Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Schreiben? ... diese mühsam erlernte Kulturtechnik, das ist doch nichts für mich, denken Sie vielleicht? Aber Lesen schon? Vielleicht haben Sie auch schon Ihr eigenes Schreibprojekt vor Augen? Nur gut also, dass wir Sprache haben! Schreiben hat uns demokratiefähig gemacht. Überlassen wir Narrative nicht den anderen, die es weniger gut mit uns meinen! Nicht nur, was wir erleben, auch Alles, was wir lesen, verändert unser Bewusstsein, unser Zuhören und unsere Entscheidungen. Für unser Zusammenleben, lebenslanges Lernen und Bildung für alle ist es gut, dass wir alle schreiben können. Unsere Schriften beeinflussen, was KI-Modelle und jede, die nach uns schreiben, analysieren, um zu noch besseren Lösungen zu finden. Human Feedback war und ist der Schlüssel zur Zukunft, die uns überlebensfähig macht. Mitdenken, mitsprechen, mitmachen! Und mit SCHREIBEN! So bleiben Demokratien lebendig und wehrhaft!
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 89
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Vorwort Schreiben
Kapitel 1 Sprechende Bilder
Kapitel 2 Dichter und Denker
Kapitel 3 Es gab kein Internet
Kapitel 4 ... aufgeklärt!
Kapitel 5 W-Fragen
Kapitel 6 Für eine Handvoll Worte
Kapitel 7 Zauberei
Kapitel 8 Alles im Fluss
Anhang
BEAMTER (OFF)
(schneidender Ton)
Was halte ich hier in Händen?
AUTORIN
Ein Heft?
BEAMTER
(wütend)
Ein Titel mit ISBN, auch als E-Book!
Wollen Sie behaupten,
das waren gar nicht Sie?
AUTORIN
(leise)
Ich habe es getan ...
BEAMTER
(senkt die Stimme)
Denken Sie, wir merken‘s nicht?
„Kein Buch schreiben“, für wie
dumm halten Sie uns?
AUTORIN
(mit mehr Nachdruck)
Ich gebe zu, ich habe es getan.
(leiser)
Mehr als einmal ...
BEAMTER
(wissend)
... und Sie werden es wieder tun!
AUTORIN
(nickt stumm)
Ich gestehe, ich bin eine Wiederholungstäterin ... bereits in jungen Jahren wusste ich, mit 50 werde ich Bücher schreiben. Ganz bewusst sammelte ich Lebenserfahrung, damit ich niemanden langweile. Natürlich ist Langeweile besser als sein Ruf, aber langweilige Bücher sind Zeitfresser, belasten unnötig die Umwelt und helfen höchstens, der Realität zu entfliehen. Wir benutzen Sprache - für allerlei.
So sind wir eben! Anders als künstliche Sprachmodelle hat uns niemand darauf programmiert, stets „hilfreich“ und „innovativ“ zu sein. Auf lange Sicht sind wir zwar gut darin, zu unterscheiden, was wir tradieren, wie ich Ihnen schon einmal in „Wie wir erzählen ...“ darlegte. Auch bestärkte ich Sie in „Erkennbar, verständlich, wählbar ...“, dass bereits Sie ein Teil der Grundgesamtheit sind! Sie also niemals nur für sich allein sprechen, sondern immer schon für einen Teil der Menschheit, der so empfindet wie Sie. Und weiter, was das alles mit Demokratie zu tun hat.
Warum also noch ein Band III? Ich muss zugeben, zunächst war ich selbst überrascht: Ich dachte, ich sei durch. Aber nein, je mehr ich über Freude wie Unwillen, sich mit KI-Modellen auseinanderzusetzen, mitbekam, schaute ich auf meine Restnotizen und mir wurde klar: Schreiben ... da ist noch was. Da müssen wir mal drüber reden!
Damit Sie das orts- und zeitunabhängig zu Händen nehmen können, hätte es vielleicht auch ein Podcast oder Tiktok-Video getan, aber das hätte nichts daran geändert, dass ich die Anordnung der Informationen vorgebe und Sie der Darbietung folgen. Medienwechsel ändern nicht sehr viel an den Produktionsschritten und spätestens seit „T2“ also der 30 Jahre späteren Fortsetzung des Films Trainspotting, hat jeder verstanden, alles beginnt mit beschriebenen Zetteln.
Ja, es hat sich krass viel getan, in den letzten 30 Jahren. Menschen werden in „Generation X, Y, Z, ...“ usw. geclustert, dass alte weiße Männer wie deren andersgeschlechtliche Pendants sich ratlos das Kinn kratzen. Und die nachwachsenden, Work-Life-balancierenden Menschen lernen: Der Planet steht vor dem Aus, Demokratie kann sich nicht behaupten, Menschenrechte wurden 1948 von irgendwelchen Übergriffigen für allerwelt aufgeschrieben und alle Welt interessiert das irgendwie nicht wirklich.
Hatte Sokrates am Ende doch recht? Dass Schreiben nur das Gedächtnis schwäche und echtes Wissen durch Erinnern ersetzen würde? Dass oberflächliches Wissen echte Weisheit behindere und unser Bewusstsein vernebelt? Heute müssen wir nix mehr erinnern können, das können unsere zahlreichen technischen Assistenten unvergleichlich besser! Dann können sie doch auch gleich das Schreiben übernehmen, oder nicht?
Es gibt eine für unsere Sicherheit relevante Organisation in Deutschland, die Schreiben für eine erzieherische Maßnahme hält. Tragisch, nicht wahr? Und wenn Ihnen (ungedient?) dazu die eigene Schulzeit einfallen sollte, wissen Sie, wo das Übel herkommen könnte. Wie kann es sein, dass uns ein und derselbe Ort in der Kindheit einerseits die Kulturtechnik des Lesens und Schreibens vermittelt und uns nicht selten die Freude daran gleichzeitig versaut?
Sie haben richtig gelesen, ich habe die 3. Person Singular des Verbes „versauen“ benutzt, womit klargelegt ist, dass Sie mit diesen Seiten menschliches Tun in Händen halten, obwohl Sie im Buchmarkt schon tausende geschmeidige Leseangebote erwerben können, die irgendein findiger ChatGPT-Nutzer* für Sie liebevoll zusammengeleimt hat. Sprachmodelle sollen keine Schimpfwörter verwenden, ist ja auch besser so!
Zudem warnen KI-Enthusiasten beherzt „Shit in, shit out“. Also wer nicht versteht, Sprache differenziert einzusetzen, dem purzeln viele unbefriedigende Ergebnisse aus der digitalen Oberfläche. Frust scheint vorprogrammiert, aber diesmal auf Seiten der Nutzer.
„Schreiben war gestern, heute ist Tiktok“, wehren sich Jugendliche gegen schulische Drangsalierung. Dann war >Gestern< aber ein langer Tag! Tatsächlich warnen Menschen, die sich mit Chancen wie Risiken angewandter künstlicher Intelligenz beschäftigen, dass die Dummen immer dümmer und nur die Schlauen immer schlauer würden. Bildung bildet Eliten? Nix neues im Westen!
„Demokratie ist die Oligarchie der Zeithabenden“ schrieb Paul Nolte 2003 und prangerte damit auch das System an, das auf die Freiwilligkeit von Ehrenamt angewiesen ist. Das ungleiche Teilhabe demokratische Ideale verzerrt, bezweifelt 2024 niemand mehr. Täglich ringen wir um die richtige Intepretation der uns zugänglichen Informationen.
Ein Buch zu schreiben, das im Titel dazu auffordert, kein Buch zu schreiben, mag paradox wirken. Vielleicht wollte ich auch nur die Algorithmen ein wenig verwirren, wer weiß?
Neurowissenschaftler ermutigen uns, dass Verwirrung gut für die Synapsen sei. So werden unsere kleinen Zellen, die wir im Kopf mit uns herumtragen, aktiviert und Lernprozesse gestartet. Und Lernen ist doch immer gut? Ob Mensch oder Maschine.
Neuronale Plastizität beweist, dass unser Gehirn ein Leben lang durch Lernen geformt wird. Wenn Menschen, zu denen ich auch gehöre, Sie zu lebenslangem Lernen und Bildung für alle begeistern wollen, ist dies weniger eine Zumutung als eine Chance.
Schauen wir also gemeinsam auf Schreibprozesse und warum diese Kulturtechnik so bedeutsam für unser Zusammenleben ist!
Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, aber warum schreiben wir dann? Die Bilder, von denen wir dies gerne behaupten, sind menschengemacht. Unterscheiden sie sich insofern nur unwesentlich von den Buchstaben, die wir erfunden haben?
Bilder wirken in ihrer Gesamtheit auf uns, bringen vielfältige Lesarten mit sich, ziehen uns in ihren Bann, sind leicht zu erinnern: Weil sie in unserem Denken viele Anknüpfungspunkte finden, quasi immer schon emotional sind? Sonst wäre es ja nur ein Viertel Fläschchen Tusche auf einem Stück Papier?
Aber irgendwann reichte es dem Menschen nicht mehr, ein Bild an die Höhlenwand zu malen. Im Zuge der eigenen Sterblichkeit sollte Wissen tradiert werden. Und zwar das wachsende Wissen der Menschheit. So weit, so bekannt, denken Sie vielleicht. Die Erfindung der Schrift solle doch besser mal nicht so überhöht werden. Schließlich diente sie zu Anfang - was man so finden konnte - vor allem, um Abgaben und Steuern zu regeln. Und das soll was mit Demokratie zu tun haben? Na klar doch!
Menschen sind Geschichtenerzähler. Es ist unsere Begabung, Wissen in Geschichten zu verpacken und so Überlebensfähigkeit von einer Generation zur nächsten weiterzugegeben. Noch heute können wir bei indigen lebenden Stämmen beobachten, wie orale Gesellschaften Wissen tradieren. Häufig eng gebunden an die natürliche Autorität der Älteren. Spirituelle Führer besaßen häufig Wissensvorsprünge und kontrollierten, was sie weitergaben, oft geschützt durch die Macht der Hierarchie. Nix Demokratie, oder so! Wissen war nicht für alle gleichermaßen zugänglich – es wurde mündlich weitergegeben und nur bestimmten Personen anvertraut. Erst mit Erfindung der Schrift begannen sich diese Abhängigkeiten zu verändern. Denn zur Schrift gehörten Schreiber und dieses Handwerk zu erlernen, war damals wie heute mühevoll und zeitraubend. So entstand eine ganz neue Kategorie von Mitbürgern, die wir bis heute Beamte nennen ...
„Es ist ein trauriges Kapitel der langen Geschichte, die begann, als einige von uns lesen lernten, während andere unter uns fortfuhren, Bauwerke zu errichten und wundersame Dinge zu erschaffen, und nicht so dachten wie der Rest.“
Maryanne Wolf, „Das lesende Gehirn“, S. 267
Der „Rest“ - also die Schriftunkundigen, die des Lesens und Schreibens nicht mächtig oder nur in eingeschränktem Umfange fähig waren - stellten tatsächlich über Tausende von Jahren mehr als 90 Prozent der Bevölkerung dar. Sie mussten sich auf mündlich überliefertes Wissen verlassen, um zurechtzukommen. Denn: Gemeinsames Überleben verlor nicht an seinem Reiz.
Tatsächlich können wir heute nachweisen, dass das Erlernen der Schrift und vor allem das Lesen die Art und Weise wie unser Gehirn Gedanken verarbeitet - vielleicht sogar wie unser Gehirn arbeitet - nachhaltig verändert hat.
Der Mensch als multidimensionales Wesen neigt ja manchmal zu Mord und Totschlag. Was ist so schlimm daran, dass die ersten Schriftaufzeichnungen, die wir in unserer Menschheitsgeschichte finden, Steuerunterlagen sind? Die Frage zu klären: „Wie viel schuldet mir der Typ, für dessen Sicherheit ich gesorgt habe?“ ist auch eine Form des Überlebens. Steuern, Abgaben und Vorratshaltung zu regeln, spiegelt ein Grundbedürfnis: Ordnung und Kontrolle.
Ein erster Schritt zu mehr Augenhöhe unter den Menschen. Schließlich ist es schwer, einen fairen Tausch zu organisieren, wenn sich niemand erinnert, wer wie viel geerntet hat. Menschen sind begabt, ihr Denken auf Zukünftiges, Vergangenes und Fiktives zu lenken und Schrift scheint dazu ein hervorragendes Medium zu sein. Wenn es gut lief, waren Menschen nicht länger der Willfährigkeit der Herrschenden ausgeliefert. Regelungen und Gesetze halfen der Impulskontrolle und gaben Anhaltspunkte für Verbindlichkeit, die es großen Mengen von Menschen ermöglichte, zusammenzuleben. Lief es nicht so gut ... naja, das können wir alles in unseren Geschichtsbüchern nachlesen. Heute eben. Weil es Menschen vor uns gab, die sich bemühten, ihre Erfahrungen für uns aufzuschreiben.
Bereits 399 v. Chr. berichtete uns der Grieche Platon von der Skepsis seines Lehrers Sokrates, Wissen niederzuschreiben. Dieser fürchtete die Oberflächlichkeit der Schrift, die er für stumm hielt. Das Geschriebene konnte keine Fragen beantworten, seiner Meinung nach keine Diskussion anregen. Schrift, so glaubte Sokrates, schwäche zudem das Gedächtnis. Wissen, das wir nicht im Kopf tragen, bleibt für ihn bloß eine Illusion. Dass Schrift mehr Menschen erlaubt, ort- und zeitunabhängig miteinander in Kontakt zu treten, war für ihn - zu einer Zeit, in der die wenigsten Menschen schreiben, wohl aber sprechen konnten - schlicht unvorstellbar. Platons Auseinandersetzung mit Sokrates zumindest ging viral, wie wir heute so sagen.
Seine und ähnliche, frühe Schriften bahnten den Weg zu etwas viel Größerem. Plötzlich konnten Ideen festgehalten werden. Philosophie, Wissenschaft, Religion – alles, was vorher nur durch das gesprochene Wort weitergegeben wurde, wurde nicht nur tradiert, sondern konserviert. Mit zwei Dutzend Zeichen wurde das Wissen dieser Welt aufgeschrieben und für andere zugänglich gemacht.
Die Auseinandersetzung über Zeichen bildet die Gemeinschaft der geistig Freien und Gleichen heraus, könnten wir denken. Doch solange Lesen und Schreiben zu erlernen, denen vorbehalten blieb, die diese Fähigkeit für ihren Lebensunterhalt brauchten, gab es keine Bildung für alle.
Vielleicht lag das auch daran, dass die Schriftkundigen von den anderen mit gewissem Argwohn betrachtet wurden. Sich mit Steuern, Vorratshaltung, Regeln des Miteinanders - quasi dem Life-to-be