Karma-Sutra - Brigid Ryll - E-Book

Karma-Sutra E-Book

Brigid Ryll

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Beschreibung

Unter dem Begriff Indische Medizin wird im allgemeinen Sprachgebrauch meist der Ayurveda verstanden. Tatsächlich umfasst die Indische Medizin erheblich mehr als lediglich den Ayurveda. Dieses Buch präsentiert in einzigartiger Zusammenstellung die Philosophie und das Zusammenwirken von Ayurveda, Dhanurveda, Yoga, Kamasutra, Tantra und Ardhanarishvara Veda und führt den Leser zurück zur kraftvollen Komplexität des traditionell indischen Heilungsansatzes.

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In der Reihe „Spirituelle Aspekte in der Medizin“ sind bisher erschienen:

Band 1:

Bachblüten als Erkenntnisweg

Band 2:

Karma-Sutra, Indische Medizin als Erkenntnisweg

Brigid Ryll

Physiotherapeutin, Yogalehrer-Diplom-Ausbildung, langjährige Praxis des Indischen Bogenschießens, Bachblütentherapeutin, Ausbildung in anthroposophischer Medizin, Ayurvedatherapeutin, Entwicklung frauenspezifischer Therapiekonzepte in den Bereichen Yoga, Indisches Bogenschießen und Meditation.

Dr. med. Stefan Jarzombek, M.A.

Facharzt für Allgemeinmedizin, Ärztlicher Psychotherapeut, Anthroposophischer Arzt (GAÄD), Ayurvedaarzt, Akupunkturausbildung.

für Theresa und Johannes

für Marion

für Helga, Leah und Tom

Inhalt

Einleitung

Ayurveda

Historie

Die Grundlagen des Ayurveda

Entstehung und Struktur der Schöpfung

Die Trigunas

Die geistige Welt

Die materielle Welt

Bau und Funktion des menschlichen Körpers

Die Doshas und die Konstitution

Vata

Pitta

Kapha

Sattva, Rajas, Tamas

Agni - das Verdauungsfeuer

Mala - die Ausscheidungsprodukte

Ama - die Stoffwechselgifte

Srotas - die Transportkanäle

Die sieben Körpergewebe

Die Marmapunkte

Das Verständnis von Gesundheit und Krankheit

Krankheitsursachen

Untersuchung und Diagnose im Ayurveda

Die drei Ebenen der Behandlung

Prävention als Gesundheitsprinzip

Ayurvedische Ernährungslehre

Ordnungstherapie

Die ayurvedische Behandlung

Heilmittel

Ghee

Purvakarma

Panchakarma

Pascatakarma

Dhanurveda

Historie

Die Geschichte der indischen Kampfkunst

Die Geschichte der Bogenkunst in Indien

Der Dhanurveda des Sarngadhara Paddhati

Die erste Instruktion

Die Ziele der Bogenkunst

Die Eigenschaften eines Bogens

Die Merkmale der Bogensehne

Die Merkmale der Pfeile

Die Merkmale der Pfeilspitzen

Die Methoden des Härtens der Pfeilspitzen

Die Beschreibung der Waffen

naraca

und

nalica

Die Handposition beim Auszug und die Körperhaltung beim Lösen des Pfeils

Das Halten und Schießen von Pfeilen

Methoden, den Bogen zu halten und mit dem Pfeil zu zielen

Beschreibung des

vyayah

Ziele und ihre Varianten

Anahyaya

- Unterbrechung der Übung

Yoga-Atemkontrolle im Schießen

Ablenkung des Pfeils

Die korrekte Flugbahn der Pfeile

Die Einstellung eines Bogenschützen

Beschreibung der vier harten Ziele

Das Schießen auf bewegliche Ziele

Schießen auf Ziele nach Gehör

Wiederholte Übung für Treffsicherheit

Übung mit Waffen

Regeln für den Krieg

Die Berechnung von akshauhini

Bogenkunst und meditative Praxis

Krieger und Kriegerinnen heute

Die Bogenlektionen

Die Bogenübung in der Praxis

Yoga

Historie

Yoga heute

Die spirituellen Grundlagen des Yoga

Die Yoga-Sutras des Patanjali

Die vier Yoga-Pfade

Der Prozess des spirituellen Erwachens

Die Philosophie des Yoga

Die 7 Chakras

Über 7 Brücken musst Du gehen

Raja Yoga

Kamasutra

Hintergrund und Entstehung

Die sieben Bücher des Kamasutra

Buch 1: Meditationen

Buch 2: Liebeskunst

Buch 3: Werbung

Buch 4: Ehe

Buch 5: Die Frauen anderer Männer

Buch 6: Kurtisanen

Buch 7: Aphrodisiaka

Vatsyayanas Segen

Kamasutra und Yoga

Tantra

Historie

Philosophie des Tantra

Die Hauptelemente des praktischen Tantra

Der Liebesakt als Werkzeug

Die tantrische Dimension jeder Beziehung

Ardhanarishvara Veda

Ardhanarishvara

Ursprung und Ziel unseres Seins

Der Erkenntnisweg des Menschen

Den gemeinsamen Pfad beginnen - die Pforte des Vertrauens

Die drei Dimensionen des gemeinsamen Pfades - Körper, Geist und Seele

Grenzgänger sein - vom Sein in zwei Welten

Polarität und Einheit

Sowohl als auch

Der Übungsweg der körperlichen Einheit

Karma-Sutra

Die vier Ashramas

Brahmacharya

Grihastha

Vanaprastha

Sannyasa

Karma-Sutra

Nachwort

Anhang

Konstitutionstest

Muladhara (Wurzelchakra

)

Svadhisthana (Sexualchakra)

Manipura (Nabelchakra)

Anahata (Herzchakra)

Vishuddha (Halschakra)

Ajna (Stirnchakra)

Sahasrara (Kronenchakra)

Einleitung

Jedes wirksame, ganzheitliche Heilungssystem ist auf dieselben grundlegenden Wahrheiten zurückzuführen. Dies kann auch nicht anders sein, denn die Rahmenbedingungen, die auf den Menschen und die Schöpfung wirken, sind stets gleich. Dies gilt nicht nur für die Gesetze des materiellen Kosmos. Gleichermaßen hat diese Grundannahme Gültigkeit für die geistig-seelischen Aspekte der Schöpfung und ihre Gesetzmäßigkeiten. Folgerichtig stimmen alle bedeutsamen und authentischen Weisheitslehren in ihren grundlegenden Aussagen zur Existenz einer göttlichen Kraft, zum Aufbau der Schöpfung sowie zum Sinn und Weg der menschlichen Existenz überein. Es ergeben sich daher gleichsam „Rahmendaten“, die dem Kundigen immer wieder als Ausdruck der Authentizität eines Heilungssystems erkennbar werden.

In beeindruckender Weise finden wir die Gesetze und das Zusammenwirken der körperlichen, geistigen und seelischen Schöpfung in den Lehren der Indischen Medizin wieder. Unter dem Begriff Indische Medizin wird im allgemeinen Sprachgebrauch meist der Ayurveda verstanden, welcher sich seit einigen Jahren auch in der westlichen Welt zunehmender Beliebtheit erfreut. Allerdings handelt es sich bei den ayurvedischen Angeboten in Europa häufig um Maßnahmen im Wellnessbereich, deren Zweck sich in eher allgemeiner Erholung und Entspannung erschöpft. Tatsächlich umfasst die Indische Medizin erheblich mehr als lediglich den Ayurveda. Die zugrundeliegende Heilungsphilosophie geht zudem weit über eine reine Wohlfühlbehandlung hinaus. Bereits die Überlieferung zur Entstehung des Ayurveda beginnt mit der unmissverständlichen Klarstellung, dass Gesundheit kein Selbstzweck ist, sondern notwendige Voraussetzung, damit sich der Mensch seiner spirituellen Weiterentwicklung widmen kann. Das Ziel aller Heilung ist die Unterstützung des Menschen auf seinem Erkenntnis- und Erleuchtungsweg.

In einzigartiger Weise umfasst die Indische Medizin eine Sammlung verschiedener Lehren, die in der Gesamtheit die ganzheitliche Heilung von Körper, Seele und Geist im Sinne eines Erkenntnisprozesses ermöglichen. Es existiert weltweit kein vergleichbares System, welches ähnlich komplex und umfassend Anleitung zur ganzheitlichen Heilung bietet. Dabei gehen tiefgreifende geisteswissenschaftliche und philosophische Darstellungen Hand in Hand mit lebenspraktischen Ratgebern und Unterweisungen.

Die Indische Medizin in der Übersicht

Ebene Körper

Ayurveda

Der Mensch als Individuum

Ebene Geist

Dhanurveda

Ebene Seele

Yoga

Ebene Körper

Kamasutra

Der Mensch in der Paarbeziehung

Ebene Geist

Tantra

Ebene Seele

Ardhanarishvara Veda

Der Ayurveda, das Wissen vom Leben, beschäftigt sich intensiv mit den körperlich-stofflichen Aspekten des Lebens. Ausführlich beschreibt der Ayurveda die Entstehung der Elemente, die Zusammensetzung und Funktion des menschlichen Körpers sowie die Wechselwirkungen zwischen dem Organismus und dem umgebenden Kosmos. Das Leben wird als ständige Wandlung des Substanziellen begriffen, als unaufhörliches Werden und Vergehen. In diesem Kreislauf des Lebens ist Gesundheit eine harmonische Balance, sowohl innerhalb des Organismus, als auch in der Beziehung zur kosmischen Umgebung. Da der den Menschen umgebende Kosmos ständigen und wechselnden Einfluss auf den Organismus ausübt, muss der Mensch durch angemessene Verhaltensweisen, bewusste Ernährung und balancierende Behandlungen stets aufs Neue seine Gesundheit herstellen. Gesundheit ist somit das Ergebnis eines aktiven Prozesses, in welchem der Mensch die wirkenden Kräfte des stofflichen Lebens bewusst wahrnimmt und balanciert. Der Ayurveda lehrt diese Kräfte des stofflichen Lebens und beschreibt genau ihre Wirkungen und Wechselwirkungen in Bezug auf den Organismus. Die Darstellungen im Ayurveda reichen dabei von allgemeingültigen Prinzipien bis hin zu ganz konkreten und detaillierten Empfehlungen zur täglichen Lebensführung. Nach indischem Verständnis ist der Körper das Gefährt, mit dem die Seele durch dieses Leben reist. Nur ein gesunder Körper vermag der Seele die notwendige Hilfe zu sein, um alle Lebenserfahrungen zu machen, für die sie in dieses Leben gekommen ist. Daher kommt der Pflege des Körpers, dem achtsamen Erhalten des irdischen Fahrzeugs, große Bedeutung zu.

Der Dhanurveda, das Wissen vom Bogen, erschließt die geistige Dimension des Menschen. Die geistigen Fähigkeiten des Menschen sind während des Lebens stoffgebunden und manifestieren sich durch die Funktionen des Nervensystems. Dennoch sind die geistigen Wahrnehmungen und Erkenntnisse nicht allein stofflicher Qualität. Sie überschreiten die Ebene des rein Körperlichen und bilden die Brücke zu einer metaphysischen, geistigen Welt, die ebenfalls Teil des Kosmos und der menschlichen Existenz ist. Der Dhanurveda lehrt die Wirkung des Geistigen im Lebendigen und bildet einen Übungsweg, der die geistigen Qualitäten des Menschen wahrnehmen und bewusst einsetzen hilft.

Der Yoga widmet sich schließlich der seelischen Dimension der menschlichen Existenz. Er stellt die Frage nach dem Woher und Wohin des Menschen und bietet ein komplexes Lehr- und Übungssystem, welches die Erleuchtung des Menschen - im Sinne der Erfahrung der Einheit mit dem Göttlichen - zum Ziel hat. Wie eine umfassende Klammer schließt der Yoga auf diesem Erleuchtungsweg auch die körperliche und geistige Dimension des Menschen ein, dennoch ist er im Kern eine Lehre, die auf die seelische Dimension des Menschen abzielt. Körperliche und geistige Übungen werden zum Zwecke der Kontrolle und Überwindung der körperlichen und geistigen Begrenzungen gelehrt, um damit die Seele als eigentlichen Kern der menschlichen Existenz auf dem Erleuchtungsweg zu unterstützen.

Die Indische Medizin erschöpft sich nicht in der Betrachtung des einzelnen Menschen, sondern erkennt die besondere Bedeutung der Paarbeziehung für Leben und Erleuchtung des Menschen. Die konsequente Integration der Beziehungsdimension der menschlichen Existenz in den Heilungsansatz ist bis heute revolutionär. Dabei wird der Tatsache Rechnung getragen, dass der Mensch, ebenso wie die gesamte Schöpfung, dem Schöpfungsprinzip der Polarität unterworfen ist. Auf der Ebene des Körperlich-Stofflichen gilt es stets, den unterschiedlichen Bedürfnissen der polaren Seiten gerecht zu werden. Auf der geistigen Ebene dient die gegenseitige Ergänzung dem vertieften Erkennen der Wirklichkeiten. Auf der seelischen Ebene schließlich führt die Verschmelzung der polaren Seelen zur Rückkehr der Schöpfung in ihren Ursprung. Dieser letzte Erkenntnisschritt ist für eine einzelne Seele nicht erreichbar.

Das Kamasutra beschäftigt sich mit der körperlich-stofflichen und lebenspraktischen Seite einer Partnerschaft. Es lehrt Praktiken und Regeln, um die Beziehung zum Wohlbefinden beider Partner auszugestalten. Im Fokus sind dabei alle Aspekte, die innerhalb der Partnerschaft körpervermittelt stattfinden oder erlebt werden. In diesem Verständnis wird die sexuelle Begegnung primär in ihrer lustbringenden körperlichen Dimension betrachtet. Die Lehren beschränken sich jedoch nicht auf die körperliche Liebe. Ebenso werden viele weitere relevante Aspekte einer Partnerschaft im Hinblick auf die stofflich-körperliche Dimension dargestellt, zum Beispiel die Gestaltung des Wohnraumes, Essen und Trinken, Hygiene, soziale Aktivitäten oder Freizeitgestaltung.

Das Tantra lehrt die geistige Dimension einer Partnerschaft. Hier geht es darum, die körperliche Begegnung bewusst um die Qualität einer geistigen Entwicklung zu erweitern. Die gemeinsame körperliche Übung dient dabei lediglich als äußeres Bild eines angestrebten inneren Prozesses. Da jedes menschliche Individuum stets auf die eigene Geschlechtlichkeit begrenzt ist, soll die Ergänzung um das gegengeschlechtliche polare Gegenüber dem Geist Hilfe zur Erweiterung seiner erkennenden Wahrnehmung sein.

Der Ardhanarishvara Veda, der Weg der Liebenden, stellt die seelische Dimension einer Paarbeziehung dar. Im Schöpfungsprozess manifestiert sich die göttliche Seele als Dualseele, welche in sich nicht nur die Fähigkeit zur Erkenntnis des göttlichen Ursprungs trägt, sondern auch die Möglichkeit der Rückkehr zum göttlichen Ursprung besitzt.

Ayurveda

Die Indische Medizin ist eine Sammlung verschiedener Lehren, die in der Gesamtheit die ganzheitliche Heilung von Körper, Seele und Geist im Sinne eines Erkenntnisprozesses ermöglichen. Die Indische Medizin erschöpft sich dabei nicht in der Betrachtung des einzelnen Menschen, sondern erkennt zudem die besondere Bedeutung der Paarbeziehung für Leben und Erleuchtung des Menschen. Im Folgenden betrachten wir nun den Menschen als Individuum und beschäftigen uns mit der körperlichen Ebene der individuellen Existenz. Diese Ebene wird durch den Ayurveda beschrieben.

Der Ayurveda, das Wissen vom Leben, beschäftigt sich intensiv mit den körperlichstofflichen Aspekten des Lebens. Ausführlich beschreibt der Ayurveda die Entstehung der Elemente, die Zusammensetzung und Funktion des menschlichen Körpers sowie die Wechselwirkungen zwischen dem Organismus und dem umgebenden Kosmos. Das Leben wird als ständige Wandlung des Substanziellen begriffen, als unaufhörliches Werden und Vergehen. In diesem Kreislauf des Lebens ist Gesundheit eine harmonische Balance, sowohl innerhalb des Organismus, als auch in der Beziehung zur kosmischen Umgebung. Da der den Menschen umgebende Kosmos ständigen und wechselnden Einfluss auf den Organismus ausübt, muss der Mensch durch angemessene Verhaltensweisen, bewusste Ernährung und balancierende Behandlungen stets aufs Neue seine Gesundheit herstellen. Gesundheit ist somit das Ergebnis eines aktiven Prozesses, in welchem der Mensch die wirkenden Kräfte des stofflichen Lebens bewusst wahrnimmt und balanciert. Der Ayurveda lehrt diese Kräfte des stofflichen Lebens und beschreibt genau ihre Wirkungen und Wechselwirkungen in Bezug auf den Organismus. Die Darstellungen im Ayurveda reichen dabei von allgemeingültigen Prinzipien bis hin zu ganz konkreten und detaillierten Empfehlungen zur täglichen Lebensführung. Nach indischem Verständnis ist der Körper das Gefährt, mit dem die Seele durch dieses Leben reist. Nur ein gesunder Körper vermag der Seele die notwendige Hilfe zu sein, um alle Lebenserfahrungen zu machen, für die sie in dieses Leben gekommen ist. Daher kommt der Pflege des Körpers, dem achtsamen Erhalten des irdischen Fahrzeugs, große Bedeutung zu.

Historie

Die Legende erzählt:

Vor langer Zeit waren 52 Rishis (heilige, gelehrte Männer) sehr entmutigt, da die Menschen unter Krankheit und einer kurzen Lebenserwartung litten und sich kaum der spirituellen Weiterentwicklung widmeten. Die heiligen Männer versammelten sich in einem Tal des Himalaja und beratschlagten, wie den Menschen geholfen werden könnte. Nach gemeinsamer, tiefer Meditation beschlossen Sie, Bharadvaja zum Gottkönig Indra zu schicken, damit dieser ihn die Weisheit und das Wissen vom Leben lehren sollte. Indra überzeugte sich zunächst von den lauteren Motiven des Bharadvaja und unterrichtete ihn anschließend in den Prinzipien der Wissenschaft vom Leben, Ayurveda. Bharadvaja kehrte nach der Unterweisung in den Himalaja zurück und lehrte alle Weisen dieses neue Wissen. Gestärkt durch die Kunst des Ayurveda führten diese Weisen anschließend ein langes, erfülltes Leben. Punarnava Atreya schließlich wies aus Mitgefühl für alle Lebewesen seine Schüler an, dieses Wissen niederzuschreiben.

Soweit die Legende, wie sie sich in der Charaka Samhita findet, in der Sutra Sthana, Kapitel 1, Verse 3 – 34.

Ein langes, gesundes Leben wünscht sich jeder Mensch. Doch was fangen wir mit einem solchen Leben an? Der Ayurveda sagt deutlich, dass unser Leben der spirituellen Weiterentwicklung dienen soll. Das heißt, wir sollen uns in unserem Leben darum bemühen, weiser und reifer zu werden und irgendwann den Zustand der Erleuchtung erreichen. Der Ayurveda widmet sich dabei den Zusammenhängen der stofflich-körperlichen Ebene und lehrt, wie der Körper gesund erhalten werden kann. Damit schafft er die Voraussetzungen dafür, dass der Mensch sich der geistigen und spirituellen Weiterentwicklung widmen kann. Der Ayurveda selbst lehrt jedoch nicht die Wege zur spirituellen Weiterentwicklung. Diese Weisheiten erfahren wir durch Dhanurveda, Yoga und Tantra sowie in der Lehre über Ardhanarishvara Veda, den Weg der Liebenden.

Aus der kulturhistorischen Forschung wissen wir heute, dass die schriftliche Überlieferung des Ayurveda bereits in der frühen rigvedischen Zeit ab 6000 v. Chr., das heißt vor 8000 Jahren, begann. Die Veden sind vermutlich die derzeit ältesten Schriften der Erde. Sie gehen zurück auf den Beginn der indischen Zivilisation. Es wird angenommen, dass die Veden zunächst für viele tausend Jahre nur mündlich überliefert wurden, bevor sie schriftlich niedergelegt wurden. Die Veden sind die älteste Schrift der Menschheit überhaupt. Sie sind die Ur-Quelle allen religiösen Wissens. Man sagt, dass sie niemals von Menschenhand geschrieben wurden und daher vollkommen und göttlich sind. Sie wurden den weisen Rishis (Sehern) vom Gott Brahma durch Meditation offenbart. Der Rishi schuf also nicht aus seinem Geist, sondern er „sah“ den Gedanken, der schon da war.

In der indischen Philosophie werden vier Veden unterschieden:

Die

Veden

Rigveda

Yajurveda

Samaveda

Adharvaveda

Rigveda

Der Rigveda ist die älteste, umfangreichste und bedeutendste Schrift der Veden. Er umfasst eine Sammlung von 1028 vedischen Sanskrit-Hymnen (Sanskrit: samhitas) und 10600 Sanskrit-Versen, gegliedert in 10 Bücher (Sanskrit: mandalas). Rigveda bedeutet „Veda der Verehrung“ oder „Veda der Anbetung“ und beinhaltet hauptsächlich Verse, in denen Gottheiten angebetet oder beweihräuchert werden. Aber der Rigveda handelt darüber hinaus auch von anderen weltlichen Themen, wie dem Ablauf einer Hochzeit. Zudem enthält der Rigveda das erste Verzeichnis medizinischer Heilpflanzen.

Ungefähr zwei Drittel des Rigveda handeln von den Göttern Agni (Gott des Feuers) und Indra (Herrscher der Götter). Ergänzt durch die Gottheit Soma bilden die Gottheiten eine Dreiheit, welche die drei kosmischen Kräfte symbolisiert, die den gesamten Kosmos formen. Sie manifestieren sich in drei Prinzipien, den so genannten gunas, welche die Grundlage aller Schöpfung darstellen:

Gottheit

guna

Indra

sattva

Soma

tamas

Agni

rajas

Die Idee einer göttlichen Dreiheit findet sich in zahlreichen Religionen. So lehrt auch das Christentum unseres Kulturkreises einen dreigestaltigen Gott aus Gottvater, Sohn und Heiligem Geist. Nun ist aber gerade das Christentum ein Monotheismus, also der Glaube an nur einen einzigen Gott. Wie lässt sich dies mit der göttlichen Dreifaltigkeit verbinden? Wie auch in der indischen Mythologie steht die Dreiheit immer für drei grundlegende kosmische Prinzipien, die in der von Gott erschaffenen Schöpfung wirken und erst durch ihre innere Dynamik die Schöpfung ausmachen. Die drei Gottheiten symbolisieren also ein kosmisches Prinzip, welches uns in zahlreichen Manifestationen der Schöpfung begegnet:

Einige Beispiele:

sattva

tamas

rajas

Indra

Soma

Agni

Gottvater

Sohn

Heiliger Geist

Vishnu

Brahma

Shiva

Lakshmi

Sarasvati

Parvati

atma

buddhi

manas

Kether

Chochmah

Neschama

Geistesmensch

Lebensgeist

Geistselbst

Die Drei spielt in allen religiösen, philosophischen und mystischen Lehren eine wichtige Rolle. Sie zeigt uns, dass alles im Universum in Dreiheit auftaucht. Die Drei steht für das vermittelnde Prinzip zwischen den dualen Gegensätzen und für das Neue, was sich aus der Verbindung der dualen Gegensätze ergibt. Dieses Neue entspricht dem Schöpfungsprozess.

Yajurveda

Der Yajurveda, der „Veda der Opferformeln“, besteht aus alten, umgangssprachlichen Mantras, teilweise auch aus Versen, welche dem Rigveda entliehen wurden. Ihr Nutzen war praktischer Natur, insofern als jedes Mantra Hand in Hand mit einer Opferhandlung gehen musste. Anders als der Samaveda fand es jedoch bei allen Opferzeremonien Verwendung, nicht nur bei Opfergaben für die Gottheit Soma. Der Yajurveda umfasst 5 Hymnen (samhitas) und Prosatexte, sowie die Aranyakas und einzelne Upanischaden. Rituale und Zeremonien sind wichtige Elemente jeder religiösen oder spirituellen Lebensweise. Sie dienen über ihre Symbolik der Bewusstmachung spiritueller Weisheiten.

Samaveda

Der Samaveda ist der „Veda der Gesänge“ oder das „Wissen von den Melodien“. Der Name leitet sich vom Sanskritwort saman ab, welches soviel wie „Lobgesang“ bedeutet. Der Samaveda umfasst 1810 Hymnen (samhitas), die Gebete der Brahmanen sowie den Chandogya und Jaiminia Upanischaden. Die Formen der Gesänge sind wichtig für die liturgische Verwendung der Verse, somit waren die Hymnen entsprechend bestimmter, festgelegter Melodien zu singen. Gesang und Gebete sind urmenschliche Ausdrucksformen, um in Verbindung zu treten mit unserer göttlichen Quelle, mit der Kraft, aus der die gesamte Schöpfung und auch wir Menschen hervorgegangen sind.

Adharvaveda

Adharvaveda bedeutet „Veda der Weisen und Alten“. Er beinhaltet zunächst die klassische Dichtung der visionären Dichter. Meist wird darin die heilende Kraft der Pflanzen und des Wassers verherrlicht. Viele Dichtungen beziehen sich auf Erkrankungen sowie Kräuter und magische Amulette, welche die Krankheiten wieder beseitigen. Weiter finden sich Dichtungen, die sich mit Sünde und deren Sühne beschäftigen, mit Fehlern in der Durchführung von Ritualen und den zugehörigen sühnenden Handlungen, mit politischen und philosophischen Themen sowie eine Hymne auf Mutter Erde (prithvi). In der Dichtung versuchen Menschen, Dinge und Sachverhalte in Worte zu fassen, die eigentlich durch die Sprache nicht mehr ausdrückbar sind. Dichtung geht über die Umgangssprache weit hinaus, sie vermag tiefere Weisheiten und Empfindungen zu vermitteln. Krankheiten werden seit alters her mit der Lebensweise des Menschen in Verbindung gebracht. Krankheit ist ein Hinweis, dass der Mensch sich (ver-)ändern muss. Diese uralte Auffassung, dass Krankheiten wichtige Signale auf dem Lebensweg sind, ist heute im naturheilkundlich-ganzheitlichen Verständnis von Gesundheit und Krankheit unverändert aktuell. Wir können in unserem Leben Halt, Stütze und Führung erfahren, indem wir Rituale, Gesang, Gebet, Dichtung und die Reflexion über Krankheitssignale entsprechend unseres Bewusstseinszustandes in unseren Alltag integrieren.

Ayurveda

Der Ayurveda hat seine Wurzeln hauptsächlich im Adharvaveda. Im Ayurveda gibt es keine Trennung von Philosophie und Naturwissenschaft. Vielmehr werden übergreifende, grundlegende Prinzipien des Kosmos in ihrer Allgemeingültigkeit zur Basis von Diagnostik, Therapie und Pharmakologie. Ergänzend zu den Veden bilden die darsanas, spirituelle und wissenschaftliche Auslegungen der Welt mit ihren Erscheinungen, die Grundlage für den Ayurveda. Auf der Grundlage der alten vedischen Texte schufen Charaka, Bhela und Sushruta ihre heilkundigen Werke, welche bis heute für die ayurvedische Medizin von grundlegender Relevanz sind.

Die Grundlagen des Ayurveda

Im Ayurveda sind Naturwissenschaft und Philosophie lediglich zwei Seiten derselben Sache. Die Trennung von Naturwissenschaft und Philosophie, wie sie bei uns im Westen besteht, wurde im Ayurveda nie vollzogen. Philosophische und spirituelle Erkenntnisse werden direkt in Beziehung gesetzt zu naturwissenschaftlichen Modellen und Vorstellungen. Der Ayurveda betrachtet den Menschen als Mikrokosmos, der den gleichen Kräften und Gesetzen unterliegt, wie der Makrokosmos. Alles in der Natur besteht aus den gleichen Bausteinen, die in einem balancierten Gleichgewicht vorliegen müssen, wenn Harmonie bestehen soll. Ein Zuviel oder Zuwenig einer bestimmten Seite führt immer zu Krankheit und Zerstörung. So lautet die wichtigste Regel im Ayurveda, stets für einen Ausgleich der wirkenden Kräfte zu sorgen.

Grundlage des Verständnisses bilden Universale Gesetze, die nicht nur wichtige Eckdaten des ayurvedischen Weltbildes sind, sondern seit Tausenden von Jahren die Basis aller ganzheitlichen philosophischen, religiösen und medizinischen Systeme bilden:

Wie oben, so unten

Dieses Gesetz sagt aus, dass in der gesamten polaren Schöpfung die gleichen Regeln und Gesetze gelten. Aus diesem Grunde ist es möglich, Erkenntnisse, die man im (großen) kosmischen Zusammenhang gewonnen hat, auf den (kleinen) Menschen zu übertragen und umgekehrt. Dies gilt nicht nur für materielle Aspekte der Schöpfung (prakriti), sondern ebenso für die geistig-seelischen Dimensionen (purusha). In vielen religiösen und spirituellen Texten wird uns dieses Gesetz immer wieder dargelegt. Beispielhaft sei die bekannte Textpassage aus dem Vater unser erwähnt:

…Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden…

Mit diesen Worten wird ausgedrückt, dass die göttliche Kraft gleichermaßen in der geistigen Welt (purusha) wie auch in der materiellen Welt (prakriti) wirkt. Wie oben, so unten.

Das Gesetz des Ausgleichs

Sowohl in der materiellen Welt (prakriti) als auch in der geistigen Welt (purusha) ist eine Balance der wirkenden Kräfte notwendig, damit die Schöpfung existieren kann. So führt das Ansteigen des einen Pols stets zum Anstieg des anderen Pols, so dass sich immer wieder die wirkenden Kräfte im Sinne einer ganzheitlichen Harmonie ausgleichen.

Alles ist Eins. Alles ist mit Allem verbunden.

Diese Wahrheit ist nicht leicht zu verstehen, noch schwieriger ist es, entsprechend dieser Wahrheit zu leben. Natürlich ist es notwendig, sich von anderen abzugrenzen, seinen eigenen Rhythmus des Lebens zu finden, sich vor Übergriffen oder vor Fremdbestimmung zu schützen. Dennoch müssen wir uns stets vor Augen halten, dass kein Mensch in seiner eigenen Welt für sich allein existiert. Alles, was wir tun oder nicht tun, hat Auswirkungen auf andere Menschen und auf die Umwelt um uns herum. Daher lehrt uns der Ayurveda eine zunehmende Bewusstheit über die ständigen Wechselwirkungen des Lebens, zwischen uns und der uns umgebenden Welt. Die ayurvedische Medizin ist zwar schon tausende von Jahren alt, sie ist mit dieser Sichtweise dennoch hochaktuell und nutzt Grundannahmen, wie wir sie heute aus der Systemtheorie kennen. Kurz zusammengefasst besagt diese Theorie, dass alles im Universum voneinander abhängig ist. Alles unterliegt ständiger Veränderung, es herrscht ein kontinuierliches Wachsen und Vergehen - die Rhythmik des Lebens im Mikro- wie im Makrokosmos. In diesem Fluss des Lebens gibt es keine Stagnation. So kann auch Gesundheit nicht als statischer Zustand begriffen werden, sondern entsteht in jedem Augenblick neu durch das immer wieder neu zu schaffende Gleichgewicht der lebensbestimmenden Kräfte des Universums.

Entstehung und Struktur der Schöpfung

Die Indische Medizin lässt sich nur erfassen, wenn grundlegende Vorstellungen über die Entstehung und den Aufbau der Schöpfung vorhanden sind. Wir wollen uns daher zunächst ansehen, wie nach indischem Verständnis die Schöpfung entsteht. Dabei können wir immer wieder feststellen, dass sich die dargestellten grundlegenden Prinzipien in ähnlicher Weise in allen anderen großen Weisheitsschulen der Menschheit finden.

Der Beginn der Schöpfung

Die Veden lehren uns, dass vor der Schöpfung eine allumfassende göttliche Kraft in sich selber ruhte. Ohne Zeit, ohne Raum, ohne Existenz und ohne Nicht-Existenz. Da und doch nicht da. Dies ist die ursprüngliche göttliche Dimension, die jegliches menschliche Vorstellungsvermögen übersteigt. Daher heißt es in allen Lehren, dass wir uns kein Bild von Gott machen sollen, da dieses Bild zwingend unvollkommen und falsch sein müsste.

Weiter berichten die Lehren, dass diese allmächtige göttliche Dimension irgendwann wie einen Gedanken fasste und damit aus der ursprünglich allumfassenden, in sich ruhenden Unendlichkeit heraustrat. Durch die Bildung eines Gedankens begrenzte sich die göttliche Dimension. Diese Begrenzung des Unendlichen und Allmächtigen hin zu einem Endlichen und Eingeschränkten war die Grundvoraussetzung für alle Schöpfung.

Der erste göttliche Gedanke, die göttliche Bewusstheit, enthielt bereits alle Schöpfung. Aus diesem ersten Gedanken entstanden nun eine materielle und eine geistige Schöpfungsdimension, die Polarität als ewiges Schöpfungsprinzip.

Die geistige Dimension enthält die Gesamtheit aller Möglichkeiten, eine materielle Schöpfung zu bilden. Sie ist und bleibt jedoch selbst immer unveränderlich. Wie eine Blaupause, eine Quelle endloser Ideen, eine Sammlung aller Möglichkeiten bildet sie ewig die männliche Dimension der Schöpfung.

Die materielle Schöpfung dagegen ist die konkrete Umsetzung einer geistigen Idee. Jede materielle Manifestation ist dabei unvermeidbar immer eine Begrenzung, eine Beschränkung. Aus der unendlichen Zahl der Möglichkeiten und Ideen (die vom Beginn der Schöpfung an bereits in der geistigen Welt vorhanden sind) wird ein kleiner Aspekt wie herausgegriffen und materialisiert. Die Manifestation gelingt nur um den Preis, dabei auf viele andere Aspekte möglicher Manifestation zu verzichten. Die materielle Schöpfung bildet den weiblichen Teil der Schöpfung.

Die materielle Welt und die geistige Welt

Die Samkhya-Philosophie lehrt diesen Schöpfungsverlauf so, dass neben der ewigen, aktiven und veränderlichen Materie (prakriti) eine zweite Kraft in der Schöpfung wirkt, die ebenfalls ewige, jedoch passive und unveränderliche Antimaterie (purusha). Diese Antimaterie kann man als reines Selbst bezeichnen, als immaterielle Grundlage der materiellen Objekte, als göttlichen Geist oder als die der Objekte zugrundeliegende Idee. Erst aus der Spannung dieser gegensätzlichen Kräfte entsteht die Evolution der Schöpfung.

Neben der materiellen Schöpfung existiert also eine nicht-materielle, eine geistige Welt. Sie bildet den Gegenpol zum Materiellen und entsteht ebenso wie der materielle Pol im Schöpfungsprozess. Unter Schöpfung verstehen wir, dass aus dem allumfassenden Eins des Göttlichen etwas Wahrnehmbares, Erkennbares wird. Dies kann nur gelingen, wenn aus der 1 des Göttlichen eine 2 wird. Erst in der Entstehung eines Gegenübers wird Wahrnehmung und Erkenntnis möglich (vergleiche hierzu das Kapitel „Ardhanarishvara Veda“). Die nicht-materielle Welt ist die Welt des Geistigen, des Metaphysischen, also des über das Materiellkörperliche Hinausgehenden. In ihr gelten andere Gesetzmäßigkeiten, als in der materiellen Welt. So wird die geistige Welt nicht bestimmt durch die Elemente, daher gibt es nicht die Beschränkung durch Aggregatzustände, ebenso nicht die Beschränkungen durch Raum und Zeit. Materielle und nicht-materielle Welt sind zwar getrennte Pole der Schöpfung, jedoch in ständiger Wechselwirkung aufeinander. Ideen und Kräfte der geistigen Welt beeinflussen die Ausgestaltung und die Manifestationen der Materie, ebenso wirken materielle Veränderungen in die geistige Welt. Diese Wechselwirkungen sind die Grundlage für die Wirkungen von Ritualen, Gebeten oder Meditation. Die materielle Schöpfung ist von der nicht-materiellen gleichsam „durchgeistigt“, daher finden wir die Aspekte der Trigunas ebenso in den geistigen wie auch in allen materiellen Manifestationen der Schöpfung.

Die Trigunas

Alle Schöpfung, die geistige Welt ebenso wie die materielle, wird bestimmt durch die so genannte Dreierkomponente (triguna). Dies sind drei Prinzipien, die sich im gesamten Kosmos finden:

sattva

, entspricht dem Prinzip der Reinheit

rajas

, entspricht dem Prinzip der Aktivität

tamas

, entspricht dem Prinzip der Untätigkeit

Wir hatten diese drei kosmischen Prinzipien in Form des Bildes der göttlichen Dreifaltigkeit bereits weiter oben dargestellt. In der indischen Mythologie steht eine göttliche Dreiheit für drei grundlegende kosmische Prinzipien, die in der von Gott erschaffenen Schöpfung wirken und erst durch ihre innere Dynamik die Schöpfung ausmachen. Drei Gottheiten symbolisieren dieses kosmische Prinzip, welches uns in zahlreichen Manifestationen der Schöpfung begegnet.

Die geistige Welt

In der geistigen Welt befinden sich die Trigunas im Gleichgewicht. Solange die drei grundlegenden Schöpfungsprinzipien in Balance sind, entsteht keine materielle Manifestation. Alle Prinzipien stehen wie als Möglichkeit gleichermaßen zur Verfügung, um in unendlicher Kombinationsfülle denkbarer Dysbalancen materielle Schöpfung hervorzubringen.

Die materielle Welt

Sobald die drei gunas in ein Ungleichgewicht geraten, manifestiert sich Schöpfung. Aus der Fülle der unendlichen geistigen Möglichkeiten beschränkt sich eine materielle Möglichkeit heraus und wird stoffliche Wirklichkeit. Jede stoffliche Wirklichkeit, jede materielle Manifestation ist somit Ausdruck einer Gewichtung der kosmischen Prinzipien.

Aus der Dysbalance der drei gunas bilden sich zunächst die fünf Elemente, aus diesen dann im Weiteren alle Objekte der materiellen Schöpfung:

Die Entstehung der Elemente

Die vedische Vaisheshika-Schule benennt fünf Elemente, aus denen sich die gesamte materielle Schöpfung bildet:

Äther

Luft

Feuer

Wasser

Erde

Diese Elemente werden als kleinste subatomare Partikel aufgefasst, die nicht weiter aufgeteilt werden können, also als kleinste materielle Bausteine der Schöpfung. Es gibt eine Art Reihenfolge der Elemente, das heißt, dass sich die gröberen aus den feineren Elementen entwickeln. Jedes Element besitzt eine ganz eigene Qualität sowie zudem alle Qualitäten der feineren Elemente:

Element

Eigene Qualität

weitere Qualitäten

Äther

Schall

-

Luft

Spürbarkeit

Schall

Feuer

Farbe

Schall, Spürbarkeit

Wasser

Geschmack

Schall, Spürbarkeit, Farbe

Erde

Geruch

Schall, Spürbarkeit, Farbe, Geschmack

Diese Reihenfolge in der Entstehung der Elemente ist eine universale Gesetzmäßigkeit. In allen Schöpfungsmythen wird berichtet, wie sich die materielle Schöpfung aus dem All-Einen, dem ursprünglichen Nichts des allumfassenden Göttlichen, zunächst als Klang, also als reiner Äther manifestierte („Am Anfang war das Wort“). Im Weiteren entfaltete sich die Schöpfung dann in einem fortwährenden Prozess vom Fein- hin zum Grobstofflichen. Dieser Schöpfungsprozess findet bis heute ständig statt und begegnet uns täglich im Kreislauf aus Werden und Vergehen: der ewige Kreislauf der Elemente.

Aus den fünf Elementen mit ihren Qualitäten entstehen durch Vereinigung und Zusammenfügung alle materiellen Objekte. Entsprechend der Qualitäten der Elemente, aus denen ein Objekt besteht, ergeben sich demnach die Qualitäten des Objektes. Elemente als Bausteine der Schöpfung finden wir nicht nur im Ayurveda. Auch in der TCM (Traditionell Chinesische Medizin) oder der Anthroposophischen Medizin wird mit der Elementenlehre in Diagnostik und Therapie gearbeitet. Darüber hinaus finden sich die Elemente auch als zentrale Inhalte verschiedenster philosophischer Systeme und Weisheitslehren, wie beispielsweise der Alchemie. Man darf sich die Elemente dabei nicht als die tatsächlichen Substanzen vorstellen, die wir aus unserer alltäglichen Lebenserfahrung kennen. Die Bezeichnungen werden eher symbolhaft genutzt:

Mit

Erde

ist also z.B. nicht die Gartenerde gemeint, sondern das Prinzip des Festen.

Wasser

meint nicht so sehr das Trinkwasser, sondern das Prinzip des Flüssigen.

Feuer

entspricht dem Wärme- und Lichtprinzip.

Luft

steht für das Prinzip des Luftigen, Leichten, Beweglichen.

Der

Äther

steht für das Prinzip des Raumes, also letztlich die dimensionale Qualität der Schöpfung. Raum umfasst dabei immer auch die Zeit, da beides untrennbar miteinander verbunden ist (das sogenannte Raum-Zeit-Kontinuum der Quantenphysik). Ebenso steht Raum für den Klang, den es ohne Raum und Zeit nicht geben könnte.

Betrachtet man ein materielles Objekt, so kann man es zum einen in Bezug auf die Qualitäten der es bildenden einzelnen Elemente betrachten. Es wirken die fünf Elemente jedoch nicht nur substanzbildend als einzelne Bausteine, sondern auch dynamisch als Gruppierungen. Jeweils zwei miteinander in eine Wirkungsgemeinschaft eintretende Elemente bilden ein Wirkungsprinzip, welches seinerseits in jedem materiellen Objekt wahrgenommen und betrachtet werden kann. Diese Wirkungsprinzipien nennt der Ayurveda doshas. Die dosha-Lehre spielt innerhalb des Ayurveda eine zentrale Rolle.

Die Entstehung der Tridosha

Die drei doshas entstehen aus den fünf Elementen und besitzen daher Qualitäten der sie bildenden Elemente:

Elemente

dosha

Qualitäten

Äther / Luft

vata

kalt, trocken, beweglich, leicht, durchdringend, klar

Feuer / Wasser

pitta

heiß, leicht, beweglich, flüssig,

Wasser / Erde

kapha

kalt, feucht, schwer, unbeweglich, weich, schleimig

Die doshas entsprechen drei grundsätzlichen Wirkungsprinzipien. Man bezeichnet diese Wirkungsprinzipien auch als pathophysiologische Faktoren.

dosha

Wirkungsprinzip

Beispiele für Funktionen im Körper

vata

Bewegung

Atmung, Kreislauf, motorische Bewegung, Wehen, Darmbewegung

pitta

Stoffwechsel/ Metabolismus

Verdauung, Körperwärme

kapha

Struktur

Widerstandsfähigkeit, Gelenke

Die drei pathophysiologischen Faktoren kann man nicht getrennt voneinander betrachten. Alle drei Faktoren sind stets gemeinsam in einem Organismus vorhanden und stehen in ständiger Wechselwirkung untereinander. Sind die doshas ausgewogen und in Harmonie, so besteht Gesundheit. Sind sie in ihrer Harmonie gestört, überwiegt ein dosha die anderen, so entsteht Krankheit. Mit den Tridoshas begegnet uns erneut das Schöpfungsprinzip, welches kultur- und religionsübergreifend in allen bedeutsamen Weisheitsschulen und ganzheitlichen Medizinsystemen Verwendung findet - das Prinzip der Dreiheit. Das Prinzip der Dreiheit beinhaltet stets einen Aspekt, dem ein entgegengesetzter Aspekt als Gegenpol gegenübersteht, sowie ein resultierendes Drittes, welches als Synthese, als Ausgleich oder als vermittelndes Element wirksam ist. In der westlichen Medizin finden wir diese Dreiheit nur (noch) in der anthroposophischen Medizin, als die drei Funktionssysteme des Menschen:

das Nerven-Sinnessystem

im oberen Menschen

mit Sinnesorganen und ZNS

das vermittelnde rhythmische System

im mittleren Menschen

mit Herz/Kreislauf und Atmung

das Stoffwechsel-Gliedmaßen-System

im unteren Menschen

mit Verdauungstrakt und

Extremitäten

Bau und Funktion des menschlichen Körpers

Die Körpergewebe

Unter dem Einfluss der drei doshas entstehen aus den fünf Elementen Äther, Wind, Feuer, Wasser und Erde die sieben Körpergewebe. Dabei entstehen die Gewebe im Sinne einer fortschreitenden Entwicklung in einer festgelegten Reihenfolge:

Plasma

Blut

Muskel

Fett

Knochen

Knochenmark

Fortpflanzungsgewebe

Bei diesem Umwandlungsprozess entstehen verschiedene Abfall- und Nebenprodukte, die ebenfalls wichtige Funktionen im Körper ausüben. Von besonderer Bedeutung bei diesem Umwandlungsprozess ist das Verdauungsfeuer (agni), auf welches wir später noch genau eingehen werden. Funktionieren der Aufbau und die Transformation der Körpergewebe in ungestörter Weise, so führt dies nach ayurvedischem Verständnis zu Gesundheit und langem Leben. Störungen dieser Stoffwechselharmonie führen dagegen unweigerlich zur Entstehung giftiger Stoffwechselprodukte (ama), die dann weitere Störungen des Stoffwechsels nach sich ziehen. Ein gefährlicher Kreislauf, an dessen Ende immer schwerere Krankheiten und letztlich der Tod stehen. Daher sind alle Bemühungen der ayurvedischen Medizin darauf ausgerichtet, eine ausgewogene Funktion der doshas zu erreichen, damit die Gewebe sich ungestört entwickeln können und die Physiologie des Körpers harmonisch abläuft. Idealerweise sollte dies bereits vorbeugend erfolgen, damit gar nicht erst schlimme Entwicklungen entstehen. Aus diesem zeitlos modernen Denken resultieren die umfangreichen präventivmedizinischen Empfehlungen des Ayurveda zu Lebensführung und Ernährung. Sollten jedoch schon giftige Stoffwechselprodukte entstanden sein, so müssen diese durch medizinische Behandlungen zunächst aus dem Körper entfernt werden, bevor erneut ausgleichende, stärkende Behandlungen eingesetzt werden können. Der Ayurveda verfügt daher über zahlreiche hocheffektive Ausleitungs- und Reinigungsverfahren, die an späterer Stelle noch ausführlicher erörtert werden.

Die Doshas und die Konstitution

Die drei doshas, die sogenannten pathophysiologischen Faktoren, stellen die drei wirksamen Grundprinzipien in der materiellen Welt dar. Auch alle lebenden Geschöpfe, also auch der Mensch, werden in ihrem Sein durch diese drei grundlegenden Lebensenergien bestimmt. Jeder Mensch wird mit einer individuellen Konstitution (prakruthi) geboren, welche durch ein bestimmtes Gleichgewicht der drei Doshas charakterisiert ist. Dabei liegen die drei doshas in der Konstitution nie ausgeglichen vor. Es kann ein dosha überwiegen, meist überwiegen jedoch zwei doshas und das dritte ist eher unterrepräsentiert. Unsere einzigartige, besondere Konstitution (prakruthi) besitzen wir nicht ohne Grund. Sie ist die Folge bestimmter Rahmenbedingungen, die zum Zeitpunkt unserer Empfängnis und Geburt wirksam wurden. Unter dem Gesichtspunkt des karma betrachtet, ist diese Konstitution Folge früherer Handlungen bzw. vorangegangener Lebensereignisse und hat auch eine Bedeutung für unsere zukünftige Entwicklung. Unsere Konstitution (prakruthi) ist so, wie sie ist, als zu uns gehörig genau richtig und bietet uns die jeweils optimalen Voraussetzungen für die erfolgreiche Bewältigung unserer anstehenden Lebensaufgabe.

Während des Lebens, in der täglichen Auseinandersetzung mit der Umwelt, wird unser Organismus ständig durch verschiedenste Faktoren beeinflusst, die ihrerseits selbst die drei doshas in unterschiedlicher Zusammensetzung beinhalten. Zu diesen Faktoren, die auf unseren Organismus wirken, zählen beispielsweise:

Ernährung

Bewegung

Tagesrhythmus und Jahreszeiten

Tätigkeiten und Beruf

Menschen und Beziehungen

Krankheitserreger, Gifte und Unfälle

Auf diese Weise wird unser Organismus ständig durch die Wirkung äußerer doshas aus seinem eigenen, konstitutionellen Gleichgewicht gebracht. Es entsteht eine Verschiebung der doshas des Körpers, indem deren konstitutionelles Gleichgewicht sich in Richtung auf ein oder zwei doshas hin verändert. Kurzzeitig ist eine solche Verschiebung lediglich Ausdruck der Dynamik des Lebens und unser Organismus besitzt in gewissem Umfang die Möglichkeit, solche Verschiebungen im Sinne einer Selbstheilung auszugleichen. Wir nennen dies Regulationsfähigkeit. Hält die Verschiebung jedoch über längere Zeit an und erreicht sie einen Umfang, den der Organismus nicht mehr selbst ausgleichen kann, so entstehen Befindlichkeitsstörungen und Krankheit. Die Störung der doshas (vikruthi) ist somit nach ayurvedischem Verständnis die Ursache von Krankheit.

Erkrankungen entstehen infolge von Dysbalancen der Doshas.

Der Zustand der doshas im Körper lässt sich wie folgt einteilen:

dosha vrudhi

das Ansteigen eines doshas im Körper und die Wechselwirkung des gestörten doshas mit den Geweben (dhatus). Dieser Zustand erzeugt Krankheiten.

dosha shama

der normale Zustand eines doshas, entspricht gesunder Harmonie im Körper. In diesem Zustand sind die drei doshas im konstitutionellen Gleichgewicht, die anatomischen und physiologischen Funktionen des Körpers sind ungestört.

dosha ksheena

der erniedrigte Zustand eines doshas im Körper. In diesem Zustand sind die normalen Funktionen des doshas reduziert. Auch dieser Zustand führt zu Erkrankungen.

Der Ayurveda lehrt, welche pathophysiologische Wirkung den oben genannten Lebensfaktoren zugeordnet ist oder anders formuliert: Der Ayurveda lehrt uns, wo und wie in der Welt welche doshas wirken. Die Kenntnis dieser Wirkung erlaubt uns, durch bewusste Lebensweise immer wieder einen Ausgleich der doshas hinsichtlich unserer angeborenen Konstitution vorzunehmen und auf diese Weise lange und gesund zu leben. Daher auch die Bezeichnung dieses Gesundheitssystems: Das Wissen vom Leben. Es handelt sich daher beim Ayurveda keinesfalls um eine mystische oder esoterische Geheimlehre, sondern um eine Jahrtausende lang entwickelte Wissenschaft, ständig verbessert und verfeinert durch genaue Beobachtung und ein klar strukturiertes Ordnungssystem.

An dieser Stelle sei ein häufiger Fehler im Verständnis ayurvedischer Behandlungskonzepte angesprochen: Es ist nicht das Ziel ayurvedischer Behandlung, die angeborene Konstitution (prakruthi) zu verändern! Begreift man Sinn und Zusammenhänge unseres Lebens, insbesondere vor dem Hintergrund des Rades der Wiedergeburt und des karma-Prinzips, so wird dies rasch klar. Es ist Ziel des Ayurveda, die gestörten doshas (vikruthi) zu korrigieren, also unsere angeborene Konstitution immer wieder zu balancieren, damit wir auf diese Weise die uns in diesem Leben gestellten Aufgaben erfüllen und auf dem Erkenntnisweg weiter voranschreiten können. Erinnern wir uns an die Legende von der Entstehung des Ayurveda: Konstitutionsgerechtes Leben führt zu einem langen und gesunden Leben. Dieses ist jedoch kein Selbstzweck, sondern soll uns die Möglichkeit schaffen, uns dem spirituellen Wachstum zu widmen. An dieser Stelle fügen sich Ayurveda und Yoga zu einem geschlossenen Verständnis von Gesundheit und Krankheit sowie Leben und Tod zusammen.

Der Ayurveda lehrt also eine konstitutionsgerechte Lebensweise sowie die konstitutionsgerechte Behandlung der gestörten doshas. Nach westlicher Einteilung gleiche Symptombilder (z.B. Kopfschmerzen) müssen daher aus ayurvedischer Sicht sehr unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, welche Störung der doshas und welcher Konstitutionstyp vorliegen.

Im Folgenden wollen wir uns zunächst die drei doshas nochmals im Detail ansehen.

Vata

Vata ist das stärkste der drei doshas, infolge der besonderen Kombination aus Äther und Luft. Diese besondere Kombination führt zu einer großen Dynamik in der Wirkung. Das Ätherelement trägt Eigenschaften wie Durchlässigkeit, Raum und Leichtigkeit bei, das Luftelement Trockenheit, Rauhigkeit und schnelle Bewegung. Für jede Bewegung sind Raum und ein Bewegungsimpuls nötig, beides schafft vata. Daher wird jede Bewegung und jeder Raum im Körper durch vata bestimmt. In ungestörter Funktion sorgt vata in unserem Organismus für

Begeisterungsfähigkeit

(psychische Beweglichkeit)

Atmung

(Bewegung der Luft in der Lunge)

Auslöser/ Impuls körperlicher Aktivität

(motorische Beweglichkeit)

Ausscheidung von Abfallprodukten

(Bewegung Verdauungstrakt, Harnwege)

Wie wirkt es sich aus, wenn vata in der Konstitution eines Menschen im Vordergrund steht? Die Grundcharakteristika eines vata-Typen sind Bewegung und Veränderung. Vata-Typen sind daher aktiv und eher unbeständig im Lebensstil.

Charaka lehrt, dass ein Mensch mit vata-Konstitution von eher hagerem Wuchs ist. Er besitzt instabile Gelenke, die auch oft Geräusche machen, einen unsteten Gang und ist recht wechselhaft in seinen Handlungen und Ernährungsgewohnheiten. Der vata-Typ redet gern und viel, ist dabei meist sprunghaft und assoziativ. Er handelt schnell, oft unüberlegt, ist rasch irritiert, oft ängstlich. Schnell kann er sich für Neues begeistern, wird jedoch ebenso schnell wieder desillusioniert und wendet sich dann anderen Dingen zu. Er ist von schneller Auffassungsgabe und lernt rasch, vergisst jedoch auch schnell wieder. Der vata-Typ besitzt eine ausgeprägte Kälteempfindlichkeit, neigt zu kalten Füßen, Schüttelfrost und Steifigkeit.

(Charaka Samhita, Vimana Sthana, Kapitel 8)

Grundlegende Empfehlungen

für Menschen mit einer vata-Konstitution dienen dazu, einem zusätzlichen, krankmachenden Anstieg von vata durch die konstitutionsgerechte Lebensweise vorzubeugen. Daher wird einem Menschen mit vata-Konstitution für die allgemeine Lebensweise folgendes angeraten:

regelmäßige Essenszeiten

warme, süße, saure und salzige Nahrungsmittel

warme Kleidung mit beruhigenden Farben wie z.B. Erdtönen

wärmender Schmuck wie Gold oder gelbfarbige Edelsteine

wärmende Anwendungen, wie beispielsweise Schwitzanwendungen, Ölanwendungen, Massagen, Wickel und Bäder

regelmäßige Einnahme verdauungsfördernder Kräuter und Tees

von Zeit zu Zeit eine Reinigungskur (

panchakarma

) mit Darmeinläufen (

vasti

)

Pitta

Pitta ist zuständig für die Thermoregulation und den Metabolismus des Körpers, infolge der besonderen Kombination von Feuer und Wasser. Das Feuerelement trägt Eigenschaften wie Wärme und Licht bei, das Wasserelement ermöglicht die Ausbreitung und das Fließen. Alle Stoffwechselaktivitäten des Körpers werden durch pitta bestimmt. In ungestörter Funktion sorgt pitta in unserem Organismus für

Verdauung

Aufrechterhaltung der Körpertemperatur

Sehen

Hunger- und Durstgefühl

Ausstrahlung

Intelligenz

Mut

Zärtlichkeit und Sanftheit

Wie wirkt es sich aus, wenn pitta in der Konstitution eines Menschen im Vordergrund steht? Die Grundcharakteristika eines pitta-Typen sind Leistungswille und Durchsetzungskraft. Pitta-Typen sind daher geradlinige, strukturiert und methodisch vorgehende Kämpfernaturen, die auch Auseinandersetzungen nicht scheuen.

Charaka lehrt, dass ein Mensch mit pitta-Konstitution aufgrund der eigenen inneren Hitze heiße Nahrung und heißes Klima schlecht verträgt. Sein Gesicht ist oft gerötet und erhitzt, am Körper finden sich häufig zahlreiche Sommersprossen. Die Haut neigt zur Faltenbildung, die Haare sind eher fein und ergrauen früh, mit Tendenz zur Glatzenbildung. Der pitta-Typ hat ausgeprägten Hunger und Durst und isst und trinkt viel. Seine Verdauung ist dabei gut und produziert reichlich Stuhl und Urin. Es besteht eine Neigung zu starkem Schwitzen, wobei der Schweiß oft unangenehm riecht. Der pitta-Typ ist ehrgeizig und karriereorientiert. Er strebt nach Wohlstand und Macht. Dabei hilft ihm sein meist scharfer Intellekt.

(Charaka Samhita, Vimana Sthana, Kapitel 8, Vers 97)

Grundlegende Empfehlungen

für Menschen mit einer pitta-Konstitution dienen dazu, einem zusätzlichen, krankmachenden Anstieg von pitta durch die konstitutionsgerechte Lebensweise vorzubeugen. Daher wird einem Menschen mit pitta-Konstitution für die allgemeine Lebensweise folgendes angeraten:

regelmäßiges Trinken kalten Tees, vorzugsweise bittersüß

kühlende, vom Geschmack süße, bittere und herbe Nahrungsmittel

leichte, kühlende Kleidung in beruhigenden Farben, wie blau, grün oder weiß

kühlender Schmuck, wie Perlen oder Silberschmuck

häufiger Aufenthalt in kühlen Räumen, in leichtem Wind, in den Bergen oder weitläufigen Gärten

regelmäßige Einnahme von Ghee

von Zeit zu Zeit eine Reinigungskur (

panchakarma

) mit Abführmaßnahmen (

virecana

)

Kapha

Kapha ist zuständig für Kraft, Struktur und Stabilität des Körpers. Es unterstützt darüber hinaus auch die Immunstärke. Die besondere Kombination aus Erde und Wasser ermöglicht das Erreichen der notwendigen Stabilität. In ungestörter Funktion sorgt kapha in unserem Organismus für:

Stabilität

Schmierung

Zusammenhalt der Gelenke

Fähigkeit, Emotionen und Anspannung auszuhalten

Immunstärke

Wie wirkt es sich aus, wenn kapha in der Konstitution eines Menschen im Vordergrund steht? Die Grundcharakteristika eines kapha-Typen sind Stabilität und Ruhe. Kapha-Typen sind daher geduldige, oft behäbige Menschen. Sie zeigen wenig Drang nach Neuem, sondern sind eher auf den Erhalt des Bestehenden konzentriert.

Charaka lehrt, dass ein Mensch mit kapha-Konstitution meist von angenehmer, üppig-weicher Erscheinung ist. Sein Gesicht zeigt Glück und Zufriedenheit, die Stimme ist klar und ruhig. Sein Körperbau strahlt Stabilität und Kraft aus. Der Gang ist schwer, fast behäbig. In seinen Bewegungen ist der kapha-Typ eher langsam, ebenso in seinem Handeln. Alles braucht seine Zeit. Er ruht stabil in seiner Lebenssituation, Veränderungen werden nur widerstrebend zugelassen, selten aktiv angestrebt. Der kapha-Typ ist sehr widerstandsfähig gegen Krankheiten. Hunger und Durst sind nur gering ausgeprägt. Die Körpertemperatur ist niedrig, kaum Auftreten von Schwitzen.

(Charaka Samhita, Vimana Sthana, Kapitel 8, Vers 96)

Grundlegende Empfehlungen

für Menschen mit einer kapha-Konstitution dienen dazu, einem zusätzlichen, krankmachenden Anstieg von kapha durch die konstitutionsgerechte Lebensweise vorzubeugen. Daher wird einem Menschen mit kapha-Konstitution für die allgemeine Lebensweise folgendes angeraten:

möglichst heiße und trockene Nahrung, vom Geschmack scharf, bitter und herb

wärmende Kleidung in anregenden Farben, wie Orange und Rottönen

als Schmuck vorzugsweise Edelsteine

intensive körperliche Betätigung sowie häufiger Sex

regelmäßige Einnahme von Kräuterweinen

von Zeit zu Zeit Reinigungskur (

panchakarma

) mit therapeutischem Erbrechen (

vamana

) sowie Ölbehandlungen der Nasenschleimhaut (

nasya

)

stimulierende Ölmassagen, Schwitzbehandlung (

svedana

), Pulvermassagen (

udvartana

) und heiße Bäder

eher wenig Nachtschlaf

Sattva, Rajas, Tamas

Neben den drei pathophysiologischen Faktoren (doshas) wirken nach ayurvedischer Vorstellung auch die drei gunas im Menschen. In der praktischen Bedeutung ist es so, dass die Trigunas insbesondere für die Beschreibung der psychischen Prozesse und Konstitutionen verwendet werden (geistige Welt), während physiologische und anatomische Sachverhalte der Körperebene sowie die Körperkonstitution eher durch die doshas bestimmt sind. Die Trigunas wirken auf den Menschen vor allem durch den Einfluss von Nahrungsmitteln und Umwelt. Dabei ist gerade auch das psychosoziale Umfeld als Faktor von Bedeutung.

Zunächst eine kurze Übersicht der Trigunas:

guna

Bedeutung

Eigenschaft

sattva

Harmonie

in sich selbst ruhend, rein, hell, klar, ausgeglichene Psyche, ohne krankmachende Wirkung

rajas

Leidenschaft, Aktivität

instabil, unruhig, in ständiger Bewegung, kraftvoll, aufbauend

tamas

Trägheit, Passivität

unbeweglich, langsam, (zer-)störend wirksam, verharrend

Sattva wird oft auch als psychophysischer Faktor bezeichnet, da er keine krankmachende Wirkung besitzt. Rajas und tamas dagegen bezeichnet man als psychopathologische Faktoren, da ihr übermäßiges Vorhandensein zu Krankheit führt. Anzustrebendes Ziel im Sinne der Gesundheitsförderung und Gesundheitserhaltung ist ein Zustand, bei dem der Geist im Gleichgewicht ruht. Hierzu dienen eine ethische Lebensweise sowie eine gezielte Ernährung, da beide geeignet sind, sattva zu vermehren. Im Ayurveda finden sich entsprechend Empfehlungen, um den Geist und Verstand durch eine Regulierung der Ernährung und des Lebensstils sowie durch unterstützende Aktivitäten wie Yoga oder Meditation zu entgiften und zu reinigen.

Wie bei den drei doshas so trägt jeder Mensch auch bei den drei gunas stets alle Qualitäten in sich. Ihre Ausgewogenheit unterscheidet sich jedoch ebenfalls von Mensch zu Mensch und bestimmt so auch hier eine individuelle geistige Konstitution (manasa prakriti). Im Gegensatz zu den doshas ist es bei den gunas nicht das Ziel, diese entsprechend der angeborenen Konstitution zu balancieren. Bei den gunas besteht das Bemühen vielmehr darin, die geistige Verfassung im Sinne eines inneren Reifungsprozesses hin zu einer ausgewogenen Balance der drei gunas zu entwickeln. Damit nähert sich der materiell inkarnierte Mensch in seinem geistigen Reifungsprozess wieder der geistigen Welt an, in der die drei gunas in Harmonie vorliegen.

Wir erinnern uns, dass die materielle Schöpfung durch die Dysbalance der gunas entsteht. In der Regel ist unsere materielle menschliche Inkarnation in dieser Dysbalance durch ein Überwiegen von rajas oder tamas geprägt. Aus diesem Grunde ist es auf einem geistigen Übungsweg sinnvoll, sattva durch entsprechende Verhaltensweisen zu vermehren. Ebenso wichtig ist es jedoch, rajas und tamas nicht zu unterdrücken, in der falsch verstandenen Vorstellung, nur sattva sei wichtig. Der Zustand der Harmonie der drei gunas, wie er in der geistigen Welt vorliegt, erfordert, dass rajas und tamas ebenso wie sattva angenommen und integriert werden müssen.

Im Ayurveda basieren sämtliche Maßnahmen der Vorbeugung und der Behandlung auf der individuellen Konstitution. Grundlage jeder Beratung oder Behandlung nach ayurvedischen Gesichtspunkten ist daher zunächst die Bestimmung der physiologischen (doshas) und der psychischen (gunas) Konstitution. Im Anhang findest Du einen Test, um anhand einfacher Fragen Deine eigene Konstitution zu bestimmen. Überwiegt ein dosha erheblich die anderen, so ist dies Deine vorherrschende Konstitution. Oft überwiegen jedoch zwei stark ausgeprägte doshas das dritte dosha