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Es ist eine radikale These, die der Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff in seinem Beitrag, der sich mit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche systematisch auseinandersetzt, entwickelt. Nicht die, wenn auch durchaus ehrlich gemeinte Betroffenheitsgeste steht bei ihm im Vordergrund. Er geht an die Wurzel des Skandals, die er im Klerikalismus und dem daraus abgeleiteten Amtsverständnis der katholischen Priester findet. Nicht nur der (skandalöse) Umgang mit dem Skandal, der Skandal selbst weist für Hoff auf ein systemisches Problem hin. Was in letzter Konsequenz nichts anderes bedeutet, als dass es nicht nur zu viele einzelne Priester waren, die sich hier schuldig gemacht haben – die Kirche selbst hat sich schuldig gemacht.
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Seitenzahl: 23
Inhalt
Gregor Maria HoffKirche zu, Problem tot!Theologische Reflexionen zum Missbrauchsproblem in der katholischen Kirche
Der Autor
Impressum
Gregor Maria HoffKirche zu, Problem tot!Theologische Reflexionen zum Missbrauchsproblem in der katholischen Kirche
Der 28. Januar 2010 stellt eine Zäsur in der Geschichte der katholischen Kirche in Deutschland dar. Im kollektiven Entsetzen, das sich mit ihm verbindet, ist er zu einem »historischen Datum für die emotionale Geschichte der Bundesrepublik« avanciert.1 An diesem Donnerstag wurde der Brief bekannt, den der Jesuit Klaus Mertes als Rektor des Berliner Canisius-Kollegs an alle Schüler geschrieben hatte, die das Gymnasium in den 1970er- und 1980er-Jahren besucht hatten. Über Jahrzehnte hatten Jesuitenpatres, Lehrer und Erzieher Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht, gedeckt von einem System, in dem sich verschweigen ließ, was Schule, Orden und Kirche beschädigen musste. Nach diesem Brief war nichts mehr wie vorher.
Wirklich? Die Erschütterung, die von den Berliner Missbrauchsfällen ausging, hat jedenfalls die öffentliche Wahrnehmung sensibilisiert und die kirchliche Wachsamkeit geschärft. Eine Reihe von Maßnahmen wurde ergriffen, darunter die Beauftragung einer Studie zum Missbrauch in der katholischen Kirche durch die Deutsche Bischofskonferenz (DBK). Die 2011 begonnene Zusammenarbeit mit dem Kriminologen Christian Pfeiffer wurde 2013 sistiert, es folgten Auseinandersetzungen zum Umgang der katholischen Kirche mit dem einschlägigen Aktenbestand. Zwischen den Fronten konträrer Darstellungen der Faktenlage verstärkte sich in der Öffentlichkeit der Eindruck, die katholische Kirche wolle das Verfahren letztlich in der Hand behalten, um zu vertuschen.2 Radikale Aufklärung durch die beschuldigte Institution – muss das nicht schiefgehen, schon weil es strukturell überfordert?
Das Dilemma des Amtes
Der Umgang mit dieser Situation zeigt ein mehrfaches Dilemma an, in dem sich die Deutsche Bischofskonferenz bis heute befindet. Das machen die Ergebnisse des Forschungsprojekts deutlich, das die DBK während ihrer Vollversammlung im September 2018 der Öffentlichkeit vorstellte.3 Vorausgegangen war eine Vorabveröffentlichung der wichtigsten Resultate in der Zeit, um die Öffentlichkeit mit der ungeschönten Wahrheit zu konfrontieren. Der Vorgang ist Ausdruck eines tiefen Vertrauensverlustes gegenüber einer Institution, die den Missbrauch in den eigenen Reihen über Jahrzehnte geheim gehalten hatte. Nicht nur in Deutschland. Das globale Netz des klerikalen Missbrauchs ist anders aufgespannt als die Internetforen, in denen sich Päderasten austauschen und organisieren. Aber umso bedrohlicher wirkt die Gefahr, die vom klerikalen Tätermuster ausgeht, denn es braucht keine Verabredung. Die katholische Variante des Missbrauchs läuft über eine Disposition, die im kulturellen Tiefengrund einer zölibatären Priesterkirche verankert scheint.4