunglück) oder das überraschende Zusammentreffen mit unliebsamen Bekanntschaften (Swiss Blanking). Und dann möchte man am liebsten im Raum-Zeit-Kontinuum beliebig herumspringen, um das Schicksal gewissermaßen bei den Haaren zu packen und die Zukunft zu ändern. Schwarzenegger würde das machen. Man selbst aber steht zum Beispiel vor Herrn Hess, aufgeregt wie ein kleines Mädchen vorm Gefängnistor, oder einfach bloß vor einem verloren gegangenen Schlüsselbund – und benimmt sich entschieden unvernünftig (und stellt sich unvernünftige Fragen wie: Soll man ein guter Mensch sein?). Und dann hasst man sein Leben. Von einer Party zur anderen. Da wird man ja nie richtig nüchtern. Ein Nicht-Alkoholiker geht da vor die Hunde. Ich bin ja selber schuld. Ich bin viel zu nett und werde daher immer wieder eingeladen … Wo war ich? Richtig: Wann immer ich mit einer dämlichen Realität konfrontiert werde, die selbst vor meinen bescheidenen Ansprüchen kläglich versagt, dann kommt mir, obschon ich sonst vielleicht nicht gerade fromm bin, ein Ausspruch der Heiligen Teresa in den Sinn. Es ist dies ein Zitat, das Truman Capote jenem Romanfragment voranstellte, mit dem er sich und seine Karriere endgültig ruinierte, ein Ausspruch, der sozusagen als Motto schwebt über vielen, wenn nicht gar sämtlichen Beiträgen dieses Buches und ihren Protagonisten: von den unglücklichen Einwohnern Bel Airs, für die das Paradies die Hölle ist, von Elizabeth Taylor und dem Herzog von Windsor und Sammy Davis, Jr. über den mitteilsamen Lakaien der Königin der Herzen und S.I. Newhouse IV. und Marlon Brando, Marlene Dietrich und Elisabeth Mann bis hin zu den rüstigen, Konfekt essenden Seniorinnen der Zürcher Bahnhofstraße. Der Ausspruch lautet:

Es werden mehr Tränen über erhörte Gebete vergossen

als über nicht erhörte.

Fragen Sie Frau Jelinek!

Das wär’s. Ansonsten ist mir noch aufgefallen, dass in diesem Buch andauernd Joan Collins erwähnt wird (nicht etwa Elfriede Jelinek). Aber das überrascht sicher niemanden. Ich wünsche gute Unterhaltung!

BER MICH SELBST

Natrlich ist alles, was ich schreibe, ber mich selbst. Bse Menschen aber behaupten manchmal, das Beste an meinen Verffentlichungen wre die angehngte Biografie.

Sie geht so:

Geboren am Sonntag, den 9. August 1970 in Berlin (West).

Es gibt ein bekanntes Zitat von Frau Marlene Dietrich, das lautet:

Heimatstadt. Meine Heimatstadt ist Berlin. Ich bin Berlinerin und bleibe Berlinerin, und ich bin dankbar, dass ich Berlinerin bin.

Ich msste sagen:

Heimatstadt. Meine Heimatstadt ist West-Berlin. Ich bin West-Berliner und bleibe West-Berliner, auch wenn West-Berlin untergegangen ist, und ich bin dankbar, dass ich West-Berliner bin.

Es ist einigermaen schwierig, Menschen, die niemals in West-Berlin gewesen sind, zu erklren, wie es dort war. Grob gefasst knnte man sagen: So ne Mischung aus Drei Damen vom Grill und Neros Rom.

Ich bin nicht nur dankbar, dass ich Berliner bin, sondern ich bin auch dankbar fr meinen Bauchnabel. Ich habe eine ganze Theorie ber den Bauchnabel. Die Art und Form des Nabels zeigt, ob der Arzt sich Mhe gegeben hat oder nicht, und das ist nach meinem Dafrhalten schon mal ein erster Hinweis darauf, ob man irgendwie willkommen war oder nicht. Mein Bauchnabel drfte etwa so aussehen wie der von Nastassja Kinski, denn in beiden Fllen war mein Grovater der fr die Abnabelung zustndige Arzt. Legendr ist die Ohrfeige, die mein Grovater Klaus Kinski zur Beruhigung verabreichte, als Herr Kinski seine Fassung zu verlieren drohte, denn verstndlicherweise war er bei der Geburt seiner Tochter sehr aufgeregt. Und falls diese Ohrfeige, wie manch andere legendre Anekdote, blo eine Familienfama sein sollte, mchte ich bei den Resten der Kinski-Verwandtschaft um Nachsicht bitten (einerseits ist dies sicher nicht die schlimmste Geschichte, die ber Klaus Kinski kursiert; und wenn man meinen Grovater kannte, so ist es andererseits durchaus vorstellbar, dass sie stimmt).

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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