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Während das Deutsche Kaiserreich und der Nordische Bund fast überall in Europa für Frieden, Freiheit und Sicherheit sorgen, bringt ein Aufstand in Irland das britische Empire ins Wanken. Die seit Jahrhunderten von den Engländern beherrschte „Grüne Insel“ wird seit Kurzem von dem durch Londons Hochfinanz eingesetzten Vizekönig Emanuell Wacron regiert, der sich beim Volk dermaßen unbeliebt macht, dass die Iren in Dublin auf die Straße gehen und protestieren. Angeführt werden die Demonstrationen von Sinn Féin-Chef John O’Kelly und dem royalistischen Patrioten Eoin O’Duffy. Zuerst will der Vizekönig die Proteste einfach ignorieren, aber als dann plötzlich Schüsse fallen eskaliert die Situation und es kommt zum bewaffneten Aufstand. Derweil sieht in Berlin Kaiser Wilhelm III. die Chance gekommen, das Britische Empire entscheidend zu schwächen und sich für dessen Einmischungen in Finnland, dem Osmanischen Reich und Spanien zu revanchieren. Er entsendet General Hans von Dankenfels mit einigen Freiwilligen nach Irland, um die Rebellion zu unterstützen. Auch Reinhard Gehlen und seine Spione und Saboteure sind mit von der Partie. Sie sollen hinter den feindlichen Linien für Chaos sorgen. Es dauert nicht lange, bis von Dankenfels und die Kastrup den britischen Besatzungstruppen im Kampf gegenüberstehen.
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Seitenzahl: 252
Kaiserfront Extra
Band 8
Aufstand in Irland – Sinn Féin und IRA
Military-Fiction-Roman
von
Christian Schwochert
Inhalt
Titelseite
Vorgeschichte
Kapitel 1: Irlands Patrioten
Kapitel 2: Die Landungen in Irland
Kapitel 3: Die Schlacht von Cork
Kapitel 4: Der Kampf um Dungarvan
Kapitel 5: Die Gefechte am Suck
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Impressum
Vorgeschichte
Nachdem im Spanischen Bürgerkrieg die Anhänger Francos mit deutscher Hilfe den Sieg errungen hatten, wuchs in dem nach wie vor zu Großbritannien gehörenden Irland die Hoffnung, dass auch sie im Kampf erfolgreich sein könnten. Zwar erinnerten sich viele Iren schmerzlich an den niedergeschlagenen Osteraufstand, aber das leidgeprüfte Inselvolk ließ sich die Zuversicht auf bessere Zeiten nicht rauben.
Ihre Hoffnung wurde insbesondere von dem monarchistischen Patrioten Eoin O’Duffy genährt, der mit seinen Männern von Irland aus in den Spanischen Bürgerkrieg eingegriffen hatte. Ihre auf der grünen Insel inzwischen oft erwähnte Heldentat bestand in der Vernichtung sowjetischer Freiwilligenkonvois, die sich auf dem Seeweg nach Spanien befanden. Seitdem galt O’Duffy vielen Iren als Held, was dieser als hilfreich ansah, um seinen Traum zu verwirklichen: ein eigenes Königreich Irland. Aber ihm war klar, dass er ein solches Vorhaben nicht ohne Verbündete erreichen konnte. Deshalb traf er sich Anfang 1937 mit der Führung der »Irisch-Republikanischen Armee«. In stundenlangen Gesprächen überzeugte er diese von den Vorteilen der Monarchie am Beispiel des Deutschen Kaiserreichs. Wenige Tage später benannte die IRA sich in »Irisch-Royalistische Armee« um und ernannte O’Duffy zu ihrem Anführer.
Allerdings wollte er alle Iren unter seinem Banner vereinen, um erfolgreich gegen die englische Herrschaft zu rebellieren. Das war sein Plan, aber im März 1937 erlitt er einen herben Rückschlag. Der Anführer der Sinn Féin, John J. O’Kelly, wollte ebenso wenig vom republikanischen Weg abrücken wie seine Partei.
O’Duffy war davon alles andere als begeistert, beschloss aber, trotzdem mit O’Kelly und seiner Partei zusammenzuarbeiten. Schließlich ging es um die Zukunft ihres Vaterlandes und seines Erachtens sollten dafür alle Patrioten einander beistehen, auch wenn sie unterschiedlichen Lagern angehörten. Wie einst beim alten Moltke sollte getrennt marschiert, aber vereint geschlagen werden. O’Duffy und O’Kelly einigten sich daher auf eine clevere Querfronttaktik: Der Anführer der »Irisch-Royalistischen Armee« würde den Kampf im Untergrund übernehmen, während der Chef von Sinn Féin hauptsächlich auf politischer Ebene für Irland focht.
Die Zusammenarbeit von IRA und Sinn Féin funktionierte ein paar Wochen lang sehr gut, bis die Engländer einen Schritt taten, mit dem niemand gerechnet hatte. Natürlich war den Machthabern in London nicht entgangen, dass es in Irland mal wieder brodelte. Und angesichts der Kontinentalmacht Deutschland konnte die britische Hochfinanz es sich nicht erlauben, ein weiteres Stück ihres Machtbereichs zu verlieren. Den hohen Herren war bewusst, dass sich Irlands Patrioten nicht vollständig einig waren. Manche wollten eine Republik, manche ein eigenes Königreich. Andere wären bereits mit mehr Autonomie zufrieden und wieder andere wären schon glücklich gewesen, wenn sie, ähnlich wie die Inder, eigene Fürsten und Könige gehabt hätten. Also überraschte die englische Regierung Irland am 09.06.1937 mit einem Vizekönig für Irland.
Das Geschenk der Engländer kam bei den Iren sehr gut an, zumal es ihnen als ein wichtiger Schritt zu mehr Selbstbestimmung erschien. Auch Eoin O’Duffy war erfreut, blieb aber trotzdem misstrauisch und entschied, den neuen Herrscher ganz genau im Auge zu behalten. Die Vergangenheit seiner Heimat zeigte anhand zahlreicher Erfahrungen, dass die Iren den Briten besser nicht zu sehr vertrauen sollten. Der kampferfahrene Patriot war beim Lesen von Homers »Ilias« zu dem Entschluss gekommen, niemals den Fehler der Trojaner zu wiederholen, sondern jedem geschenkten Gaul argwöhnisch ins Maul zu schauen.
John J. O’Kelly hingegen war überaus glücklich und bedankte sich herzlich bei den Engländern. Infolgedessen wurden die Kämpfe auf politischer Ebene und im Untergrund auf ein Minimum reduziert.
Als der Vizekönig am 12.06.1937 in Dublin von den britischen Machthabern in Gegenwart von Vertretern aller relevanten Parteien feierlich ernannt wurde, jubelten viele Iren. Ihr Jubel war ein Ausdruck der Hoffnungen, die sie in den neuen Herrscher setzten. Aber für die Führung eines Landes braucht es nicht einfach nur einen König, sondern vor allem einen guten König.
Insofern wurden die Hoffnungen der Iren sehr schnell enttäuscht.
Kapitel 1: Irlands Patrioten
Dublin, 20.08.1937
Eoin O’Duffy marschierte die breite Hauptstraße entlang. Grimmig entschlossen blickte der monarchistische Patriot nach vorne, während er mit der rechten Hand die grün-weiß-orange Flagge seines Vaterlandes hochhielt. Vor ihm waren Tausende Menschen, neben ihm Hunderte und hinter ihm bestimmt noch an die Zehntausend. Die Menschenmenge, in der zahlreiche Nationalfahnen geschwungen wurden, war auf dem Weg zum Parlamentsgebäude. Auf den Häuserdächern registrierte O’Duffy gelegentlich ein paar britische Soldaten, aber er war zu verärgert, um den Männern dort oben Beachtung zu schenken. Im Geiste ließ der Patriot die vorangegangenen Ereignisse Revue passieren: Unfassbar, wie das Volk hereingelegt wurde. Ich kann es kaum glauben, obwohl alle hier Versammelten das verlogene Schauspiel hautnah miterlebten. Die Engländer haben uns einen eigenen Vizekönig gegeben und viele von uns haben sich sogar dafür bedankt. Wie konnten wir nur dermaßen dumm sein? Es war nur ein weiterer Trick der Londoner Großkapitalisten, uns zu unterdrücken. Nur haben sie es diesmal schlauer angestellt als sonst; sie haben uns glauben lassen, dass wir mehr Autonomie bekommen und wir sind darauf hereingefallen. Dabei hätten wir es wissen müssen. Zum Beispiel haben wir nach wie vor keine Ahnung, woher der Vizekönig eigentlich kommt. Und auch alles, was er vor seiner Ankunft in Irland gemacht hat, ist uns nicht bekannt. Wir wissen lediglich, dass er eine Zeitlang für das britische Außenministerium arbeitete. Und seit gestern ist uns bekannt, dass er offensichtlich von der englischen Regierung geschickt wurde, um unser Volk und unsere Kultur zu zerstören.
O’Duffy unterbrach seinen Gedankengang, als die Menschenmenge laut zu rufen begann: »Wacron muss weg! Wacron muss weg!«
Er stimmte mit ein. Links neben ihm lief einer seiner Kameraden von der IRA und rechts zahlreiche einfache Bürger aus Dublin und Umgebung. Der IRA-Anführer und seine Männer hatten sich über die ganze Menschenmenge verteilt, da er davon ausgehen musste, dass die Behörden hinter ihm und seinen Leuten her waren. Eigentlich hatte die IRA sich seit der Ernennung des Vizekönigs friedlich verhalten, doch mit dem Frieden war es jetzt vorbei. Rechts neben O’Duffy lief ein älterer Herr in grüner Kleidung und mit einem Kleeblatt-Anstecker am Hut. »Eine ekelhafte Sauerei, die der Mistkerl da vorhat«, meinte er zu O’Duffy.
Dieser nickte zustimmend und entgegnete: »Richtig. Es wird Zeit, dass das Volk aufsteht und diesen verhassten Vizekönig verjagt.«
»Wir hätten es eigentlich gleich bei seiner Amtseinführung merken müssen«, meinte der grün gekleidete Mann.
»Hätten wir. Aber ich muss zugeben, auch wenn ich etwas skeptisch gewesen bin, hatte ich keine Ahnung, was uns erwartet«, gab O’Duffy zu.
»Trotzdem hätten wir es merken müssen. Die Anzeichen waren vorhanden.«
»Welche denn?«, fragte der IRA-Anführer.
»Zum Beispiel die Flaggen. Erinnern Sie sich? Bei der Amtseinführung hingen drei Flaggen. Die Flagge der Briten, die Flagge, die Sie heute tragen, und noch eine dritte. Die ersten beiden Flaggen waren durchaus nachvollziehbar, aber erinnern Sie sich an die dritte Fahne?«, fragte der ältere Herr.
»Ja, sie war schwarz-rot. Und in den Zeitungen stand, es seien die Farben des neuen Vizekönigs. Das ist eigentlich nichts Ungewöhnliches – viele Adels- und Königshäuser haben eigene Flaggen oder Wappen. Zum Beispiel die Bourbonen ihre Lilie.«
»Das stimmt natürlich, aber wofür steht die Kombination schwarz-rot?« Fragend blickte O’Duffy den grün gekleideten Mann an, worauf dieser ihm erklärte: »Schwarz-rot sind die Farben der Anarchisten. Und auch der Satanisten; sie kennzeichnen die Hölle. Der neue Vizekönig ist also entweder ein Anarchist oder ein Satanist. Oder beides. Und höchstwahrscheinlich steckt zusätzlich ein verkappter Kommunist in ihm; zumal Kommunisten und Satanisten einige Überschneidungen haben. Marx hatte sich in seiner Studienzeit einer satanistischen Gemeinde angeschlossen. Geleitet wurde sie von einer gewissen Joanna Southcott. Der Kommunismus wurde also von einem Satanisten gegründet. Dass diese Farben bei seiner Amtseinführung solch eine Rolle spielten, hätte uns misstrauisch werden lassen müssen. Und die ungeheuerliche Schandtat, wegen der wir heute auf der Straße sind, ist der Beweis, dass meine Vermutung richtig ist.«
»Ich habe mich, ehrlich gesagt, nie sonderlich mit der Bedeutung von Farben befasst, aber soweit ich weiß, gibt es im Deutschen Kaiserreich auch eine Flagge, die Schwarz und Rot enthält«, erinnerte sich O’Duffy.
»Gewiss, aber dort ist das schwarz-rot mit Gold kombiniert. Die schwarz-rot-goldene Flagge, die noch heute von einigen Deutschen im Andenken an die Befreiungskriege gegen Napoleon verwendet wird, steht also für die Freiheit. Und mein Grün steht natürlich für Irland; für unsere grüne Insel, auf die wir alle zu Recht stolz sein können.«
»Ich verstehe«, entgegnete O’Duffy, bevor die Menschenmenge ein weiteres Mal »Wacron muss weg!« skandierte.
Kurz darauf kam die Masse vor dem Parlamentsgebäude zum Stehen. Vor dem Eingangsbereich standen etwa 120 bewaffnete Soldaten, davon einige mit MG. Auf dem Dach waren Scharfschützen. Acht junge Männer traten aus der Menschenmenge hervor und senkten eine aus mehreren Brettern provisorisch zusammengenagelte Holzplattform zu Boden. Die Plattform befand sich etwa zehn Zentimeter über der Erde, als ein älterer Mann auf diese stieg und die jungen Herren sie über ihre Schultern hoben. Zur Sicherheit kamen ein paar weitere Männer hinzu, damit die Plattform auch ja nicht ins Wanken kam. O’Duffy sah den Mann auf der Plattform von Weitem, konnte allerdings wenig erkennen. Die Menschenmenge war still und jemand reichte dem Herrn auf der Plattform eine Flüstertüte. Das Echo in der ruhigen Straße würde ihres Erachtens schon dafür sorgen, dass die meisten Iren alles verstanden.
Der Mann mit der Flüstertüte begann laut hörbar zu sprechen: »Mein Name ist Sean O’Flannegan. Ich habe im großen Krieg für England gegen Deutschland gekämpft; zusammen mit über 200.000 unserer Landsleute. Wir Iren hatten nie Probleme mit den Deutschen, aber unsere Kolonialherren haben uns gegen sie als Kanonenfutter verheizt. Zugegeben … verglichen mit den Indern im Kampf um Afrika hatten wir es relativ leicht, aber es war trotzdem die Hölle. Und im Gegensatz zu Indien gönnt man uns nicht einmal eigene Fürsten. Seht her!«
O’Flannegan ließ seinen Mantel fallen und man sah, dass ihm der linke Arm fehlte.
»Meinen linken Arm habe ich im Großen Krieg verloren. Und wie hat die Regierung in London es mir gedankt? Gar nicht! Stattdessen erlebte ich, wie englische Offiziere auf Fragen wie: ›Sollen wir die Geschütze abfeuern?‹ in etwa antworteten: ›Die Geschütze abfeuern? Granaten kosten Geld. Schickt die Iren; die kosten gar nichts‹.«
O’Flannegan unterbrach seine Ansprache kurz, weil die Menschenmenge laut gegen das Verhalten der englischen Führung buhte. Als die Rufe verklungen waren fuhr er fort:
»Die englische Führung hat uns schon einiges angetan. Sie hat Hungersnöte in Irland verursacht und dadurch Millionen unserer Landsleute zur Auswanderung nach Amerika genötigt, worüber einige einheimische Amerikaner verständlicherweise nicht begeistert waren. Unser Recht auf Heimat wurde immer wieder mit Füßen getreten. Ein einziges Mal bin ich einem anständigen englischen Offizier begegnet, der Verständnis für uns Iren hatte. Ein Ehrenmann. Er hat sich später auch im Kampf gegen die Deutschen in Afrika ehrenhaft verhalten. Sein Name war General Burns und die britische Führung ließ ihn wegen seiner Ehrenhaftigkeit feige ermorden!«
Wieder buhte die Menschenmenge, weshalb O’Flannegan erneut kurz pausierte und dann fortfuhr:
»Als der Vizekönig für Irland ernannt wurde, hatte ich erstmals wieder Hoffnung, dass unsere Situation sich verbessern würde. Dass wir mehr Rechte bekämen, mehr Selbstverwaltung. Stattdessen tritt dieser Schuft unser Volk und unsere Kultur mit Füßen! Wir alle wissen, warum wir heute hier stehen und friedlich demonstrieren! Weil dieser Irre unsere Kathedralen Saint Patrick und Christ Church abreißen und abscheuliche Pyramiden aus Glas an ihre Stelle setzen will!«
Der grün gekleidete Mann neben O’Duffy sagte beiläufig: »Die Pyramiden sind übrigens Symbole der Freimaurer.«
»Freimaurer?«, fragte O’Duffy.
»Ja. Gewiss gibt es unterschiedliche Freimaurer. Friedrich der Große und Kaiser Wilhelm I. zum Beispiel waren auch Freimaurer, und ich schätze, die meisten Freimaurer im Deutschen Kaiserreich sind gute, gottesfürchtige, kaisertreue Patrioten. Aber wenn Deutschland den Großen Krieg verloren hätte, wäre die Folge innerhalb der Freimaurerei natürlich eine Durchsetzung der britisch-amerikanischen Freimaurer gewesen und wie die USA zur Monarchie stehen, brauche ich Ihnen wohl nicht zu erklären. Und dass Vizekönig Wacron zu den Freimaurern gehört, die von der Londoner Hochfinanz dominiert werden, dürfte wohl klar sein.«
»Tja … es kann sein, dass Sie mit all dem recht haben. Oder auch nicht. Was wir auf jeden Fall sicher wissen, ist, dass er unsere bedeutendsten Kathedralen durch Glaspyramiden ersetzen will«, entgegnete O’Duffy.
Wie auf’s Stichwort rief der Mann mit der Flüstertüte: »Wir dürfen uns unsere Kathedralen nicht wegnehmen lassen! Sie sind ein Teil unseres Glaubens, unserer Geschichte und unserer Kultur. Wer sie nicht liebt, der liebt Irland nicht. Und wer Irland nicht liebt, der soll Irland verlassen!«
»Der Vizekönig soll Irland verlassen!«, riefen einige der Demonstranten.
»Ja! Weg mit Wacron!«, bekräftigten zahlreiche Protestler.
*
Nur wenige Hundert Meter von den Protestierenden entfernt saß Emanuell Wacron in seinem Büro und lauschte den Rufen der Bürger. Neben ihm stand ein britischer Offizier, der kein Wort sagte. »Diese dummen Iren. Sehen die denn nicht, dass ich es nur gut mit ihnen meine? Die beiden Pyramiden werden Tempel des Wissens sein. Und Zeichen meiner Herrschaft.«
Dublin hat bereits Wissenstempel. Es gibt hier mehrere schöne Universitäten, die reichen doch. Zumal die Menschen auch etwas für die Seele benötigen und als Erinnerung an ihre Geschichte. Die altehrwürdigen Gotteshäuser abreißen zu wollen, ist, als würde man Jahrhunderte der Geschichte Irlands abreißen. Eine dermaßen dumme Entscheidung hätte ich nicht vom Vizekönig erwartet. Durch sein Verhalten bringt er uns vermutlich in Teufels Küche, dachte der britische Offizier, wagte dies jedoch nicht laut zu sagen.
Er hatte die Funktion als Adjutant erst zwei Tage inne, und sein Vorgänger war vom Vizekönig unehrenhaft entlassen worden, weil er ziemlich genau ebendiese einfachen Wahrheiten ausgesprochen hatte. Es hat keinen Sinn, den Vizekönig auf seine Fehler hinzuweisen. Und der Verbindungsoffizier zur britischen Zentralregierung ist auch nicht hilfreich, dachte der Adjutant, während er einen Blick auf Winston Noinu warf, der als Verbindungsoffizier fungierte.
Der hatte, ebenso wie Wacron, seinen Posten lediglich bekommen, weil er der Günstling von jemandem mit mehr Macht war. In der britischen Regierung wurde nur selten auf Qualität geachtet; meistens kamen die Leute an ihre Jobs, weil sie die entsprechende Ideologie mitbrachten. Eckpunkte besagter Ideologie waren der Hass auf alles Deutsche, der Glaube an die britische Überlegenheit und natürlich Treue zur Hochfinanz. Auf den Vizekönig trafen Punkt eins und drei zu, aber er konnte Punkt zwei gut vortäuschen. Und Wacron hatte zudem gute Kontakte zur Sowjetunion; er war Stalin mehrfach begegnet. Das hielten die von der Hochfinanz gelenkten Medien natürlich geheim, ebenso wie seine Vergangenheit. Ursprünglich war er nämlich als junger, französischer Sozialist nach der Wiederherstellung von Frankreichs Monarchie nach England gekommen und hatte sich dort den Briten angeschlossen, um gegen Deutschland zu kämpfen.
Man hatte ihn aber für untauglich befunden und stattdessen in ein Ministerium gesteckt, wo er sich mit Intrigen und miesen Tricks hochgearbeitet hatte, bis er schließlich durch Zufall seine große Stunde hatte, als der britische Außenminister bei einer Feier beinahe an einem schlecht verarbeiteten Stück Fleisch erstickt wäre. Wacron hatte schnell reagiert und dem hohen Herrn das Leben gerettet. Fortan stand er in dessen Gunst, und als Sozialist konnte er auch die britisch-sowjetischen Beziehungen verbessern, indem er Treffen mit Stalin arrangierte.
Der sowjetische Führer mochte Wacron zwar nicht, aber er konnte ihn gut gebrauchen, um mit England Pläne gegen Deutschland zu schmieden. Als Wacron dann geadelt und zum Lord ernannt wurde, erfuhr auch Stalin davon und meinte spöttisch: »Diesen Kerl haben sie zum Lord gemacht? Schaut ihn euch an: Lord Milchbubi!« Tatsächlich hatte Wacron, im Gegensatz zu Stalin, nie einen Bart getragen und wirkte für manchen Beobachter wie ein Milchbubi. »Lord Milchbubi als Vizekönig? Verbindet mich mit dem linken Flügel der IRA. In einer Woche ist das Land kommunistisch und eine von England unabhängige Sowjetrepublik.«
Seine Freude wurde gedämpft, als man ihn informierte, dass die IRA nun monarchistisch war. Stalin nahm es allerdings gelassener auf als erwartet.
Von derartigen Dingen wusste Vizekönig Emanuell Wacron natürlich nichts. Was er hingegen ganz genau wusste, war, dass er seine Pläne durchziehen würde. »Steht die britische Regierung hinter mir?«, fragte er Winston Noinu.
»Ich vermute, ja«, lautete dessen Antwort.
»Sie vermuten? Was soll das heißen?«, fragte Wacron.
»Dass wir es nicht genau wissen. Wir haben keine Verbindung nach London«, erklärte Noinu.
»Und wieso erfahre ich erst jetzt davon?«
»Ich dachte, man hätte es Ihnen bereits gesagt«, verteidigte sich Noinu.
»Weshalb haben wir keine Verbindung?«
»Möglicherweise haben die Iren die Leitungen sabotiert und Funkmasten beschädigt«, mutmaßte der Adjutant.
»Sie wussten davon? Warum haben Sie mir das nicht gesagt?«, fragte Wacron seinen Adjutanten verärgert.
»Ich wusste es bis eben auch nicht; erst als Herr Noinu davon sprach, dass wir keine Verbindung haben, kam mir der Gedanke, dass Leitungen und Funkmasten womöglich sabotiert wurden«, verteidigte sich der Adjutant.
»Na schön. Wir lassen das später überprüfen, wenn die Demonstranten weg sind«, meinte Wacron.
»Die werden bestimmt nicht so einfach von hier verschwinden«, murmelte Noinu.
»Doch. Schauen Sie mal aus dem Fenster nach oben. Es sieht nach heftigem Regen aus. Und sobald der losbricht, werden die meisten von denen wieder nach Hause gehen. Den Rest jagen wir anschließend fort.«
»Und was ist mit denen, welche die Kathedralen Saint Patrick und Christ Church besetzt haben?«, fragte der britische Verbindungsoffizier.
»Das sind nach meinen Informationen nur ein paar Hundert. Mit denen werden wir fertig. Problematisch sind die schätzungsweise 20.000 vor dem Parlament. Aber, wie gesagt, wenn das Unwetter kommt, werden die meisten nicht mehr lange durchhalten«, schätzte Wacron. In Gedanken fügte er hinzu: Jedenfalls hoffe ich das. Immerhin hat es lange genug gedauert, bis ich endlich der Herrscher eines Landes wurde, das ich nach meinen Vorstellungen verändern kann.
*
Draußen in der Menschenmenge traf der Patriot Eoin O’Duffy derweil auf John J. O’Kelly. Er schüttelte diesem die Hand und sagte: »Schön, dass Sie ebenfalls hier sind.«
»Selbstverständlich. Schließlich geht es um die Verteidigung unserer Heimat. Ich habe mich täuschen lassen und geglaubt, dass die englische Regierung es gut mit uns meint, als sie den Vizekönig schickten. Ich dachte, die hätten unsere Wünsche endlich verstanden. Aber für diese Täuschung werden sie bezahlen. Das schwöre ich!«, rief O’Kelly laut aus.
»Gut dass wir auf derselben Seite stehen. Ich schlage vor, wir arbeiten weiter wie bisher. Sie führen den Kampf politisch und ich kämpfe mit der IRA aus dem Untergrund heraus. Was die zukünftige Staatsform unseres Landes betrifft, so werden wir uns schon einig, sobald es an der Zeit ist«, meinte O’Duffy.
»Gewiss«, stimmte O’Kelly zu.
»Ich glaube, es fängt an zu regnen«, bemerkte O’Duffy plötzlich.
Zunächst waren es nur einige Tropfen, denen schnell zahlreiche weitere folgten. Der Wolkenbruch hatte begonnen und innerhalb weniger Minuten wurden die Demonstranten wortwörtlich klitschnass. Ein paar Leute suchten wegen des schlechten Wetters tatsächlich das Weite, aber die meisten Protestler blieben eisern stehen und riefen: »Wir werden nicht weichen! Wir werden nicht weichen!«
Die britischen Soldaten brachten ihre MG in den Eingangsbereich, damit sie nicht nass wurden. Gleichzeitig ging ein englischer Offizier zu den Demonstranten und forderte sie auf, nach Hause zu gehen. »Erst wenn unsere Kirchen bleiben dürfen und Wacron geht!«, lautete die Antwort, die er umgehend dem Vizekönig überbrachte.
Die Fenster des Parlamentsgebäudes waren halb geöffnet und zahlreiche junge, unerfahrene Soldaten des britischen Imperiums schauten heraus und hatten ihre Gewehre auf die Menschenmenge gerichtet. Bisher hatte es keinen Schießbefehl gegeben.
»Wir warten ab«, bedeutete der Vizekönig seinen Gefolgsleuten.
Schon oft aber in der Geschichte der Menschheit lief es nicht wie geplant, weil Zufälle oder Unfälle den Lauf der Dinge änderten. So auch in diesem Fall, als der machtgierige Vizekönig zwar keinen Schießbefehl gab, aber einer der Soldaten am Fenster niesen musste und dabei sein auf die Protestler gerichtetes Gewehr versehentlich abfeuerte. Der Schuss traf einen Bürger tödlich und führte außerdem dazu, dass einige weitere Soldaten dachten, der Schießbefehl sei erteilt worden. Daraufhin feuerten sie ebenfalls in die Menschenmenge, worauf viele der irischen Demonstranten »Angriff!« brüllten und auf’s Parlament losstürmten.
Fast jeder Ire war in der Absicht gekommen, hier friedlich zu protestieren, aber weil sie den Briten nicht trauten, hatten viele zur Verteidigung trotzdem Schuss- und Stichwaffen mitgebracht. Dazu zählte auch der Patriot Eoin O’Duffy, der nun, den Revolver in der rechten und die Nationalflagge in der linken Hand, laut brüllte: »Vorwärts!«
O’Kelly wies einige seiner Männer an, zu verschwinden und die Kameraden außerhalb der Hauptstadt darüber zu informieren, was hier passiert war. Er selbst entschloss sich, an dem Sturmangriff teilzunehmen.
*
Verängstigt blickte Wacron aus dem Fenster und sah, was dort losgebrochen war. »Wir müssen hier weg! Kommen Sie!«, befahl er den anwesenden Soldaten und Beamten.
Neben seinem Adjutanten und dem Verbindungsoffizier waren zehn weitere Männer in seinem Büro versammelt. »Wo sollen wir denn hin?«, fragte Noinu verzweifelt.
»Folgen Sie mir einfach«, entschied Wacron, während er aus einem Schreibtischfach schnell seinen Koffer nahm und dann mit den Männern eilig das Büro verließ. »Mitkommen!«, befahl er auch den Wachen vor seiner Tür und dachte sich: Je mehr Männer ich jetzt mitnehme, desto größer ist die Feuerkraft der mich begleitenden Truppe.
Ein paar Minuten später befanden sie sich im Keller des Gebäudes, der Vizekönig holte einen Schlüssel aus seiner Tasche und öffnete damit eine schwere Eisentür. »Einen Tag nach Beginn meiner Herrschaft ließ ich unter strengster Geheimhaltung diesen Tunnel anlegen, für den Fall, dass ich einmal rasch verschwinden muss. Auf geht’s.«
Wacron und seine Leute betraten den Tunnel, in welchem der Vizekönig einen Schalter umlegte, sodass es hell wurde. »Los! Gehen Sie!«, befahl er seinen Leuten, während er kurz stehen blieb, um die Tür wieder zu verschließen.
Anschließend folgte er den Männern, die schon einige Meter Vorsprung hatten. Nachdem er sie wieder eingeholt hatte, fragte der Verbindungsoffizier: »Wohin führt der Tunnel?«
»Raus aus Dublin. Wir kommen nördlich der Stadt heraus und marschieren anschließend schnellstens in Richtung Drogheda. Südlich der Stadt ist ein britischer Stützpunkt. Von dort aus fordern wir Verstärkung aus London an und anschließend holen wir uns Dublin zurück, sofern der Aufstand nicht das ganze Land erfasst. In dem Fall benötigen wir mehr Verstärkung und der Kampf gegen unsere Feinde wird länger dauern«, antwortete der Vizekönig.
»Aber wie kommen wir bis nach Drogheda? Das ist ein ziemlich weiter Weg«, wandte der Verbindungsoffizier ein.
»Deswegen steht ein Transportwagen der Armee am Ausgang bereit.«
»Der steht da einfach so herum?«
»Natürlich nicht! Der Ausgang ist in einen Hügel eingebaut und wir müssen dann nur ein Tor öffnen, um nach draußen zu fahren«, erklärte Wacron.
»Wann werden wir dort sein?«, fragte Noinu.
»In ein paar Stunden«, antwortete der Vizekönig; kurz darauf machte der Gang eine Biegung.
»Davon kommen noch mehr. Ich habe ein paar Kurven einbauen lassen; falls wir verfolgt werden, kann der Feind uns nicht einfach geradeaus hinterherschießen«, lobte der Herrscher sich selbst.
*
Während der Vizekönig sich davonmachte und vor seiner Verantwortung drückte, gingen vor dem Parlament die Kämpfe weiter. Eoin O’Duffy wollte mit seinem Revolver auf die feindlichen Soldaten im Eingangsbereich schießen, aber die waren noch zu weit weg und zwischen ihm und denen befanden sich zu viele der aufgebrachten Iren.
Etliche davon stürmten den Briten und ihren MG entgegen, wobei zahlreiche von ihnen getötet wurden. Allerdings bekämpften sie die Engländer mit allem, was sie hatten; Äxte, Messer, Flaschen und Steine flogen den Soldaten massenhaft entgegen, sodass die MG-Schützen wenig später alle getötet waren und das Parlament gestürmt werden konnte.
O’Duffy entschloss sich währenddessen, auf die Soldaten zu schießen, die sich oben auf den Häuserdächern befanden. Tatsächlich schaffte der Patriot es immerhin, zwei von ihnen auszuschalten, wobei er aber dermaßen viele Kugeln verschoss, dass er nachladen musste. Nachdem er seine Waffe wieder aufgefüllt hatte, erwischte O’Duffy noch einen dritten Schützen, bevor die Demonstranten schließlich auch auf die Häuserdächer gelangten und den Feinden dort oben ein Ende machten.
Wenige Minuten später war das Parlamentsgebäude vollständig eingenommen und alle britischen Soldaten gefallen. Zu ihrem Bedauern erfuhren O’Duffy und O’Kelly: »Der Vizekönig ist anscheinend entkommen.«
Der Sinn Féin-Anführer stellte sich kurz darauf vor die versammelte Menschenmenge, um zu ihr zu sprechen. Während die Masse sich wieder beruhigte und die Verletzten versorgt wurden, wollte er die Unabhängigkeit ausrufen. Jetzt ist die Gunst der Stunde da; ich kann die Republik ausrufen, dachte er, als sich plötzlich O’Duffy neben ihn stellte und ihm einen Blick zuwarf, der klarmachte: »Wir regeln das mit der Staatsform, sobald die Kämpfe vorbei sind.«
Daraufhin rief O’Kelly der Menschenmenge laut zu: »Das Parlament ist unser! Es lebe das unabhängige Irland!«
Die Massen jubelten und schwenkten die grün-weiß-orangen Flaggen. Sie bekamen nichts davon mit, wie der Vizekönig und seine Getreuen den Transportwagen erreichten und nach Norden in Richtung Drogheda flohen.
Berlin, 21.08.1937
General Hans von Dankenfels war gerade mit einem Flugzeug der zivilen Luftfahrt auf dem Flughafen Tempelhof gelandet, als er und sein Adjutant von jemandem abgeholt wurden, mit dem sie nicht gerechnet hatten.
Reinhard Gehlen von der Kaiserlichen Schutztruppe stand in der Empfangshalle und erwartete sie. Das Naturtalent in Sachen Spionage war erfreut, den erfolgreichen Feldherrn zu treffen. Gehlens von ihm zum großen Teil selbst angeworbene Spione bildeten ein eindrucksvolles Netzwerk, dem höchstens der amerikanische FBI-Direktor J. Edgar Hoover einigermaßen Gleichwertiges entgegensetzen konnte. Der schwarz uniformierte Offizier begrüßte den zivil gekleideten von Dankenfels, schüttelte ihm die Hand und fragte: »Wie war es in der Schweiz, Herr General?«
»Hervorragend. Ich habe dort einige sehr hilfreiche Leute getroffen. Unter anderem den amerikanischen Schriftsteller und überzeugten Royalisten Howard Phillips Lovecraft. Der hat dort, zusammen mit vielen deutschen und amerikanischen Autoren, das ›Deutsch-Amerikanische-Freundschaftstreffen‹ besucht. Die verehrten Damen und Herren dort haben es sich zum Ziel gesetzt, die Gräben zwischen unseren beiden Nationen zu überwinden, damit wir in Zukunft bessere Beziehungen zueinander haben. Es waren auch ehemalige Soldaten des großen Krieges geladen; sowohl Deutsche als auch Amerikaner. Ich traf dort einen Mann namens George Patton. Der war ebenfalls als Privatmann gekommen und wir hatten eine fruchtbare Unterhaltung, auch wenn wir nicht in allem übereinstimmten. Aber wir waren beide der Auffassung, dass Herrn Lovecrafts Vortrag über eine mögliche außerirdische Bedrohung und wie man ihr entgegentreten sollte, sehr interessant gewesen ist«, berichtete von Dankenfels.
»Lovecraft. Ja, der Name sagt mir etwas. Er ist Autor zahlreicher Horrorgeschichten und hat sich vor einiger Zeit wegen einer schweren Krankheit in Deutschland behandeln lassen. In der 1710 gegründeten Berliner Charité, nicht wahr? Dort, wo sich auch Mustafa Kemal Atatürk behandeln ließ«, erinnerte sich Gehlen.
»Ihr Gedächtnis beeindruckt mich immer wieder«, lobte von Dankenfels und dachte dabei: Atatürk und Lovecraft haben sich keinen Tag zu früh dort behandeln lassen; nicht zuletzt dank der durch die Alientechnik erlernten Methoden konnten wir sie heilen, sodass sie ihren Völkern noch lange erhalten bleiben. Bisher waren die Außerirdischen und ihr Besuch ein Segen für die Menschen, aber seit 1929 ist gewiss, was ich schon vorher befürchtet habe; sie sind feindlich gesinnt und wollen unseren Lebensraum sowie unsere Rohstoffe. Und wenn sie 1953 kommen, wird es für die Menschheit die Hölle auf Erden. Daher bin ich froh, dass es Autoren wie Lovecraft gibt, denn er hat völlig richtig erahnt, dass der Weltraum nicht nur unendliche Weiten, sondern auch unendlich viele Feinde bedeutet. Mit seinen diesbezüglichen Schauergeschichten bereitet er die Menschen gewissermaßen auf die bevorstehende Invasion vor; freilich ohne es selbst zu ahnen.
»… und Ihr alter Freund, Außenminister Ranke, wird ebenfalls dabei sein«, vollendete Reinhard Gehlen gerade einen Satz, von dem Hans von Dankenfels nur den Schluss mitbekommen hatte, weil er seinen Gedanken nachgegangen war.
»Verzeihung – was sagten Sie gerade?«, musste der Kastrup-General deshalb nachfragen.
»Ich sagte: ›Danke, aber jetzt müssen wir langsam los. Der Kaiser hat uns beide zu sich beordert, und weil der Flughafen auf dem Weg liegt, wollte ich es mir nicht nehmen lassen, Sie persönlich abzuholen. Er wird höchstwahrscheinlich mit uns über die Lage in Irland sprechen wollen und Ihr alter Freund, Außenminister Ranke, wird ebenfalls dabei sein‹«, zitierte Gehlen.
»Was ist in Irland passiert?«, fragte von Dankenfels, während er mit Gehlen und seinem Adjutanten in Richtung Ausgang spazierte.
»Das erkläre ich Ihnen unterwegs«, meinte der Spionagechef.
»In Ordnung.«
Draußen wartete ein Wagen auf sie, der nach einem kurzen Befehl Gehlens in Richtung Innenstadt fuhr. Unterwegs schilderte Gehlen kurz die Situation in Irland.
*
»Ein Aufstand also, der in Dublin begonnen hat«, fasste von Dankenfels zusammen, nachdem Gehlen ihm alles erklärt hatte und der Wagen vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zum Stehen gekommen war.
»Richtig. Inzwischen hat er mehrere Großstädte erfasst und auch in den ländlichen Gegenden brodelt es. Dort sind die Bürger allerdings etwas zurückhaltender, weil sie zahlenmäßig zu wenige wären, um es mit der britischen Armee aufzunehmen«, entgegnete Gehlen.
Gemeinsam stiegen sie aus und von Dankenfels stellte fest: »Nanu – ich dachte, dass wir zum Kaiser fahren. Stattdessen stehen wir vor der nach seinem Urgroßvater benannten Kirche. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, aber …«
»Unser ehrenwertes Staatsoberhaupt wartet drinnen. Darum ist die Kirche heute auch offiziell geschlossen. Ich habe auf diesem Treffpunkt bestanden, damit niemand etwas mitbekommt«, erklärte Gehlen.
»Warum? Es wird doch wohl kaum jemandem verdächtig vorkommen, wenn der Kaiser sich mit einem General und dem Außenminister trifft«, meinte von Dankenfels.
»Lassen Sie uns hineingehen«, war alles, was Gehlen entgegnete.
Hans von Dankenfels folgte dem Kameraden, während sein Adjutant draußen wartete. Während sich der General umblickte, fielen seinem geübten Auge sofort einige Soldaten der Kastrup in Zivil auf, welche die Gegend bewachten. Im Gotteshaus erblickte von Dankenfels auch sogleich Kaiser Wilhelm III., der unter einer Deckenmalerei stand, in der dessen Vorfahren abgebildet waren, und sich mit einem älteren Mann sowie einer jungen, rothaarigen Frau unterhielt.
Als Wilhelm III. Hans von Dankenfels erblickte, sagte er zu den beiden Personen: »Ah, da kommt der Mann, auf den wir gewartet haben. Schön, Sie wiederzusehen, General.«
Von Dankenfels salutierte, der Kaiser erwiderte den militärischen Gruß und schüttelte dem Offizier anschließend die Hand. »Die Freude ist ganz meinerseits«, sagte der General zu seinem Oberbefehlshaber.
»Wie war es in der Schweiz?«, fragte der Kaiser.
»Sehr gut«, antwortete von Dankenfels kurz und knapp. »Unser Kamerad Gehlen hat mich bereits unterrichtet, was die Lage in Irland anbelangt. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Das ist Francis Austin O’Brian, Commander der ›Irisch-Royalistischen Armee‹. Und die Dame neben ihm ist seine Sekretärin Sandra Simmens«, stellte der Kaiser seine beiden Begleiter kurz vor. »Herr O’Brian hält sich bereits seit ein paar Monaten in Deutschland auf. Sein Ziel war es, im Auftrag des Patrioten Eoin O’Duffy diplomatische Beziehungen mit dem Reich aufzunehmen. Zwar hoffte O’Duffy auf eine Besserung der Lage in Irland durch den neuen Vizekönig, aber er blieb trotzdem misstrauisch und hielt es für ratsam, Verbündete zu suchen.«