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Der vorliegende Tagungsband «Kapitalmarkt – Recht und Transaktionen» fokussiert wie immer auf aktuelle Entwicklungen im Bereich Finanz- und Kapitalmarktrecht unter besonderer Berücksichtigung von Transaktionen. Das Jahr 2019 war geprägt von einem stark wachsenden Bewusstsein für soziale und ökologische Themen, das auch vor Investoren nicht Halt gemacht hat. Eine wichtige Rolle spielten zudem der sich beschleunigende technologische Fortschritt und das sich anbahnende Ende des LIBOR. Entsprechend liegt der von den Herausgebern gesetzte Schwerpunkt auf Corporate Social Responsibility, der LIBOR-Ablösung und den zivil- und finanzmarktrechtlichen Aspekten der DLT-Vorlage des Bundesrates im Bereich Blockchain. Daneben erhalten auch traditionelle Themen wie Rechtsfragen im Zusammenhang mit Börsengängen und Analyst Reports Raum in diesem Band.
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Kapitalmarkt – Recht und Transaktionen XV von Thomas U. Reutter und Thomas Werlen wird unter Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell-Keine Bearbeitung 4.0 International lizenziert, sofern nichts anderes angegeben ist.
© 2020 – CC BY-NC-ND (Werk), CC BY-SA (Text)
Herausgeber: Thomas U. Reutter, Thomas Werlen – Europa Institut an der Universität ZürichVerlag: EIZ PublishingProduktion, Satz & Vertrieb: buch & netz, buchundnetz.comCover: buch & netz, buchundnetz.comISBN:978-3-03805-350-7 (Print – Softcover)978-3-03805-374-3 (PDF)978-3-03805-375-0 (ePub)978-3-03805-376-7 (mobi/Kindle)DOI: https://doi.org/10.36862/eiz-350Version: 1.01 – 20201203
Dieses Werk ist als buch & netz Online-Buch und als eBook in verschiedenen Formaten sowie als gedrucktes Buch verfügbar. Weitere Informationen finden Sie unter der URL:
Das schweizerische und internationale Kapitalmarktrecht befinden sich in ständigem Wandel. Eine Vielzahl technologischer Entwicklungen, wie zum Beispiel das Aufkommen von Digitalwährungen, stellen nicht nur Marktteilnehmer sondern auch die Rechtspraxis vor erhebliche Herausforderungen. Gleichzeitig tragen national und international vorangetriebene Gesetzesvorhaben zu einem sich verändernden rechtlichem Umfeld bei. Vor diesem Hintergrund beleuchten führende Vertreter aus der Praxis aktuelle Fragestellungen.
Die diesjährige Tagung befasste sich mit einer Reihe von neuen Themenfeldern und regulatorischen Neuerungen. Im Unterschied zu vergangen Jahren wurde kein Fokus auf ein ausgesuchtes Sachgebiet gelegt. Stattdessen wurde zu einer Reihe von Themen referiert, die aufgrund ihrer Aktualität von besonderem Interesse sind. Dazu zählen zum einen Fragestellungen im Zusammenhang mit Corporate Social Responsibility- ein Gebiet welches sich in den letzten Jahren wachsender Aufmerksamkeit erfreut. Zum anderen durften die Teilnehmer einem Referat über die rechtlichen Implikationen der Blockchain Technologie beiwohnen. Auch die Ablösung des LIBOR, in absehbarer Zeit eine Herausforderung für die internationalen Finanzmärkte, wurde behandelt. Zu aktuellen rechtlichen Veränderungen kamen Vorträge über Themen, die über die Jahre hinweg nicht an Aktualität eingebüsst haben.
Alex Nikitine widmete sich den Herausforderungen im Zusammenhang mit der Vorbereitung von IPO’s. Christina del Vecchio ging Fragen mit Bezug auf die Verwendung von Pre-Deal Recherche- Berichten nach. Oliver Favre zeigte auf, was die Ablösung des LIBOR für den Derivatemarkt bedeutet. Jürg Frick gab einen Überblick über rechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Intercreditor Verträgen Anette Weber und Thomas Reutter referierten über die Implikationen von „Corporate Social Responisbility für den Kapitalmarkt mit besonderem Fokus auf Green Bonds. Abschliessend befassten sich Arie Gerszt und Sonja Maire mit möglichen regulatorischen Änderungsvorschlägen im Blockchain Bereich.
Die Tagung richtete sich wie bereits seit nunmehr fünfzehn Jahren an Rechtsanwälte und Unternehmensjuristen im Bereich Kapital- und Finanzmarktrecht. Der Fokus lag wie bis anhin auf der Vermittlung von praktischem Know-how. Mit dem diesem Tagungsband hoffen die Herausgeber, die thematisch vielfältigen Beiträge aus dem schweizerischen Kapitalmarktrecht einem breiterem Publikum zugänglich zu machen.
Für das gute Gelingen der Tagung und der Veröffentlichung dieses Bandes möchten wir herzlich danken: den Referenten und Verfassern von Beiträgen, Frau Tiziana Rigamonti-Ammann für die Durchführung der Veranstaltung sowie Noura Ranja Mourad und Sue Osterwalder für die Gestaltung dieses Tagungsbandes.
Zürich, im August 2020
In den letzten Jahren hat die SIX Swiss Exchange mit Sitz in Zürich, die grösste und bekannteste Schweizer Börse, etliche Neuzugänge verzeichnet. In den Jahren 2019 und 2020 haben neun Unternehmen den Schritt auf das Börsenparkett gewagt, im Jahr 2018 waren es sogar zwölf.[1] Man darf durchaus davon ausgehen, dass noch das eine oder andere Projekt in der Pipeline steht und die Schweizer Börsen in den nächsten Jahren noch zahlreiche Neuzugänge verzeichnen dürfen, auch wenn die im Frühjahr 2020 ausgebrochene COVID-19-Pandemie einige dieser Pläne (einstweilen) durchkreuzt haben dürfte.[2]
Auch das vitale Venture Capital-Segment könnte seinen Beitrag zu Schweizer Börsengängen leisten und vielversprechende Kandidaten hervorbringen: Alleine im Jahr 2019 wurden fast CHF 2,3 Mrd. in Schweizer Start-ups und jüngere Unternehmen investiert, was einer Zunahme von über 85% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Dabei ist besonders hervorzuheben, dass auch mehrere Finanzierungsrunden mit einer Investitionssumme von mehr als CHF 100 Mio. durchgeführt worden sind. Es gibt sogar mehrere Schweizer (Jung-)Unternehmen, welche in die illustre Gruppe der „unicorns“ (Unternehmen, deren Bewertung CHF 1 Mrd. oder mehr beträgt) aufgenommen wurden.[3]
Es gibt zahlreiche Gründe, weshalb sich ein Unternehmen bzw. deren Eigner für einen Börsengang bzw. ein sog. initial public offering („IPO“)[4] entscheiden. In den meisten Fällen stehen Kapitalbeschaffungsmotive im Vordergrund, denn die Beschaffung von substantiellen Eigenmitteln ist bei Publikumsgesellschaften in der Regel als Folge des Zugangs zum Kapitalmarkt einfacher als bei privat gehaltenen Unternehmen. Häufig werden IPOs jedoch auch im Zusammenhang mit einem geplanten, allenfalls gestaffelten Ausstieg von Aktionären (Nachfolgeregelung) bzw. mit einer anderen beabsichtigten Änderung der Beteiligungsstruktur ins Auge gefasst. Hinzu kommen publizitätsbezogene Motive, geht ein IPO doch in der Regel Hand in Hand mit einer Steigerung der Bekanntheit und der Attraktivität als Arbeitgeber der entsprechenden Gesellschaft, was auch die Rekrutierung gesuchter Spitzenkräfte erleichtern kann.
Ungeachtet ihres (Haupt-)Motivs geht allen IPOs ein über mehrere Monate dauernder, komplexer Prozess hervor, der sich grundsätzlich in eine Vorbereitungsphase (umfassend sowohl den Zeitraum vor und nach dem „kick-off“ des IPO), in eine Vermarktungs- und Durchführungsphase sowie in eine Nachbereitungsphase unterteilen lässt. Die Vorbereitungsphase dient der Vorbereitung des Unternehmens auf das IPO, während die Vermarktungs- und Durchführungsphase mit einem Kundtun der IPO-Absichten („intention to float“) und der konkreten Suche nach Investoren beginnt und mit einer Preisfestlegung sowie dem Handelsstart endet. In der Nachbereitungsphase werden weitere, mit dem IPO zusammenhängende Aufgaben in Angriff genommen, wie beispielsweise Stabilisierungsprozesse, die Kommunikation mit den Medien, den Investoren sowie Analysten oder die Durchführung von Folgetransaktionen.[5]
In vielen Fällen „sterben“ IPO-Unterfangen jedoch bereits in der Vorbereitungsphase, also noch vor der eigentlichen offiziellen Lancierung eines solchen Projekts. Man spricht in diesem Kontext bzw. in dieser Vorphase von der Evaluation der „IPO-Readiness“. Die Beteiligten (meist Entscheidungsträger auf Seiten der Hauptaktionäre sowie der Verwaltungsrat, evtl. unter Beizug von ausgewählten Mitgliedern des Management) kommen im Rahmen dieser ersten Evaluation zusammen mit den Beratern zum Schluss, dass das Unternehmen als solches (oder dessen Eigner) nicht oder noch nicht „ready“ sind für einen Börsengang. Die Gründe, den Gang an die Börse vorerst auf Eis zu legen, dürften nicht selten darin liegen, dass die Konsequenzen und die Komplexität eines Börsengangs verkannt und/oder unterschätzt werden. Der vorliegende Beitrag identifiziert und beleuchtet ausgewählte Stolpersteine im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Börsengangs.
Jede anerkannte Börse regelt die Voraussetzungen für die Kotierung von Wertpapieren auf ihrem Handelsplatz. Es versteht sich von selbst, dass der Börsengang einer Gesellschaft überhaupt nur in Betracht gezogen werden kann, wenn die entsprechenden formellen Vorgaben der ins Auge gefassten Börse erfüllt sind. Die SIX Swiss Exchange regelt die für sie geltenden Vorgaben in einem Kotierungsreglement, das regelmässig angepasst und durch Rundschreiben erläutert wird. Das Gleiche gilt für die zweite vollwertige Börse in der Schweiz, die BX Swiss AG.[6]
Die Bestimmungen des Kotierungsreglements der SIX Swiss Exchange sehen insbesondere vor, dass das ausgewiesene (konsolidierte) Eigenkapital der Emittentin mindestens CHF 2,5 Mio. betragen muss.[7] Jener Betrag muss am ersten Handelstag vorliegen, weshalb der (Nominal-)Betrag einer allfälligen im Rahmen des IPO durchgeführten Kapitalerhöhung hinzugerechnet wird. Nicht zu berücksichtigen ist hingegen ein allfälliges Agio, welches typischerweise erst bei der Abrechnung des Erlöses zwischen der Emittentin und den Underwriting-Banken, mithin ein paar Tage nach Handelsbeginn zur Verfügung steht.[8]
Ferner ist vorgeschrieben, dass im Zeitpunkt der Kotierung eine ausreichende Streuung der Effekten bestehen muss. Eine solche gilt als erreicht, wenn die in der gleichen Kategorie ausstehenden Effekten des Emittenten zu mindestens 20% im Publikumsbesitz sind und die Kapitalisierung der sich im Publikumsbesitz befindenden Effekten (sog. „free float“) mindestens CHF 25 Mio. beträgt.[9]
Dabei bestimmt sich die Kapitalisierung der sich im Publikumsbesitz befindenden Beteiligungsrechte nach dem für die Eröffnung des Handels am ersten Handelstag angegebenen theoretischen Eröffnungspreis der Emittentin.[10]
Mit diesen Vorgaben zur Streuung und zur Kapitalisierung bezweckt die SIX Swiss Exchange das „Zustandekommen eines marktmässigen Handels“.[11] In der Regel dürfte das Erreichen dieser Zielgrössen Gesellschaften, die ein IPO ins Auge fassen, keine Schwierigkeiten bereiten. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass für die effektive Kapitalmarktfähigkeit wohl erheblich höhere Anforderungen gelten. So beträgt beispielsweise die durchschnittliche Marktkapitalisierung der Unternehmen, die seit Beginn des Jahres 2010 an der SIX Swiss Exchange kotiert wurden, rund CHF 2,37 Mrd. und der Median immerhin ebenfalls noch rund CHF 525,7 Mio. Lediglich drei von insgesamt 52 Unternehmen wiesen zum Zeitpunkt des ersten Schlusskurses eine Marktkapitalisierung von unter CHF 100 Mio. auf.[12] Auch die mit der Begleitung von IPOs beauftragten Investmentbanken äussern sich oft dahingehend, dass der free float bei einer tiefen Marktkapitalisierung mindestens CHF 50–100 Mio. betragen sollte (und dieser Anteil mind. ein Drittel der Marktkapitalisierung ausmachen sollte). Vielfach dürften IPO-Projekte daher bereits an einer (noch) zu tiefen Bewertung des Unternehmens scheitern.
Die weitere Voraussetzung, wonach die Emittentin mindestens drei Jahres als Gesellschaft bestanden haben muss, dürfte hingegen kaum jemals ein Hindernis darstellen (im Übrigen gäbe es Ausnahmeregelungen für junge Gesellschaften).[13]
Das Kotierungsreglement der SIX Swiss Exchange schreibt ferner vor, dass Emittenten von Beteiligungsrechten grundsätzlich entweder IFRS, US GAAP, Swiss GAAP oder den bankengesetzlichen Rechnungslegungsstandard anwenden müssen.[14] Häufig führen Schweizer Gesellschaften ihre Bücher jedoch nach den Rechnungslegungsbestimmungen des schweizerischen Obligationenrechts oder einem anderen von der SIX Swiss Exchange nicht anerkannten Rechnungslegungsstandard. Dem Schritt an die Börse geht daher nicht selten eine Umstellung des anzuwendenden Rechnungslegungsstandards voraus. Ein solcher Wechsel kann mit einem erheblichen Aufwand verbunden sein, insbesondere wenn in den vorherigen Jahren die für die Erstellung benötigten Zahlen nicht, nicht umfassend oder sogar falsch ermittelt bzw. geprüft worden sind und daher vorab ein komplexer und langwieriger Aufarbeitungsprozess notwendig ist.
In zeitlicher Hinsicht zu beachten ist zudem auch, dass das Kotierungsreglement vorschreibt, dass die Emittentin ihre Jahresabschlüsse für die drei dem Kotierungsgesuch vorangegangenen vollen Geschäftsjahre entsprechend dem anwendbaren Rechnungslegungsstandard erstellt haben muss.[15] Potentielle Emittenten müssen daher – wiederum Ausnahmen vorbehalten – über diesen „track record“ verfügen. Ist Letzteres nicht erfüllt, müssen jene Jahresabschlüsse nochmals im Einklang mit den relevanten Rechnungslegungsstandards erstellt werden.
Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang auch die verschärften Anforderungen bei Vorliegen wesentlicher Strukturveränderungen. Demnach müssen im Kotierungsprospekt zusätzliche Finanzzahlen veröffentlicht werden, wenn die Struktur einer Emittentin eine wesentliche Änderung erfahren hat, die nicht in einem geprüften Abschluss dargestellt ist.[16] Wann eine solche wesentliche Strukturveränderung vorliegt, ergibt sich auf Grundlage einer Veränderung von mehr als 25% bestimmter Kennzahlen (u.a. von Ertrag, Umsatz und Bilanzsumme), die nach bestimmten vorgegebenen Formeln zu berechnen sind.[17] Als Strukturveränderungen gelten dabei insbesondere:
eine wirtschaftliche Fortführung eines bereits bestehenden Unternehmens oder von Unternehmensteilen in einer neuen Struktur;eine Fusion sowie Akquisition unter Verwendung des Erlöses aus der vorliegenden Kapitalmarkttransaktion oder durch Sacheinlage;eine Abspaltung von Unternehmen oder Unternehmensteilen; oderwenn sich die Emittentin aus Gesellschaften zusammensetzt, die unter einheitlicher Leistung standen, aber in der Vergangenheit nie konsolidierte Zahlen erstellt haben.[18]Die Finanzabschüsse sind von einem staatlich beaufsichtigten Revisionsunternehmen zu prüfen.[19] Unter Umständen geht ein IPO-Projekt daher auch mit einem Wechsel der Revisionsstelle einher (vielfach hin zu grösseren und bekannteren Revisionsgesellschaften, welche sich mit der Prüfung von Publikumsgesellschaften auskennen).
Der im Zusammenhang mit den Finanzabschlüssen notwendige Vorbereitungsaufwand von potentiellen neuen Emittenten und dessen Dauer dürfen keinesfalls unterschätzt werden. Gesellschaften, die kurz- oder mittelfristig an einem IPO interessiert sind, tun daher gut daran, frühzeitig interne Prozesse und Abläufe zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen und mit der Revisionsstelle Kontakt aufzunehmen bzw. eine Revisionsstelle zu engagieren, die die gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben erfüllt. Die Revisionsstelle sollte sodann bereits zu Beginn in das Projekt einbezogen werden. Dies umso mehr, falls im Zusammenhang mit dem IPO oder in dessen Vorfeld Umstrukturierungen geplant sind (beispielsweise die Reorganisation zum Zwecke der Gründung einer neuen Holding-Gesellschaft, deren Aktien kotiert werden sollen).
Ein robuster und attraktiver Investment Case ist zentral für das Gelingen eines IPO. Bei jenem handelt es sich im Wesentlichen um eine Zusammenstellung und Erläuterung derjenigen Attribute, welche die Investoren dazu bewegen sollen, im Rahmen des Börsengangs in das konkrete Unternehmen zu investieren. Er dient dazu, das Interesse und die Begeisterung potentieller Investoren zu wecken, indem dargelegt wird, weshalb Investoren gerade in dieses und nicht in ein anderes Unternehmen investieren sollen. Der Investment Case wird die Gesellschaft durch den ganzen Prozess eines IPO begleiten und sollte daher klare, positive und wahrheitsgetreue Aussagen reflektieren. Dabei sollten sich die im Investment Case eingearbeiteten Aussagen auf eine klare Unternehmensstrategie und einen überzeugenden Business Plan abstützen können. Die Erstellung des Investment Cases bietet den obersten Leitungsorganen gleichzeitig eine ideale Gelegenheit, die eigene Wahrnehmung mit den tatsächlichen Gegebenheiten abzugleichen und Bestehendes kritisch zu hinterfragen. Nicht selten wird im Zuge eines IPO-Projekts eine Unternehmensstrategie etwas angepasst, um den Investment Case für potentielle Investoren interessanter zu machen. Im Rahmen solcher Anpassungen kommt es gelegentlich auch vor, dass die Unternehmensstrategie enger bzw. fokussierter definiert wird.
Folgende Themenbereiche dürften in der Regel bei der Erarbeitung eines Investment Cases berücksichtigt werden:[20]
Strategie Verfolgt man eine Wachstums- oder eine Renditestrategie?Möchte man sich in einem Nischenmarkt positionieren oder skalieren?Industrie Was sind die Entwicklungen/Trends?Wie beständig bzw. dynamisch ist die Industrie?Produkt Verfügt man über eine besondere Technologie oder ein besonderes Produkt?Hat man Wettbewerbsvorteile (z.B. „first mover-advantage“, günstigster Anbieter)?Markt Was ist das Markt- bzw. das Wachstumspotential?Welche Markthindernisse gibt es?Welchen Marktanteil strebt man an?Auf welches Gebiet möchte man sich konzentrieren?Mitstreiter Wer sind die Hauptmitstreiter?Gibt es möglich Synergien?Verwaltungsrat/Geschäftsführer Wie setzen sich die obersten Leitungsorgane zusammen?Gibt es nennenswerte Neuzugänge im Zusammenhang mit dem IPO?Über welche Erfahrung verfügen die Mitglieder des obersten Leitungsorganes?Was waren die grössten Erfolge in der Vergangenheit?Die einzelnen Komponenten sind in sinnvoller Weise miteinander zu verflechten, auf die Gesellschaft abzustimmen und ansprechend zu präsentieren.
In der Praxis kristallisieren sich bei den Investment Cases der IPO-Kandidaten primär zwei Grundkategorien heraus: Einerseits solche, die ein „Dividenden-Modell“ vermarkten und anderseits solche, die auf das „Wachstums-Modell“ fokussieren. Wie die Bezeichnung unschwer erkennen lässt, handelt es sich beim „Dividenden-Modell“ meistens um den Investment Case etablierter Unternehmen, die in der Vergangenheit bereits attraktive Dividenden ausbezahlt haben und dies idealerweise auch für die Zeit nach dem Börsengang in Aussicht stellen können. Die Attraktivität für potentielle Investoren liegt in diesem Fall daher primär in einer möglichen hohen Dividendenrendite.[21] Beim „Wachstums-Modell“ dürfen die Investoren hingegen primär auf eine positive Kursentwicklung und eine dadurch erzielte Wertsteigerung hoffen, beispielsweise weil die Gesellschaft im Prozess ist, ein Produkt zu entwickeln, bei welchem eine hohe Nachfrage erwartet wird. Häufig lässt sich der Investment Case eines Unternehmens jedoch nicht einer einzigen Kategorie zuordnen, zumal er auch Elemente der jeweils anderen Kategorie enthält und es gewisse Überschneidungen gibt.
Der Erfolg oder das Scheitern eines IPO-Projekts steht und fällt mit dem Investment Case und hängt erheblich von dessen Qualität und Überzeugungskraft ab. Entsprechend sorgfältig sollten die obersten Leitungsorgane bei seiner Erarbeitung vorgehen. Üblicherweise dürfte es zudem angezeigt sein, bereits in diesem Stadium erfahrene Berater beizuziehen, die die Unternehmensführung bei der Erarbeitung des Investment Cases zielführend unterstützen. Im Vordergrund dürfte dabei, insbesondere auch im Hinblick auf eine spätere Vermarktung des Investment Cases, der Beizug einer auf den Finanzmarkt spezialisierten PR-Agentur stehen.
Ohne eine professionelle organisatorische Struktur, welche in eine zeitgemässe Corporate Governance eingebettet ist, dürfte der Börsengang und das Fortbestehen an der Börse eines Unternehmens zum Scheitern verurteilt sein. IPO-Kandidaten sollten daher darum besorgt sein, bereits in der Vorbereitungsphase die entsprechenden Strukturen zu schaffen. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die nachfolgenden Teilbereiche zu richten:
Selbstredend sollte frühzeitig Klarheit darüber bestehen, welche Gesellschaft zu kotieren sei und welche Gesellschaften von der IPO-Gruppe ausgenommen werden sollen. Im Falle mehrerer Gruppengesellschaften ist es angezeigt bereits früh zu prüfen, inwieweit eine Reorganisation notwendig oder sinnvoll erscheint. Dabei dürften primär operative, steuerliche und risikobezogene Überlegungen im Vordergrund stehen. Die Investoren bevorzugen grundsätzlich klare und einfache Verhältnisse, was bei der Planung des IPO ebenfalls berücksichtigt werden sollte. Vielfach wird die Gruppenstruktur so angepasst, dass nicht die Aktien des operativen Unternehmens kotiert werden, sondern jene einer neu zu gründenden Holdinggesellschaft.[22] Falls sich Umstrukturierungen oder Reorganisationen aufdrängen, so müssen dafür genügend Zeit und Ressourcen eingeplant werden.
In der Praxis muss man leider oft feststellen, dass die Gesellschaft in der Vergangenheit gewissen rechtlichen Aspekten nicht genügend Beachtung geschenkt hat und daher in dieser Hinsicht gewisse Mängel vorliegen. Es handelt sich dabei um Problemfelder, die typischerweise im Rahmen einer klassischen rechtlichen Due Diligence in Erscheinung treten. So bemerkt man beispielsweise, dass die Eigentumsverhältnisse betreffend wichtige Vermögenswerte der Gesellschaft (wie Patente oder Lizenzrechte), unklar sind, weil zu Beginn nicht eine klare Abgrenzung vorgenommen wurde bzw. schon früher vorhandene Rechte nicht auf die Gesellschaft übertragen worden sind. Auch können die Gesellschaften oft nicht eine ununterbrochene „chain-of title“, mithin eine lückenlose Übertragungskette, betreffend ihre eigenen Anteile oder derjenigen allfälliger Tochtergesellschaften nachweisen. Erfahrungsgemäss lassen sich solche Probleme aber oft mit einem gewissen Aufwand beheben. Da aber auch hierfür genügend Zeit und Ressourcen eingeplant werden müssen, sollte man sich ihrer nach Möglichkeit bereits vor dem eigentlichen kick-off des IPO annehmen. In der Praxis tauchen diese Probleme leider oftmals erst in einer gründlichen Due Diligence nach der offiziellen Lancierung des Projekts auf.
Für börsenkotierte Unternehmen gelten in Bezug auf die Corporate Governance und interne Kontrollen deutlich höhere Anforderungen als für privat gehaltene Unternehmen. Mit Corporate Governance sind sämtliche Grundsätze, Bestimmungen und Verfahren gemeint, nach denen ein Unternehmen geführt und betrieben werden soll.[23] Hauptzweck ist die Schaffung funktionierender Kontrollsysteme (checks and balances), klarer Kompetenzregelungen, Vorgaben zum Umgang mit Risiken, vereinfachte Entscheidprozesse sowie Transparenz. Gute Corporate Governance-Abläufe stärken das Vertrauen der Investoren in das Unternehmen, vereinfachen das IPO und führen daher insgesamt zu einer höheren Bewertung.[24] Es ist daher essentiell, die Gesellschaft bereits vor dem Börsengang auf die erhöhten Ansprüche der Börse und der verschiedenen market players vorzubereiten.
Im Rahmen eines geplanten Börsengangs an einer Schweizer Börse sollten IPO-Kandidaten dabei insbesondere folgenden Gesetzen und Regularien Beachtung schenken:
Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften („VegüV“): Die VegüV ist am 1. Januar 2014 als Folge der Volksinitiative „gegen die Abzockerei“ in Kraft getreten. Sie wird im Rahmen der „grossen“ Aktienrechtsversion auf Stufe eines formellen Gesetzes umgesetzt.[25] Die entsprechenden Bestimmungen sollen die Auszahlung übermässiger Vergütungen der Gesellschaft an die Mitglieder der Leitungsorgane verhindern. Es wird insbesondere geregelt, welche Arten von Vergütungen unzulässig sind und welche Bestimmungen börsenkotierte Gesellschaften im Zusammenhang mit Vergütungen in die Statuten aufnehmen müssen. Die Rechte der Aktionäre, insbesondere das Mitwirkungs- und Mitspracherecht, wurden erheblich gestärkt; so bedürfen sämtliche Vergütungen der Leitungsorgane der Zustimmung der Generalversammlung. Zudem müssen börsenkotierte Aktiengesellschaften einen Vergütungsausschuss bilden, der aus Mitgliedern des Verwaltungsrats bestehen muss. In einem jährlich zu erstellenden Vergütungsbericht ist der Verwaltungsrat ferner verpflichtet, Vergütungen, Kredite und Darlehen offenzulegen, die die Gesellschaft an die Mitglieder der Führungsorgane und ihnen nahestehenden Personen ausgerichtet hat. Schliesslich ist in der VegüV (i) eine Einzelwahl der Mitglieder des Verwaltungsrats und des Vergütungsausschusses, (ii) die Wahl des Präsidenten des Verwaltungsrats und (iii) die Bestimmung eines unabhängigen Stimmrechtsvertreters durch die Generalversammlung vorgesehen.Richtlinie betr. Informationen zur Corporate Governance der SIX Swiss Exchange: Diese Richtlinie verpflichtet Emittenten, ihren Aktionären bestimmte in einem Anhang aufgeführte Schlüsselinformationen zur Corporate Governance in einem separaten Kapitel des Geschäftsberichts zugänglich zu machen. Äussern muss sich die Emittentin insbesondere zu folgenden Themenbereichen: Konzernstruktur und AktionariatKapitalstrukturVerwaltungsratGeschäftsleitungEntschädigungen, Beteiligungen und DarlehenMitwirkungsrechte der AktionäreKontrollwechsel und AbwehrmassnahmenRevisionsstelleInformationspolitikDabei sollen sich die Emittenten auf das für die Investoren Wesentliche beschränken und die Informationen in einer sachgerechten und verständlichen Weise darlegen, wobei die Offenlegung dem „comply or explain“-Prinzip unterliegt. Sieht eine Emittentin demnach von der Offenlegung von bestimmten Informationen ab, so ist dies im Geschäftsbericht explizit zu erwähnen und die Abweichungen sind einzeln und substantiell zu begründen.
Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance („SCBP“): Beim SCBP handelt es sich um vom economiesuisse, dem Verband der Schweizer Unternehmen aus allen Branchen, erlassene Leitlinien und Empfehlungen, die sich an schweizerische Publikumsgesellschaften richten. Die enthaltenen Empfehlungen können nicht unmittelbar durch rechtliche Sanktionen durchgesetzt werden. Da sie sich aber als allgemeiner Standard weitgehend etabliert haben, kann es sich eine Emittentin nicht leisten, diese Richtlinien einfach zu ignorieren. Die Regulierung erfolgt daher gewissermassen durch den Markt selbst. Die im SCBP enthaltenen Empfehlungen äussern sich unter anderem zur Ausgestaltung und Verstärkung der Aktionärsrechte wie beispielsweise dem Zugang zu Informationen und die Ausübung der Stimm- und Mitspracherechte sowie zur Organisation, Zusammensetzung und Arbeitsweise des Verwaltungsrats sowie die Unabhängigkeit seiner Mitglieder.[26]Investoren börsenkotierter Unternehmen haben hohe Anforderungen an die Personen im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung. Gerade bei IPO-Kandidaten aus dem Venture Capital-Bereich trifft man häufig gründerdominierte Strukturen an, was im Markt kritisch betrachtet wird. Es ist vorteilhaft, wenn man den potentiellen Anlegern Führungspersonen präsentieren kann, die bereits über relevante Marketing-, Führungs-, Entwicklungs-, und Finanzerfahrung mit börsenkotierten Unternehmen verfügen. Unter Umständen ist daher eine Ergänzung der Leitungsebene mit geeigneten Personen oder eine komplette Neuorganisation der Führungsebene angezeigt. Der zeitliche und organisatorische Aufwand im Zusammenhang mit dem entsprechenden Rekrutierungsprozess muss bei der Planung des IPO unbedingt miteinkalkuliert werden und ist nicht zu unterschätzen. Die Suche nach erfahrenen Führungskräften kann je nach Branche durchaus ein Jahr in Anspruch nehmen. Die Leitungsorgane sollten ausgewogen zusammengesetzt sein. Bei der Zusammensetzung darf insbesondere auch den Empfehlungen des SCBP Beachtung geschenkt werden. Wichtig ist demnach insbesondere, dass
der Verwaltungsrat genügend klein ist, damit eine effiziente Willensbildung möglich ist, aber auch genügend gross ist, damit seine Mitglieder Erfahrung und Wissen aus verschiedenen Bereichen ins Gremium einbringen und die Funktion von Leitung und Kontrolle unter sich verteilen können;dem Verwaltungsrat Mitglieder beider Geschlechter[27] angehören;bei den Mitgliedern des Verwaltungsrats eine angemessene Diversität der Mitglieder sichergestellt ist;eine Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungsrats unabhängig und damit nicht exekutiv ist; undim Fall einer Gesellschaft, die in erheblicher Weise im Ausland tätig ist, auch Personen mit langjähriger internationaler Erfahrung oder ausländische Mitglieder dem Verwaltungsrat angehören.[28]Die hiervor erwähnten Prinzipien sollten natürlich auch bei der Zusammenstellung der Geschäftsleitung nicht ausser Acht gelassen werden.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die zusätzlichen Pflichten rechtlicher und regulatorischer Art, welche Mitglieder der Leitungsorgane bei einem börsenkotierten Unternehmen übernehmen, kombiniert mit einem erhöhten öffentlichen Interesse, auch etliche Risiken mit sich bringen, welchen sich die Mitglieder der Führungsebene notwendigerweise aussetzen müssen. Nicht selten verpflichten sich börsenkotierte Unternehmen zu gewissen Schadloshaltungen und/oder es wird auf sogenannte D&O-Versicherungen zurückgegriffen, die den betroffenen Mitgliedern der Führungsorgane allfällige Prozess- und Parteikosten und weitere Auslagen, für die sie haftbar sind, ersetzen sollen. In den meisten Fällen dürfte es sicherlich angezeigt sein, bereits vor dem IPO entsprechende Vorkehrungen zu treffen.
Im Rahmen eines IPO muss häufig festgestellt werden, dass bestehende Programme, Systeme und Abläufe den Anforderungen eines börsenkotierten Unternehmens nicht mehr ausreichend gerecht werden können. Zu den Vorbereitungshandlungen eines IPO gehört daher auch die Prüfung, ob die Systeme dem zu erwartenden Wachstum der Gesellschaft Rechnung tragen können und in der Lage sind, die Informationen so zu verarbeiten, dass die neuen Anforderungen an die Offenlegung und Compliance erfüllt werden können. Zu den Bereichen, die besonders risikobehaftet sind, gehören insbesondere Buchhaltungssysteme, HR-Systeme sowie Systeme betreffend das Management von Kundenbeziehungen.
Es versteht sich von selbst, dass ein IPO der Mitwirkung der aktuellen Eigentümer der potentiellen Emittenten bedarf. Es kann daher vorkommen, dass ein IPO-Projekt bereits an der Einstellung und den Plänen der bestehenden Aktionäre scheitert.
Bevor Pläne über ein IPO geschmiedet werden, sollte im bestehenden Aktionariat Einigkeit darüber bestehen, ob ein IPO kurz- oder mittelfristig überhaupt in Frage kommt. Gerade wenn das IPO als möglicher Exit dienen soll, kommt es vor, dass gewisse Aktionäre einen Privatverkauf vorziehen würden, weil sie sich so einen höheren Verkaufserlös erhoffen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass bei einem IPO in der Regel ein Discount in der Höhe von durchschnittlich 10% gewährt werden muss, um einerseits die Investoren für ihre Risikobereitschaft zu entschädigen und um andererseits sicherzustellen, dass sich der Börsenkurs vielversprechend entwickelt.[29] Möglich ist auch, dass einige Aktionäre mit einem IPO noch zuwarten möchten, weil sie mit einer Steigerung der Bewertung rechnen und sich dadurch bei einem späteren Exit, sei es mittels IPO oder durch Privatverkauf, einen höheren Verkaufserlös erhoffen.
Hinzu kommt, dass sich die bisherigen Aktionäre oft auch nach einem IPO eine Beherrschung des Unternehmens, insbesondere über die Kontrolle der Stimmrechte an der Generalversammlung oder über den Verwaltungsrat, wünschen, in das sie viele Jahre ihr Herzblut gesteckt haben oder das seit Jahrzehnten im Besitz der Familie ist. Dies liesse sich zum Beispiel durch die Schaffung separater Wertpapierkategorien wie Stimmrechtsaktien oder Partizipationsscheinen erreichen, womit bestimmten Aktionären auch nach dem IPO besondere Rechte gewährt werden können.[30] Die Ausgabe von Wertpapieren „zweiter Klasse“ wirkt sich jedoch selbstverständlich auf den Preis aus. Dies lässt sich oft nur schwer mit dem Ziel vereinbaren, viel Kapital zu einer sehr hohen Bewertung aufzunehmen. Erschwerend kommt dabei hinzu, dass Investoren genügend free float erwarten (siehe dazu auch oben, II.1.b).
Möchte man später keine bösen Überraschungen erleben, ist es zusammengefasst sicher ratsam, die bestehenden Aktionäre oder zumindest jene, die über weitgehende Mitsprache- und Kontrollrechte verfügen, im Hinblick auf ein geplantes IPO bereits früh an Bord zu holen und sie in die wesentlichen Entscheide miteinzubinden.
Mangels abweichender Regelung in Verträgen, wie insbesondere Aktionärsbindungsverträgen, sind die Offenlegungspflichten für Aktionäre einer privat gehaltenen Gesellschaft minimal. Dies ändert sich, sobald die Gesellschaft den Schritt auf das Börsenparkett wagt. Bereits im Rahmen des Kotierungsverfahrens ist ein Prospekt einzureichen, der die für einen Entscheid der potentiellen Investoren wesentlichen Angaben betreffend die Emittentin enthalten muss. Neben Informationen zum Verwaltungsrat, der Geschäftsleitung, der Revisionsstelle und allfälliger weiterer Organe sowie die letzten Jahresrechnungen, sind auch Informationen über die Geschäftslage sowie wesentliche Perspektiven, Risiken und Streitigkeiten preiszugeben. Schliesslich muss der Prospekt auch Angaben zu den angebotenen Effekten und dem Angebot selbst wie namentlich die Art der Platzierung und den geschätzten Nettoerlös der Emission bekanntmachen.[31]
Auch und gerade nach dem Börsengang haben börsenkotierte Unternehmen weitgehende Informationspflichten gegenüber ihren Investoren und der Öffentlichkeit. Jene sollen eine kontinuierliche Transparenz betreffend das Unternehmen sicherstellen. Dabei unterscheidet die SIX Swiss Exchange zwischen wiederkehrenden und ereignisbezogenen Pflichten.
Die wiederkehrenden Pflichten sind periodische und planbare Informations- und Ausweispflichten. Die sogenannten Regelmeldepflichten als erste Untergruppe dieser wiederkehrenden Pflichten, betreffen technische und administrative Informationen zu der Emittentin und zu den Effekten. Darunter fallen beispielsweise Änderungen des Namens oder des Sitzes der Emittentin, Veränderungen der Kapitalstruktur, Informationen zu einer Dividende, der Generalversammlung sowie die Anpassung von Weblinks. Ziel dieser Regelung ist es sicherzustellen, dass der Börse und den Markteilnehmern die entsprechenden Informationen über die kotierten Effekten rechtzeitig und in geeigneter Form zur Verfügung stehen.
Ferner ist ein börsenkotiertes Unternehmen verpflichtet, ein wahrheitsgetreues Bild über die Finanz- und Ertragslage zu vermitteln. Wesentlicher Bestandteil davon sind insbesondere die Publikation des Jahresberichts innerhalb von vier Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres sowie allfällige Zwischenberichte innerhalb von drei Monaten nach Ende der betreffenden Periode.
Letztlich sind in diesem Zusammenhang auch auf die bereits diskutierten Pflichten zur Offenlegung bestimmter Informationen betreffend Corporate Governance im Geschäftsbericht zu verweisen (siehe oben, II.3.c).
Bei den ereignisbezogenen Pflichten handelt es sich demgegenüber um Publikationspflichten, die unregelmässig auftreten und die Emittentin verpflichten, ihre Investoren und die Öffentlichkeit über ein bestimmtes Ereignis zu informieren. Im Rahmen der Ad-hoc-Publizität sind potentiell kursrelevante, aber nicht öffentlich bekannte Tatsachen, die eine Emittentin betreffen, bekanntzugeben. Dies kann beispielsweise Änderungen betreffend den Gewinn, Umstrukturierungen oder personelle Änderungen der obersten Führungsebenen betreffen.
Zudem müssen börsenkotierte Unternehmen Transaktionen gewisser Finanzinstrumente durch die Mitglieder ihrer Verwaltungs- und Geschäftsführungsorgane offenlegen.
Letztlich trifft auch die Aktionäre von börsenkotierten Gesellschaften eine Offenlegungspflicht. Sie müssen unter anderem beim Erreichen, dem Über- oder dem Unterschreiten von Stimmrechts-Grenzwerten in der Höhe von 3%, 5%, 10%, 15%, 20%, 25%, 331⁄3%, 50% oder 662⁄3% eine entsprechende Meldung an die Emittentin und die Offenlegungsstelle einreichen.[32]
Der Gang an die Börse und die anschliessende Aufrechterhaltung der Kotierung geht Hand in Hand mit einem Verlust der Privatsphäre. Es müssen Facetten des Geschäfts einer Gesellschaft, ihrer Aktionäre und ihrer Finanzen an Mitstreiter, Klienten und Arbeitnehmer offengelegt werden, die vorher ausser den obersten Führungsorganen einer Gesellschaft niemandem bekannt waren. Es ist daher durchaus nachvollziehbar, dass sich die Eigentümer einer Gesellschaft, sobald sie sich mit diesen zahlreichen Offenlegungspflichten auseinandergesetzt haben, gegen eine Börsenkotierung entscheiden. Vor diesem Hintergrund ist wichtig, dass die entsprechenden Protagonisten (insbesondere bei Familienunternehmen) früh über die signifikant höhere Transparenz bei Publikumsgesellschaften aufgeklärt werden.
Ein IPO und das anschliessende „Leben“ als börsenkotierte Gesellschaft ist mit Kosten verbunden. Ein IPO wird in der Regel engmaschig von einem Team aus Experten, insbesondere den Syndikatsbanken, Rechtsanwälten, Revisoren und PR-Beratern unterstützt. Es versteht sich von selbst, dass für die entsprechenden Honorare erhebliche Kosten anfallen. Auch die Börse stellt gewisse Gebühren in Rechnung, die teilweise von der Kapitalisierung des Unternehmens abhängen. Es muss davon ausgegangen werden, dass sich die Gesamtkosten eines IPO in der Regel auf 2% bis 5% der Transaktionssumme belaufen.[33] Auch nach dem Börsengang dürften die erhöhten Anforderungen, insbesondere betreffend die Kommunikation mit den Investoren, die Rechnungslegung, die Offenlegung und Corporate Governance wie auch die Organisation und Infrastruktur, sowohl intern zu einem höheren Aufwand wie auch extern zu höheren Kosten (beispielsweise für Berater) führen. Zwar ist davon auszugehen, dass eine Kandidatin für einen Börsengang, welche die notwendige Kapitalisierung aufbringt, auch solche Mehrkosten stemmen könnte, dennoch sollte ihre Höhe nicht unterschätzt werden.
Es kommt weiter vor, dass gewisse Hindernisse in vertraglicher Hinsicht bestehen, die vor dem kick-off des IPO-Projekts behoben werden müssen. So ist es möglich, dass die bestehenden Eigentümer in einem Aktionärsbindungsvertrag hohe Quoren für ein IPO festgelegt haben oder dass beim Entwurf des Aktionärsbindungsvertrages der Möglichkeit eines IPO keine Beachtung geschenkt wurde und deswegen eine fehlerhafte Struktur gewählt worden ist (z.B. bei der Regelung einer Vorzugsdividende im Falle eines Exits).
Ferner kann sich ein gewähltes Vertragssetup als hinderlich erweisen. Hängt ein Grossteil der Geschäftstätigkeit und des Umsatzes von einem einzigen Vertragspartner ab und lässt sich der zugrundeliegende Vertrag einfach beenden, so dürfte dies den Investoren ein zu hohes Risiko sein. Um zu vermeiden, dass entsprechende Schranken erst im Due Diligence-Prozess erkannt werden, empfiehlt es sich daher, bereits vor dem kick-off einen Blick auf die von der Gesellschaft oder ihren Aktionären abgeschlossenen Verträge zu werfen, um potentielle Problemfelder möglichst früh zu identifizieren.