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Ein Gast stirbt während seines Aufenthalts in dem renommierten Hamburger Hotel Atlantic. Die Hoteldetektivin ist nicht sonderlich auskunftsfreudig und verstrickt sich in Widersprüche. Und so muss sich der bärbeißige Kommissar Leipziger allein durch den Dschungel des Grandhotels kämpfen, in dem nächtens ein Phantom mit Sonnenbrille herumschleicht.
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Seitenzahl: 52
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Robert Brack
Krimi * Nautilus
KALIBER .64
Der Autor dankt Volker
Hengst, Susanne Semmroth
und Stig Arnberg für die
freundliche Unterstützung.
Edition Nautilus
Verlag Lutz Schulenburg
Schützenstraße 49a
D-22761 Hamburg
Alle Rechte vorbehalten
Die Krimireihe
»Kaliber .64« wird
herausgegeben von
Volker Albers
© Edition Nautilus 2005
Umschlaggestaltung:
Maja Bechert
www.majabechert.de
1. Auflage 2006
Printed in Germany
www.edition-nautilus.de
Print ISBN 978-3-89401-480-6
E-Book EPUB ISBN 978-3-86438-103-4
E-Book PDF ISBN 978-3-86438-104-1
»Hamburg: In der Präsidenten-Suite des Hotel Atlantic an der Außenalster wurde heute Nachmittag während einer Hotelbesichtigung die Leiche eines unbekannten Mannes gefunden. Direktion und Polizei stehen vor einem Rätsel. Niemand kann sich erklären, wie der Tote in das Bett der Luxussuite gekommen ist. Der offiziell in der Zimmerflucht residierende Präsident der Kaukasischen Demokratischen Republik ist laut Angaben der Hoteldirektion spurlos verschwunden. Die kaukasische Botschaft in Berlin lehnte jede Stellungnahme ab …«
Kaum war diese Meldung zunächst von Hamburger Lokalsendern und wenig später auch bundesweit verbreitet worden, machten sich zahllose Reporter und Journalisten auf den Weg zur Außenalster. Der geistesgegenwärtige Hotelmanager hatte damit gerechnet und gleich hinter der Drehtür des Haupteingangs zuverlässige Pagen in blauen Uniformen postiert, um die Pressevertreter abzufangen. Eine Dame der Rezeption in anthrazitfarbenem Kostüm und mit senffarbenem Halstuch führte die Neugierigen am Mahagonitresen des Empfangs vorbei, zwischen roten Marmorsäulen hindurch und rechts neben dem großen Kaiserbild durch einen Torbogen ins so genannte Achteck vor den Festsälen. Dort stand die Tür zum Goldenen Saal weit offen, die Sektgläser waren bereits gefüllt. Als alle angekommen waren, hieß der Manager die Journalisten willkommen und übergab das Mikrofon an seine PR-Fachfrau. Sehr zur Freude der ausgehungerten Reporterschar, begann sie mit vielen Worten wenig zu sagen und ließ ihnen Zeit, am Buffet nach Häppchen zu fischen.
Der Manager eilte zurück, durchquerte die Halle und betrat das Restaurant, wo die Besuchergruppe, die die Leiche gefunden hatte, betreut wurde.
Die dreizehn Damen vom Hausfrauenverband Bergedorf hatten das schreckliche Ereignis erstaunlich gut verkraftet. Auf ihrer Sightseeing-Tour durch das Hotel waren sie bis auf den Dachboden vorgedrungen und hatten einige interessante Räumlichkeiten begutachtet, darunter die James-Bond- und die BMW-Suite.
In ehrfürchtiger Stimmung hatten sie kurz darauf die Präsidenten-Suite betreten. Dort bewunderten sie den antiken Schreibtisch in der Mitte des Salons, der auch ohne politisches Schwergewicht auf dem dazugehörigen Ledersessel einen würdigen Eindruck machte.
»Da hat er also gesessen.«
»Wer?«
»Na, der Rau, unser Präsident.«
»Der Rau ist nicht mehr, jetzt heißt er Köhler.«
»Also ich finde, es ist wie in einem Schloss hier. Wenn man sich dann vorstellt, da stehen alle Türen offen und man schreitet von Zimmer zu Zimmer …«
»Sie haben das Schlafzimmer noch gar nicht gesehen.«
»Es heißt ja immer, Politiker schlafen nicht … aber dann wohl doch.«
»Es ist ein Doppelbett!«
»Was für eine schöne Tagesdecke. Das muss Brokat sein.«
»Und die Matratze ist gut gefedert. Sehen Sie mal!«
»Vorsicht, sie bringen ja alles in Unordnung.«
»Na so was. Da hat jemand seinen Pyjama vergessen! Sehen Sie mal: Manschettenknöpfe an der Pyjamajacke. Das ist ja … Aber da steckt ja ein Arm drin.«
»Das ist aber eine kalte Hand.«
»Lassen Sie doch los. Decke drüber, schnell!«
»Wahrscheinlich eine Puppe. Vielleicht haben die hier ja Attrappen. Aus Sicherheitsgründen.«
»Die ist sehr kalt. So eine kalte Hand hatte ich bisher eigentlich nur einmal. Das war als mein Großonkel … Jetzt schlagen Sie mal die Decke zurück – oder lieber nicht.«
»Tatsächlich, eine Wachsfigur.«
»Nee, nee, bei meinem Großonkel stand der Mund auch so offen und geglotzt hat der auch wie ein Fisch, nur ganz so blau ist sein Gesicht nicht gewesen.«
»Der ist ja tot.«
»Mausetot ist der.«
Die Damen vom Hausfrauenverband Bergedorf versammelten sich um das Bett und starrten die Leiche an. Dann riefen sie nach dem Manager.
Im Gänsemarsch und sehr schweigsam verließen die Zeuginnen wenig später die Suite, ließen sich in den Aufzug dirigieren und spazierten unten angekommen ohne ein Wort des Protestes ins Hotelrestaurant, wo sie von einem umsichtigen Kellner auf die Fensternischen mit Alsterblick verteilt wurden.
Und hier im Restaurant saßen die Damen auch noch, als der Manager wieder hereinhastete. Er hatte eine annähernd hysterische Stimmung erwartet und stellte erleichtert fest, dass die Damen sich begeistert über die Vorspeisenteller beugten. Die »weiße Tomatenmousse mit den marinierten Flusskrebsen« versetzte sie gleichermaßen in Erstaunen und Entzücken.
»Aber wie kann eine Tomatenmousse denn weiß sein, meine Liebe? Ist da überhaupt Tomate drin?«
»Aber, ich bitte Sie! Das schmeckt man doch eindeutig.«
»Ein Wunder, ein wahres Wunder! Und dieser bunte Tomatenfächer, einfach akkurat, da möchte man doch wirklich nichts zerstören.«
»Na, na, nur keine falsche Scheu! Probieren Sie erst mal die Krebsschwänzchen. So ein feines Aroma!«
»Flusskrebse hatte ich wirklich noch nie. Wie aufregend!«
Wenig später hatten sie eine neue Attraktion gefunden. Staunend umringten sie einen Tisch, an dem eine andere Dame mit ihrem Begleiter Platz genommen hatte.
Die weißhaarige Frau von Seidevitz war seit Jahrzehnten Stammgast im Hotel und Aufregung um sich und ihre wechselnden Begleiter gewöhnt. Laut und deutlich las sie ihm die Speisekarte vor, schön langsam, damit er jedes Wort verstehen konnte. Dann warf sie ihm einen tadelnden Blick zu, da er sich nicht entscheiden konnte: »Also bitte, Philipp! Fisch magst du nicht, ich weiß. Aber wie wäre es mit frischen Austern, die hast du doch immer gern gegessen? Der liebe Herr Oberkellner wird sie dir sicherlich auslösen. Nein? Keine Austern? Nun gut. Vielleicht ein Carpaccio vom Charlerois-Rind? Man könnte den Parmesan weglassen, ich weiß, dass du keinen Käse magst. Du schweigst? Also das Hauptgericht zuerst: Kalbsfilet mit Steinpilzen?«
Der Begleiter der Dame bellte begeistert. Es war ein weißer Spitz, der brav auf dem Sessel Platz genommen hatte.
Die Hausfrauen aus Bergedorf sahen einander wissend an: Kalbsfilet, natürlich! Das hätten sie ihr gleich sagen können, dass dieser Hund das Kalbsfilet nehmen würde. Am besten innen noch schön rosig. So wie es in feinen Restaurants serviert wurde.
Aber der Hund verschmähte das Kartoffel-Gratin. Er bellte für Risotto. Ein Kellner schrieb eifrig mit. Die Dame bestellte »ein Häufchen Kaviar für jeden« zur Einstimmung und für sich selbst Hummer und Lammrücken.
Eine der Hausfrauen hob mahnend den Finger: »Wasser! Der Hund braucht Wasser. Kaviar ist doch salzig, nach allem, was man so hört!«
Da klingelte das Handy des Managers.