Kirche und Recht - Hendrik Munsonius - E-Book

Kirche und Recht E-Book

Hendrik Munsonius

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Beschreibung

Das vielfältige kirchliche Handeln ist eingebettet in rechtliche Rahmenbedingungen, die die Möglichkeiten für dieses Handeln eröffnen und begrenzen. Dazu gehören das allgemein geltende Recht, das staatliche Religionsrecht, das herkömmlich auch als Staatskirchenrecht bezeichnet wird, sowie das von der Kirche selbst gesetzte Kirchenrecht. Durch das Recht werden Kooperation ermöglicht und Konflikte reguliert. Der Band entfaltet die Grundlagen des relevanten staatlichen und kirchlichen Rechts und stellt für die kirchlichen Handlungsfelder die jeweils geltenden Regelungen dar. Er erschließt so eine Querschnittsmaterie kirchlicher Praxis.

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Kompendien Praktische Theologie

Herausgegeben von:

Thomas Klie und Thomas Schlag

Band 2Die Kompendien Praktische Theologie bieten kompakte und anschauliche Überblicke über die Teilgebiete der Praktischen Theologie. Die einzelnen Bände präsentieren gesichertes Grundlagenwissen mit Bezug auf ­gegenwartsrelevante Fragestellungen und orientieren sich an folgenden Leitthemen: Problemhorizont und gegenwärtige Herausforderungen – ­Geschichte der Disziplin – Systematische Entfaltung – Empirische ­Erkenntnisse – Enzyklopädische Verortung im Ganzen der Praktischen Theologie. Besonderes Augenmerk liegt auf der Verzahnung von ­Theoriebildung und Praxisreflexion, der Integration in internationale ­Diskurse sowie dem Dialog mit Partnerwissenschaften außerhalb der Theologie.

Hendrik Munsonius

Kirche und Recht

Verlag W. Kohlhammer

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-034090-9

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-034091-6

epub: ISBN 978-3-17-034092-3

mobi: ISBN 978-3-17-034093-0

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Das vielfältige kirchliche Handeln ist eingebettet in rechtliche Rahmenbedingungen, die die Möglichkeiten für dieses Handeln eröffnen und begrenzen. Dazu gehören das allgemein geltende Recht, das staatliche Religionsrecht, das herkömmlich auch als Staatskirchenrecht bezeichnet wird, sowie das von der Kirche selbst gesetzte Kirchenrecht. Durch das Recht werden Kooperation ermöglicht und Konflikte reguliert. Der Band entfaltet die Grundlagen des relevanten staatlichen und kirchlichen Rechts und stellt für die kirchlichen Handlungsfelder die jeweils geltenden Regelungen dar. Er erschließt so eine Querschnittsmaterie kirchlicher Praxis.

Dr. iur. Hendrik Munsonius, M.Th., ist Referent am Kirchenrechtlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland und Lehrbeauftragter an der Universität Göttingen.

Vorwort

Die Praktische Theologie begreift sich als Theorie kirchlicher Praxis. Diese Praxis ist eingebettet in rechtliche Rahmenbedingungen, die Möglichkeiten für das kirchliche Handeln eröffnen und begrenzen. Dazu gehören das allgemein geltende Recht (→ 3.1), das staatliche Religionsrecht (das herkömmlich auch als Staatskirchenrecht bezeichnet wird; → 3.2) und das von der Kirche selbst gebildete Kirchenrecht (→ 3.3). Das Thema »Kirche und Recht« bildet so eine Querschnittsmaterie für das gesamte kirchliche Handeln. Gegenstand dieses Kompendiums ist das Recht, soweit es für die Landeskirchen in Deutschland (→ 6.1.1) und ihre Zusammenschlüsse (→ 6.1.2) relevant ist.

Die Beschäftigung mit dem Recht kann dazu helfen, die eigenen Handlungsmöglichkeiten besser einzuschätzen. Es erleichtert die Zusammenarbeit auf der Grundlage gemeinsamer Regeln. Es bietet für viele Fälle probate Lösungen und klare Orientierung. Da das Recht vor allem für Kooperation oder Konflikt da ist (→ 3.1.1), stellt es auch keine trockene Materie dar, sondern hat vielmehr besonders lebensvolle Situationen zum Thema. Im Zusammenhang kirchlicher Reformen stabilisiert das Recht die bestehende Ordnung und ermöglicht zugleich ihre Veränderung.

Theologen und Juristen, die sich in der Kirche begegnen, brauchen wechselseitig Kenntnisse der anderen Materie. Es kann aber nicht darum gehen, sie zu Angehörigen der anderen Profession auszubilden. Darum muss es vor allem um Kenntnis der Grundlagen und Grundzüge des Zusammenhangs von Kirche und Recht gehen, um so in einen fruchtbaren Diskurs treten zu können.

Üblicherweise werden Kirchenrecht und staatliches Religionsrecht unabhängig voneinander behandelt und allenfalls Schnittstellen benannt. Wendet man sich jedoch aus der Perspektive der Praktischen Theologie, d. h. ausgehend vom kirchlichen Handeln dem Recht zu, wird deutlich, dass beide Rechtsbestände nicht isoliert, sondern zugleich zu beachten und in ihrer Wechselwirkung zu betrachten sind. Daraus folgt das Konzept dieses Buches, das von der Kirche und ihrem Handeln seinen Ausgang nimmt (→ 1) und nach einer geschichtlichen Verortung (→ 2) und rechtssystematischen Grundlegung (→ 3) die Rechtsmaterien in Bezug auf die Handlungsvoraussetzungen und -vollzüge darstellt (→ 4), ehe abschließend die Materie in verschiedene Horizonte eingeordnet wird (→ 5). Für die isolierte Darstellung des geltenden Kirchen- und Religionsrechts kann auf bereits vorhandene Literatur verwiesen werden (→ 6.4).

Eine Binsenweisheit des juristischen Studiums, die dennoch nicht oft genug wiederholt werden kann, lautet: Der Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung! Dies gilt auch für das Recht, soweit es für das kirchliche Handeln relevant ist. Im Anhang finden sich Hinweise, wie die einschlägigen Gesetze ausfindig zu machen sind (→ 6.3). Für das staatliche Religionsrecht ist außerdem die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besonders relevant (Neureither 2015). Die Themen können in der einführenden Literatur (→ 6.4) leicht über die Inhaltsverzeichnisse erschlossen werden; auf Nachweise wurde insofern verzichtet. In den genannten Werken sind auch weiterführende Literaturhinweise zu finden.

Da das evangelische Kirchenrecht vor allem von den derzeit 20 Landeskirchen verantwortet wird, die jeweils ihre eigene Tradition haben, gibt es stets Unterschiede im Detail der Regelungen und vor allem in den Bezeichnungen von Organisationen und Ämtern. Um nicht ständig alle Bezeichnungen aufführen zu müssen, ist dem Anhang ein entsprechendes Register beigegeben (→ 6.2).

Mein Dank gilt den Herausgebern der Reihe, Prof. Dr. Thomas Klie und Prof. Dr. Thomas Schlag, dass sie mir Gelegenheit gegeben haben, das Kirchen- und Religionsrecht in der Perspektive der Praktischen Theologie zu entfalten, und Dr. Sebastian Weigert und seinem Team im Verlag für die engagierte Betreuung dieses Projekts. Er gilt aber auch den Studierenden in Göttingen und Marburg, die sich in Lehrveranstaltungen dem Kirchen- und Religionsrecht gestellt und damit die gemeinsame Auseinandersetzung befördert haben.

Hendrik Munsonius

Inhalt

Vorwort

Abkürzungen

1  Kirchentheoretische Grundlagen

1.1  Kirchenverständnis

1.1.1  Soziologisch

1.1.1.1  Gemeinschaft

1.1.1.2  Religion

1.1.1.3  Kontext

1.1.2  Ekklesiologisch

1.1.2.1  Kirche als geistliche Gemeinschaft

1.1.2.2  Kirche in ihrer leiblichen Gestalt

1.1.2.3  Kirche in ihrer geschichtlichen Realität

1.1.3  Kirchentheoretisch

1.1.3.1  Beschreibungsmodelle

1.1.3.2  Kirche als Organisation

1.1.3.3  Grenzen der Organisation

1.2  Systematik kirchlichen Handelns

1.2.1  Konstitutiva

1.2.2  Vitalia

1.2.3  Disponierendes Handeln

1.2.4  Kirchenleitung

1.2.5  Zusammenhang kirchlichen Handelns

1.3  Beteiligung am kirchlichen Handeln

1.3.1  Allgemeines Priestertum und Amt

1.3.2  Dienstgemeinschaft

1.3.3  Teilhabemodi

1.4  Theorie der Kirchenleitung

1.4.1  Kirchenleitung nach Schleiermacher

1.4.1.1  Mitteilende und Empfangende

1.4.1.2  Kirchendienst und -regiment

1.4.1.3  Gebundenes und freies Element

1.4.2  Geistliche Leitung

1.5  Bedeutung des Rechts für das kirchliche Handeln

1.5.1  Kirchliche Selbstordnung

1.5.1.1  Soziologisch

1.5.1.2  Ekklesiologisch

1.5.1.3  Stufen rechtlicher Verdichtung

1.5.2  Teilnahme am allgemeinen Rechtsleben

1.5.3  Staatliches Religionsrecht

2  Geschichte

2.1  Vorreformatorisch

2.1.1  Anfänge

2.1.2  Kanonisches Recht

2.2  Reformation und Aufklärung

2.2.1  Kirchliche Neuordnung

2.2.2  Religionskonflikt im Reich

2.2.2.1  Augsburger Religionsfriede

2.2.2.2  Westfälischer Friede

2.2.3  Aufklärung

2.2.3.1  Religionsfreiheit

2.2.3.2  Territorialismus und Kollegialismus

2.2.3.3  Allgemeines Landrecht

2.3  19. Jahrhundert

2.3.1  Konstitutionalismus

2.3.2  Kirchliche Verselbständigung

2.4  Seit 1918

2.4.1  Weimarer Republik

2.4.2  Nationalsozialismus und DDR

2.4.3  Bundesrepublik Deutschland

2.4.3.1  Staatliches Religionsrecht

2.4.3.2  Entwicklung des Kirchenrechts

2.4.3.3  Ausblick

3  Rechtssystematische Grundlagen

3.1  Recht

3.1.1  Funktion

3.1.2  Geltung

3.1.3  Rechtstheologie

3.2  Religionsrecht

3.2.1  Modelle religionsrechtlicher Ordnung

3.2.2  Zentralbegriffe

3.2.2.1  Säkularität religionsrechtlicher Begriffe

3.2.2.2  Religion

3.2.2.3  Religionsgesellschaft

3.2.3  Kernelemente des deutschen Religionsrechts

3.2.3.1  Trennung von Staat und Kirche

3.2.3.2  Religionsfreiheit

3.2.3.3  Kirchliches Selbstbestimmungsrecht

3.2.3.4  Körperschaft öffentlichen Rechts

3.2.3.5  Europarecht

3.3  Kirchenrecht

3.3.1  Funktion

3.3.2  Eigenart

3.3.2.1  Normativität von Schrift und Bekenntnis

3.3.2.2  Pathosformeln

3.3.2.3  Rechtssubjektivität

3.3.3  Leitungsdogma

3.3.3.1  Unterscheidung

3.3.3.2  Paradoxe Einheit

3.3.3.3  Verfahren

3.3.4  Rechtsquellen

3.3.4.1  Kirchenverfassungsrecht

3.3.4.2  Abgeleitetes Kirchenrecht

3.3.4.3  Gewohnheits- und Richterrecht

3.3.4.4  Lebensordnungen

4  Ordnung kirchlichen Handelns

4.1  Systematik

4.2  Strukturen

4.2.1  Kirchengemeinde

4.2.2  Kirchenkreis

4.2.3  Landeskirche

4.2.4  Landeskirchliche Zusammenschlüsse

4.2.4.1  Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)

4.2.4.2  Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD)

4.2.4.3  Union Evangelischer Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (UEK)

4.2.4.4  Verbindungsmodell

4.2.5  Ökumene

4.2.6  Kooperationsformen

4.2.7  Einrichtungen und Werke

4.2.7.1  Kircheneigener Typ

4.2.7.2  Eigenständiger Typ

4.3  Personen

4.3.1  Grund- und Christenrechte

4.3.2  Kirchenmitgliedschaft

4.3.2.1  Staatliches Recht

4.3.2.2  Kirchenmitgliedschaft als Rechtsverhältnis

4.3.3.3  Kirchenmitgliedschaft als Status

4.3.3  Ehrenamt

4.3.3.1  Auftragsverhältnis

4.3.3.2  Leitungsfunktionen

4.3.3.3  Verkündigungsdienst

4.3.3.4  Sonderfall Patronat

4.3.4  Arbeitsrecht

4.3.4.1  Kirchliche Arbeitsverhältnisse

4.3.4.2  Individualarbeitsrecht

4.3.4.3  Kollektivarbeitsrecht

4.3.5  Dienstrecht

4.3.5.1  Öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse

4.3.5.2  Beamtenrecht

4.3.5.3  Pfarrdienstrecht

4.3.5.4  Disziplinarrecht

4.3.5.5  Lehrverfahren

4.4  Verfahren

4.4.1  Grundlagen

4.4.2  Rechtsgestaltung

4.4.2.1  Grundlagen

4.4.2.2  Verfahren

4.4.2.3  Transpartikulare Rechtsetzung

4.4.3  Rechtsanwendung

4.4.3.1  Verwaltungsverfahren

4.4.3.2  Datenschutz

4.4.3.3  Siegelwesen

4.4.4  Rechtsgewährleistung: Aufsicht und Visitation

4.4.4.1  Aufsicht

4.4.4.2  Visitation

4.4.5  Rechtsgewährleistung: Gerichtsbarkeit

4.4.5.1  Kirchliche Gerichtsbarkeit

4.4.5.2  Staatliche Gerichtsbarkeit

4.5  Konstitutiva

4.5.1  Gottesdienst

4.5.1.1  Gottesdienstrecht

4.5.1.2  Zuständigkeiten

4.5.1.3  Abendmahl

4.5.2  Amtshandlungen

4.5.2.1  Funktion, Zuständigkeit

4.5.2.2  Taufe

4.5.2.3  Konfirmation

4.5.2.4  Trauung

4.5.2.5  Bestattung

4.5.2.6  Etablierung neuer Amtshandlungen?

4.5.3  Seelsorge

4.5.3.1  Seelsorge und Seelsorger

4.5.3.2  Seelsorgegeheimnis

4.5.3.3  Anstaltsseelsorge

4.6  Vitalia

4.6.1  Bildungsarbeit

4.6.1.1  Kindertagesstätten

4.6.1.2  Kirchliche Schulen

4.6.1.3  Weitere kirchliche Bildungseinrichtungen

4.6.1.4  Religionsunterricht

4.6.1.5  Hochschulwesen

4.6.2  Diakonie

4.6.3  Öffentlichkeitsauftrag

4.7  Ressourcen

4.7.1  Vermögensverwaltung

4.7.1.1  Kirchliches Verwaltungsrecht

4.7.1.2  Staatlicher Schutz

4.7.1.3  Stiftungen

4.7.2  Beiträge von Mitgliedern und Nutzern

4.7.2.1  Kirchensteuer

4.7.2.2  Gebühren

4.7.2.3  Spenden, Kollekten, Fundraising

4.7.3  Öffentliche Finanzierung

5  Horizonte

5.1  Theoriegeschichte

5.2  Interdisziplinarität

5.3  Enzyklopädische Einordnung

5.4  Ökumene

5.5  Staat und Gesellschaft

6  Anhang

6.1  Landeskirchen und Zusammenschlüsse

6.1.1  Landeskirchen

6.1.2  Zusammenschlüsse

6.1.3  Ökumene

6.2  Zuordnung kirchlicher Bezeichnungen

6.3  Rechts-(informations-)quellen

6.4  Einführende Literatur

6.4.1  Kirchentheorie

6.4.2  Kirchenrecht

6.4.3  Religionsrecht

6.4.4  Rechtsgeschichte

6.4.5  Zeitschriften

6.4.6  Recht allgemein

6.5  Literaturliste

6.6  Register

Abkürzungen

Abs.AbsatzAEUVVertrag über die Arbeitsweise der Europäischen UnionAKfArnoldshainer KonferenzAöRArchiv des öffentlichen RechtsArt.ArtikelAz.AktenzeichenBGBBürgerliches GesetzbuchBVerfGBundesverfassungsgerichtBVerfGEEntscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (amtliche Sammlung)BVerwGEEntscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (amtliche Sammlung)CAConfessio Augustana (Augsburger Bekenntnis)DDRDeutsche Demokratische RepublikDGDisziplinargesetzd. h.das heißtDSGVODatenschutzgrundverordnungEGMREuropäischer Gerichtshof für MenschenrechteEKDEvangelische Kirche in DeutschlandEKUEvangelische Kirche der UnionEMRKEuropäische Menschenrechtskonventionetc.et cetera (und so weiter)ev.evangelische. V.eingetragener Vereinf.folgendeGEKEGemeinschaft Evangelischer Kirchen in EuropaGGGrundgesetzGmbHGesellschaft mit beschränkter HaftungGOGrundordnungHg.Herausgeberi. V. m.in Verbindung mitJh.JahrhundertJuSJuristische SchulungJZJuristenzeitungKBGKirchenbeamtengesetzKMGKirchenmitgliedschaftsgesetzKomPTKompendien Praktische TheologieKuRKirche und Rechtlit.littera (Buchstabe)luth.lutherischMio.MillionenNSNationalsozialismusNVwZNeue Zeitschrift für Verwaltungsrechto. ä.oder ähnlichesÖRKÖkumenischer Rat der KirchenPfDGPfarrdienstgesetzRn.Randnummerröm-kath.römisch-katholischS.Satz, SeiteSeelGGSeelsorgegeheimnisgesetzSGBSozialgesetzbuchStPOStrafprozessordnungTz.Textzifferu. a.unter anderemUEKUnion Evangelischer Kirchen in der Evangelischen Kirche in DeutschlandVELKDVereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche DeutschlandsVerfVerfassungvgl.vergleicheVVZGVerwaltungsverfahrens- und -zustellungsgsetzWRVWeimarer Reichsverfassungz. B.zum BeispielZBRZeitschrift für BeamtenrechtZevKRZeitschrift für evangelisches Kirchenrecht

Biblische Bücher werden nach den Loccumer Richtlinien abgekürzt.

1  Kirchentheoretische Grundlagen

1.1  Kirchenverständnis

Für die Beschreibung des Verhältnisses von Kirche und Recht ergibt sich beim ersten Hinsehen ein widersprüchlicher Befund. Auf der einen Seite wird ein fundamentaler Gegensatz zwischen Kirche und Recht artikuliert, wie er insbesondere bei Rudolf Sohm zu finden ist (Sohm 1923, 700):

»Das Wesen der Kirche ist geistlich, das Wesen des Rechts ist weltlich. Das Wesen des Kirchenrechts steht mit dem Wesen der Kirche in Widerspruch.«

Auf der anderen Seite ist zu beobachten, dass in der Kirche ständig und selbstverständlich Recht angewendet wird. Theoretische Bestreitung und empirische Normalität des Rechts können vor allem dadurch in einen Ausgleich gebracht werden, dass im Hinblick auf die Kirche differenziert wird, in welcher Weise jeweils von ihr gesprochen wird. Dies kann in soziologischer (→ 1.1.1), in ekklesiologischer (→ 1.1.2) und in kirchentheoretischer (→ 1.1.3) Perspektive geschehen.

1.1.1  Soziologisch

Ganz allgemein lässt sich die Kirche als Gemeinschaft von Menschen (→ 1.1.1.1) zur Pflege einer bestimmten Religion (→ 1.1.1.2) beschreiben. Im staatlichen Recht wird dies mit dem Begriff der Religionsgesellschaft erfasst (→ 3.2.2.3). Um die Situation einer Gemeinschaft zureichend zu erfassen, ist auch auf den gesellschaftlichen Kontext zu achten, in dem sie sich befindet (→ 1.1.1.3).

1.1.1.1  Gemeinschaft

Jede Gemeinschaft von Menschen ist durch die Polarität von Individuum und Gemeinschaft bestimmt. Es gibt gemeinsame Interessen, aus denen sich der Wille zur Gemeinschaft ergibt. Es bleiben aber stets auch individuelle Interessen, die teilweise mit den Gemeinschaftsinteressen zusammenstimmen, teilweise ihnen widerstreiten. So muss jede Gemeinschaft klären, wieviel Homogenität sie voraussetzen, wieviel Diversität und Pluralität sie zulassen will. Daraus ergeben sich die Anforderungen für die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft und die Erwartungen an ihre Mitglieder. Außerdem resultieren daraus unterschiedliche Grade der organisatorischen und rechtlichen Verdichtung (→ 1.5.1.3). Soweit eine Gemeinschaft organisatorische Gestalt gewinnt, tritt sie dadurch ihren Mitgliedern als eigenständige Größe gegenüber, die Kirche erscheint dann als »Amtskirche«.

Als eine bestimmte Gemeinschaft unterscheidet sich die Kirche von ihrer sozialen Umgebung und grenzt sich in gewisser Weise von ihr ab. Auch dabei sind unterschiedliche Grade denkbar. Die Bedingungen für den Ein- und Austritt markieren die Abgrenzung. Dabei spielen nicht nur die rechtlich fixierten Mitgliedschaftsvoraussetzungen, sondern auch die soziale Praxis, die mehr oder weniger Teilnahme ermöglicht, eine wesentliche Rolle. In unterschiedlichem Maße kann auch Menschen, die keine Mitglieder sind, die Teilnahme am Leben der Gemeinschaft eröffnet werden (→ 1.3.3).

Im Außenverhältnis tritt die Kirche durch Kommunikation, wirtschaftliche und Rechtsbeziehungen in einen Austausch mit anderen Akteuren. Ihr Handeln kann sich in der Gesellschaft produktiv oder destruktiv auswirken. Sie wird von außen wahrgenommen und kann Zustimmung und Kritik erfahren.

1.1.1.2  Religion

Von anderen Gemeinschaften unterscheidet sich die Kirche dadurch, dass es bei ihr um Religion in einer bestimmten Ausprägung geht. Das Gemeinwesen wiederum muss sich auf eine Vielfalt von Religionen (und Weltanschauungen) einstellen. Problematisch erscheint dabei die begriffliche Erfassung von »Religion«. In der Religionswissenschaft werden eine ganze Reihe von Definitionsvorschlägen gemacht. Dabei lassen sich neben philosophischen und hermeneutischen vor allem substantialistische und funktionalistische Ansätze unterscheiden (Pollack 1995).

Substantialistische Ansätze suchen Religion durch die Angabe ihres Bezugsgegenstandes zu erfassen. Religion kann dann als Glaube an einen oder mehrere Götter, als erlebnishafte Begegnung mit dem Heiligen oder als Beziehung zu etwas übersinnlichem, transzendentem oder absolutem beschrieben werden. Das Problem dieser Ansätze besteht darin, dass der Begriff entweder zu eng oder zu weit gefasst ist, um alle Phänomene angemessen zu erfassen. Und diese Bestimmungen sind in hohem Maß vom Erleben der religiösen Subjekte abhängig.

Funktionalistische Ansätze setzen demgegenüber bei dem Problem an, das durch Religion bewältigt werden soll, beispielsweise der Stabilisierung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der Sozialisierung von Individuen oder deren Persönlichkeitsentwicklung. Diese Ansätze bergen das Problem, dass einerseits das Objektfeld damit zu weit gefasst und funktionale Äquivalente in den Blick kommen, die mit Religion nichts zu tun haben, dass andererseits Religionen polyvalent sind und nicht auf eine bestimmte Funktion reduziert werden können.

Leistungsfähiger erscheint eine Kombination substantialistischer und funktionalistischer Aspekte (Pollack 1995, 184–190). Dann kann Religion begriffen werden als eine Form der Bewältigung von Kontingenz durch den Bezug auf ein transzendentes Absolutes, d. h. durch einen Akt der Überschreitung der verfügbaren Lebenswelt. Kontingenz meint dabei, dass etwas so ist, wie es ist, und doch anders sein könnte. Die Erfahrung von Kontingenz wirft die Sinnfrage auf, die in der Religion durch die Verbindung von Transzendenz und Immanenz beantwortet wird.

Lebenspraktisch betrifft Religion Menschen emotiv, kognitiv und konativ:1 sie ist mit starken Gefühlen wie Glück, Angst und Vertrauen verbunden; sie gibt Orientierung in der Selbst- und Weltwahrnehmung und dies vor allem in Grenzsituationen menschlichen Erlebens; und sie evoziert vielfältige Formen religiöser Praxis und prägt auch darüber hinaus das Handeln religiöser Individuen und Gemeinschaften. Religionsgemeinschaften sind der Ort gemeinsamen religiösen Lebens, an dem einzelne auch zu individueller Religiosität geführt und angeleitet werden (→ 1.5.3).

1.1.1.3  Kontext

Der gesellschaftliche Kontext, in dem sich die Kirche heute befindet, ist durch Prozesse der Individualisierung und Pluralisierung bestimmt (Fechtner 2017, 32–35; Knoblauch 2018; Liedhegener 2018; → 5.5). Die religiös-weltanschauliche Lage ist von einer Vielzahl an Optionen bzw. einer zunehmenden Diffusität und wenig distinkter Religiosität bestimmt. Die einstmals bestehende Vorherrschaft der christlichen Kirchen ist passé. Die enge Verbindung zwischen Staat und Kirche besteht nicht mehr. Stattdessen steht der Staat der Kirche als säkulare, religiös-weltanschaulich neutrale Ordnungsmacht gegenüber (→ 3.2).

1.1.2  Ekklesiologisch

Das Selbstverständnis der Kirche wird in der Ekklesiologie bestimmt. Mit dem Begriff »Kirche« wird eine äußerst komplexe Wirklichkeit bezeichnet. »Kirche ist die durch das Wort Gottes begründete Gemeinschaft der Glaubenden« (Härle 1989, 285). Diese Gemeinschaft kann unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden. Ekklesiologisch ist zwischen der Kirche als geistlicher Gemeinschaft (→ 1.1.2.1), in ihrer leiblichen Gestalt (→ 1.1.2.2) und in ihrer jeweiligen geschichtlichen Realität (→ 1.1.2.3) zu unterscheiden.2

1.1.2.1  Kirche als geistliche Gemeinschaft

Unter dem Aspekt der geistlichen Gemeinschaft gehören der Kirche alle wahrhaft Gläubigen an. Von dieser Gemeinschaft ist in den altkirchlichen Bekenntnissen ausgesagt:

»Credo … et unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam.« [Ich glaube  ... auch eine heilige, allgemeine und apostolische Kirche.]

Die Einheit der Kirche geht darauf zurück, dass sich alle Glieder auf einen Herrn, einen Glauben und eine Taufe gründen. Die Heiligkeit der Kirche folgt daraus, dass die Gemeinschaft der Glaubenden als communio sanctorum zu Gott gehört. Die Allgemeinheit oder Katholizität gründet in dem unbeschränkten Heilswillen Gottes, der allen Menschen gilt. Die Apostolizität bezeichnet den Zusammenhang mit dem Zeugnis der Apostel.

Diese Attribute kommen der Kirche als geistlicher Gemeinschaft zu. Es geht dabei nicht um empirische, sondern um Glaubensaussagen. Welche Menschen zu den wahrhaft Gläubigen gehören, ist nicht offensichtlich. Die Kirche ist insofern als ecclesia spiritualis verborgene Kirche.

1.1.2.2  Kirche in ihrer leiblichen Gestalt

Die Kirche als geistliche Gemeinschaft setzt ihrem Wesen nach voraus, dass sie erfahrbar wird und leibliche Gestalt annimmt. Die konstitutiven Merkmale der leiblichen Gestalt der Kirche ergeben sich aus der Bestimmung der Kirche als der durch das Wort Gottes begründeten Gemeinschaft der Glaubenden. In Artikel 7 des Augsburgischen Bekenntnisses (Confessio Augustana – CA) wird die Kirche darum als Versammlung der Gläubigen bestimmt, »bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden«. Diese Aussagen beschreiben einen praktischen Vollzug, durch den die Kirche jeweils zu bestimmter Zeit und an bestimmtem Ort leibliche Gestalt gewinnt. Durch diese Grundvollzüge der Kommunikation des Evangeliums können Menschen zum Glauben kommen und so Anteil an der Kirche als geistlicher Gemeinschaft gewinnen (CA 5).

Die Bestimmung der Kirche nach CA 7 gilt universal, d. h. über alle zeitlichen und räumlichen Beschränkungen hinweg, denn die genannten Grundvollzüge sind konstitutiv für die Kirche und genügen zu ihrer wahren Einheit. Als Glieder der so bestimmten ecclesia universalis sind, da der Glaube menschlicher Überprüfung entzogen ist, alle anzusehen, die an der Kommunikation des Evangeliums Anteil haben. Dieses Anteilhaben verdichtet sich individuell in besonderer Weise in der Taufe, die darum als hervorgehobenes Merkmal der Zugehörigkeit zur Universalkirche angesehen werden kann.

1.1.2.3  Kirche in ihrer geschichtlichen Realität

In ihrer geschichtlichen Realität begegnet den Menschen die Kirche nicht schlechthin in ihrer leiblichen Gestalt, sondern stets in räumlicher und zeitlicher Konkretion als ecclesia particularis. Die Unterscheidung der verschiedenen Sozialgestalten der Kirchen ist prinzipiell temporal und zudem territorial und konfessionell bestimmt und unterliegt geschichtlichem Wandel.

In ihrer geschichtlichen Realität ist die Kirche menschlicher Gestaltung zugänglich und bedürftig (→ 1.1.3.2). Sie ist darum in gleicher Weise wie Menschen fehlsam. Insofern ist die Kirche Gerechte und Sünder zugleich (simul iusta et peccatrix) und darum semper reformanda. Die Präsenz der Kirche als geistlicher Gemeinschaft ist der Kirche in ihrer geschichtlichen Realität nur im Modus der Verheißung gegeben.

Einer bestimmten Partikularkirche gehören alle Menschen an, die ihr in bestimmter Weise zugeordnet sind. Im Bezug auf die Universalkirche wird in aller Regel an die Taufe angeknüpft. Entsprechend den konfessionellen und territorialen Merkmalen der Partikularität treten das Bekenntnis und der Wohnsitz als weitere Voraussetzungen hinzu (→ 4.3.2).

1.1.3  Kirchentheoretisch

1.1.3.1  Beschreibungsmodelle

Wendet man sich in kirchentheoretischer Perspektive der Kirche in ihrer geschichtlichen Realität und damit ihrer Sozialgestalt zu, fällt auf, dass hierzu in der Regel mehrere Beschreibungen nebeneinandergestellt werden. So hat schon Ernst Troeltsch (1912) die Sozialtypen Kirche, Sekte und Mystik unterschieden. Dietrich Rössler (1994, 90–94) hat herausgearbeitet, dass das Christentum in der Neuzeit als kirchliche Institution, als Christlichkeit in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit und schließlich als individuelles oder privates Christentum in Erscheinung tritt. Damit kommen neben der verfassten Kirche Formen der Zivilreligion ebenso in den Blick wie individualisierte religiöse Praxis.

Im Hinblick auf die kirchliche Gestalt des Christentums kommen neuere kirchentheoretische Entwürfe wiederum dazu, verschiedene Beschreibungen miteinander zu kombinieren. So behandelt Reiner Preul (1997, 128–241) die Kirche als Institution, Volkskirche und Organisation. Eberhard Hauschildt und Uta Pohl-Patalong (2013, 216–219) beschreiben die Kirche als »Hybrid« von Institution, Organisation und Bewegung, während Jan Hermelink (2011, 89–123) in seinen mehrdimensionalen Begriff der Kirche Momente der Organisation, der Institution, der Interaktion und der Inszenierung aufnimmt. Schon ein oberflächlicher Vergleich dieser Konzepte zeigt, dass die Begriffe der Institution und der Organisation zentrale Bedeutung haben (Ludwig 2010), sich die Beschreibungen für das, was an der Kirche über diese Begriffe hinausgeht, jedoch unterscheiden. Während der Begriff der Institution in der Soziologie zwar breite Verwendung findet, aber kaum geklärt ist (Esser 2000, 1), bietet der Begriff der Organisation für die Bestimmung des Verhältnisses von Kirche und Recht gute Anknüpfungsmöglichkeiten.

1.1.3.2  Kirche als Organisation

Mit ihrer Organisationsgestalt reagiert die Kirche auf die Herausforderung, die sich aus ihrer geschichtlichen Realität (→ 1.1.2.3) ergibt. Diese ist davon bestimmt, dass unter Bedingungen der Endlichkeit ein Überschuss an Möglichkeiten bewältigt werden muss. Um in einer komplexen, sich ständig wandelnden Umwelt handlungsfähig zu sein, muss die Kirche eigene Komplexität aufbauen, d. h. sie muss sich aufgrund eigener Kriterien von ihrer Umwelt unterscheiden und bestimmen, in welcher Weise sie sich den Umwelteinflüssen aussetzt. Nur so ist sie der äußeren Komplexität nicht ungebremst ausgeliefert, sondern in der Lage, der Umwelt das entgegenzuhalten, was für sie als Kirche wesentlich ist.

Zur geschichtlichen Realität gehört außerdem, dass die Einsichtsfähigkeit der Akteure begrenzt ist, dass Wertungen umstritten sind und Konsens über das kirchliche Handeln nicht immer erzielt werden kann. Durch geordnete Entscheidungen erhält die Kirche ihre Handlungsfähigkeit angesichts des bestehenden und nicht ohne weiteres zu überwindenden Dissenses über das, was als kirchliches Handeln gemeinschaftlich verantwortet werden soll.

Die notwendige eigene Komplexität wird vor allem durch die Bildung von Organisationen aufgebaut (Luhmann 1999; Luhmann 2000). Damit wird es auch möglich, nicht von der Kirche schlechthin (also der ecclesia universalis), sondern von verfassten kirchlichen Organisationen (ecclesiae particulares) zu sprechen. Die ecclesia universalis ist nicht als solche handlungsfähig, sondern nur in Gestalt der partikularen kirchlichen Gemeinschaften. Eine umfassende Organisation für die ganze Kirche erscheint ja schon deswegen ausgeschlossen, weil die Kirche nach CA 7 überall zu finden ist, wo ihre Grundvollzüge stattfinden, und dies zur wahren Einheit der Kirche ausreichend ist; dies kann also stets auch neben einer noch so umfassenden kirchlichen Organisation geschehen.

Wesentlich für eine Organisation ist, dass Entscheidungen getroffen werden und zwar sowohl die Entscheidungen »in der Sache« wie auch die Entscheidungen über deren Prämissen. D. h. jede Entscheidung wird (1) aufgrund eines vorgegebenen Entscheidungsprogramms (2) von einer bestimmten Person (3) an einer bestimmten Stelle innerhalb der Organisation, also im Knotenpunkt bestimmter Kommunikationswege getroffen. Durch die vorgängige Entscheidung über Entscheidungsprämissen wird die Akzeptanz von Entscheidungen stabilisiert, und die Organisation gewinnt Autonomie gegenüber ihrer Umwelt. Sie trifft für eine unbestimmte Vielzahl von Entscheidungen Festlegungen, absorbiert so Unsicherheit und eröffnet zugleich Entscheidungs- und damit Handlungsmöglichkeiten (Luhmann 2000, 223–228). Das Medium, in dem Entscheidungen getroffen und verbindlich werden können, ist das Recht (→ 3.1).

1.1.3.3  Grenzen der Organisation

Keine Organisation erschöpft sich in dem, was an ihr als Organisation beschrieben werden kann. Innerhalb von Organisationen findet stets auch Kommunikation statt, die nicht in das Organisationsschema eingefügt und zum Gegenstand von Entscheidungen gemacht werden kann (Luhmann 2000, 239–249). Dabei lässt sich folgende Unterscheidung treffen: (1) Zum einen kann solche Kommunikation helfen, das Organisationshandeln voranzubringen, indem es zwar nicht von vornherein auf dieses gerichtet ist, letztlich aber in solches einmündet. (2) Zum anderen trägt solche Kommunikation zur Organisationskultur bei und wirkt sich so mittelbar auf das Organisationsergebnis aus. (3) Und schließlich kann der Sinn einer Organisation gerade darin bestehen, nicht-organisierbares zu ermöglichen. Dies gilt vor allem für Organisationen im Bereich der Bildung und Kultur, in besonderer Weise aber auch für die Kirche (Schlamelcher 2018, 496f.).

Generell ist für Religionsgemeinschaften ein gewisser Widerspruch zur Sozialform Organisation festzustellen (Schlamelcher 2018). Je nach theoretischem Ansatz geht es bei Organisationen um rationale Zielverfolgung, um Entscheidungen, um strukturierte Einbindung, um definierte Mitgliedschaft, um die Wahrnehmung bestimmter Rollen, hinter denen die Person zurücktritt. In der Religion geht es hingegen um Glauben, der die ganze Person betrifft, um Gemeinschaft, um Kommunikation in unterschiedlicher, oft auch sehr freier Weise. Eine religiöse Organisation kann dies nicht ersetzen. Es ist vielmehr ihre Aufgabe, dies, was selbst nicht organisationsförmig ist, zu ermöglichen und zu befördern. Jedenfalls wird eine religiöse Gemeinschaft nicht vollständig als Organisation in Erscheinung treten.

1.2  Systematik kirchlichen Handelns

Die Organisation der Kirche ist kein Selbstzweck, sondern dient dem kirchlichen Handeln, durch das die Kirche als solche existiert (→ 1.1.2.2). Dieses Handeln erweist sich als außerordentlich vielfältig. Wie es zusammengehört, kann im Wege einer Systematisierung der verschiedenen Handlungsfelder plausibilisiert werden (Munsonius 2015, 49–52). Dazu soll zwischen den Konstitutiva (→ 1.2.1) und Vitalia (→ 1.2.2) sowie dem disponierenden Handeln (→ 1.2.3) unterschieden werden. Das kirchenleitende Handeln tritt als Querschnittsaufgabe hinzu (→ 1.2.4).

1.2.1  Konstitutiva

Das Handeln der Kirche ist nicht auf Beliebiges gerichtet, sondern darauf, das zu tun, wodurch die Kirche leibliche Gestalt gewinnt. Konstitutiv für das Sein der Kirche sind die Vollzüge der Kommunikation des Evangeliums, die darauf gerichtet sind, Glauben zu wecken und zu stärken. Durch diese Vollzüge wird die Kirche überhaupt erst zur Kirche und unterscheidet sich von anderen Organisationen und Gemeinschaften. Dabei kann zwischen einer allgemeinen und einer individuellen Zielrichtung unterschieden werden. Dem entsprechen die Formen des Gottesdienstes, der prinzipiell öffentlich stattfindet, der Amtshandlungen, die einen individuellen Kasus öffentlich begehen, und der Seelsorge, die individuell und unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet (→ 4.5).

1.2.2  Vitalia

Aus dem durch die Kommunikation des Evangeliums erwachsenden Glauben entwickelt sich Weiteres. Die Glaubensgemeinschaft ist auch Gemeinschaft der Liebe und Handlungsgemeinschaft. Sie erschöpft sich nicht in genuin kirchlichen Vollzügen, sondern bildet auch Formen einer allgemeinen Geselligkeit aus. Und der lebendige Glaube bringt gute Werke hervor (CA 6). Die guten Werke sind Ausdruck einer lebendigen Kirche, weshalb sie hier auch als Vitalia bezeichnet werden. Die entsprechenden Tätigkeiten sind so vielfältig, wie menschliche Lebenssituationen sein können. Systematisierend kann man zunächst wieder danach unterscheiden, ob es um ein Handeln an einzelnen Menschen oder um ein Wirken in der Öffentlichkeit geht. Im Hinblick auf das Handeln am Einzelnen kann noch einmal unterschieden werden, ob es sich um die Hilfe angesichts äußerer Nöte oder um die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung geht. So ergeben sich die Felder des Bildungshandelns, der Diakonie und des Öffentlichkeitsauftrags der Kirche (→ 4.6).

Für die Vitalia ist charakteristisch, dass sich die Kirche hier auf einem Feld betätigt, auf dem auch andere Akteure zu finden sind, und dass sich diese Vollzüge nicht als allein christlich erweisen lassen (Moos 2013, 264). Daraus ergibt sich zum einen die Notwendigkeit, das spezifisch Kirchliche der Arbeit erkennbar zu machen, zum anderen können sich Spannungen zwischen den allgemeinen Handlungsbedingungen und der aus dem Glauben gespeisten Motivation ergeben.

1.2.3  Disponierendes Handeln

Konstitutives und vitales Handeln der Kirche ist von personellen, sächlichen und organisatorischen Voraussetzungen abhängig. Diese Ressourcen bereitzustellen, ist Gegenstand des disponierenden Handelns. Dieses geschieht nicht um seiner selbst, sondern um des übrigen kirchlichen Handelns willen. Es unterscheidet sich für sich genommen zunächst nicht vom entsprechenden Handeln anderer Organisationen. Die Kirche ist auf diesem Feld in vielfältiger Weise in wirtschaftliche Zusammenhänge eingebunden und den dort geltenden Gesetzen unterworfen.

Bei den personellen Voraussetzungen geht es um die Gewinnung, Beschäftigung und wirtschaftliche Sicherung von Mitarbeitern (→ 4.3). Die sächlichen Voraussetzungen erfassen die Beschaffung von Material und Unterhaltung von Gebäuden (→ 4.7). Organisatorisch geht es um die Strukturen und Verfahren, in denen kirchliches Handeln stattfindet (→ 4.2 und 4). Zum disponierenden Handeln gehören schließlich die Vermögensverwaltung und die Finanzwirtschaft (→ 4.7).

1.2.4  Kirchenleitung

Es liegt auf der Hand, dass ein so vielfältiges kirchliches Handeln, an dem so viele Menschen beteiligt sind und das so unterschiedlich in Lebensverhältnisse eingebettet ist, nicht ohne Weiteres ins Werk gesetzt werden kann und ohne Konflikte abläuft. Handlungen müssen koordiniert und Konflikte reguliert werden. Eine Querschnittsdimension stellt darum das kirchenleitende Handeln dar, das darauf gerichtet ist, das Handeln in den drei genannten Feldern zu gestalten und zu ordnen. An ihm nehmen alle teil, die auf die Gestaltung der Kirche Einfluss nehmen (→ 1.4). Dafür gibt es besondere Zuständigkeiten und Verfahren, in denen sich die Beteiligten auseinandersetzen und verständigen. Die Entscheidungen, die dabei getroffen werden, haben Rechtscharakter (→ 3.1): Sie halten verbindlich fest, welches kirchliche Handeln stattfinden und wie dies umgesetzt werden soll. Jeder Beteiligte weiß damit, welches Verhalten von ihm erwartet wird und was er von den anderen berechtigterweise erwarten darf.

1.2.5  Zusammenhang kirchlichen Handelns

Die Abgrenzung zwischen den einzelnen Feldern kirchlichen Handelns mag im Einzelfall umstritten sein. Auch sind die Übergänge zuweilen fließend. Neben der Unterscheidung ist darum ebenso der Zusammenhang zu beachten. Damit die Vitalia als Kennzeichen der Kirche erkannt werden können, muss immer wieder deutlich werden, dass sie aus dem durch die Konstitutiva begründeten Glauben gespeist werden. Bei dem an sich gleichgültigen disponierenden Handeln bleibt festzuhalten, dass auch dies insofern als kirchliches Handeln anzusehen sind, als es nicht beliebig, sondern auf die Konstitutiva und Vitalia bezogen ist. Ihm eignet damit gleichermaßen eine geistliche Dimension. Die Kirchlichkeit eines Handlungsfeldes geht jedoch verloren, wenn dieser Zusammenhang nicht mehr erkennbar ist.

1.3  Beteiligung am kirchlichen Handeln

Für die Beteiligung am kirchlichen Handeln sind vor allem die Konzepte des Allgemeinen Priestertums (→ 1.3.1) und der Dienstgemeinschaft (→ 1.3.2) relevant.

1.3.1  Allgemeines Priestertum und Amt

Das Allgemeine Priestertum wird nach reformatorischer Lehre den Menschen durch die Taufe zugeeignet und im Glauben angeeignet. Es vermittelt zum einen die Priesterwürde, in unmittelbare Gemeinschaft mit Gott berufen zu sein und sich im Gebet an ihn wenden zu können. Zum anderen ist damit der Priesterdienst verbunden, den alle Christen sich gegenseitig leisten sollen durch Bezeugung des Evangeliums, Fürbitte, Seelsorge und Beichte (Härle 1996).

»Alle Christen sind wahrhaft geistlichen Standes, und ist unter ihnen kein Unterschied dann des Amts halben allein.  ... Demnach so werden wir allesamt durch die Taufe zu Priestern geweiht.  ... Was aus der Taufe gekrochen ist, das mag sich rühmen, dass es schon Priester, Bischof und Papst geweiht sei, obwohl es nicht jedem ziemt, dieses Amt auch auszuüben« (Luther 1520, 407f.).

Darum gibt es in der evangelischen Kirche auch kein zentrales Lehramt. Die Verantwortung für die Lehre der Kirche ist allen Kirchengliedern gemeinsam anvertraut (→ 1.4.2).

Die Lehre vom Allgemeinen Priestertum schließt nicht aus, dass besondere kirchliche Ämter ausgeprägt werden. Dies geschieht vielmehr um des Allgemeinen Priestertums willen. Denn dessen Grundlage sind Taufe und Glaube, um derentwillen Verkündigung und Sakramentsfeier stattzufinden haben. Um diese Grundvollzüge quantitativ und qualitativ zu gewährleisten, ist es angezeigt, Menschen mit entsprechender Eignung und Befähigung auszuwählen und besonders zu beauftragen. In CA 14 ist dazu festgehalten:

»Vom Kirchenregiment (kirchlichen Amt) wird gelehrt, dass niemand in der Kirche öffentlich lehren oder predigen oder die Sakramente reichen soll ohne ordnungsgemäße Berufung [nisi rite vocatus].«

Der Unterschied zwischen dem besonderen Amt und dem Allgemeinen Priestertum besteht nicht in der Funktion, sondern allein in der Öffentlichkeit