Käpten Sturm - Das Geheimnis des grünen Diamanten - Daniel Kowalsky - E-Book

Käpten Sturm - Das Geheimnis des grünen Diamanten E-Book

Daniel Kowalsky

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Beschreibung

Das fünfte Abenteuer mit Käpten Sturm! Um eine alte Schuld zu begleichen, muss Käpten Sturm einen sagenumwobenen grünen Diamanten beschaffen. Doch die einzige Person, die zu wissen scheint, wo sich der Diamant befindet, ist verschwunden. Die Zeit läuft … All das lesen Lenny und Anne in dem Logbuch, das sie in einem Geheimgang hinter dem Schlafzimmer ihrer Eltern finden. Doch sie erfahren noch mehr: Während sie hinter der Zimmerwand nach der Seefahrerkiste suchen, unterhalten sich ihre Eltern darüber, dass der Vater entlassen wurde. Lenny und Anne sind empört über die Ungerechtigkeit des Chefs. Den wollen sie sich vorknöpfen! Ob das gutgehen kann?

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Seitenzahl: 186

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SCM R.Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-417-27107-2 (E-Book)

ISBN 978-3-417-28085-2 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI Clausen & Bosse GmbH, Leck

© 2024 SCM Verlag in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Straße 41 | 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-verlag.de; E-Mail: [email protected]

Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:

Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002, 2006 und 2017

SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Holzgerlingen.

Umschlaggestaltung: Sybille Koschera, Stuttgart

Titelbild und Illustrationen: Elke Broska, Wiesbaden

Satz: Katrin Schäder, Velbert

Lektorat der kompletten Reihe: Damaris Müller

Inhalt

Vorgeschichte

1. Das fünfte Logbuch

2. Geplatztes Glück

3. Hoffnung

4. Papas Geheimnis

5. Lenny und Anne legen los

6. Kurs Brondholm

7. Ein verwegener Plan

8. Rache ist süß, Lucio ist sauer

9. In großer Bedrängnis

10. Tsunami

11. Picknick am Strand

12. Smoltje Kesk

13. Das Geheimnis des grünen Diamanten

14. Der wahre Schatz im Leben

15. Der Löwe brüllt

16. Papa in großen Schwierigkeiten

17. Familie Schmidt in geheimer Mission

Lenny11 Jahre altRuhiger als seine Schwester AnneEr kann sehr schnell rennen und weit springen, aber ganz schlecht Bälle werfen.

Anne8 Jahre altLieblingsfach: Deutsch Hassfach: MatheObwohl sie oft mit ihrem Bruder Lenny streitet, hält sie immer zu ihm, wenn es drauf ankommt.

Wilbert Boynen SturmKapitän der Esmeralda22 Jahre altBeste Freunde: Seebär und Brummel

Safira Alminetti11 Jahre altArtistinSie hasst es, das Schiffsdeck zu schrubben.

VORGESCHICHTE

ZUR ZEIT DER SEEFAHRER UND PIRATEN

Safira schaute vom Ufer aus zu dem Piratenschiff hinüber, das in einer kleinen Bucht vor Anker lag. Obwohl es ziemlich dunkel war, konnte sie alles genau erkennen. Sie beobachtete das Schiff schon eine ganze Weile, und jetzt waren die letzten Piraten endlich in ihren Kojen verschwunden.

Auf Safiras rechter Schulter hockte Toto, ein süßer, kleiner Affe. Er hatte seinen Arm um ihren Hals gelegt und zupfte liebevoll an ihren Haaren. Auf der anderen Schulter saß Kiki. Sie war eine schlaue Papageiendame, deren lockere Sprüche geradezu legendär waren. Mit ihrem krummen Schnabel knabberte sie gerade sanft an Safiras Ohr.

Beide Tiere waren jedoch absolut still, weil Safira es ihnen befohlen hatte – aus gutem Grund. Denn Safira hatte einen Plan. Und der war brandgefährlich. Zudem lief ihr langsam, aber sicher die Zeit davon: In einer Stunde würde die Sonne aufgehen.

Doch was war geschehen und wie war es dazu gekommen?

Safira war mit den beiden Matrosen Seebär und Brummel zu einem Hafen an der Ostsee gefahren. Dort wollten sie auf einem Wochenmarkt frischen Fisch und viele andere Lebensmittel und Leckereien einkaufen. Am nächsten Tag sollte nämlich die offizielle Verlobung von Käpten Sturm und Aurora von Waldmünde stattfinden. Dieses Ereignis musste gebührend gefeiert werden, und als erfahrener Schiffskoch war Seebär für das Festmahl zuständig. Da der Wochenmarkt immer frühmorgens begann, waren sie bereits am Abend zuvor angereist.

Während Brummel und Seebär in der Herberge schon früh schlafen gegangen waren, hatte Safira eines der Kutschpferde wieder aus dem Stall geholt und war zum Hafen geritten. Sie liebte das Meer, den Anblick der Schiffe, aber vor allem das Gefühl von Fernweh, das in so einem Hafen überall zu spüren war.

Doch genau das hatte unerwartete Folgen. Denn dort hatte sie zufälligerweise ein Gespräch zwischen zwei finsteren Gestalten mitbekommen, das mit Sicherheit nicht für ihre Ohren bestimmt gewesen war.

„Albin, bist du dir sicher, dass es Fürst Arthur von Waldmünde war?“

„Selbstverständlich, Franz.“

„Fürst Arthur von Waldmünde persönlich befindet sich also auf diesem Schiff dort, das gerade in Richtung Norden segelt? Ich dachte, seine Tochter feiert morgen ihre Verlobung mit diesem verwegenen Kapitän der Esmeralda. Wie hieß er noch gleich? Ach ja – Käpten Sturm.“

„Davon habe ich auch gehört. Aber Fürst Arthur hat trotzdem dieses Schiff betreten.“

„Du musst ihn mit jemandem verwechselt haben, der ihm ähnlich sieht. Oder hast du etwa einen Beweis, dass es wirklich der Fürst gewesen ist?“

„Und ob! Schau mal, was ich hier habe!“

„Ein Schriftstück?“

„Ja, ein versiegeltes Dokument. Der Fürst hat es kurz vor seiner Abreise einem Boten übergeben und ihm befohlen, es sofort zur Fürstenfamilie zu bringen. Er hat dem Boten eingeschärft, dass niemand anders diesen Brief in die Finger bekommen dürfe. Außerdem hat Fürst Arthur noch erwähnt, dass er ganz dringend nach einer Schatzkarte suchen müsse.“

„Und warum hast du jetzt dieses so wichtige Dokument, Albin, und nicht dieser Bote?“

„Weil ich es ihm gestohlen habe, hahaha. Der Bote, dieser Dummkopf, hat nicht bemerkt, dass ich es ihm aus der Tasche gezogen habe.“

„Du bist ein wahrer Meisterdieb, Albin. Was steht in dem Brief?“

„Vermutlich, wo Fürst Arthur von Waldmünde nach der Schatzkarte suchen will.“

„Hast du den Brief etwa noch nicht gelesen?“

„Ich habe es versucht, Franz – ehrlich! Aber nur die ersten Zeilen sind lesbar. Der Rest ist in einem Kauderwelsch geschrieben, das ich nicht entziffern kann. Sieh selbst!“

„Hm, dieser Fürst Arthur von Waldmünde scheint ein schlaues Bürschchen zu sein. Was machen wir jetzt?“

„Wir kehren sofort zu unserem Schiff zurück. Wie du weißt, bin ich heute zur Nachtwache eingeteilt. Ich habe also viel Zeit und werde mir den Brief genau anschauen. Vielleicht finde ich heraus, wo Fürst Arthur hinfährt. Dann können wir ihm folgen und ihm die Schatzkarte abnehmen.“

„Na gut. Einen Versuch ist es wert. Wenn du diese komische Schrift nicht entziffern kannst, übergeben wir den Brief unserem Kapitän, dem Schwarzen Piraten. Der ist schlauer als wir und kommt ja morgen von seinem Raubzug zurück.“

Die beiden Männer hatten nicht gemerkt, dass Safira ihnen auf ihrem Pferd bis zum Ufer gefolgt war. Während sie darauf achtete, immer schön in Deckung zu bleiben, dachte sie über das soeben belauschte Gespräch nach: Diese beiden Seeleute waren Piraten. Und offenbar gehörten sie zum gefährlichsten und gefürchtetsten Seeräuber der Weltmeere, dem sogenannten Schwarzen Piraten.

Aber wie war das möglich? Hatte Safira nicht mit eigenen Augen beobachtet, wie der Schwarze Pirat von bewaffneten Männern verfolgt worden war … weit weg, auf einer einsamen Insel, sozusagen am anderen Ende der Welt? Wie hatte er sich nur gegen diese Übermacht wehren und von der abgelegenen Insel entkommen können?

Und es gab noch weitere Rätsel: Warum war Fürst Arthur von Waldmünde Hals über Kopf abgereist, einen Tag vor der Verlobungsfeier seiner Tochter? Dafür musste es einen sehr wichtigen Grund geben. Wozu brauchte er die Schatzkarte, nach der er offenbar suchen wollte? Sicherlich stand das alles in dem Brief, den der Pirat dem Boten gestohlen hatte.

Safira runzelte besorgt die Stirn. Nein, dieses Dokument durfte auf keinen Fall dem Schwarzen Piraten in die Hände fallen! Wenn das passierte, würden all diese Fragen wahrscheinlich niemals beantwortet werden. Aber was noch viel schlimmer war: Wenn der Schwarze Pirat den Brief las, würde er Fürst Arthur hinterherjagen, ihn gefangen nehmen und …

Safira wollte gar nicht weiter darüber nachdenken, was dann passieren konnte. Sie musste dieses Unglück unbedingt verhindern!

Ein letzter Blick zum Schiff – dann holte sie tief Luft und begann mit den Vorbereitungen: Zunächst band sie ihr Pferd an einer Stelle fest, wo es genug zu fressen gab. Danach holte sie ein langes Zirkusseil aus ihrem Rucksack, den sie immer bei sich trug. Sie befestigte ein Ende davon an einem Felsvorsprung, das andere Ende wand sie um ihre Schulter. Anschließend stieg sie ins Wasser und schwamm zu dem Piratenschiff hinüber. Kiki und Toto begleiteten sie.

Es war ein äußerst verwegener Plan, den Safira sich ausgedacht hatte.

Albin saß in einer Hängematte auf dem vorderen Deck des Piratenschiffs. In der einen Hand hielt er eine Kerze, in der anderen den Brief von Fürst Arthur von Waldmünde. Doch Albin wurde nicht schlau daraus. Es ärgerte ihn maßlos, dass er dem Schwarzen Piraten dieses wichtige Schriftstück übergeben musste. Der hatte nämlich die Angewohnheit, sich den größten Teil der Beute immer selbst unter den Nagel zu reißen. So war der Schwarze Pirat nun einmal. Alle wussten das und hatten Angst vor ihm.

Albin gähnte, schloss die Augen und dachte nach.

Auf einmal hörte er hinter sich ein Geräusch. Erschrocken schaute er sich um, sah aber nichts. Was war das?

Wieder ertönte dieses leise, unheimliche Zischen. Es schwoll zu einem Fauchen an und entwickelte sich dann zu einem durchdringenden Kreischen, das dem Piraten durch Mark und Bein fuhr. Gleichzeitig erschien direkt vor ihm ein Paar leuchtend grüner Augen, die ihn böse anstarrten. Albins Nackenhaare stellten sich auf – das nackte Grauen packte ihn. Er wollte schreien, etwas sagen. Doch der Anblick dieser unheimlichen Erscheinung verschlug ihm die Sprache.

Ein Gespenst!, dachte er und zitterte vor Angst. Denn er war, wie die meisten Piraten, sehr abergläubisch.

Das unheimliche Etwas begann zu flattern und setzte sich auf seinen Kopf. Albin spürte scharfe Krallen. Voller Panik schoss er hoch, fiel rücklings auf den Boden und schlug hart auf. Auf dem Rücken liegend starrte er das gespenstische Wesen an, welches über ihn hinweg zur Reling flog. Von dort aus schaute es mit strafendem Blick zu ihm hinüber und krächzte laut: „Du Wicht!“

Jetzt begriff Albin, was los war, und fand endlich seine Sprache wieder. „Ein Papagei!“

„Faules Ei!“, konterte Kiki.

Der Pirat ärgerte sich über sich selbst, weil er sich von einem Vogel so einen Schrecken hatte einjagen lassen. Außerdem fragte er sich, wo das Federvieh eigentlich herkam.

Doch er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, denn plötzlich tauchte wie aus dem Nichts ein kleiner Affe auf. Vom Mast aus ließ er sich in die Hängematte fallen und starrte Albin an, das Gesicht zu einer urkomischen Grimasse verzogen.

Blitzschnell schnappte das Tier sich nun den Brief, der in der Hängematte lag, und grinste bis über beide Ohren. „Hihihohohuhu!“

Albin ahnte, was der freche Schimpanse vorhatte. Er sprang auf, machte einen Satz in Richtung Hängematte und versuchte, den Affen festzuhalten. Doch mit einem kunstvollen Salto rückwärts verließ der die Hängematte und kletterte wieder auf den Mast, von dem er gekommen war. Der Pirat griff ins Leere.

Kiki, die immer noch auf der Reling saß, schaute den Piraten mit schräg gelegtem Kopf mitleidig an. „So ein Pech“, krächzte sie und flog davon.

Toto hangelte sich geschickt durch die gesamte Takelage bis nach hinten zum Heck. Dort traf er Safira und übergab ihr den Brief. Die steckte ihn in eine wasserdichte Dose, die sie in ihrem Rucksack hatte, und lächelte. „Gut gemacht, Toto. Los, steig schnell auf meinen Rücken. Wir müssen schleunigst von hier verschwinden.“

Der Affe gehorchte, legte von hinten seine kleinen Arme um Safiras Hals und hielt sich gut fest.

Safira prüfte das Zirkusseil, dessen zweites Ende sie am hintersten Mast befestigt hatte. Leider hatte sich das Schiff inzwischen ein klein wenig vom Ufer wegbewegt. Dadurch war das Seil nun so stark gespannt, dass es jeden Augenblick reißen konnte.

Egal, sie musste es wagen! Denn dieser Fluchtweg über das Zirkusseil war ihre einzige Chance. Sie nahm einen dicken Lederriemen und legte ihn so über das Seil, dass die beiden Enden links und rechts herabhingen. Dann packte sie den Riemen mit beiden Händen und stieß sich mit den Füßen ab. Wie die Gondel einer Seilbahn glitt sie nun über das Zirkusseil zum Ufer hinüber. Safiras Herz klopfte vor Aufregung, doch alles klappte hervorragend. Toto klammerte sich fest an ihren Hals und Kiki flog neben ihnen her.

Kaum war Safira sicher am Ufer gelandet, zerriss das starke Seil. Die junge Zirkusartistin atmete auf. „Puh, noch einmal Glück gehabt!“ Ohne auch nur eine Sekunde Zeit zu verlieren, rannte sie zu der Stelle, wo sie das Pferd angebunden hatte. Das alles war in einem so aberwitzigen Tempo abgelaufen, dass der verdutzte Pirat ihr nur mit offenem Mund hinterherschauen konnte.

Safira musste zu der Herberge zurück, wo Seebär und Brummel friedlich schliefen. Doch vorher streichelte sie erst einmal Toto und Kiki, die mittlerweile wieder auf ihren Schultern kauerten. „Gut gemacht, ihr zwei Helden! Bin mächtig stolz auf euch. Mission erfüllt!“, lobte sie ihre tapferen Begleiter.

Auf dem Piratenschiff waren durch Kikis lautes Kreischen einige Piraten aufgewacht. Natürlich erkundigten sie sich sofort bei Albin, der ja Wachdienst hatte, was hier eigentlich los sei. Er erzählte ihnen alles. „… und dann hat sich dieses dreiste Biest über das Wasser an Land geschwungen und ist in der Dunkelheit verschwunden. Den wertvollen Brief hat die freche Göre mitgenommen.“ Albin sah wütend in die Runde. „Sollen wir uns so eine Unverschämtheit gefallen lassen?“

„Nein, auf keinen Fall!“, brüllten die Piraten.

Albin zeigte grimmig in Richtung Land. „Na, dann los! Wir jagen ihr hinterher und nehmen sie gefangen! Dieses Mädchen soll zu spüren bekommen, was es heißt, sich mit den gefürchtetsten Piraten der Weltmeere anzulegen!“

1. Das fünfte Logbuch

Heutige Zeit

Lenny und Anne Schmidt verließen den Bus, der sie von der Schule fast bis nach Hause gebracht hatte. Die Haltestelle mitten im Wald war erst kürzlich neu eingerichtet worden, und zwar ihretwegen. Familie Schmidt war sehr froh, dass die Kinder jetzt nicht mehr mit dem Auto zur Schule gebracht werden mussten, sondern den Schulbus nehmen konnten. Doch was Lenny und Anne richtig stolz machte: Die Bushaltestelle war tatsächlich nach ihrem Wohnhaus benannt worden: „Altes Schmugglerhaus“.

Eilig liefen die Geschwister den unscheinbaren Schotterweg entlang, den man von der Hauptstraße aus leicht übersehen konnte. Dieser führte direkt zu ihrem dreihundert Meter entfernten Zuhause. Seit fast drei Monaten wohnten sie mit ihren Eltern zusammen in einem einsam gelegenen Waldhaus, das mehrere Jahrhunderte zuvor von Schmugglern erbaut worden war.

Und dieses Haus hatte es wirklich in sich. Denn es wimmelte darin nur so von Geheimgängen und merkwürdigen Verstecken, von denen sie sicher noch nicht alle entdeckt hatten. Das fanden die achtjährige Anne und ihr elfjähriger Bruder Lenny ungeheuer spannend. Am meisten faszinierte sie jedoch, dass ein geheimnisvoller Kapitän vor über zweihundert Jahren in ebendiesem Haus gewohnt hatte. Sein Name lautete Käpten Wilbert Boynen Sturm.

Was dieser mutige Abenteurer mit seiner Mannschaft erlebt hatte, war in mehreren Logbüchern aufgeschrieben worden. Die beiden Geschwister hatten schon vier davon gefunden und sie gemeinsam mit Papa, Mama, Opa Abraham und Oma Sarah gelesen. Verständlich, dass sie jetzt unbedingt wissen wollten, wie die Geschichte weiterging. Bestimmt hatte Käpten Sturm auch sein nächstes Abenteuer schriftlich festgehalten! Leider war die Suche nach dem fünften Logbuch bisher erfolglos gewesen.

Doch Anne hatte etwas entdeckt, was sie Lenny unbedingt mitteilen wollte. „Ich weiß etwas, was du nicht weißt“, murmelte sie geheimnisvoll.

Lenny zuckte gelangweilt mit den Schultern. „Und – worum geht es?“

Annes Augen funkelten, als sie weitersprach. „Gestern habe ich mir noch einmal die letzte Seite vom vierten Logbuch angeschaut. Und weißt du, was mir dort aufgefallen ist?“

„Jetzt mach es mal nicht so spannend“, meinte ihr großer Bruder gönnerhaft.

„Ein großes V, das fast die ganze Seite bedeckt“, erklärte Anne triumphierend.

„Hä? Das habe ich noch gar nicht bemerkt. Und wenn schon – wofür sollte so ein V gut sein?“

Anne grinste. „Na, überleg mal! Wir suchen doch nach Hinweisen, wo wir mit der Suche nach dem fünften Logbuch beginnen müssen. Und dieses V ist vielleicht so ein Hinweis.“

Bevor Lenny etwas erwidern konnte, erreichten sie die Haustür. Weil gerade niemand im Haus war, kramte er seinen Schlüssel hervor und öffnete damit die Tür. Rasch liefen die beiden in die große Wohnküche, wo das vierte Logbuch auf dem Tisch lag. „Na, dann zeig mir das V mal“, forderte Lenny seine kleine Schwester auf.

Anne schlug die letzte Seite auf, nahm eine UV-Speziallampe in die Hand und leuchtete damit auf das alte Schriftstück. „Siehst du es?“

„Tatsächlich!“, rief Lenny verblüfft. „Jetzt kann ich es auch sehen. Aber woher hast du eigentlich diese UV-Lampe?“

Anne zog den Kopf ein und schwieg.

„Moment – das ist doch meine Lampe! Anne! Du hast sie mir aus meinem Nachttisch geklaut! Gib es zu! Wie oft habe ich dir gesagt, dass du nicht in meinen Sachen rumstöbern sollst.“

„Tut mir leid, Lenny“, sagte Anne. „Aber sei mir nicht böse! Denk dran, was ich mit deiner Lampe entdeckt habe.“

Lenny beruhigte sich wieder. „Na gut! Ich verzeihe dir noch einmal. Aber wag es nicht, noch einmal an meine Sachen zu gehen. Sonst gibt es richtig Ärger.“

Anne hatte nicht vor, ihrem Bruder irgendetwas zu versprechen, was sie nicht halten wollte. Deshalb lenkte sie schnell ab. „Was hat der Buchstabe V zu bedeuten?“

Lenny überlegte. „Das frage ich mich auch. Man kann den Buchstaben ja nur mithilfe meiner Speziallampe erkennen. Und warum Käpten Sturm ausgerechnet den Buchstaben V auf die letzte Seite eingearbeitet hat, kann ich dir auch nicht sa…“ Plötzlich schlug er sich an den Kopf. „Aber natürlich! Das muss es sein.“

„Was?“

Lenny sah seiner Schwester direkt in die Augen. „Das V ist kein Buchstabe, sondern eine römische Zahl. Wir haben die römischen Zahlen gerade in der Schule durchgenommen. Stell dir vor, die Römer haben Buchstaben als Zahlen verwendet. Ein X ist eine 10, ein I ist eine 1 und so weiter. Und weißt du, welche Zahl das V ist?“

„Nein“, musste Anne zugeben.

„Das V ist eine 5! Das könnte – nein, das muss einfach der Hinweis sein, der uns zum fünften Logbuch führt! Gib mir mal die Lampe!“

Anne reichte sie ihm.

Sorgfältig beleuchtete Lenny nun einen Zentimeter nach dem anderen. Und auf einmal wurde er fündig. „Da!“, rief er aufgeregt. „Schau mal! Dieser kleine Text ganz unten auf der letzten Seite ist nur mithilfe der UV-Lampe zu sehen.“

„Kannst du ihn vorlesen?“, fragte Anne aufgeregt.

„Ist zwar in altdeutscher Schrift geschrieben, aber ich versuche es.“ Lenny fing an zu buchstabieren. „Dur… durchsu… durchsuche den Da… Dachboden auf der W… Westseite.“

Enttäuscht runzelte Anne die Stirn.

„Durchsuche den Dachboden auf der Westseite? Aber da waren wir doch bestimmt schon tausendmal! Da ist nichts.“

Lenny zuckte mit den Schultern. „Wenn es da so steht, dann muss dort auch etwas sein. Komm, wir schauen nach!“

Sie liefen die Treppe hinauf und gelangten über die breite Holzleiter auf den Dachboden.

„Wo ist Westen?“, fragte Anne.

„Da, wo die Sonne untergeht“, erklärte Lenny ihr. „Also auf dieser Seite.“

Ohne zu wissen, wonach sie eigentlich Ausschau hielten, begannen die beiden mit der Suche. Nach zehn Minuten setzte sich Anne erschöpft auf einen uralten Teppich, der auf dem Boden lag, und lehnte sich an die Wand. „Sag mal, was wollen wir eigentlich finden?“

„Du Hirni! Natürlich die fünfte Seefahrerkiste und das fünfte Logbuch, das darin aufbewahrt ist. Willst du etwa schon aufgeben?“

„Hier ist keine Kiste!“, verteidigte sich Anne und fuhr gedankenverloren mit dem Finger über eine Stickerei im Teppich. „Du, Lenny, komm mal!“, murmelte sie.

„Keine Zeit!“, erklärte der. „Ich muss diesen Schrank von der Wand schieben. Anstatt faul herumzusitzen, solltest du mir lieber helfen.“

Aber Anne ließ sich nicht beirren. „Lenny! Jetzt komm doch her und schau dir das hier an!“

Leicht verärgert wandte sich ihr großer Bruder von dem Schrank ab und setzte sich direkt neben Anne auf den Teppich. „Was ist denn?“

„Du sitzt drauf!“, kicherte Anne.

Lenny rückte zur Seite. Da sah er, was seine Schwester meinte. „Hier ist ein großes V in den Teppich hineingestickt worden … na und?“ Plötzlich machte er große Augen. „Das ist tatsächlich ein V! Aber nach so etwas suchen wir doch, oder etwa nicht?“

„Eben!“, sagte Anne lächelnd. „Und ich habe es entdeckt.“

Doch anstatt Annes Leistung irgendwie zu würdigen, sprang Lenny auf, schubste sie zur Seite und rollte den Teppich zusammen, sodass der Boden darunter zu sehen war. Seine Augen leuchteten. „Hier ist noch so ein V, direkt in die Holzdiele eingebrannt. Das ist bestimmt die richtige Stelle!“

Er klopfte mit beiden Händen auf den Boden. „Hörst du? Das klingt hohl! Darunter gibt es sicher einen Hohlraum oder ein … Geheimversteck. Los, wir versuchen, das Brett anzuheben!“

„Es ist eine Klapptür!“, jubelte Anne. „Und ich habe sie entdeckt!“

Lenny schüttelte den Kopf. „Nein, Anne, wir haben sie zusammen entdeckt.“

„Wenn ich das V auf dem Teppich nicht gesehen hätte, dann hätten …“

In diesem Augenblick gelang es Lenny, die Klapptür anzuheben. Vor ihnen tat sich ein Schacht auf, der senkrecht nach unten führte. An der Wand des Schachts befand sich eine Leiter aus Eisen. „Wollen wir runtersteigen?“, fragte Lenny.

„Du zuerst!“, schlug Anne vor. „Aber vorher sollten wir uns eine Taschenlampe holen, sonst sehen wir nichts.“

Lenny nickte und besorgte rasch zwei Taschenlampen. Dann stieg er vorsichtig die Leiter hinab.

Anne blieb oben, weil sie furchtbare Angst vor Spinnen und anderem Ungeziefer hatte. Doch um ihrem Bruder zu helfen, richtete sie ihre Taschenlampe in den Schacht, sodass dieser hell erleuchtet wurde.

Lenny erreichte den Boden. „Ich bin unten. Hier ist es total schmutzig. Und die Luft ist voller Staub.“ Er musste niesen. „Willst du nicht auch runterkommen?“

Nach anfänglichem Zögern überwand sich Anne und kletterte ebenfalls die Sprossen hinunter. Kurz darauf stand sie neben ihrem Bruder. Der suchte bereits systematisch das neu entdeckte Geheimversteck ab.

„Wo sind wir hier eigentlich?“, fragte Anne.

Lenny überlegte. „Also, wenn ich mich nicht irre, befinden wir uns direkt neben dem Schlafzimmer von Papa und Mama.“

Plötzlich stieß Anne einen Freudenschrei aus.

Lenny starrte sie besorgt an. „Was ist?“

Anne zeigte in eine dunkle Ecke. „Guck mal! Da ist eine Seefahrerkiste. Du, Lenny! Ich glaube, wir haben …“

„… Käpten Sturms fünftes Logbuch entdeckt“, vollendete Lenny den angefangenen Satz.

Die Kiste war genauso konstruiert wie die übrigen, die sie gefunden hatten. Die Innenwände waren mit einer Art Harz bestrichen, das sich wie Gummi anfühlte.

Opa Abraham hatte den Kindern erst vor Kurzem noch einmal erklärt, was es mit dieser gummiartigen Schicht auf sich hatte: „Auf diese Weise ist es Käpten Sturm gelungen, alle Sachen, die sich in den Seefahrerkisten befinden, perfekt vor Alterung zu schützen. Das lässt sich mit einer Konservendose vergleichen, in der nichts schlecht werden kann. Ich vermute mal, dass Käpten Sturm dieses Harz vom Amazonas mitgebracht hat. Bestimmt wollte er, dass seine Logbücher der Nachwelt erhalten bleiben.“

Tatsächlich befand sich in der Kiste neben ein paar Steinen auch ein dicker Stapel Papier. Lenny nahm ihn heraus und hielt ihn triumphierend in die Luft. „Wir haben es! Anne, wir haben das fünfte Logbuch.“

Seine Schwester umarmte ihn vor Freude. „Damit überraschen wir heute Abend Mama, Papa, Oma Sarah und Opa Abraham.“

„Ja, das machen wir“, sagte Lenny und klopfte nachdenklich an die Holzwand, die das elterliche Schlafzimmer von dem Geheimversteck abtrennte. „Aber wir verraten zunächst mal niemandem, wo wir es gefunden haben.“

Anne sah ihn verwundert an. „Und warum nicht?“

„Das erkläre ich dir später. Vertrau mir einfach!“, antwortete Lenny mit geheimnisvoll funkelnden Augen.