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Als Lenny und Anne das vierte Logbuch in einer Seefahrerkiste finden, tauchen sie ein in die Jagd nach dem goldenen Puma: Ausgerechnet ein Zwölfjähriger soll ihm gefährlich werden! Ambrosius schnaubt. Er, der Sklavenhändler, wird doch wohl mit einem Jungen wie Tafari fertig werden. Und wenn die Mannschaft der Esmeralda ihn schützen will, dann wird er Käpten Sturm und seine Freunde gleich mit vernichten! Ob Tafari seinen Verfolger mit Safiras und Käpten Sturms Hilfe besiegen kann?
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Seitenzahl: 186
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SCM Hänssler ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
ISBN 978-3-417-27076-1 (E-Book)
ISBN 978-3-417-28982-4 (lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck
© 2023 SCM Verlag in der SCM Verlagsgruppe GmbH
Max-Eyth-Straße 41 | 71088 Holzgerlingen
Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: [email protected]
Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:
Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Holzgerlingen.
Umschlaggestaltung: Sybille Koschera, Stuttgart
Titelbild und Illustrationen: Elke Broska, Wiesbaden
Satz: Katrin Schäder, Velbert
Lektorat: Damaris Müller
Vorgeschichte
1. Das vierte Logbuch
2. Eingekesselt
3. Eine geniale Entdeckung
4. Die Razzia
5. Die Jagd auf den goldenen Puma beginnt
6. Gefangen
7. Ein Besucher in der Nacht
8. Das Piratenschiff
9. In großen Schwierigkeiten
10. Opa Abraham wird eingeweiht
11. Im Piratenhaus
12. Ab durch die Mitte
13. Der gerade Weg
14. Das Felsenkloster
15. Die Detektive von Bodenwald
16. Alles aus?
17. Der Geheimgang der Schmuggler
Lenny11 Jahre altRuhiger als seine Schwester AnneEr kann sehr schnell rennen und weit springen, aber ganz schlecht Bälle werfen.
Anne8 Jahre altLieblingsfach: Deutsch Hassfach: MatheObwohl sie oft mit ihrem Bruder Lenny streitet, hält sie immer zu ihm, wenn es drauf ankommt.
Wilbert Boynen SturmKapitän der Esmeralda22 Jahre altBeste Freunde: Seebär und Brummel
Safira Alminetti11 Jahre altArtistinSie hasst es, das Schiffsdeck zu schrubben.
Tafari schaute sich vorsichtig um. Aber niemand beobachtete den zwölfjährigen afrikanischen Jungen, der an einen Schiffsmast gefesselt war. Deshalb bemerkte auch niemand, dass er gerade dabei war, sich von seinen Hand- und Fußfesseln zu befreien.
Anscheinend hatte ihm keiner so etwas zugetraut! Woher sollten die Leute auch wissen, dass Tafari ein begabter Artist und außerdem ein Entfesselungskünstler war? Es brauchte nur ein wenig Zeit und Geduld, dann würde er sich von diesen Seilen befreit haben und das Sklavenschiff Santa Maria verlassen.
Traurig dachte Tafari an das zurück, was geschehen war.
Erst ein paar Stunden zuvor, am frühen Morgen, war er von Sklavenhändlern entführt worden. Er war auf ein Sklavenschiff gebracht worden, wo man ihn an Deck an den hintersten Mast gebunden hatte.
Tafari wusste auch, warum. Der Kapitän des Sklavenschiffs, Ambrosius Rapsis, hatte lange vergeblich versucht, ihn in die Finger zu bekommen. Zunächst hatte er keinen Erfolg gehabt. Denn Tafari war eigentlich viel zu gerissen, um sich von irgendjemandem einfangen zu lassen.
Letztendlich war es dem fiesen Kapitän dann nur gelungen, weil er ein hohes Kopfgeld auf den begabten Afrikaner ausgesetzt hatte. Er hatte versprochen, demjenigen, der Tafari an ihn ausliefern würde, eine riesige Belohnung zu geben.
Und so war es gekommen, dass der Junge von jemandem verraten worden war, dem er eigentlich vertraut hatte. Aber das war kein echter Freund gewesen, wie Tafari jetzt wusste. Dieser Verräter hatte die Belohnung kassiert und sich dann schnell aus dem Staub gemacht. Er würde sich bestimmt nie wieder blicken lassen, davon war Tafari überzeugt.
Kapitän Ambrosius Rapsis war hochzufrieden. „Was für ein Fang! Endlich habe ich dich, du elender Bengel!“, hatte er zu Tafari gesagt. „Mit deiner unglaublichen Dreistigkeit hast du mir die letzten Monate ganz schön zugesetzt. Aber damit ist jetzt endgültig Schluss!“
Tafari schaute auf seine Hände und Füße. Die Begegnung mit Ambrosius war vor einer halben Stunde gewesen. Er musste sich beeilen, denn der Kapitän würde bald zurückkommen.
Da – endlich! Er hatte es geschafft, das Seil, mit dem seine Hände gefesselt gewesen waren, abzustreifen. Jetzt nur noch schnell die Fußfesseln – und dann nichts wie weg!
Wenig später war Tafari frei. Er schlich davon und brachte sich zunächst einmal hinter ein paar leeren Fässern in Sicherheit. Hoffentlich hatte ihn auch wirklich keiner beobachtet!
Sein Herz pochte vor Aufregung. Jetzt musste er nur noch ins Wasser springen und so schnell wie möglich an Land schwimmen! Dann war er gerettet.
Doch beim Blick aufs Meer stutzte der Junge. Weit und breit war kein Land mehr in Sicht. Wo war die Küste geblieben? Hatte das Schiff sich etwa schon so weit davon entfernt, dass man sie nicht mal mehr sehen konnte?
Tafari atmete tief durch und ballte wütend seine Hand zur Faust. Es war so ärgerlich! Die ganze Zeit hatte er nur darüber nachgedacht, wie er sich von den Fesseln befreien konnte. Doch wie sollte er jetzt an Land kommen?
Er saß in der Klemme. Wenn er ins Wasser sprang, würde er ertrinken, das war sicher. Denn die Entfernung war viel zu groß, um von hier aus an Land zu schwimmen. Außerdem hätte er gar nicht gewusst, welche Richtung er einschlagen sollte.
Aber was blieb ihm anderes übrig? Wenn er das Schiff nicht auf der Stelle verließ, würde man ihn gleich wieder fesseln – und dann würde es ihm schlecht ergehen …
Tafari kniff die Augen zusammen und schaute aufs offene Meer hinaus. Da! Was war das? Ein Fleck am Horizont!
Der Fleck wurde größer. Und wenig später konnte Tafari ein Schiff erkennen, das sich ihnen näherte.
Vom Bug des Sklavenschiffs her hörte er die laute Stimme eines Wächters: „Alarm! Alarm! Schiff voraus! Alle in Gefechtsbereitschaft!“
Sofort geriet die ganze Besatzung des Schiffs in Bewegung. Die Matrosen kamen an Deck, um ihr Schiff notfalls gegen den Angriff eines Feindes zu verteidigen.
Tafari begann zu schwitzen. Gleich würde man auch seinen Fluchtversuch bemerken, das war unvermeidbar.
Zunächst waren die Seeleute jedoch noch damit beschäftigt, ihre Waffen bereitzulegen. Jeder hatte irgendetwas Wichtiges zu tun und achtete nicht auf seine direkte Umgebung.
Aber dann kam es einem der Matrosen plötzlich in den Sinn, nach dem Gefangenen zu sehen. Er schaute zu dem Mast hin, an den Tafari angebunden gewesen war – und da war niemand mehr! Die Augen des Matrosen weiteten sich und er schrie aus Leibeskräften: „Alarm! Alarm! Der junge Sklave hat sich befreit!“
Tafari blieb keine Zeit mehr! Er musste handeln. Deshalb traf er eine kühne Entscheidung. Er nahm Anlauf … und sprang ins Wasser.
Safira Alminetti befand sich wieder einmal an ihrem Lieblingsplatz, ganz oben am Fockmast der Esmeralda. Genauer gesagt saß sie in einer dort ausgespannten Hängematte. Ihre Beine hingen nach unten und baumelten in der Luft.
Safira war glücklich, denn vor Kurzem war es gelungen, ihre lange verschollenen Eltern wiederzufinden. Das elfjährige Mädchen war fünf Jahre lang von ihnen getrennt gewesen, doch nun war die kleine Familie endlich wieder vereint!
Leider waren Riccardo und Sarah Alminetti gerade seekrank und mussten sich in ihrer Kajüte auskurieren. Aber sie würden bald wieder auf die Beine kommen, davon war Safira fest überzeugt.
Safira liebte ihre Freiheit. Und die genoss sie hier oben in vollen Zügen. Als ehemalige Zirkusartistin hatte sie keinerlei Höhenangst. Im Gegenteil – sie liebte es, in schwindelerregender Höhe in der Takelage des Schiffs herumzuturnen.
Doch im Augenblick war an Herumturnen überhaupt nicht zu denken. Denn Safira hatte ein Schiff entdeckt, das sich der Esmeralda näherte. Dass es kein Piratenschiff war, hatte sie den Männern unten an Deck bereits gemeldet. Trotzdem musste sie wachsam bleiben, um mögliche Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Wer wusste schon, was die Besatzung dieses unbekannten Schiffs im Schilde führte?
Auf einmal drang vom Deck des anderen Schiffs ein Warnruf zu ihr herüber: „Mann über Bord! Der Sklavenjunge ist ins Wasser gesprungen.“
Sklavenjunge? Ins Wasser gesprungen? Hatte sie richtig gehört?
Safira begriff sofort, was los war: Das Schiff direkt vor ihnen hatte Sklaven an Bord. Und einem der Sklaven – genauer gesagt, einem Kind oder Jugendlichen – war es offenbar gelungen zu fliehen. Er war ins Wasser gesprungen. Wahrscheinlich hatte er die Esmeralda kommen sehen und hoffte jetzt, von den Seeleuten dieses deutschen Schiffes gerettet zu werden.
Safira zögerte nicht. In Windeseile ließ sie sich an einem Seil aufs Deck der Esmeralda hinab und rannte zu Käpten Sturm.
Der stand ganz vorne am Bug und beobachtete von der Reling aus das unbekannte Schiff. Rechts neben ihm stand Aurora von Waldmünde, die Frau seiner Träume, der er am liebsten sofort einen Heiratsantrag gemacht hätte. Doch das war leider nicht ganz so einfach …
Seebär und Brummel, zwei bärenstarke Matrosen, befanden sich ebenfalls dort. Auf Brummels Schulter saß Toto, ein süßer kleiner Schimpanse, der ihnen in Afrika zugelaufen war. Das Tier war verletzt gewesen, und Brummel hatte sich entschlossen, es aufzupäppeln und zu behalten. Inzwischen war der kleine Schimpanse putzmunter und äußerst zutraulich.
„Boynen! Boynen!“, rief Safira aufgeregt. Wie alle seine Freunde nannte sie den jungen Käpten bei seinem Lieblingsvornamen. „Mann über Bord! Wir müssen den armen Kerl retten!“
Doch Käpten Sturm zuckte mit den Schultern. „Nein, Safira. Schau, die Männer vom anderen Schiff haben auch schon bemerkt, dass einer ihrer Leute über Bord gegangen ist. Sie werden ihn selber aus dem Wasser fischen.“
Safira schüttelte den Kopf. „Du verstehst überhaupt nichts, Boynen! Der Junge im Wasser ist ein entflohener Sklave. Ich habe es mit eigenen Ohren gehört. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie ihn wieder einfangen.“
„Bist du dir sicher?“ Käpten Sturm runzelte die Stirn.
„Ganz sicher!“, antwortete Safira. „So wahr ich hier stehe und Safira Alminetti heiße. Bitte unternimm doch etwas!“
„Safira hat recht“, meinte Aurora besorgt. „Wir sollten dem armen Jungen helfen. Es kann gut sein, dass es sich bei den Leuten auf diesem Schiff um gemeine Sklavenhändler handelt, die ihn einfach irgendwo entführt haben.“
In diesem Augenblick erreichte die Esmeralda die Stelle, an der Tafari über Bord gegangen war. Boynen schaute auf den im Wasser schwimmenden Jungen hinunter. Hilfe suchend winkte dieser ihnen zu.
Doch leider hatte die Esmeralda ein so hohes Tempo, dass es nicht rechtzeitig gelang, dem Schwimmer ein Rettungsseil zuzuwerfen.
Boynen traf eine Entscheidung und rief laut: „Wir helfen dir!“
Dann wandte er sich an Brummel und Seebär: „Wir müssen den Jungen aus dem Wasser holen, und zwar noch vor den Sklavenhändlern! Könnt ihr das übernehmen?“
„Klar, das machen wir!“, sagte Brummel. „Aber nur, wenn du solange auf Toto aufpasst.“
Er übergab dem Käpten seinen kleinen Schimpansen. Und ohne weitere Verzögerung sprangen die beiden kräftigen Männer in eines der Ruderboote, das nun von mehreren Matrosen blitzschnell ins Wasser hinabgelassen wurde.
Da die Esmeralda noch voll in Fahrt war, hatten sie sich bereits ein ganzes Stück von Tafari entfernt. Doch Seebär und Brummel konnten so gut rudern, dass sie ihn bald erreicht hatten. Wenige Minuten später konnten sie den schwimmenden Flüchtling bereits aus dem Wasser ziehen.
Sie wollten gerade wieder zur Esmeralda zurückkehren, als dicht neben ihnen eine Gewehrkugel ins Wasser schlug.
Dann hörten sie hinter sich eine laute Stimme: „Hey, ihr Gauner! Das ist unser Sklave! Wagt es bloß nicht, ihn mitzunehmen!“
Erstaunt schauten sich die beiden Matrosen um.
„Ein Ruderboot!“, japste Seebär. „Und es kommt ziemlich schnell auf uns zu.“
„Sind ja auch sechs Männer drin, und vier von ihnen rudern“, bemerkte Brummel.
„Wie haben wir die nur übersehen können?“, stöhnte Seebär.
„Weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich hatten wir nur Augen für den Jungen im Wasser.“
„Schnell – wir müssen versuchen, ihnen zu entkommen“, schlug Seebär vor.
Brummel schüttelte den Kopf. „Vergiss es! Schau – die haben ihre Gewehre auf uns gerichtet.“
Seebär sah ein, dass sie keine Chance hatten, ihren Gegnern davonzurudern. Denn diese würden nicht zögern, auf sie zu schießen.
Also hoben sie ihre Hände, als ob sie sich kampflos ergeben würden.
Das Ruderboot mit den bewaffneten Seeleuten kam immer näher.
Brummel blickte den Herannahenden direkt in die Augen und rief laut: „Eure bleihaltigen Argumente finden wir sehr überzeugend. Ihr dürft ausnahmsweise mal bei uns anlegen.“
„Na, wer sagt’s denn? Warum nicht gleich so?“, rief der Anführer der Matrosen mit einem spöttischen Grinsen.
Als die beiden Boote schließlich der Länge nach nebeneinanderlagen, fingen Brummel und Seebär auf einmal schallend an zu lachen.
„Warum lacht ihr?“, fragte der Anführer der gegnerischen Seeleute irritiert.
„Na, ich finde es einfach richtig nett von euch, dass ihr die Sache in aller Ruhe mit uns besprechen wollt“, brummte Seebär mit seiner tiefen Stimme.
Der Anführer runzelte die Stirn. „Nein, da gibt es nichts zu besprechen. Übergebt uns jetzt einfach den Gefangenen. Dann lassen wir euch in Ruhe.“ Er zeigte auf sein Gewehr. „Denkt immer an unsere bleihaltigen Argumente.“
Brummel zuckte mit den Schultern. „Na ja, aber unsere Argumente sind eigentlich auch nicht so schlecht.“
„Sie sind sogar sehr schlagkräftig und völlig bleifrei“, ergänzte Seebär.
Ganz plötzlich, ohne Vorwarnung, machten Brummel und Seebär einen Satz ins andere Ruderboot und begannen, ihre Gegner nach Strich und Faden zu verprügeln.
Anfangs leisteten die sechs Seeleute noch tapfer Widerstand. Doch sie mussten sich bald eingestehen, dass sie gegen diese bärenstarken Männer keinerlei Chancen hatten. Und im Nahkampf nützten ihnen auch ihre Waffen nichts mehr – sie hätten die Gewehre höchstens als Schlagstöcke einsetzen können. Aber so weit kam es erst gar nicht.
Vor lauter Angst sprang einer nach dem anderen über Bord und schwamm davon. Damit war der Kampf entschieden.
Die beiden Haudegen grinsten zufrieden, versenkten die Gewehre der Gegner im Meer und kletterten in ihr Boot zurück. Fairerweise überließen sie den unfreiwilligen Schwimmern deren eigenes Boot. Doch damit die nicht noch auf die Idee kamen, ihnen zu folgen, besaß das Boot jetzt nur noch ein einziges Paar Ruder. Der Rest war ebenfalls im Wasser gelandet.
Tafari starrte seine beiden Retter mit großen Augen an. „Das – das war einfach unglaublich! Wer seid ihr?“
„Sag uns erst einmal, wer du bist und warum du Deutsch sprichst“, meinte Seebär freundlich.
„Ich heiße Tafari und ich komme ursprünglich aus Casablanca in Afrika. Aber ich habe schon einige Reisen gemacht und habe auch ein paar deutsche Freunde. Dadurch habe ich die Sprache ganz nebenbei gelernt.“
„Das ist aber eine tolle Leistung“, sagte Brummel beeindruckt.
„Wir heißen Brummel und Seebär“, ergänzte Seebär. „Es freut uns, dass wir dir helfen konnten. Alles Übrige können wir dir gern später erzählen. Denn jetzt wird erst mal ordentlich gerudert!“
Die beiden Matrosen legten sich mächtig in die Riemen. Und kurze Zeit später gingen sie mit dem Geretteten zusammen an Bord der Esmeralda. Dort wurden sie von der ganzen Mannschaft stürmisch begrüßt.
Käpten Sturm lächelte und klopfte seinen beiden Freunden anerkennend auf die Schulter. „Gut gemacht, Jungs! Ich wusste, dass ich mich voll und ganz auf euch verlassen kann.“
Toto sprang sofort wieder auf Brummels Schulter und legte seinen kleinen Arm um dessen Hals. Er liebte Brummel über alles.
Mittlerweile hatte sich auch die Papageiendame Kiki eingefunden. Sie starrte Brummel, Seebär und Tafari mit großen Augen an und krächzte: „Gut gemacht! Gut gemacht!“
Käpten Sturm wandte sich an den Neuankömmling und reichte ihm freundlich die Hand. „Herzlich willkommen auf der Esmeralda. Wie heißt du?“
„Ich heiße Tafari. Und wer sind Sie?“, antwortete der afrikanische Junge ein wenig unsicher.
„Mein Name ist Käpten Sturm. Und als Kapitän dieses deutschen Schiffs gewähre ich dir Schutz.“
Da begann Tafari, übers ganze Gesicht zu strahlen. Er war tatsächlich frei! „Vielen, vielen Dank, Käpten Sturm! Und vielen Dank, Brummel und Seebär!“, stammelte er.
Frustriert beobachtete die Besatzung des Sklavenschiffes, wie sich die Esmeralda in hohem Tempo von ihnen entfernte.
Der Kapitän des Schiffs, Ambrosius Rapsis, wusste genau, mit wem er es gerade zu tun bekommen hatte. Er kannte die Esmeralda – sie war eines der schnellsten Schiffe der Welt. Und auch der verwegene Kapitän dieses Schiffs war für ihn kein Unbekannter.
Glühend vor Zorn ballte Ambrosius Rapsis seine Hand zur Faust und rief der Esmeralda hinterher: „Käpten Sturm! Ich werde dich jagen bis ans Ende der Welt! So wahr ich Kapitän dieses Schiffes bin.“
Endlich Osterferien!“, rief Lenny zufrieden, als er durch die Haustür das alte Schmugglerhaus betrat. Er zog seine Jacke aus und machte sich sofort auf den Weg in die Küche. Dort stand nämlich, wie erwartet, ein leckerer Pudding-Streuselkuchen, den Oma Sarah gebacken hatte.
Lenny nahm ein Stück. Und ohne einen Teller zu benutzen, stopfte er es sich komplett in den Mund. Dabei fielen zahlreiche Krümel zu Boden. Außerdem war sein Mund nun so voll, dass er fast nicht mehr atmen, geschweige denn kauen konnte.
„Immer das Gleiche!“, schimpfte die achtjährige Anne, die am Esstisch saß und gerade einen Kakao trank. Sie schaute ihren drei Jahre älteren Bruder vorwurfsvoll an. „Du bist ein totaler Vielfraß. Ich zeige dir mal, wie man richtig Kuchen isst.“
Mithilfe einer Gabel transportierte sie von ihrem Teller ein winzig kleines Stückchen Kuchen in ihren Mund. „Siehst du? Bei mir fallen niemals Krümel auf den Boden“, belehrte sie ihn herablassend, nachdem sie den Bissen hinuntergeschluckt hatte. „Und mein Mund wird auch nie zu voll.“
Lenny ärgerte sich über seine Schwester, die immer so tat, als ob sie alles besser wüsste. Aber er konnte leider immer noch nicht sprechen. Um nicht noch weitere Ermahnungen ertragen zu müssen, wollte er sich schnell umdrehen und den Raum verlassen.
Doch in diesem Augenblick kam Mama in die Küche. „Anne hat recht. Stopf dir nicht immer den Mund so voll!“ Sie drückte ihm einen Handfeger und eine Kehrschaufel in die Hand und zeigte auf die Streusel am Boden. „Sauber machen!“
Lenny gehorchte, wenn auch äußerst widerwillig.
Anschließend ging er in den Flur, wo sein Blick auf eine alte Kiste fiel. Es handelte sich um eine von insgesamt drei Seefahrerkisten, die er und seine Schwester in diesem alten Schmugglerhaus gefunden hatten.
Die Kisten hatten die Aufzeichnungen eines Kapitäns enthalten, der zusammen mit seiner Mannschaft haarsträubende Abenteuer erlebt hatte. Insgesamt waren es drei komplette Logbücher gewesen. Die ganze Familie Schmidt hatte sich immer wieder an den Kamin gesetzt, um Opa Abraham zuzuhören. Denn ihm war es am leichtesten gefallen, die altmodische Schrift auf den vergilbten Blättern zu entziffern.
Leider hatten sie erst vor Kurzem den Schluss der letzten Geschichte gelesen. Aber vielleicht gab es ja noch mehr Logbücher. Denn dieses alte Haus war voller Geheimgänge und verborgener Winkel; und sicherlich hatten sie noch lange nicht alle Geheimnisse gelüftet. Während Lenny noch darüber nachdachte, wann sie wohl das nächste Logbuch finden würden, kam Oma Sarah die Treppe herunter.
„Oma Sarah! Wo ist Opa Abraham?“, bestürmte Lenny seine Großmutter, ohne sie richtig zu begrüßen.
Oma Sarah lächelte. „Der ist gerade auf dem Dachboden. Er meinte, er hätte eine Entdeckung gemacht.“
Lenny schaute sie mit großen Augen an. Dann lief er schnell die Treppe hinauf in den ersten Stock. Von dort aus führte eine breite Holzleiter zum Dachboden.
Und dort oben traf Lenny tatsächlich seinen Opa. Er saß in einem alten Schaukelstuhl und hatte einen Stapel Papier auf dem Schoß.
„Hallo, Opa Abraham! Was machst du da?“, fragte Lenny neugierig.
Opa Abraham schaute auf. „Ach, Lenny, schön, dass du kommst. Ich habe mir gerade noch einmal die letzte Seite des dritten Logbuchs angeschaut. Dabei ist mir etwas aufgefallen, was uns vielleicht weiterhelfen könnte.“
„Ein Hinweis darauf, wie wir das nächste Logbuch finden können?“, rief Lenny aufgeregt.
Opa Abraham nickte. „Ja. Du weißt ja: Am Schluss der letzten Geschichte haben wir diese kleine Notiz zunächst gar nicht bemerkt. Und nachdem wir sie entdeckt hatten, haben wir nicht weiter darüber nachgedacht. Es klingt nämlich so, als hätte da nur jemand ein kleines Gedicht verfassen wollen. Am besten lese ich dir diesen seltsamen, unvollständigen Reim noch einmal vor:
Im Gemäuer
unterm Feuer
tief im Keller
ist ein Teller
an der …“
Er legte das Logbuch zur Seite. „Ich halte es für möglich … Nein, ich bin mir inzwischen fast sicher, dass dies ein wichtiger Hinweis ist.“
Lenny wiederholte die Worte stirnrunzelnd: „‚Im Gemäuer, unterm Feuer, tief im Keller …‘ Aber wo könnte das sein?“
In diesem Augenblick betrat Anne den Dachboden. Sie hatte die letzten Worte gehört und sagte nun eifrig: „Also, mit Feuer ist bestimmt unser Kamin gemeint!“
Opa Abraham schlug sich an den Kopf. „Aber natürlich!“ Er überlegte. „Gemeint ist also eine Mauer oder eine Wand, die sich im Keller unter dem Kamin befindet.“
Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Aber der Vorratskeller des Hauses kann es nicht sein. Der liegt woanders.“
„Dann ist es bestimmt der geheime Keller, in dem wir das zweite Logbuch gefunden haben“, meinte Lenny. „Der könnte direkt unter unserem Kamin liegen.“
Opa Abraham nickte. „Ja, das glaube ich auch.“
Er stand vom Schaukelstuhl auf und folgte Lenny und Anne zu einem uralten Schrank. Nachdem sie die Schranktür geöffnet hatten, fasste Opa Abraham an den Boden und zog eine geheime Klappe nach oben. Ein versteckter Schacht kam zum Vorschein, in dem eine Eisenleiter senkrecht nach unten führte.
Lächelnd zeigte Opa Abraham auf Anne. „Die Dame darf zuerst gehen!“
Doch die schüttelte entsetzt den Kopf. „Nein! Da gibt es vielleicht Spinnennetze!“
Lenny grinste. Er amüsierte sich immer wieder darüber, wie sehr sich seine kleine Schwester vor Insekten und Spinnen ekelte. Was konnte einem so ein winziges Tier schon tun?
Aber obwohl er Annes Angst vor Spinnen nicht verstehen konnte, half er ihr immer, wenn es darauf ankam. Auch diesmal ging er sofort voran. Er stellte seine Füße auf die oberste Sprosse der Leiter und kletterte vorsichtig hinab, bis er ein Stockwerk tiefer einen Gang erreichte. Dieser befand sich direkt hinter seinem eigenen Zimmer.
„Erinnerst du dich noch, wie du diesen Geheimgang entdeckt hast, Lenny?“, fragte Opa Abraham, der ihm gefolgt war.
Der Junge nickte. „Ja, das war aufregend. Aber jetzt schnell weiter!“
Sie betraten eine Wendeltreppe, die noch zwei weitere Stockwerke hinabführte. Schließlich waren sie ganz unten angelangt und standen vor einer schweren Holztür. Sie öffneten sie und betraten den geheimen Keller, über den sie soeben gesprochen hatten.
Als Erstes fiel ihr Blick auf einen großen Holztisch, unter dem sich die zweite Seefahrerkiste mit dem zweiten Logbuch befunden hatte.
„So, und jetzt halten wir Ausschau nach einem Teller!“, schlug Opa Abraham vor.
Doch leider fanden sie keinen, sosehr sie den Raum auch absuchten.
Opa Abraham wiederholte den Reim noch einmal: „Im Gemäuer, unterm Feuer, tief im Keller ist ein Teller an der …“
„… Wand“, ergänzte Anne, obwohl das Wort ja eigentlich nicht in dem Gedicht vorkam. Dann zeigte sie auf eine der Wände, die sich vom Rest des gemauerten Kellerraums unterschied.
Opa Abrahams Augen weiteten sich. „Also, damit könntest du recht haben, Anne, denn erstens liegt diese Wand vermutlich genau unter dem Kamin. Und zweitens besteht sie nicht aus normalen Mauersteinen, sondern vollständig aus Steinplatten.“
Sie traten näher heran und schauten sich Platte für Platte ganz genau an. Einige waren oval, andere eckig.