Knock out Love - Katharina Olbert - E-Book

Knock out Love E-Book

Katharina Olbert

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Beschreibung

Kate hat alles hinter sich gelassen um in Wilmington zu studieren und ein neues Leben anzufangen. Weit weg von ihrem Exfreund und allem was damals vorgefallen ist. Nie wieder wird sie in eine solche Situation geraten und die Kontrolle über sich und ihr Leben verlieren. Sie meldet sich in einem Kick-Boxing-Studio an, um zu lernen sich zu verteidigen. Doch sie hat nicht mit Ian, ihrem unglaublich attraktiven aber auch verschlossenen und mürrischen Trainer gerechnet. Erst ist er abweisend und wütend, dann plötzlich verständnisvoll und warmherzig. Kate kann nie sicher sein, welcher Ian ihr als nächstes begegnet. Sie ahnt, auch in seiner Vergangenheit hat es dunkle Zeiten gegeben. Es scheint, dass Ian und Kate sich ähnlicher sind, als sie glauben, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie der Anziehung zwischen ihnen nachgeben. Doch dann steht ihr Ex Tyler plötzlich vor ihr und Kate muss sich endlich ihrer Vergangenheit stellen. Aber Kate ist nicht mehr das ängstliche Mädchen von früher…

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Seitenzahl: 415

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Knock out Love

Die Autorin

Katharina Olbert lebt in einer Kleinstadt in der Mecklenburgischen Seenplatte und liebt Tee, Schokolade und Spaziergänge mit ihrer Border-Collie-Hündin. Geschichten hatte die Autorin schon immer im Kopf, aber erst 2016 fing sie an, diese auch aufs Papier zu bringen. Seit dem ist das Schreiben für sie eine nicht mehr wegzudenkende Leidenschaft geworden. Ihr Herz schlägt vor allem für Romane, bei denen die Liebe im Mittelpunkt steht, genau wie in ihren Geschichten.

Das Buch

Kate hat alles hinter sich gelassen, um in Wilmington zu studieren und ein neues Leben anzufangen. Weit weg von ihrem Exfreund und allem, was damals vorgefallen ist. Nie wieder wird sie in eine solche Situation geraten und die Kontrolle über sich und ihr Leben verlieren. Sie meldet sich in einem Kick-Boxing-Studio an, um zu lernen sich zu verteidigen. Doch sie hat nicht mit Ian, ihrem unglaublich attraktiven aber auch verschlossenen und mürrischen Trainer gerechnet. Erst ist er abweisend und wütend, dann plötzlich verständnisvoll und warmherzig. Kate kann nie sicher sein, welcher Ian ihr als nächstes begegnet. Sie ahnt, auch in seiner Vergangenheit hat es dunkle Zeiten gegeben. Es scheint, dass Ian und Kate sich ähnlicher sind, als sie glauben, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie der Anziehung zwischen ihnen nachgeben. Doch dann steht ihr Ex Tyler plötzlich vor ihr und Kate muss sich endlich ihrer Vergangenheit stellen. Aber Kate ist nicht mehr das ängstliche Mädchen von früher…

Von Katharina Olbert sind bei Forever erschienen:Bis zum Ende und darüber hinausCounting StarsKnock out Love

Katharina Olbert

Knock out Love

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinOktober 2019 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019Umschlaggestaltung:zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-490-9

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

Danksagung

Leseprobe: Bis zum Ende und darüber hinaus

Empfehlungen

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Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

1. Kapitel

Für dich.

Gib niemals auf, egal, wie dunkel das Leben manchmal scheint.

1. Kapitel

Sonnenstrahlen trafen auf meine Lider und ich kniff verzweifelt die Augen zusammen. Ich wollte noch nicht aufstehen. Nicht zurück in die Realität. Am besten niemals. Auch wenn ich jetzt woanders war und mich danach nicht die gewohnte, mit Erinnerungen behaftete Umgebung erwartete, war doch eines immer noch gleich. Dieser eine Fleck an meinem Körper, von dem ein Schmerz ausging, der sich durch mein Inneres zog, immens langsam und doch mit steigender Intensität. Er hatte sich nicht verändert. Obwohl ich meine Familie, meine Freunde und mein geliebtes Phoenix verlassen hatte, fühlte es sich genauso an, als wäre ich noch dort. Warum hatte ich etwas anderes erwartet? Probleme und Erinnerungen lösten sich nun mal nicht in Luft auf, nur weil man den Ort verließ, an dem sie entstanden waren. Ich stöhnte laut auf, öffnete langsam die Augen und sah mich um. Mein Blick fiel auf den braunen Kleiderschrank, der an der gegenüberliegenden Wand stand, den Schreibtisch inklusive Laptop rechts neben mir und auf das Fenster, das dringend Jalousien benötigte. Alles war so fremd. Nur meine Klamotten und Bücher, die aus den offenen Koffern hinausragten, waren mir vertraut. Das war alles, was übrig war. Ich allein mit einer Handvoll Sachen über 2000 Meilen von meiner Heimat entfernt. Für einen Moment überlegte ich, einen Flug zu buchen und nach Hause zu fliegen. Wer hatte nur diese blöde Idee gehabt, die gewohnte Umgebung mit Familie und Freunden hinter sich zu lassen? Ein kurzer Stich erinnerte mich wieder daran, warum ich mich dafür entschieden hatte.

Mühsam rappelte ich mich auf und ging ins Badezimmer. Beim Blick in den Spiegel schreckte ich zurück. Mein blonder Bob stand in alle Richtungen ab und unter meinen blaugrauen Augen standen tiefe Ringe. Sie schimmerten so dunkel, dass sie meinem schwarzen Shirt Konkurrenz machten. Aber das war es nicht, was mich in Panik versetzte. Es war dieser große blaue Fleck an meiner Wange. Wo kam der auf einmal her? Alle Wunden waren schon eine Weile verheilt und ich hatte mich auch nicht gestoßen. Ich trat näher ans Waschbecken und sah genauer hin. Doch plötzlich war er weg. Ich strich über meine Haut. Nichts. Nur eine Einbildung. Eine täuschend echte. Mal wieder. Ich atmete tief durch und drängte die Erinnerungen zurück, die sich nach oben kämpfen wollten. Sie durften einfach keinen Platz mehr in meinem neuen Leben einnehmen. Ich setzte eine entschlossene Miene auf und konzentrierte mich auf mein Ziel. Einen Neuanfang, weit weg von meinem Zuhause, dem Ort, der alles verändert hatte. An einer Uni, die mich meinem Traumberuf näher bringen würde. Psychologin. Damit ich Menschen wie Frankie retten konnte. Ich würde es schaffen, alles hinter mir lassen und dafür sorgen, dass so etwas nicht noch einmal geschah. Ich nickte und Zuversicht strömte durch mich hindurch. Wie ein Roboter erledigte ich meine Morgenroutine und machte mich auf den Weg zur Uni. Und hoffentlich auch in ein neues, besseres Leben.

Mein erster Kurs war Einführung in die Psychologie bei Dr. Peters und begann erst in 30 Minuten. Somit war ich verdammt früh dran, als ich in den Raum trat. Aber so hatte ich wenigstens freie Platzwahl. Ich stolperte ungern als Letzte in die Klasse, um mich dann wahrscheinlich ganz nach vorne setzen zu müssen. Nein, danke. Ich wollte zwar etwas lernen, aber nicht auf dem Schoß des Professors sitzen oder die anderen Studenten im Rücken haben. Es war immer besser, alles überblicken zu können. Deswegen wählte ich einen Tisch in einer der hinteren Reihen und packte Stift und Block aus. Doch schon im nächsten Moment erfüllte eine elende Stille den Raum und ich ärgerte mich, dass ich so überpünktlich war. Es war noch lange hin, bis die anderen kamen, und das hieß, ich hatte zu viel Zeit zum Nachdenken. Verdammt schlechter Plan. Aber irgendwelche Nachteile gab es doch immer. Dann musste ich mich halt irgendwie beschäftigen. Ich ließ den Blick durch den Raum wandern, aber die weißen kahlen Wände mit den großen Fenstern waren nicht gerade die beste Ablenkung. Ganz im Gegenteil, sie ließen mich frösteln. Wie konnte man einen Raum, in dem Studenten etwas lernen wollten, nur so kahl und trostlos gestalten? Und das bei diesem Kurs! Kopfschüttelnd über den Widerspruch schlug ich meinen Block auf und begann darin herumzukritzeln. Ich hatte kein Talent, was das Malen von Bildern betraf, aber Wörter bekam ich hin. Diejenigen, die mir im Kopf umherschwirrten, fanden so ihren Weg auf das Papier. Schon seit der Schulzeit zeichnete ich sie in verschiedenen Formen und Schriftarten an die Ränder meiner Notizen. Und so wie damals half es auch heute und entspannte mich, zumindest bis es plötzlich neben mir krachte. Ich fuhr zur Seite und blickte in große braune Augen.

»Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken, aber diese blöde Tasche ist gerade gerissen.« Ich starrte die braunhaarige Frau an, dann ihre Tasche, und weil ich wohl nicht schnell genug antwortete, sprach sie weiter. »Ich bin Jess. Tut mir echt leid. Ist es okay, wenn ich mich hier hinsetze?«, fragte sie und zeigte auf den Platz neben mir.

Mein Herzschlag war immer noch auf Hochtouren, aber ein Nicken bekam ich zustande. Das war schließlich ein freies Land und irgendwer würde letztendlich sowieso neben mir sitzen. Jess schien mir eine gute Wahl. Sie hatte ein echtes Lächeln auf den Lippen, als sie sich setzte, war groß, hatte eine sportliche Figur und lange glatte Haare. Außerdem besaß sie eine Ausstrahlung, die natürlich und positiv wirkte und der jeder wohl früher oder später verfallen würde.

»Ich bin Kate«, sagte ich, nachdem ich den Schreck verdaut hatte.

»Freut mich, Kate.« Jess sah sich um. »Ich bin viel zu früh dran.« Dann blickte sie wieder zu mir. »Aber egal, ich bin ja nicht allein.« Ein breites Grinsen zierte ihr Gesicht und ich musste es automatisch erwidern.

Da war sie, meine perfekte Ablenkung. Auch wenn Jess gerne redete und mir sofort ihre halbe Lebensgeschichte erzählte – sie war 18, also genauso alt wie ich, Waise und wurde bisher von Pflegefamilie zu Pflegefamilie gereicht –, hatte ich etwas, auf das ich mich zwischen den Vorlesungen konzentrieren konnte. Denn Jess hatte bereits beschlossen, dass wir Freundinnen werden würden, da hatte ich noch nicht einmal Luft geholt. Doch das war nicht schlimm, denn ich mochte sie. Obwohl sie keine rosige Vergangenheit hatte, war sie so voller positiver Energie, und das war genau das, was ich gerade brauchte. Ich vermisste meine Freunde in Phoenix, aber Jess schaffte es in kurzer Zeit, meine Sehnsucht zu verringern.

»Hey, neue Freundin«, fing mich Jess am Freitag nach der letzten Vorlesung ab und hakte sich bei mir ein. »Wir gehen heute Abend zu dieser Party.« Sie hielt mir einen Flyer vor die Nase.

Ich verzog das Gesicht. Ich wollte auf keine Party, schon allein bei dem Gedanken an alkoholisierte Männer wurde mir übel. Und nicht nur auf die konnte ich verzichten, sondern auf jedes männliche Wesen auf diesem Planeten.

»Verzieh nicht so das Gesicht, das gibt Falten«, sagte Jess grinsend und stieß gegen meine Schulter. »Komm schon, wir sind auf dem College und haben unsere erste Woche überstanden. Das sollten wir feiern.« Sie wedelte mit dem Flyer. »Außerdem kenne ich nur dich, bitte, Kate.«

Ich verdrehte die Augen und sie öffnete erneut den Mund. Wenn sie mir jetzt sagte, dass meine Augen stehen bleiben würden, wenn ich das tat, würde ich den Flyer hier und jetzt zerreißen. Doch sie schloss ihren Mund wieder und sah mich erwartungsvoll an. Fast wie ein Hund, der unbedingt den Ball haben wollte. Wie gemein.

Ich atmete hörbar aus. »Aber wenn es mir nicht gefällt, gehe ich wieder.«

Jess jubelte. »Selbstverständlich, doch ich bin mir sicher, dass wir uns großartig amüsieren werden.«

Warum nur konnte ich das nicht glauben?

Und wer hatte mit seiner Vermutung recht gehabt? Ich natürlich. Das Gute war: Es gab keine betrunkenen Typen und keine laute Musik. Dafür aber gähnende Langeweile. Party? Fehlanzeige. Ich sollte mich darüber freuen, doch ich wusste nicht, ob das hier wirklich besser war. Auf der Couch saßen ein paar schüchterne Nerds, die an ihrer Cola nippten, während am Fenster vier Mädels standen. Sie tuschelten und schauten immer wieder zu den Jungs. Ich kam mir vor wie in der achten Klasse. Was für einen Flyer hatte Jess da nur erwischt? Und wo war sie überhaupt? Während ich mich in den freien Sessel gesetzt hatte, wollte sie uns etwas zu trinken besorgen. Das war allerdings schon gefühlt eine halbe Stunde her. Ob sie unterwegs eingeschlafen war? Es würde mich nicht überraschen.

Ich überlegte bestimmt geschlagene zehn Minuten, ob ich aufstehen und sie suchen oder einfach die Ruhe genießen sollte. Die erste Woche hatte mich ganz schön geschlaucht und es war mir vorhin extrem schwergefallen, mich überhaupt zu dieser »Party« aufzuraffen. Außerdem war der Sessel so bequem, dass ich am liebsten die Augen zugemacht hätte. Aber da ich eher nach Hause wollte, als den Clowns hier weiter bei ihren unsicheren Flirtversuchen zuzusehen, hievte ich mich irgendwann hoch und machte mich auf die Suche nach der Küche. Außerdem hatte ich Durst. Schon von Weitem hörte ich Jess’ Stimme und konnte die Küche somit gar nicht verfehlen.

»Deswegen habe ich mich für Sozialpädagogik entschieden«, endete sie. Wem sie da wohl gerade wieder ihre Lebensgeschichte erzählt hatte?

Ich trat um die Ecke und entdeckte Jess, die an der Arbeitsplatte lehnte und eine halb leere Flasche Bier in der Hand hielt. Toll. Schön, dass wenigstens sie etwas zu trinken hatte. Mein Blick flog zu dem Mann, der förmlich an ihren Lippen klebte. Volle braune Haare, blaue Augen, schlaksig, aber durchaus attraktiv.

»Hey, Kate, sorry, ich hab mich total verquatscht«, entschuldigte sie sich, als sie mich entdeckte. Dann zeigte sie auf den Typen. »Das ist Riley, er studiert Lehramt und scheint außer uns der einzige normale Mensch hier zu sein.«

Ich nickte ihm zu. »Auch den falschen Flyer erwischt?«

Seine Augen blitzten amüsiert. »Sieht wohl so aus.« Dann fiel sein Blick wieder auf Jess. »Andererseits bereue ich es nicht, hergekommen zu sein.«

Ein noch breiteres Lächeln trat auf Jess’ Gesicht und ich konnte die Herzchen förmlich fliegen sehen, als sie sich anschauten. Na wenigstens hatte diese Party für einen von uns etwas Gutes.

»Ach, und hier deine Cola.« Jess nahm geistesabwesend die Dose von der Anrichte und reichte sie mir.

»Die Party ist ein Flop. Ich fahr nach Hause, soll ich dich mitnehmen?«, fragte ich, öffnete die Cola und trank einen Schluck.

»Wie wär’s, wenn ihr noch mit zu mir kommt? Dort gibt es bessere Musik.« Riley schaute auf seine Flasche. »Und besseres Bier. Meine Mutter ist sowieso beruflich unterwegs und das Haus steht leer«, schlug er vor.

Das Glitzern in Jess’ Augen verstärkte sich. Sie wollte. Aber so was von. Ich fragte mich allerdings, was dort besser sein sollte als hier. Außerdem wollte ich einfach nur nach Hause. Beziehungsweise in meine Einraumwohnung, die diese Bezeichnung eigentlich nicht verdiente. Ich fühlte mich dort absolut nicht heimisch. Aber egal, wie ich diese vier Wände nannte, ich wollte mich endlich in meine Kissen fallen lassen.

»Das ist eine tolle Idee. Wir kommen gerne mit, oder, Kate?« Jess strahlte und sah mich fragend an.

»Ich weiß nicht, ich bin ziemlich geschafft von dem Tag heute«, versuchte ich, mich aus der Affäre zu ziehen.

Jess schaute zu Riley und hob einen Finger in die Luft. »Würdest du uns einen Moment entschuldigen?«

Er nickte. Daraufhin hakte sich Jess bei mir ein und zog mich um die Ecke.

»Kate, bitte! Ich mag ihn, aber ich will nicht allein mitgehen. Du weißt schon, falls er doch ein Serienkiller ist«, flüsterte sie hinter vorgehaltener Hand.

Ich hob die Brauen. »Und wenn er einer ist, gehe ich mit drauf?«

»Du weißt, wie ich das meine.«

Ich verdrehte die Augen. »Ihr könnt euch doch auch tagsüber treffen, unter Menschen.«

Ich wollte doch nur in mein Bett. Außerdem sollte man sowieso nichts überstürzen und den Mann ein paar Tage zappeln lassen. Zumindest hatte ich das irgendwo gelesen.

Sie schob die Unterlippe vor. »Aber ich würde so gerne jetzt mit ihm Zeit verbringen. Vielleicht ist morgen schon alles anders.«

Jess hatte wieder diesen Hundeblick aufgesetzt und ich wusste nicht, ob es daran lag, dass ich unseren Familienhund bei meinen Eltern zurücklassen musste, aber damit hatte sie mich.

Ich seufzte. »Na schön, aber nicht so lange.«

Sie hüpfte auf und ab. »Danke, danke, danke.«

2. Kapitel

»So, das ist unser Wohnzimmer, macht es euch bequem«, sagte Riley und wies mit der Hand auf die riesige schwarze Couch.

Alles hier war verdammt groß und luxuriös. Nicht nur dieses Zimmer oder der Flachbildfernseher an der Wand, der mich an ein Kino erinnerte, nein, auch das Gebäude, in dem wir uns befanden. Die weiße Stadtvilla war gewaltig und hatte bestimmt Platz für zehn Personen. Und hier wohnte Riley mit seiner Mutter tatsächlich allein? Auch der Rest wirkte so, wie man es von draußen vermuten würde, nobel und teuer. Und dabei hatte ich bisher nur den Flur und das Wohnzimmer gesehen.

»Was wollt ihr trinken?«, fragte Riley, nachdem wir uns gesetzt hatten.

»Bier«, sagte Jess, während ich »Cola« antwortete.

»Kommt sofort.« Riley eilte aus dem Raum und Jess drehte sich unverzüglich zu mir.

»Ist er nicht heiß?«, fragte sie mit diesem gewissen Leuchten in den Augen. »Und er will mal Lehrer werden, das passt perfekt zu mir. Ein Glück habe ich diesen Flyer entdeckt.«

Von Glück konnte ich persönlich zwar nicht sprechen, aber es freute mich, dass wenigstens eine von uns etwas von diesem Abend hatte. Allerdings war ich hier völlig überflüssig.

»Er scheint ganz nett zu sein«, gab ich zurück. »Und kein Serienmörder.« Beim letzten Wort malte ich Gänsefüßchen in die Luft. »Dann kann ich euch doch auch allein lassen, oder?«

Sie schüttelte mit großen Augen den Kopf. »Nein, dann checkt er doch gleich, wieso du mitgekommen bist. Du darfst jetzt nicht gehen, sonst –«

Riley kam mit zwei Flaschen Bier und einer Cola um die Ecke und Jess verstummte. Doch mit den Augen sprach sie weiter und ich gab ihr nickend zu verstehen, dass ich sie nicht im Stich lassen würde. Ich kannte sie erst eine Woche, aber es kam mir vor, als wären wir bereits ewig befreundet, und da würde ich sie ganz sicher nicht hängen lassen.

Riley reichte uns die Getränke und wir stießen gemeinsam an. »Auf unsere erste nicht so gelungene Collegeparty.«

»Davon werden sicherlich noch einige folgen«, warf ich ein.

»Nicht, wenn ich sie schmeiße«, entgegnete Jess und sah sich um. »Dieses Haus würde sich perfekt dafür eignen, wieso organisierst du keine?«

Riley stieß ein Lachen aus. »Ich glaube, mein Bruder hätte ein Problem damit, und meine Mutter erst recht. Auch, wenn sie nicht so oft hier ist, bekommt sie das sicher raus.«

»Wirklich schade. Was macht deine Mutter eigentlich beruflich, dass sie so viel unterwegs ist?«

»Sie ist Architektin und plant die Häuser von verdammt reichen Leuten. Dafür muss sie natürlich auch vor Ort sein«, erklärte Riley und nahm einen Schluck von seinem Bier.

Deswegen also dieses riesige Haus und der Luxus hier. Sie musste dabei ziemlich viel verdienen.

»Dann bist du ja ganz schön oft allein. Ist das nicht unheimlich, hier in diesem Palast?«, fragte Jess und ließ den Blick durch den Raum schweifen.

Riley winkte ab. »Wir haben eine gute Alarmanlage, außerdem bin ich nicht allein. Mein älterer Bruder wohnt ebenfalls hier.«

Er sagte das, als wären sie nur Mitbewohner und keine Freunde oder gar eine Familie.

»Stimmt, wo ist er eigentlich?«

Riley zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, wo er sich rumtreibt. Aber sei froh, dass er nicht da ist.«

Jess runzelte die Stirn. »Wieso? Ist er gefährlich?«

Warum dachte sie nur dauernd so was? Sah sie zu viele Horrorfilme oder las sie Thriller?

Riley schüttelte belustigt den Kopf. »Nein, er ist nur einfach nicht die beste Gesellschaft.«

Was er damit wohl meinte? Und ob es etwas mit seinem vorherigen Satz zu tun hatte? Aber vielleicht sollte ich meinen Studiengang nicht ganz so ernst nehmen und nicht alles analysieren. Geschwister hatten doch hin und wieder ihre Differenzen. Nur weil ich so etwas als Einzelkind nicht kannte, hieß das nicht, dass es wirklich ein Problem zwischen den beiden gab.

»Im Gegenteil zu dir. Deine Gesellschaft genieße ich sehr«, erwiderte Jess und klimperte mit ihren Wimpern. Oh mein Gott.

Riley wurde rot und seine Augen begannen zu strahlen. Okay, jetzt war es definitiv Zeit, die beiden allein zu lassen. Außerdem hatte die Cola sich mittlerweile in meinem Inneren gesammelt und wollte nach draußen.

Ich stand auf. »Riley, wo finde ich die Toilette?«

Er konnte seinen Blick nur schwer von Jess lösen. »Die im Untergeschoss ist gerade kaputt, da kommt morgen erst der Monteur. Du musst einmal die Treppe hoch und dann die dritte Tür links.«

Ich nickte und konnte nicht schnell genug das Wohnzimmer verlassen. Wenn ich das Problem mit meiner Blase gelöst hatte, musste ich unbedingt von hier verschwinden, bevor ich Dinge sah, die ich nie wieder aus meinem Kopf bekommen würde. Dafür musste ich allerdings erst einmal diesen megalangen Flur entlang, der mit etlichen großen Schuhschränken ausgestattet war. Irgendwer hatte hier definitiv einen Schuhtick. Was war nur so toll daran, hundert Paar Schuhe zu besitzen? Das hatte ich noch nie verstanden. Kopfschüttelnd lief ich an mehreren Türen vorbei, die alle geschlossen waren bis auf die der geräumigen Küche. Am Ende des Ganges befand sich eine Wendeltreppe und ich stieg hinauf in die erste Etage. Dort erwartete mich ebenfalls ein Schlauch von Flur und haufenweise geschlossene Türen. Ich blieb unschlüssig stehen. Verdammt, was hatte Riley noch mal gesagt? Die zweite oder dritte Tür? Links oder rechts? Ich meinte, es war links. Mist. Denk nach, Kate! Aber mir wollte es partout nicht einfallen. Und da ich nicht noch mal zurückgehen und fragen wollte, musste ich es eben ausprobieren. Was sollte schon passieren? Dass ich ihr Spielzimmer entdeckte? Nach Shades of Grey konnte mich nichts mehr schockieren.

Auf gut Glück öffnete ich die zweite Tür und wollte all meine Gedanken von eben am liebsten zurücknehmen. Dort saß ein Mann, nur mit einer Hose bekleidet, auf einer Hantelbank und stemmte ein paar Gewichte. Sofort dachte ich an den Typen aus dem Film, der gerade noch durch meinen Kopf gerauscht war. Nur hatte dieser hier dunkelblonde kurze Haare und einen Dreitagebart, dennoch war er mindestens genauso sexy. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie er seinen Kopf zu mir drehte, doch ich konnte meinen Blick nicht von seinem nackten Oberkörper nehmen.

»Kann ich dir irgendwie helfen?«, fragte er grimmig und legte die Hanteln zur Seite.

Widerwillig löste ich meinen Blick von seinen Muskeln und hob ihn, bis ich in seinem Gesicht landete, das mehr als nur angespannt war. Eher zornig, als hätte ich ihn gerade auf die Palme gebracht, dabei hatte ich noch nicht einmal etwas gesagt.

»Wer bist du?«

Eine äußerst doofe Frage. Er konnte nur Rileys Bruder sein, aber mein Hirn wollte gerade keine sinnvollen Sätze hervorbringen.

Er hob die Augenbrauen. »Das sollte ich dich fragen, du bist hier nicht nur in meinem Haus, sondern auch in meinem Zimmer.«

»Ich bin eine Freundin von Riley.« Keine Ahnung, ob das stimmte, so gut kannten wir uns eigentlich noch nicht. Aber Bekannte klang irgendwie doof.

»Sein Bett findest du hinter der Tür gegenüber.«

Ich runzelte die Stirn. Was sollte das denn heißen? »Nicht so eine Freundin.«

Er zuckte mit den Schultern. »Das geht mich nichts an. Verschwinde einfach nur aus meinem Zimmer.«

Und damit war das Gespräch anscheinend für ihn beendet. Denn er drehte sich wieder zur Seite, nahm sich erneut die zwei Hanteln und zog sie immer wieder hoch bis zur Brust. Jetzt verstand ich, was Riley vorhin mit schlechter Gesellschaft gemeint hatte. Und das war wohl noch eine Untertreibung gewesen. Wie konnte jemand so gut aussehen und dann so ein Arsch sein? Was für eine Verschwendung.

»Ich suche das Bad«, sagte ich, weil ich keine Lust darauf hatte, noch einen Idioten hinter irgendeiner falschen Tür zu finden.

»Gleich nebenan«, gab er zurück, ohne sein Training zu unterbrechen oder mich anzusehen.

»Danke fürs Gespräch«, entgegnete ich ironisch und schloss ein wenig zu laut die Tür.

Wütend stapfte ich zum nächsten Zimmer und war froh, als es sich tatsächlich als Bad entpuppte. Ich hätte Rileys Bruder auch zugetraut, dass er mir eine falsche Information gab, einfach so, weil er ein Idiot war. Erleichtert schloss ich die Tür hinter mir, ließ endlich die zwei Dosen Cola aus mir heraus und wusch mir die Hände. Dabei wanderte mein Blick unbewusst nach oben und ich blieb an meinem Spiegelbild hängen. Ich vermied es eigentlich, mich öfter als nötig anzusehen. Nicht, weil ich mich hässlich fand, sondern weil ich mich seit drei Monaten anders wahrnahm. Entweder sah ich blaue Flecken, die nicht da waren, oder ein komplett zugeschwollenes Gesicht, das kurz darauf wieder verschwand. Auch jetzt tauchte es auf, und ich versteifte mich unwillkürlich. Alles war rot und blau und an meiner Stirn klebte Blut. Ich schluckte schwer und berührte vorsichtig die Stelle mit meinem Finger. Doch als ich meine Haut prüfend musterte, war da nichts. Logischerweise. Denn an meiner Stirn war kein Blut. Nicht mehr. Meine Fantasie spielte mir ständig Streiche und ich wusste nicht, was ich tun konnte, damit das endlich aufhörte. Vielleicht sollte ich es jemandem erzählen. Zu einem Therapeuten gehen. Das hatten mir meine Eltern auch geraten, nachdem ich ihnen die falsche Geschichte zu meinen Verletzungen aufgetischt hatte. Aber ich wollte nicht darüber reden. Mit niemandem.

Plötzlich ging eine Tür neben mir auf und ich zuckte zusammen. Der unfreundliche Typ von eben stand auf einmal im Raum und sah mich verwirrt an.

»Was tust du noch hier?«, fragte er verärgert.

Was ich hier tat? Was wollte er denn hier? Und wie zum Teufel war er überhaupt reingekommen? Ich hatte diese zweite Tür gar nicht gesehen. Was wäre gewesen, wenn er reingeplatzt wäre, während ich auf der Toilette gesessen hätte?

»Das sollte ich dich fragen. Du wusstest doch, dass ich ins Bad wollte, oder hattest du vor, mich zu bespannen?«

Er riss seine graugrünen Augen auf, bevor er sie verengte. »Als ob ich das nötig hätte. Wahrscheinlich war das dein Plan.«

Mir klappte der Mund auf. »Das ist nicht dein Ernst.«

Er zuckte mit den Schultern. »Warum bist du denn sonst so lange hier drin?«

Ich schluckte und wandte mich zum Spiegel. Da war nur ich. Keine Flecken, kein Blut. Erleichtert atmete ich auf.

»Keine Sorge, du kannst dein Bad wiederhaben. Aber schließ lieber beide Türen ab, man weiß ja nie, wer dir gerade beim Toilettengang zugucken möchte«, zischte ich und ließ ihn stehen.

Idiot. So ein verdammter Idiot. Wütend lief ich über den Flur, die Treppe hinab und wieder diesen blöden Schlauch entlang, bis ich endlich im Wohnzimmer landete.

»Dein Bruder ist ein riesiges Arschloch. Bist du echt –« Ich brach ab, als ich sah, wobei ich die beiden gerade unterbrochen hatte.

Eben waren ihre Arme noch um den jeweils anderen geschlungen gewesen, die Lippen aufeinandergepresst. Doch jetzt lag ein Meter zwischen ihnen und sie sahen mich mit großen Augen an.

»Sorry«, murmelte ich.

Riley räusperte sich. »Du bist Ian begegnet?« Sein Mund zuckte. Was war daran bitte witzig?

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Falls du damit diesen arroganten, eingebildeten, selbstverliebten Spanner meinst, dann ja.«

»Was hat er getan?«, fragte Riley und unterdrückte ein Grinsen.

»Außer ins Bad zu platzen und sich wie ein Idiot aufzuführen?«

Mein Blick fiel auf Jess, die merkwürdigerweise total still geworden war. Verdammt, ich hatte die beiden gerade bei ihrem ersten Kuss gestört und nichts Besseres zu tun, als mich über Ian aufzuregen? Ich Trottel!

»Egal, macht ihr schön weiter, ich fahre nach Hause«, sagte ich schnell, ging zum Sessel und schnappte mir Tasche und Strickjacke.

»Du musst nicht gehen, wir –«

»Schon okay«, unterbrach ich Jess. »Ich bin eh erledigt und nach dieser netten Begegnung von eben brauch ich dringend frische Luft.«

Oder einen Boxsack. Außerdem wollte ich nicht das fünfte Rad am Wagen sein, die beiden hatten definitiv anderes im Sinn. Obwohl es mich wunderte, dass Jess so schnell jemanden an sich heranließ. Sie kannte Riley wie lange? Vier Stunden? Aber vielleicht war das auch nicht so unnormal, wie ich dachte. Immerhin hatte sie mich innerhalb von zehn Minuten zu ihrer Freundin auserkoren und es gab genug Frauen, die Männer von Partys mit nach Hause nahmen. Möglicherweise war ich hier die Unnormale. Aber gerade nach meiner letzten Beziehung hatte ich nicht vor, daran etwas zu ändern. Ehrlich gesagt, konnte ich gut und gerne die nächsten dreißig Jahre auf Männer verzichten.

3. Kapitel

»Kate, endlich! Ich hab mir schon Sorgen gemacht«, schrie meine Mom förmlich ins Telefon.

Sie hatte bereits mehrfach versucht, mich zu erreichen, und mir Nachrichten geschickt. Doch auch, wenn sie nichts dafür konnte, erinnerte mich jeder Kontakt mit Phoenix an den Vorfall vor drei Monaten. Und daran wollte ich nicht mehr denken.

»Sorry, ich hatte viel zu tun«, redete ich mich raus.

Eigentlich verstand ich ihre Aufregung überhaupt nicht, wir hatten erst letzte Woche miteinander gesprochen. Aber wenn das einzige Kind auszog und dann noch so weit weg wohnte, war das sicherlich nicht einfach für eine Mutter.

»Was denn?«

»Lernen, die Gegend erkunden, auf eine Party gehen …«

»Was für eine Party? Doch nicht so eine, auf der sich sinnlos betrunken wird, oder?«, unterbrach sie mich und ich bereute sofort, es erwähnt zu haben. »Warst du allein dort? Was ist mit dem Pfefferspray, das ich dir gegeben habe? Hast du das noch? Pass bloß auf dich auf, ja?« Ihre Stimme überschlug sich regelrecht.

»Natürlich, außerdem war ich nicht allein, ich habe eine nette Mitstudentin kennengelernt und wir waren zusammen unterwegs«, gab ich zurück und hoffte, dass sie das beruhigen würde.

»Oh, es freut mich, dass du schon eine Freundin gefunden hast«, sagte sie, und dann wurde es für ein paar Sekunden still in der Leitung, was merkwürdig war, weil Mom immer redete. Wirklich immer.

Ich wartete einen Moment, bevor ich nachfragte. »Mom? Alles okay?«

»Maggie war hier.« Die Erwähnung meiner besten Freundin traf mich unerwartet hart und ich biss mir auf die Unterlippe. »Sie vermisst dich.«

Jedes einzelne Wort war wie ein Gewicht, das mich in die Tiefe zog. Ich vermisste sie auch. Sehr sogar. Aber es ging nicht anders.

Meine Kehle schnürte sich zu und ich musste mich räuspern. »Was wollte sie?«

»Wissen, wo du bist und was los ist. Sie erreicht dich nicht.«

Mom klang vorwurfsvoll und ich verstand auch, warum. Aber ich konnte es Maggie nicht sagen, weder, wo ich war, noch, wieso. Und ich hatte keine Ahnung, ob ich es überhaupt schaffen würde, mit ihr zu sprechen. Ihr Lügen aufzutischen oder gar ihre Stimme zu hören, die mich sicher zurück nach Phoenix bringen würde. Ich wollte es so lange wie möglich hinauszögern.

»Du hast es ihr doch nicht gesagt, oder?«

Mom schnalzte mit der Zunge. »Was denkst du von mir? Ich habe hoch und heilig versprochen, es niemandem zu erzählen, auch wenn ich nicht verstehe, warum.«

Das alles war nicht fair, das wusste ich. Nicht für Maggie und auch nicht meinen Eltern gegenüber. Ich ließ sie alle im Stich und fühlte mich schrecklich deswegen, aber ich hatte es keine Sekunde länger in Phoenix ausgehalten. Vielleicht war es egoistisch gewesen zu gehen, aber für mich gab es einfach keine andere Option.

»Danke.« Ich sah Jess auf mich zukommen. »Hör zu, ich muss Schluss machen. Grüß Dad von mir, ja? Ich melde mich wieder, und mach dir keine Sorgen, mir geht es gut.«

Sie atmete lautstark aus und ich konnte ihre Gedanken hören: Warum bist du gegangen? Wieso meldest du dich nicht bei deinen Freunden? Was ist wirklich passiert? Doch stattdessen sagte sie nur: »Alles klar, Katie, ich hab dich lieb.«

Allein meinen Spitznamen zu hören, den nur sie verwendete, und diesen Satz, der sich sofort um mein Herz legte, ließ mir die Tränen in die Augen steigen. Ich vermisste meine Mutter, ihr Lächeln, ihre Umarmungen, einfach alles. Doch ich drängte die Tränen zurück. Es ging nicht. Nicht hier, nicht jetzt, am besten niemals. Ich schluckte, erwiderte ihre Worte und legte auf.

»Hey, alles in Ordnung? Du siehst traurig aus«, sagte Jess und setzte sich mit ihrem Tablett an meinen Tisch.

Ich nickte. »Das war meine Mom, und ich hätte es zwar nicht erwartet, aber ich vermisse sie ganz schön.«

»Kann ich verstehen«, murmelte Jess, und erst da wurde mir bewusst, dass sie keine Mutter mehr hatte. Verdammt, wie taktlos! Doch bevor ich etwas sagen konnte, war die Falte auf ihrer Stirn schon wieder verschwunden und sie sprach weiter. »Es tut mir übrigens echt leid wegen Freitag. Das war so nicht geplant.«

Wir hatten heute noch keine Vorlesung zusammen gehabt, vielleicht auch, weil sie welche hatte sausen lassen, keine Ahnung. Aber jetzt sahen wir uns in der Cafeteria zum ersten Mal wieder.

Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. »Kein Ding, ich wollte eh nach Hause. Wie war’s denn noch?«

Ihr schuldbewusster Gesichtsausdruck verschwand und ein Lächeln trat auf ihre Lippen. »Toll, Riley kann nicht nur unglaublich gut küssen, er ist auch ein echt netter Typ. Ich habe das Gefühl, dass das mit uns wirklich passen könnte.«

Merkwürdig, wie man so was schon so früh denken konnte. Sie kannten sich doch noch gar nicht. Aber das war nicht mein Problem und ich würde mich da ganz sicher nicht einmischen. »Das freut mich für euch.«

»Aber sein Bruder ist echt ein komischer Kauz.« Sie verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Dass er mit Riley verwandt sein soll, kann ich gar nicht glauben. Ich meine, er ist heiß.« Oh ja, das war er wirklich. »Aber unfreundlich hoch drei, und ich sage dir, irgendetwas stimmt nicht mit ihm.«

Eigentlich sollte es mir egal sein. Über ihn zu reden war die reinste Zeitverschwendung, und trotzdem interessierte mich, was vorgefallen war, dass sie so dachte.

»Was hat er denn gesagt?«

»Das ist es ja. Gar nichts«, gab sie entsetzt zurück. »Er ist ins Wohnzimmer gekommen, hat sich das Tablet geschnappt und ist wieder gegangen. Ich hab ihn angesprochen, mich vorgestellt, doch er hat mich vollkommen ignoriert.«

Ich schüttelte verständnislos den Kopf. »So ein Blödmann.«

Jess nickte zustimmend und stocherte in ihren Nudeln herum. »Ich hab Riley gefragt, ob ich etwas falsch gemacht habe oder warum Ian sich so verhält. Aber er meinte nur, dass Ian eine schwere Zeit hinter sich hat. Was auch immer das bedeutet.« Sie zuckte mit den Schultern und schob sich eine Gabel voll in den Mund.

»Und Riley hat dir nicht erzählt, was genau passiert ist?«

Sie schüttelte den Kopf. »Er sagte, ich solle mir keine Gedanken machen und Ian einfach ignorieren.«

Wahrscheinlich keine schlechte Idee. Vielleicht war das die einzige Sprache, die er verstand.

»Egal, Riley und ich wollen nachher ins Kino, hast du auch Lust?«, fragte Jess und schob den Teller von sich.

Oh mein Gott, bloß nicht. Auf ein Schmatzen im Ohr konnte ich gut verzichten.

»Geht leider nicht, ich hab schon etwas vor«, entschuldigte ich mich.

Sie legte den Kopf schräg. »Was denn?«

»Ich will ins Kickboxstudio.«

Das hatte ich mir bereits vor dem Umzug hierher überlegt, ich wollte lernen, mich zu verteidigen, und nie wieder so etwas erleben wie vor drei Monaten. Nur wenige Straßen weiter gab es sogar eins, das hatte ich mit als Erstes in Erfahrung gebracht.

»Ernsthaft? Das klingt nach Schmerzen, blauen Flecken und Gewalt«, meinte Jess stirnrunzelnd. »Komm lieber mit ins Fitnessstudio, hier ist eins um die Ecke, da hab ich mich bereits angemeldet.«

Die Schmerzen und blauen Flecken, die ich eventuell vom Training bekommen würde, waren nichts im Vergleich zu dem, was ich bereits erlebt hatte. »Ich wollte das schon immer mal ausprobieren, das macht sicher Spaß, und wenn nicht, kann ich ja immer noch in die Muckibude gehen.«

Sie beäugte mich skeptisch, hielt aber den Mund. Ich wollte nicht auf einem Stepper stehen oder Bauch–Beine–Po trainieren, ich wollte mich wehren können, vorbereitet sein. Falls ich Tyler wieder traf oder einen anderen Idioten, der mit seinen Fäusten nicht nur auf mein Herz einschlug.

Als ich am Nachmittag vor dem Studio stand, bekam ich es doch etwas mit der Angst zu tun. Ja, ich wollte lernen, mich zu schützen. Aber gleichzeitig würde es mich vielleicht auch an den Vorfall erinnern, den ich so dringend vergessen wollte. Was dann? Es war ein absoluter Zwiespalt. Aber ich musste mich einfach meiner Angst stellen, nur so würde ich sie hinter mir lassen können, oder? Einen Versuch war es zumindest wert. Gehen konnte ich im Zweifel immer noch.

Ich atmete tief durch, klammerte mich an meine Sporttasche und ging auf das Gebäude zu. Nachdem die Tür hinter mir ins Schloss gefallen war, sah ich mich erst einmal um. Links befanden sich die Männerumkleiden, rechts die der Frauen, und geradeaus schien der Sportraum zu sein. Niemand war zu sehen. Vielleicht sollte ich mich einfach umziehen gehen? Ich hatte letzte Woche mit jemandem telefoniert und einen Termin vereinbart. Aber wahrscheinlich war derjenige schon drinnen. Ich hatte mich extra für Einzeltraining entschieden, ich wollte mich am Anfang nicht gleich einer ganzen Gruppe stellen müssen.

Nachdem ich in Shorts und Top geschlüpft war, ging ich in die Halle und verschaffte mir einen Überblick. Sie war viel größer, als ich sie mir vorgestellt hatte. Der Boden bestand komplett aus Matten, an den Seiten waren die verschiedensten Boxsäcke aufgehängt und ganz hinten gab es zwei Boxringe. Dazwischen war genug Platz für Partnerübungen, was gerade auch einige in Anspruch nahmen. Im Moment waren zehn Leute hier, trainierten allein an den Säcken oder gegeneinander.

»Hey, du musst Kate sein, herzlich willkommen bei uns. Ich bin Mike.« Ein großer, breitschultriger Mann trat in mein Blickfeld und lächelte mich an.

»Hallo, Mike«, sagte ich und ergriff die Hand, die er mir entgegenstreckte.

Mit seinen raspelkurzen Haaren und den extrem durchtrainierten Oberarmen wirkte er fast schon ein wenig beängstigend. Doch seine Ausstrahlung war freundlich und führte dazu, dass ich mich entspannte.

»Du hattest das Einzeltraining gebucht, richtig?«

Ich nickte.

»Wir haben gerade einen Trainermangel, deswegen kann ich dir nur unseren Neuzugang anbieten. Er ist allerdings der Beste, den wir je hatten, und die Stunde wird somit günstiger. Ich hoffe, das ist okay.«

»Kein Problem.«

Das kam mir sogar zugute. Meine Eltern übernahmen zwar meine Miete, aber hierfür ging mein Erspartes drauf. Früher oder später musste ich mir sowieso einen Job suchen.

»Du kannst übrigens jederzeit eine Mitgliedschaft abschließen. Dann darfst du herkommen, wann du willst, für dich allein an den Boxsäcken oder mit anderen Mitgliedern üben«, sagte Mike, während er mich durch die Halle führte und die verschiedenen Stationen erklärte.

Das hatte ich auch schon auf der Homepage gelesen und sowieso in Erwägung gezogen, falls mir die ersten Stunden gefielen.

»Und da kommt auch schon dein Trainer.« Mike zeigte Richtung Eingang.

Ich drehte mich um und erstarrte. Das konnte nicht sein. Ich blinzelte mehrfach, doch er war es wirklich. Nein! Von allen Männern in Wilmington musste es ausgerechnet er sein? Womit hatte ich das verdient?

»Kate, das ist Ian«, sagte Mike und wandte sich dann dem Spanner von Freitag zu. »Ian, du wirst das Training von Kate übernehmen.« Ian sagte nichts, starrte mich ungerührt an und verzog keine Miene. Mikes Blick flog wieder zu mir. »Wenn du noch irgendwelche Fragen hast, kannst du jederzeit zu mir kommen. Ansonsten wünsche ich dir erst mal viel Spaß.«

Er hob die Hand, drehte sich um und ging auf eine Gruppe Frauen zu. Am liebsten wollte ich ihn aufhalten, ihn bitten, mir einen anderen Trainer zuzuweisen oder mich hier rauszubringen. Aber wahrscheinlich gab es keinen anderen, und wie würde das überhaupt rüberkommen?

Was sollte ich jetzt tun? Ich wollte nicht mit diesem Idioten trainieren. Das Ganze fiel mir ohnehin nicht leicht. Vor allem, weil ich nicht wusste, ob es Erinnerungen zurückbringen würde. Ich brauchte einen netten Trainer. Aber welche Wahl hatte ich? Das hier war mir wichtig. Ich wollte es im Moment mehr als alles andere auf der Welt. Außerdem hatte ich viel Schlimmeres überlebt, dagegen war das hier doch ein Witz, oder?

Die Statue vor mir regte sich, legte den Kopf schräg und grinste spöttisch. »Tja, so sieht man sich wieder.«

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich hätte gut darauf verzichten können.«

Ian war nur ein Stück größer als ich, aber er wirkte wie eine große schwarze Wand. Hart und undurchdringlich. Jess hatte mir erzählt, dass er nur zwei Jahre älter war als wir, dabei hätte ich ihn locker auf 25 geschätzt. Ganz kurz ließ ich meinen Blick über seinen Körper gleiten. Er trug eine kurze graue Hose und ein weißes ärmelloses Shirt. Wieder fragte ich mich, warum Gott böse Menschen so sexy machte. Welchen Sinn hatte das? Sie sollten so hässlich sein wie ihr Innerstes.

»Dann geh doch einfach wieder, das ist sowieso nichts für dich«, gab Ian zurück.

Was? Hatte ich mich gerade verhört oder war das sein Ernst? Scheinbar schon. Ich funkelte ihn böse an. »Was soll das denn heißen?«

Er zuckte mit den Schultern. »Na ja, du siehst nicht gerade aus, als wäre das der richtige Sport für dich. Vielleicht solltest du lieber Yoga oder Pilates machen, da kann dir kein Nagel abbrechen oder ein blauer Fleck dein Gesicht verschandeln.«

Ich runzelte die Stirn. Wie kam er denn auf so einen Mist? Warum dachte er, mir wäre so etwas wichtig? Aber viel entscheidender war: Was nahm er sich hier eigentlich raus?

Ich presste verärgert die Lippen aufeinander. »Keine Ahnung, warum du glaubst, irgendetwas über mich zu wissen, aber du irrst dich.«

»Ich irre mich nie, nimm einfach meinen Rat an und verschwinde aus diesem Studio.«

Langsam machte er mich richtig wütend. »Soll ich Mike Bescheid geben, dass du deinen Aufgaben als Trainer nicht nachkommst? Vielleicht bist du ja dann derjenige, der aus diesem Studio verschwindet.« Ich sah ihn herausfordernd an. Was er konnte, konnte ich schon lange.

»Du willst ein Training?«, fragte Ian und verengte die Augen. »Kannst du haben, aber sag später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Ich wette, du wirst nach heute sowieso nicht wiederkommen.«

»Werden wir ja sehen«, gab ich zurück und warf ihm einen finsteren Blick zu.

Ich würde ihm schon noch zeigen, dass ich hierher gehörte. Mein Kampfgeist war jedenfalls geweckt, unbewusst hatte er die richtigen Knöpfe gedrückt und damit die Entscheidung gefällt. Ich würde nicht weglaufen, ich würde mich meiner Angst stellen und es diesem Arsch beweisen. Er würde seine Meinung schon noch ändern.

Doch vorher wurde meine Vorstellung vom Kickboxen erschüttert. Schon das Warm-up war härter als erwartet und brachte mich so sehr ins Schwitzen, dass ich mich am liebsten auf die Matten fallen lassen wollte. Aber diese Genugtuung würde ich Ian niemals geben. Die Dehnung danach gab mir eine Verschnaufpause, aber nur kurz, denn es ging sofort weiter. Leider noch nicht mit Schlägen und Tritten, obwohl ich verdammte Lust darauf hatte, Ian als Boxsack zu benutzen. Nein, es folgte die richtige Arm- und Beinstellung und das leichte Tänzeln auf den Füßen. Nie hätte ich gedacht, dass Kickboxen so kompliziert sein konnte und die Haltung eine wichtige Rolle spielte. Außerdem spürte ich den Muskelkater bereits jetzt.

»Na, schon genug?«, fragte Ian nach circa einer Stunde.

Ich presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Warum zittern deine Arme und Beine dann so?« Sein Mund zuckte. »Wir machen Schluss für heute, ich will nicht, dass du zusammenbrichst. Nachher kostet mich das noch meinen Job.«

Ich ließ die Arme sinken und beinahe hätten auch meine Beine nachgegeben. Ja, ich war dankbar dafür, dass er das Training beendete, aber er sollte nicht wissen, wie erledigt ich wirklich war.

Ian stemmte die Hände in die Hüften. »Du hast dich echt gut geschlagen fürs erste Mal. Hätte ich nicht gedacht. Willst du wiederkommen oder hat das gereicht, um dich umzustimmen?«

Ich verschränkte die Arme vor der Brust, allerdings musste ich dabei den Schmerz unterdrücken, der sich durch meine Muskeln zog. »Meinetwegen kann es morgen gleich weitergehen.«

Ein Lächeln trat auf seine Lippen. »Das wäre zu früh, dein Körper braucht mindestens einen Tag Pause. Wie wäre es am Freitag?«

Ich nickte. Nicht nur, um es ihm zu beweisen, sondern auch, weil ich vorankommen wollte. Ich wollte stärker werden, lernen, wie ich jemanden unschädlich machen konnte, der mir zu nahe kam, und wie ich jemanden abwehren konnte, der auf mich losging. Und das so schnell wie möglich.

4. Kapitel

Ich hatte ganze zwei Tage Muskelkater, selbst am Freitag spürte ich ihn noch. Aber ich dachte nicht im Traum daran, das Ian zu sagen. Keine Ahnung warum, aber ich wollte ihm gegenüber keine Schwäche zeigen. Allerdings musste ich mir eingestehen, dass er ein guter Trainer war, ein Arschloch, aber vom Kickboxen verstand er wirklich etwas. Das merkte ich auch in den folgenden zwei Wochen, und nur deswegen ertrug ich seine Sprüche. Weil ich wirklich etwas bei ihm lernte und es mich meinem Ziel näher brachte. Nur das zählte.

»Bist du dir sicher, dass du diesen Sport weitermachen willst?«, fragte Jess und beäugte mich skeptisch.

Ich hatte gerade echt Probleme, das Tablett mit meinem Essen zu halten, weil meine Arme bei der kleinsten Belastung zu zittern begannen. Gestern hatte Ian mich nicht nur mit fiesen Aufwärmübungen wie Seilspringen und Liegestütze drangsaliert, sondern mich auch die zwei Schlagtechniken immer und immer wieder ausführen lassen. Es hatte Spaß gemacht, keine Frage, doch es war auch verdammt anstrengend gewesen, gerade auch, weil die Übungen vorher schon so dermaßen auf die Arme gingen. Warum sah das bei anderen nur so leicht aus?

Ich verzog das Gesicht. »Ja, mein Körper muss sich nur daran gewöhnen.«

Ich hoffte inständig, dass er das wirklich tun würde, im Zweifel würden mir meine Arme in der Verteidigung auch nichts bringen, wenn sie sich immer wie Pudding anfühlten.

Jess schüttelte den Kopf. »Das ist total irre, aber wenn du meinst, dass du dir das antun musst.« Sie zuckte mit den Schultern und wir setzten uns. »Dafür musst du aber am Freitag mit zu Riley kommen.«

»Wieso?«

Ich hatte keine Lust, den beiden beim Knutschen zuzusehen. Denn das war es, was sie ständig taten, selbst hier an der Uni. Innerlich suchte ich schon nach einer Ausrede. An dem Tag hatte ich wieder Kickboxtraining und würde sowieso viel zu k. o. sein.

»Da steigt eine Party.« Sie zeigte mit der Gabel auf mich. »Und lass dir bloß nicht einfallen, abzusagen, weil du Muskelkater hast. Ich weiß, dass du vorher im Studio bist, aber das zählt nicht. Du tust dir das freiwillig an. Vergiss das nicht.«

Ich biss die Zähne aufeinander. Verdammt. Tja, und andere Freunde hatte ich in Wilmington gar nicht. Welchen Grund sollte ich also nennen, um nicht erscheinen zu müssen?

Sie verengte die Augen. »Überleg dir erst gar keine andere Ausrede. Du wirst kommen. Punkt.«

»Warum? Die letzte Party war ein Reinfall und du hast Riley. Wozu brauchst du mich?«

»Hey, Männer sind nicht alles und du bist meine Freundin.« Das waren ja ganz neue Töne. Jess und ich verbrachten zwar öfter Zeit miteinander, aber hauptsächlich war sie bei Riley. Was ich total verstehen konnte, immerhin schwebte sie gerade auf Wolke sieben. »Außerdem wird die Party phänomenal, weil ich sie organisiere.«

Ich hob die Brauen. »Sie lassen dich eine Party in ihrem Haus schmeißen? Wie hast du das denn hingekriegt?«

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Ian zugestimmt hatte. Nach allem, was ich mitbekommen hatte, hasste er Partys.

Sie hob grinsend das Kinn. »Eigentlich habe ich nur gefragt.«

»Wow. Riley muss ziemlich verknallt in dich sein.«

Sie strahlte. »War das ein Ja?«

»Hab ich eine Wahl?«

Ein breites Grinsen legte sich auf ihr Gesicht und sie schüttelte den Kopf. Das war mir klar gewesen.

Am Abend hatte ich ein Vorstellungsgespräch bei Jess’ Pflegevater. Er war Filialleiter in einem Supermarkt und sie suchten jemanden, der die Waren auspackte und in die Regale einsortierte. Ich war Jess echt dankbar, dass sie das organisiert hatte. Immerhin war es die erste Pflegefamilie, die sie gut behandelte und bei der sie sich wohlfühlte. Und ich konnte auch verstehen, warum. Jeff war klasse und das Gespräch dauerte gerade mal zehn Minuten, dann zeigte er mir schon das Lager und erklärte mir meine Aufgaben. Ich war verdammt glücklich, dass er mich einstellte, denn es war der perfekte Job für mich. Gerade an den Abenden hatte ich zu viel Zeit zum Nachdenken und das würde sich jetzt ändern. Außerdem brauchte ich das Geld, es war schlimm genug, dass ich meinen Eltern mit der Miete auf der Tasche lag. Natürlich war ich froh, dass ich diese Wohnung überhaupt gefunden hatte. Weil ich mich erst so spät in der Uni eingeschrieben hatte, waren alle Wohnheimzimmer schon belegt und diese Einraumwohnung in der Nähe ein wahrer Glücksgriff gewesen.

Ich fühlte mich mittlerweile ganz wohl hier, doch gleichzeitig erdrückte mich dieses Zimmer oder eher die Einsamkeit. Ich war mir nicht sicher. Im Augenblick wollte ich am liebsten meine Sachen packen und nach Hause fliegen. Doch das ging nicht. Deswegen rief ich stattdessen einfach meine Mom an. Sie konnte mir vielleicht dieses Zuhausegefühl geben, das mir gerade fehlte.

»Hey, Kate, schön, dass du anrufst«, sagte sie direkt nach dem Abheben. »Wie geht es dir?«

»Mir geht’s gut, ich habe jetzt einen Job«, erwiderte ich stolz.

»Aber den brauchst du doch nicht, du sollst dich auf dein Studium konzentrieren. Wir übernehmen den Rest.«

Es war wirklich lieb von ihnen, dass sie das taten und weiterhin tun wollten, obwohl sie selbst nicht viel hatten. Als Steuerfachangestellte und Busfahrer verdienten sie nicht so gut, dass sie dazu noch mein Leben finanzieren konnten, ohne auf Dinge verzichten zu müssen. Und das wollte ich nicht.

»Es wird mir guttun und ich habe ein besseres Gefühl, mein eigenes Geld zu verdienen.«

»Aber …«

»Mom, es ist okay, du kannst mich nicht umstimmen«, unterbrach ich sie.

Ich hörte, wie sie lautstark ausatmete. »Na schön, wo wirst du denn arbeiten?«

»Im Supermarkt, Kisten auspacken und so.«

»Meinst du, das ist das Richtige für dich? Wie lang sind denn deine Arbeitszeiten? Du gehst aber nicht im Dunkeln allein nach Hause, oder?«

Meine Mutter machte sich eindeutig zu viele Sorgen. »Ich habe ein Auto, Mom. Das parkt direkt vor dem Gebäude und bringt mich sicher nach Hause.«

Den kleinen dunkelblauen Ford hatte ich direkt am ersten Tag in Wilmington billig erstehen können. Ich fühlte mich einfach sicherer mit Auto und wollte flexibel sein.

Bevor weitere Ängste aus meiner Mom herausplatzen konnten, lenkte ich schnell vom Thema ab. »Wie geht es dir, Dad und Zeus?«

Ich vermisste unseren Hund so sehr. Aber hier wäre der falsche Ort für ihn gewesen. Bei meinen Eltern hatte er Haus und Hof und seine gewohnte Umgebung.