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Sind wir mit unserem Latein am Ende? Keinesfalls! Bunt und krass, impfen und kungeln, Esel und Flegel: All das sind nur scheinbar solide deutsche Wörter, denn in Wahrheit stammen sie aus dem Lateinischen. Klaus Mackowiak stellt die schönsten, gängigsten, überraschendsten solcher Wörter vor und erzählt ihre Geschichten – fundiert und launig (von luna = Mond). Fremdwörter wie Abstraktion und Advokat, Tinktur und Tortur protzen quasi damit, dass sie vom edlen Latein abstammen. Geheimnisvoller sind die Wörter, denen Klaus Mackowiak hier ihren Auftritt verschafft: Lehnwörter, die aus dem Lateinischen kommen, aber im Laufe der Jahrhunderte bis zur Unkenntlichkeit eingedeutscht wurden. Sie bevölkern unsere Häuser ( Fenster, Kamin, Keller) und Küchen ( Kirsche, Kohl, Wein), unsere Kirchen und Schulen und viele andere Bereiche des Lebens. Klaus Mackowiak geht ihnen auf den etymologischen Grund – und stellt dabei fest, dass ihre Geschichte oft nicht erst mit dem Lateinischen beginnt, sondern schon viel früher, bei den Etruskern oder Griechen, Arabern oder Ägyptern. Doch ob nüchtern, turtelnd oder torkelnd – in allen von uns steckt auf jeden Fall ein echter Lateiner!
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Klaus Mackowiak
Kann Spuren von Latein enthalten
Kleines Lexikon deutscher Wörter lateinischen Ursprungs
Von abkanzeln bis Zwiebel
C.H.Beck
Fremdwörter wie Abstraktion und Advokat, Tinktur und Tortur protzen quasi damit, dass sie vom edlen Latein abstammen. Geheimnisvoller sind die Wörter, denen Klaus Mackowiak hier ihren Auftritt verschafft: Lehnwörter, die aus dem Lateinischen kommen, aber im Laufe der Jahrhunderte bis zur Unkenntlichkeit eingedeutscht wurden. Sie bevölkern unsere Häuser (Fenster, Kamin, Keller) und Küchen (Kirsche, Kohl, Wein), unsere Kirchen und Schulen und viele andere Bereiche des Lebens. Klaus Mackowiak geht ihnen auf den etymologischen Grund – und stellt dabei fest, dass ihre Geschichte oft nicht erst mit dem Lateinischen beginnt, sondern schon viel früher, bei den Etruskern oder Griechen, Arabern oder Ägyptern. Doch ob nüchtern, turtelnd oder torkelnd – in allen von uns steckt auf jeden Fall ein echter Lateiner!
Klaus Mackowiak beantwortet seit vielen Jahren als Duden-Sprachberater Fragen zu grammatischen, orthografischen und stilistischen Unklarheiten. Darüber hinaus arbeitet er als freier Lektor und führt Weiterbildungen durch. Bei C.H.Beck sind von ihm u.a. erschienen: «Die 101 häufigsten Fehler im Deutschen und wie man sie vermeidet» (52022) und «Die häufigsten Stilfehler im Deutschen» (2011).
Einleitung
Symbole
Deutsche Lehnwörter aus dem Lateinischen Von A bis Z
A
B
D
E
F
G
H
I
J
K
L
M
N
O
P
Q
R
S
T
U
V
W
Z
Quellen
Bücher
Internet
Literatur
Bücher
Internet
Register der Fremdwörter und der mittelbar aus dem Lateinischen entlehnten Lehnwörter
Für Fränzken
Sind wir nun endgültig mit unserem Latein am Ende? Durchaus nicht. Eine ganze Menge Latein steckt etwa in Wörtern wie Flegel und Laune, nüchtern und peinlich, torkeln und waten – aber sie protzen nicht so damit. Solchen Wörtern hört und liest man eigentlich gar nicht an, dass sie aus einer Fremdsprache stammen. Und dennoch: Sie gehen auf das Lateinische zurück. Das Besondere an ihnen ist, dass sie als sogenannte Lehnwörter (anders als Fremdwörter) völlig in die Lautung, Morphologie und Orthografie der deutschen Sprache integriert sind. Daher spürt man das Lateinische kaum oder gar nicht mehr heraus und die genauere Erforschung ihrer Herkunft verspricht viele schöne Aha-Erlebnisse. Hätte man etwa ohne Weiteres gedacht, dass solch ein schlichtes deutsches Substantiv wie Kanne auf das Lateinische zurückgeht – und vielleicht sogar babylonisch-assyrische Vorfahren hat? Dass das Lehnwort Berberitze über das Lateinische hinaus aufs Arabische verweist und das Lehnwort Tünche auf eine semitische Sprache, wahrscheinlich auf das Phönizische? Überraschungen dieser und anderer Art wollen wir hier hervorrufen, indem wir Lehnwörtern auf den Grund gehen.
Aber was genau sind eigentlich Lehnwörter? Wie unterscheiden sie sich von anderen Wörtern, die ebenfalls aus anderen Sprachen stammen? Den deutschen Wortschatz kann man nach verschiedenen Kriterien verschieden unterteilen. Die für dieses Buch relevanten Kriterien sind vornehmlich die Integriertheit eines Wortes und seine Herkunft. Danach scheint es nicht völlig verkehrt, zu unterscheiden in:
Erbwörter
Lehnwörter
Fremdwörter
fremde Wörter
Als Erbwörter bezeichnen wir hier Wörter, die aus dem Germanischen bzw. germanischen Sprachen ins Deutsche gekommen sind. Meist entsprechen sie der Wortgrammatik des deutschen Kernwortschatzes, etwa: Baum, groß, kommen (aber doch nicht immer, anders betont als im Kernwortschatz üblich werden zum Beispiel Erbwörter wie: Bovist, Efeu, Hermelin, Wacholder).
Als Lehnwörter bezeichnen wir Wörter, die aus einer Fremdsprache entlehnt wurden, sich aber völlig der Wortbildung, der Aussprache und Rechtschreibung des Kernwortschatzes angepasst haben, etwa: Pferd, kaufen, klar. Auch Lehnwörter gehören zum Kernwortschatz des Deutschen.
Als Fremdwörter bezeichnen wir hier Wörter, die aus einer Fremdsprache übernommen wurden (man spricht hier auch von «entlehnt», obwohl es keine Lehnwörter sind). Dabei sind sie meist weitgehend der deutschen Morphologie und unterschiedlich weitgehend der deutschen Aussprache und Rechtschreibung angepasst, weisen aber noch mindestens eine «fremde» Eigenschaft auf, sei es im Bereich der Wortbildung, der Aussprache oder der Rechtschreibung. Fremdwörter sind also nicht durchgehend integriert, etwa: Beton, lackieren, radikal, geleakt. Aber klar ist: Aufgrund der Anpassungen sind Fremdwörter deutsche Wörter. Denn so etwas wie geleakt funktioniert nur im Deutschen, nicht jedoch in der Ursprungssprache.
Unter fremdsprachlichen Wörtern im Deutschen sind hier Wörter zu verstehen, die als Zitat aus einer Fremdsprache in einem deutschen Text verwendet werden, wie etwa: «honi soit qui mal y pense» oder «sic transit gloria mundi». Fremdsprachliche Wörter sind logischerweise keine deutschen Wörter.
Wir stellen hier Lehnwörter vor, die direkt aus einer Form des Lateinischen ihren Weg in eine Form des Deutschen (oder schon ins Germanische) gefunden haben – und gelegentlich auch Ableitungen von solchen Wörtern (wie zum Beispiel Griffel als Ableitung vom althochdeutschen Lehnwort graf). Ausgelassen haben wir dagegen Lehnwörter, die zwar letztlich aufs Lateinische zurückgehen, aber über andere Sprachen vermittelt wurden, wie etwa Frettchen über französisch/(mittel-)niederländisch furet/fret (von lateinisch furo «Räuber»), Wirsing über lombardisch verza (von lateinisch viridia «Grünzeug», zu viridis «grün»), dissen über das Amerikanische to diss (von lateinisch dis- «auseinander-, ver-, zer-») oder tschüs(s), tschö über niederdeutsch adjüs/tjüs, wallonisch adjuus, spanisch adios (von lateinisch ad deum «zu Gott»).
Wenn allerdings der Weg eines Wortes noch über das Lateinische hinausgeht in andere (frühere) Sprachen, sind wir diesem Weg durchaus gefolgt (wenn er denn erforscht ist), wie etwa bei metzeln, das über mittellateinisch macellare (schlachten) und lateinisch macellum ([Fleisch-]Markt) auf hebräisch mikela (Hürde, Umzäunung) zurückzuverfolgen ist.
Und: Bei Lehnwörtern, die einen aus irgendeinem Grund spannenden fremdwörtlichen Verwandten aufweisen oder mehrere, haben wir gelegentlich unter der Rubrik «Übrigens» auf solche Verwandtschaft hingewiesen, wie zum Beispiel beim Lehnwort Bims auf das verwandte Fremdwort Pause (Durchzeichnung) und außerdem auf das nicht verwandte Fremdwort Pause (kleine Erholungszeit). Auch ganz andere interessante Aspekte haben wir in dieser Rubrik bisweilen thematisiert. Kriterien wie Aktualität, Produktivität, Originalität oder Willkür erklären bis zu einem gewissen Grad die entsprechende Beredtheit oder eben auch das Schweigen der Lemmata.
Sprache entwickelt sich über die Jahrtausende. Nach Merkmalen, die über eine gewisse Zeit vergleichsweise konstant bleiben, teilt man sie in verschiedene Epochen auf (was nie so ganz einfach und daher auch nicht so ganz unumstritten ist). So etwas wie Deutsch gibt es nach solcher Einteilung etwa ab dem 7. Jahrhundert. Vorher haben wir es mit dem Germanischen bzw. mit verschiedenen germanischen Sprachen oder Dialekten zu tun. Damit man im Weiteren die Angaben, zu welchem Sprachentwicklungsstand ein Wort gehört, zeitlich einordnen kann, sei hier die übliche Einteilung nach grammatischen und lautlichen Kriterien (auf die wir aber im Einzelnen nicht eingehen wollen) wiedergegeben:
Germanisch, germanische Sprachen bzw. Dialekte: Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. bis 7. Jahrhundert n. Chr.
Althochdeutsch: 7. Jahrhundert bis Mitte des 11. Jahrhunderts
Mittelhochdeutsch: Mitte des 11. bis Mitte des 14. Jahrhunderts
Frühneuhochdeutsch: Mitte des 14. bis Mitte des 17. Jahrhunderts
älteres Neuhochdeutsch: Mitte des 17. Jahrhunderts bis etwa 1800
jüngeres Neuhochdeutsch: 1800 bis 1945
Gegenwartsdeutsch: ab 1945
Und natürlich ist auch Latein nicht Latein, nicht immer das gleiche jedenfalls. Und es ist für die Bildung von Lehn- und Fremdwörtern nicht unerheblich, wann sie aus dem Lateinischen ins Deutsche fanden, das heißt auch, aus welchem Latein in welches Deutsche. Hier kann man mindestens unterscheiden zwischen:
Lateinisch (klassisch), Spätlateinisch: bis etwa zum 5./6. Jahrhundert
Mittellateinisch: 6. Jahrhundert bis Mitte des 15. Jahrhunderts
Neulateinisch: ab Mitte des 15. Jahrhunderts
Mit dem klassischen Latein stand das Deutsche schon allein deshalb nicht in unmittelbarer Verbindung, weil es in der Zeit, als es zu Kontakten hätte kommen können – als West- und Südwestdeutschland unter römischer Verwaltung standen also –, so etwas wie Deutsch noch gar nicht gab. Allerdings gibt es eine mittelbare Verbindung vom Deutschen zum klassischen Latein, indem etliche Wörter, die schon im Germanischen aus dem Lateinischen entlehnt worden waren, als Erbwörter ins Deutsche gelangt sind. Ins Germanische entlehnt worden waren vor allem Wörter aus Verwaltung, Militär, Obst- und Garten-, Hoch- und Tiefbau sowie aus der Küche, etwa: Esel, Kaiser, kaufen.
Gelegentlich wird auch vom Vulgärlateinischen die Rede sein. Damit ist die umgangssprachliche Form der lateinischen Sprache gemeint (aus deren Spielarten sich schließlich die romanischen Sprachen entwickelt haben). Vulgärlatein liegt quasi neben den zeitlichen Einteilungen. Sorten von Vulgärlatein sprach man in der Zeit des klassischen Lateins, aber auch in spätlateinischer und mittellateinischer Zeit.
Kirchenlatein dagegen ist das Latein, das als Amtssprache der katholischen Kirche für offizielle Verlautbarungen und in der Liturgie verwendet wurde bzw. wird.
Mittellatein war zwischen dem 6. und 15. Jahrhundert für Kirche, Verwaltung, Juristerei, Literatur und Wissenschaft in den meisten europäischen Ländern von großer Bedeutung. Wer es in den genannten Bereichen zu etwas bringen wollte, musste neben seiner Muttersprache auch hinreichend Mittellatein als Lingua franca des Mittelalters beherrschen. Das ging allerdings mit einer gewissen Pidginisierung des Lateinischen einher: Im Vergleich zum klassischen Latein waren Morphologie, Orthografie und Syntax des Mittellateinischen stark vereinfacht, die Aussprache war nicht eindeutig und oft vermischte sich das Mittellateinische mit Elementen der jeweiligen Regionalsprache (Stichwort: Küchenlatein). Lehnwörter aus dem Mittellateinischen sind vor allem in den Bereichen von Kirche, Wissenschaft und Verwaltung zu finden, etwa: predigen, Pflaster, Weiler. Und über das Mittellateinische gelangten zudem viele Lehnwörter aus anderen Sprachen ins Deutsche, vor allem aus dem Griechischen, Arabischen, Aramäischen, etwa: Bursche, Berberitze, Abt.
Auch zur Wortbildung des Deutschen hat das Mittellateinische einiges beigetragen. So geht etwa unser Wortbildungssuffix -er für Nomina Agentis (Bezeichnungen für Handelnde) wie Lehrer, Besitzer, Träumer etc. auf das lateinische Adjektivsuffix -arius, -aria, -arium (gehörig zu) zurück. Bei substantivierten Adjektiven steht dieses Adjektivsuffix nämlich auch im Lateinischen schon mal für Nomina Agentis, etwa: mercedarius (Lohngeber), molinarius. Im Germanischen und Althochdeutschen wird das Suffix zu -ari angepasst wie in mulinari (Müller) und auch an deutsche Stämme angefügt: buochhari (Buchschreiber, -händler), sangari (Sänger) etc. Schließlich schwächt sich -ari dann ab zu unserem heutigen -er.
Städtische Bevölkerungsschichten, die kein Latein sprachen, gewannen im deutschsprachigen Raum im 15. Jahrhundert mehr und mehr an Einfluss. Damit wurde das Mittellateinische als Lingua franca allmählich verdrängt und das Deutsche gewann in vielen Bereichen an Boden. Das Lateinische behauptete sich allerdings in Wissenschaft und Literatur und erfuhr dort eine Art Intellektualisierung. So wandte man sich im Humanismus ganz bewusst vom Mittellateinischen (Küchenlatein) ab und dem «anspruchsvolleren» klassischen Latein wieder zu. Man spricht hier von Neulateinisch.
Diese Zeit war geprägt von einer rasanten wissenschaftlichen und technischen Entwicklung, die einherging mit einem ungeheuren Bedarf an neuen (Fach-)Wörtern. Die gebildeten Wissenschaftler und Techniker entlehnten diese dann gern aus dem Lateinischen, etwa: deklarieren, inklusive, pro, Puls, Stil. Diese Fremdwörter (weniger Lehnwörter) bildeten sie aus lateinischen Elementen neu, etwa: absurd, Identität, was unserem Wortschatz nach und nach, über mehrere Jahrhunderte, einen gewaltigen Zuwachs beschert hat.
Da dieses Entlehnungs- und Bildungsschema in vielen, vor allem europäischen Sprachen ähnlich verlief und verläuft, hat sich ein großer Bestand an Internationalismen (besser wohl: Europäismen) gebildet, das heißt ein Bestand an Wörtern, die in verschiedenen Sprachen aufgrund des gemeinsamen lateinischen (bzw. gräkolateinischen) Ursprungs in Form und Bedeutung fast identisch sind, etwa: Chemie, Medizin, Musik, Nation, Qualität, System, Telefon, Theater. Das hat den Aufbau internationaler Fachterminologien natürlich erheblich erleichtert, und damit sind wir auch in der Gegenwart angelangt, was die Produktivität des Lateinischen – unter anderem – für das Deutsche angeht.
Aber uns geht es ja um die Lehnwörter.
Ganz besonders danke ich Franziska Münzberg: für die rege Diskussion, die vielen, vielen fachlichen Hinweise, die sorgfältige Durchsicht des Manuskripts und vor allem für alles.
[]
Hinzufügung / phonetische Einheit / fakultative Elemente
*
ungrammatischer Ausdruck / rekonstruierte, nicht belegte Form
↑
vergleiche/siehe
abkanzeln ↑ Kanzel, abkanzeln, Kanzlei, Kanzler, Kanzlerin
Abt, Äbtissin, Abtei
Älteste belegte Form: 9. Jahrhundert.
Man könnte sich ja die unmöglichsten Fragen stellen, zum Beispiel: Geht es beim Abtritt um einen Abort oder doch eher um einen Klostervorsteher, der mit wehendem Mantel käuzchenrufbegleitet durch die unheimlichen Nebel des dämmernden Morgens galoppiert? Man kann aber auch schlicht fragen: Woher kommt eigentlich das Wort Abt? Nun, über mittelhochdeutsch abbet, apt, althochdeutsch abbat geht das Substantiv Abt auf kirchenlateinisch abbatem zurück, den Akkusativ von abbas (Abt), das wiederum aus spätgriechisch ábbas (Vater) entlehnt ist – nach der biblischen Gebetsanrede aramäisch abbá (Vater). Bemerkenswert, wie aus einem kindersprachlichen Lallwort die ehrfurchtsvolle Anrede und der Titel eines hohen Geistlichen wurden.
Seit dem 15. Jahrhundert wird für die weibliche Form (statt mittelhochdeutsch eppetisse und althochdeutsch abbatissa) die Form auf -in (frühneuhochdeutsch ebtissīn) geläufig, die auf kirchenlateinisch abbatissa zurückgeht.
Dazu gesellt sich dann noch das Substantiv Abtei (mittelhochdeutsch abbeteie, althochdeutsch abbateia [12. Jahrhundert]), das aus kirchenlateinisch abbatia entlehnt ist.
Alb, Alp(e), Alpen
Älteste belegte Form: 10. Jahrhundert.
Für Paläontologinnen und Paläontologen kann ein Albtraum durchaus was ganz Wunderbares sein, etwa, wenn sie von den reichhaltigen urgeschichtlichen Fundstätten in der Schwäbischen Alb träumen. «Alb» und Alb ist halt nicht immer das Gleiche. Normalerweise ist mit «Alb-» in «Albtraum» natürlich eher nicht die Schwäbische Alb gemeint, sondern (wie auch in «Albdrücken») der Alb, der Nachtmahr, der sich den Schlafenden beklemmend auf die Brust legt. Dieser Alb hat nichts Lateinisches, die Alb (die Bergweide, das Gebirge) aber durchaus, zumindest ein bisschen. Denn das Substantiv Alb in diesem Sinne geht (wie auch der Gebirgsname Alpen oder die Bezeichnungen Allgäu und Alm) zwar mit einiger Wahrscheinlichkeit auf ein vorindogermanisches Wort für «Berg» zurück, wurde aber schon früh volksetymologisch mit lateinisch albus, -a, -um (weiß) in Verbindung gebracht.
Alge
Älteste belegte Form: 18. Jahrhundert.
Die Bezeichnung Alge für die Pflanze, die Aquarianer oder Teichbesitzer bisweilen zur Verzweiflung treibt, die Lebensmittelindustrie aber frohlocken lässt, ist erst ziemlich spät, und zwar im 18. Jahrhundert, aus lateinisch alga (Seegras, Seetang) entlehnt worden.
Allgäu (↑ Alb, Alp(e), Alpen)
Alm (↑ Alb, Alp(e), Alpen)
Ampel, Ampulle, Pulle
Älteste belegte Form: Ampel, Ampulle 10. Jahrhundert, Pulle 18. Jahrhundert.
Bevor man mit dem Substantiv Ampel (mittelhochdeutsch ampel, ampulle, althochdeutsch ampulla) alle möglichen häuslichen und öffentlichen Beleuchtungskörper bezeichnete, verwendete man es – bis ins 14. Jahrhundert – allein für die ewige Lampe (Glasgefäß mit Öl und Docht) über dem Altar. Seit dem 16. Jahrhundert wird Ampel mehr und mehr von dem Lehnwort «Lampe» (↑ Laterne) verdrängt. Entlehnt ist Ampel aus lateinisch ampulla (Fläschchen), einer Verkleinerungsform von lateinisch amphora (Gefäß mit zwei Henkeln), das wiederum auf griechisch amphoreús bzw. älter amphiphoreús (Gefäß mit zwei Henkeln) zurückgeht, eine Zusammensetzung aus dem Adverb amphi (auf beiden Seiten) und dem Verb phérō (tragen).
Was nun: volle Pulle oder leere Pulle oder gar Ampulle? Ja, auch das Substantiv Pulle geht (wie die Ampulle) auf ampulla zurück und hat sich Anfang des 18. Jahrhunderts auf den Weg aus dem Niederdeutschen in die Umgangssprache gemacht (und sich dort rasch etabliert).
Amtsschimmel
Älteste belegte Form: 19. Jahrhundert.
Wenn der Amtsschimmel wiehert, haben die Bürgerinnen und Bürger ja selten was zu lachen. Zumindest schmunzeln könnten sie allerdings, wenn sie erführen, was als lateinischer Ursprung des zweiten Bestandteils zwar nicht nachgewiesen ist, doch immerhin vermutet wird. Danach ist Schimmel eine volksetymologische Umdeutung von Simile, dem substantivierten Neutrum von lateinisch similis (ähnlich). Mit Simile wurde in den Kanzleien Kakaniens, das heißt des königlichen und kaiserlichen Österreichs, ein Formular, also ein amtlicher Vordruck, bezeichnet, mit dem man bestimmte Fälle eben auf «ähnliche» Weise behandeln konnte. Eine andere, «unlateinische» Deutung führt den Ausdruck auf eidgenössische Amtsboten zurück, die auf Schimmeln ritten, um amtliche Unterlagen zu überbringen.
Übrigens: Auch der Bestandteil Amt hat eine Geschichte, und zwar eine keltische. Dem Amt liegt nämlich keltisch ambaktos (Gefolgsmann) zugrunde (vergleiche französisch ambassade, ambassadeur).
anfachen ↑ fachen, fächeln, Fächer
Anker
Älteste belegte Form: 12. Jahrhundert.
Den Anker haben sich die Leute vom Niederrhein und von der Nordseeküste von den Römern erklären lassen (oder haben ihn sich einfach abgekuckt). So ein Schiffsanker war ja auch viel praktischer, als Boote, wie es dort bis dahin üblich war, einfach mit dicken Kaventsmännern festzusetzen. So ist in dieser Gegend auch das Wort Anker aus lateinisch ancora (Anker) entlehnt worden. Die Römer ihrerseits hatten den dreiarmigen Schiffsanker von den Griechen übernommen und damit auch das Wort aus griechisch ágkȳra.
Armbrust
Älteste belegte Form: 12. Jahrhundert.
Die Armbrust liegt dem Schützen schon irgendwie in den Armen und vor der Brust. Dennoch hat Armbrust (mittelhochdeutsch ar[m]brust, ar[m]brost) wortgeschichtlich weder mit Arm noch mit Brust zu tun. Zugrunde liegt vielmehr das volksetymologisch umgedeutete mittellateinische Substantiv arbalista (vielleicht über das altfranzösische arbalestre). Dabei wurde der zweite Teil des Wortes zunächst mit berust, berost (einem Neutrum mit der Bedeutung «Bewaffnung») in Beziehung gesetzt und, nachdem dieses Wort nicht mehr verwendet wurde, schließlich mit Brust (daher dann das Femininum). Das mittellateinische Wort geht allerdings zurück auf das lateinische arcuballista. Das war in der Antike eine Art Bogenschleuder, die sowohl als Handwaffe wie auch als beräderte Artillerie verwendet wurde. Das Wort setzt sich zusammen aus arcus (Bogen) und dem aus dem Griechischen entlehnten ballista (Schleudermaschine), das mit dem griechischen Verb bállein (schleudern) verwandt ist.
Übrigens: Zu ballista wurden Mitte des 19. Jahrhunderts die Fachwörter ballistisch (die Flugbahn eines Körpers betreffend) und Ballistik (Lehre von der Bewegung geschossener und geschleuderter Körper) gebildet.
Arzt
Älteste belegte Form: 9. Jahrhundert.