Konzentrative Bewegungstherapie -  - E-Book

Konzentrative Bewegungstherapie E-Book

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Beschreibung

Die Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) ist eine leib- und bewegungsbasierte psychotherapeutische Methode, deren Grundlage entwicklungspsychologische und tiefenpsychologische Theorien und Denkmodelle bilden. Im Mittelpunkt steht die Annahme, dass Körper und Seele untrennbar miteinander verbunden sind und der Körper der Ort des psychischen Geschehens ist. Jedes Phänomen, das sich im Körper, in Bewegung, im Verhalten, in Beziehungen zeigt, ist der Ausdruck psychischer Repräsentanzen. Der Herausgeberband verbindet Theorie und Praxis. Zum einen werden theoretische Grundlagen sowie wissenschaftliche Erkenntnisse beschrieben. Zum anderen werden im Buch anhand vielfältiger Fallbeispiele Wirkungsweise, praktisches Vorgehen und neue Einsatzmöglichkeiten der KBT vorgestellt.

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Inhalt

Cover

Titelei

Autor*innenverzeichnis

Vorwort

Literatur

1 Herkunft und Entwicklung der Konzentrativen Bewegungstherapie

1.1 Die körpertherapeutischen Wurzeln

1.2 Die tiefenpsychologischen Wurzeln

1.3 Übergänge und Verbindungen

1.4 Inspirierende Anfänge

1.5 Der Weg zur lehr- und lernbaren Psychotherapiemethode

Literatur

2 Wissenschaftliche und therapietheoretische Grundlagen

2.1 Vor allem anderen: Ethik

2.2 Begriffsklärung

2.2.1 Leiblich

2.2.2 Körper-haben

2.2.3 Leib-sein

2.2.4 Permanenz des Leibes

2.2.5 Die Rückbezüglichkeit des Leibes

2.3 Bewegen

2.4 Wahrnehmen

2.5 Erinnern

2.6 Fühlen

2.7 Verbunden

2.8 Entwickeln

2.9 Verändern

2.10 Schlussbemerkungen

Literatur

3 Kernelemente der Diagnostik

3.1 Symptomorientierte Diagnostik

3.2 Das Phänomen

3.3 Für die KBT entwickelte Diagnoseinstrumente

3.4 Körperfokussierte Diagnoseinstrumente

3.5 KBT-Diagnostik in Anlehnung an die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD)

3.6 Das Zusammenspiel von Diagnostik und Therapieplanung

Literatur

4 Kernelemente der Konzentrativen Bewegungstherapie

4.1 Besonderheiten hinsichtlich des therapeutischen Raums und Rahmens

4.1.1 Ausstattung der KBT-Räume

4.1.2 Den eigenen Platz finden

4.1.3 Zeitliche Struktur

4.2 Angebote

4.2.1 Prinzip der freien Entscheidungsmöglichkeit

4.2.2 Inhalt und Ziel der Angebote

4.2.3 Widerstand

4.3 Die therapeutische Beziehung

4.4 Konzentrative Wahrnehmung

4.4.1 Wahrnehmung ist Sinnesempfindung und Erfahrung

4.4.2 Aspekte der leiblichen Wahrnehmung

4.5 Bewegung

4.6 Berührung

4.6.1 Grundlegendes zur Berührung

4.6.2 Berührung in der Psychotherapie

4.7 Die Verwendung von Gegenständen

4.7.1 Gegenstände als Symbole

4.7.2 Gegenstände als Bestandteil einer szenischen Gestaltung

4.8 Handlungsdialog und Interaktionsangebote

4.9 Die Bedeutung der Sprache in der KBT

4.10 Die verbale Reflexion

Literatur

5 Fallbeispiel

5.1 Informationen aus der Anamnese

5.2 Diagnose, erste Arbeitshypothese und daraus abgeleitete Ziele

5.3 Zentrale Entwicklungsthemen in der Therapie

5.3.1 Den eigenen Platz finden und gestalten

5.3.2 Differenzierte Selbstwahrnehmung – Worte finden für die innere und äußere Welt

5.3.3 Bewegungsspielraum und Handlungsfähigkeit

5.3.4 In die Eigenständigkeit kommen und sich lösen

5.4 Veränderungen im Alltag

6 Spezielle Settings

6.1 KBT im Einzelsetting – Ziehen an einem Strang

6.1.1 Übersetzungsarbeit

6.1.2 Interpersonelle Regulierung

6.1.3 Interpersonelle Regulierung und Übersetzungsarbeit

6.1.4 Schluss

Literatur

6.2 KBT als Gruppentherapie

6.2.1 Zehn Aspekte des Gruppengeschehens

6.2.2 Phasen des Gruppenprozesses

6.2.3 Resümee

Literatur

6.3 KBT mit Kindern und Jugendlichen

6.3.1 KBT-Gruppen mit Kindern und Jugendlichen

6.3.2 Einzelarbeit mit KBT

6.3.3 KBT mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen

6.3.4 Die Bedeutung von Stimme und Sprache

6.3.5 Elternarbeit

6.3.6 Fazit

Literatur

6.4 KBT im Garten

6.4.1 Die Erfahrbereitschaft fördern

6.4.2 Symbolisierung

6.4.3 Strukturen im Außen und Innen entwickeln

6.4.4 Die körperliche Wahrnehmung als Ausgangspunk

6.4.5 Die Selbstwirksamkeit erfahren

6.4.6 Schlussbemerkungen

Literatur

6.5 KBT als Teletherapie

6.5.1 Entwicklungsschub durch die Pandemie

6.5.2 Die Begrenzung des virtuellen Settings

6.5.3 Tele-KBT hat Vorteile

6.5.4 Wie kann Tele-KBT gelingen?

Literatur

7 Spezielle Indikationsfelder

7.1 KBT: ein psychosomatischer Blick auf den Menschen

7.1.1 Konzentrative Wahrnehmung als Zugang zum leiblichen Gewordensein

7.1.2 Veränderungsprozesse anstoßen und begleiten

7.1.3 Bedeutung der Therapeut*in

7.1.4 KBT und die Polyvagaltheorie

7.1.5 Abschließende Gedanken

Literatur

7.2 KBT mit Menschen mit strukturellen Einschränkungen

7.2.1 Körpererleben bei strukturellen Störungen

7.2.2 KBT bei strukturellen Störungen

7.2.3 Strukturierung und Differenzierung

7.2.4 Externalisierung

7.2.5 Spezifischer Umgang mit Übertragungsphänomenen

7.2.6 Resümee

Literatur

7.3 KBT als ganzheitliche Methode zur Behandlung von Trauma und Traumafolgen

7.3.1 Das Phasenmodell der Traumatherapie in der KBT

7.3.2 Der Umgang mit Berührung

7.3.3 Abschließende Gedanken

Literatur

7.4 KBT mit Menschen mit Lernschwierigkeiten

7.4.1 Spezifische Möglichkeiten und Chancen der KBT

7.4.2 Zentrale Themen in der Arbeit mit Menschen mit Lernbehinderungen

7.4.3 Fazit

Literatur

7.5 Von der Ohnmacht ins Tun: Trauerbegleitung mit KBT

7.5.1 Haltung und Halt in der Beziehungsgestaltung

7.5.2 Trauer begreifen – Trauerbegleitung mit KBT

7.5.3 Abschließende Gedanken

Literatur

7.6 Onkologie und KBT – Berührungen an der Grenze

7.6.1 Psychoonkologie

7.6.2 Krankheitsphasen und psychosoziale Faktoren

7.6.3 Umgang mit Veränderungen

7.6.4 Vom Kommen und Gehen – berührende Übergänge

7.6.5 Abschließende Gedanken

Literatur

8 Forschungsergebnisse

8.1 Wirksamkeit

8.2 Wirkfaktoren

8.3 Behandlungsspektrum

8.4 Resümee

Literatur

9 Institutionelle Verankerung der KBT

9.1 Stellung der KBT innerhalb des Gesundheitssystem in Deutschland

9.2 Stellung der KBT innerhalb des Gesundheitssystems in Österreich

9.3 Ausbildung

Literatur

Stichwortverzeichnis

Die Herausgeberinnen

Dr. phil. Maria Stippler-Korp ist Klinische Psychologin und Psychotherapeutin (Konzentrative Bewegungstherapie). Sie lehrt an der Universität Innsbruck im Psychotherapeutischen Propädeutikum und ist Lehrtherapeutin im ÖAKBT.

Silvia Schüller Galambos ist Psychotherapeutin für Konzentrative Bewegungstherapie. Sie leitet die sozialpsychiatrische Arbeitsinitiative »Kräuterfeld« des Psychosozialen Pflegedienstes Tirol.

Maria Stippler-Korp, Silvia Schüller Galambos

Konzentrative Bewegungstherapie

Psychotherapie mit Leib und Seele

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten verändern sich ständig. Verlag und Autoren tragen dafür Sorge, dass alle gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung hierfür kann jedoch nicht übernommen werden. Es empfiehlt sich, die Angaben anhand des Beipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

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1. Auflage 2023

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-042777-8

E-Book-Formate:pdf:ISBN 978-3-17-042778-5epub:ISBN 978-3-17-042779-2

Autor*innenverzeichnis

Achatz-Petz, Gudrun, Dr. Mag., ist Klinische- und Gesundheitspsychologin und Psychotherapeutin für Konzentrative Bewegungstherapie. Sie ist in freier Praxis in Salzburg tätig.Kontakt: [email protected]

Backmann, Ute, M. A., ist Kultur- und Sozialwissenschaften, Dipl.-Soz.-arb., Lehrtherapeutin im DAKBT, Supervisorin & Coach DGSv, Heilpraktikerin für Psychotherapie undTraumatherapeutin. Sie ist als Therapeutin in der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik der Universität Heidelberg tätig, sowie in freier Praxis als Lehrtherapeutin und Supervisorin im sozialen, medizinischen und universitären Kontext.Kontakt: [email protected]

Bidovec-Kraytcheva, Mariella, Mag., ist Psychotherapeutin und Lehrtherapeutin im ÖAKBT sowie Traumatherapeutin. Sie hat ein eigenes KBT-Traumatherapie-Konzept entwickelt, ist zusätzlich Kinder- und Jugendpsychotherapeutin und arbeitet in freier Praxis in Klagenfurt am Wörthersee.Kontakt: [email protected]

Draxler, Angelika, ist Psychotherapeutin für Konzentrative Bewegungstherapie sowie akademische Supervisorin in der Österreichischen Vereinigung für Supervision und Coaching. Sie arbeitet in freier Praxis in Wien.Kontakt: [email protected]

Epner, Alexandra, ist Diplom-Sportwissenschaftlerin und Therapeutin für Konzentrative Bewegungstherapie. Sie ist langjährig als Therapeutin an den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden tätig.Kontakt: [email protected]

Gritsch, Ulrike, Mag. phil., ist Klinische und Gesundheitspsychologin und Psychotherapeutin für Konzentrative Bewegungstherapie. Sie arbeitet in freier Praxis in Innsbruck.Kontakt: [email protected]

Grützmacher, Swantje, ist Sportwissenschaftlerin (M. A.) und Therapeutin für Konzentrative Bewegungstherapie. Sie arbeitet als Therapeutin in der Wiegmann Klinik in Berlin.Kontakt: [email protected]

Hofinger, Helga, M.Sc., ist Psychotherapeutin und Lehrtherapeutin im ÖAKBT. Nach langjähriger therapeutischer Tätigkeit an der Medizinischen Universität Wien ist sie in freier Praxis in Wien tätig.Kontakt: [email protected]

Kügerl, Sigrid, M.Sc., ist Psychotherapeutin für Konzentrative Bewegungstherapie und Psychoonkologin. Sie arbeitet im Landesklinikum Baden-Mödling im Bereich Onkologie und Palliativcare sowie in freier Praxis in Pottenstein.Kontakt: [email protected]

Müller, Marina, Dr. rer.pol., Dipl.Soz.-oek., ist Lehrtherapeutin für Konzentrative Bewegungstherapie im DAKBT. Sie arbeitet als Therapeutin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in freier Praxis in Wertingen.Kontakt: [email protected]

Oedl-Kletter, Elisabeth, Dr. med., ist Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin, KBT-Psychotherapeutin, Lehrtherapeutin im ÖAKBT und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Psychosomatik. Sie hat bis Ende 2022 in freier Praxis in Salzburg gearbeitet und widmet sich seither vorwiegend der Ausbildungstätigkeit.Kontakt: [email protected]

Plank-Matias, Andrea, ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (analytisch/tiefenpsychologisch) und Therapeutin für Konzentrative Bewegungstherapie. Sie arbeitet in freier Praxis in Gauting bei München.Kontakt: [email protected]

Schreiber-Willnow, Karin, Dr. rer.medic., ist Diplom-Mathematikerin und Therapeutin für Konzentrative Bewegungstherapie. Sie war langjährig als Therapeutin und Wissenschaftlerin an der Rhein-Klinik Bad Honnef tätig.Kontakt: [email protected]

Schüller Galambos, Silvia, Mag. phil., ist Psychotherapeutin für Konzentrative Bewegungstherapie in freier Praxis in Innsbruck. Sie leitet die sozialpsychiatrische Arbeitsinitiative »Kräuterfeld« des Psychosozialen Pflegedienstes Tirol.Kontakt: [email protected]

Seidler, Klaus-Peter, Prof. Dr., ist psychologischer Psychotherapeut (tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie) und Therapeut für Konzentrative Bewegungstherapie. Er ist Gastwissenschaftler an der Medizinischen Hochschule Hannover und als Dozent und Supervisor an psychotherapeutischen Ausbildungsinstituten tätig.Kontakt: [email protected]

Sommerer, Christa, Mag. MAS, ist Psychotherapeutin für Konzentrative Bewegungstherapie mit dem Schwerpunkt Trauerbegleitung. Sie ist in Tirol niedergelassen.Kontakt: [email protected]

Stippler-Korp, Maria, Dr. phil., ist Klinische Psychologin und Psychotherapeutin für Konzentrative Bewegungstherapie in freier Praxis in Telfs. Sie lehrt an der Universität Innsbruck im Psychotherapeutischen Propädeutikum und ist Lehrtherapeutin im ÖAKBT.Kontakt: [email protected]

Vorwort

Als Helmuth Stolze im Jahr 1958 die Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) auf der Lindauer Psychotherapiewoche vorstellte, hielt er ausdrücklich fest, dass diese Bezeichnung vorläufigen Charakter habe: »Es ist aber zur Zeit noch nicht möglich, einen wirklich zutreffenden Namen anzubieten« (Stolze, 1984, S. 15). In einer Fußnote führte er weiter aus, wie schwierig es sei, einen geeigneten Namen dafür zu finden, was gemeint sei und was dabei getan werde. Seine Vorschläge waren »(körper-)‌erspürende Bewegungstherapie« – »erspürte Bewegung als Therapie« oder »Behandlung durch erspürte Bewegung« – »konzentrative (oder: meditative) Bewegungs-Sinn-Therapie« – »Bewegungs-Besinnungs-Therapie« – »ganzheitliche Bewegungstherapie«. Auch Generationen nach ihm ringen Therapeut*innen um Worte, wenn sie erklären wollen, was die KBT denn nun sei. Helmuth Stolze hätte wahrscheinlich ein Lächeln für sie und würde meinen: »KBT ist immer anders!«

Auch wenn Helmuth Stolze eine wichtige Persönlichkeit in der Entwicklung der Therapiemethode war, ist die KBT nicht die Schöpfung oder Erfindung einer einzelnen Person, sondern entstand im kreativen Zusammenwirken vieler Menschen, die alle auf einzigartige Weise ihren Beitrag leisteten. Am Beginn stand nicht die Idee, eine perfekt ausformulierte Theorie zu verfassen, sondern im Mittelpunkt stand die gelebte Praxis des gemeinsamen Spürens, Wahrnehmens und Forschens im Sinne Elsa Gindlers. Die ersten KBT-Therapeut*innen waren von der Hoffnung inspiriert, neue Wege zu finden, um Menschen mit psychischen Erkrankungen helfen zu können. Dabei entdeckten sie, dass diese Methode auch für die persönliche Lebensgestaltung eine unglaubliche Bereicherung war.

Seitdem sind wir einige Schritte gegangen. Die Therapiemethode selbst ist auf dem Weg und entwickelt sich weiter. Aktuelle Theorien und Forschungsfelder, wie die Gedächtnisforschung und die neuroaffektiven Wissenschaften, bestätigen die theoretische Basis der KBT und helfen uns, die Wirkmechanismen zunehmend besser zu verstehen. Neue Arbeitsfelder entwickeln sich, zum Teil aufgrund aktueller Herausforderungen, wie etwa die Tele-KBT oder durch das auf dem Weg sein von KBT-Therapeut*innen, die neue Tätigkeitsfelder betreten, wie beispielsweise in der Psychoonkologie oder in der Gartentherapie.

Der Vielfalt der KBT präsentiert sich in diesem Buch auch in der Vielfalt der Beiträge: Wir danken unseren Kolleginnen und Kollegen, die bereit waren, aus ihrem Erfahrungsschatz zu berichten und Beiträge für dieses Buch zu verfassen. Es freut uns, dass KBT-Therapeut*innen aus Österreich und aus Deutschland sich mit uns auf dieses Ringen nach Worten eingelassen haben. Uns verbindet die Begeisterung für unsere gemeinsame Methode, ihre Arbeitsweise und der Wunsch, sie voranzubringen. Viel mehr könnte gesagt und ausführlicher zur Sprache kommen. Uns ist bewusst, dass dieses Buch nur einen ganz kleinen Ausschnitt dessen abbildet, was die KBT in ihrem reichen Erfahrungsschatz anbietet. Es stellt einen Schritt des ›Auf dem Weg seins‹ der KBT dar, ein wertschätzendes und dankbares Besinnen auf die starken und verzweigten Wurzeln, ein Verknüpfen mit aktuellen Themen der wissenschaftlichen Forschung und ein Einblick in die gelebte KBT-Praxis.

Auch wenn Elsa Gindler es ganz bewusst abgelehnt hat, ihre Arbeit als Therapie zu bezeichnen, so war es ihr doch immer ein Anliegen, Veränderungen in der Selbstwahrnehmung und im körperlichen Verhalten bei ihren Schüler*innen anzustoßen.

Sich so wach und gelassen verhalten können, dass man nicht bloß erlebt, sondern überprüfen kann, herausfinden, was und wodurch etwas nicht in Ordnung ist, und versuchen zu entdecken, was geschehen muss, damit etwas geordneter verläuft, kann eine Aufgabe werden, die für unser Leben ausreicht. (Ludwig, 2002, S. 138)

In diesem Sinne: Werden wir erfahrbereit!

Maria Stippler-Korp & Silvia Schüller GalambosInnsbruck, im September 2022

Literatur

Ludwig, S. (2002). Elsa Gindler – von ihrem Leben und Wirken. Hamburg: Christians.

Stolze, H. (1984). Psychotherapeutische Aspekte einer Konzentrativen Bewegungstherapie 1958. In H. Stolze, Die Konzentrative Bewegungstherpie. Grundlagen und Erfahrungen (S. 16 – 27). Berlin: Mensch und Leben.

1 Herkunft und Entwicklung der Konzentrativen Bewegungstherapie

Silvia Schüller Galambos

Die gesamte Geschichte eines Psychotherapieverfahrens auf wenigen Seiten darzustellen, ist ein unmögliches Unterfangen. Deshalb kann an dieser Stelle nur der Versuch unternommen werden, die wichtigsten Kristallisationspunkte zu benennen und die spezifischen Besonderheiten in der Entwicklung der KBT herauszuarbeiten. Sich mit der eigenen Geschichte zu beschäftigen, ist ein wichtiger Teil jedes therapeutischen Prozesses, denn dadurch kann deutlich gemacht werden, woher man kommt und wie man geworden ist, wer man heute ist. Analog dazu ist das Zurückkehren zu den Ausgangspunkten einer Therapiemethode eine essenzielle Bewegungsrichtung, um aus der Kraft der Vergangenheit besser zu verstehen, was sich heute zeigt, und um fruchtbare Wege in die Zukunft zu entwickeln.

Im Gegensatz zu einigen anderen psychotherapeutischen Schulen, steht am Beginn der KBT nicht eine einzelne charismatische Gründungspersönlichkeit. Mehrere Personen und Gruppen haben im dialogischen Miteinandertun eine ganzheitliche Methode entwickelt, wie Menschen mit und ohne psychische Erkrankungen in Wachstums- und Heilungsprozessen begleitet werden können.

1.1 Die körpertherapeutischen Wurzeln

Von Elsa Gindler (1885 – 1961) gibt es nur einen einzigen gedruckten Artikel aus dem Jahr 1926, in dem sie ihre Arbeitsweise darlegt, und doch ist sie die inspirierende Persönlichkeit, die am Beginn vieler heute etablierter körper- und psychotherapeutischer Verfahren steht. Sie selbst lehnte es ausdrücklich ab, eine eigene Schule oder Richtung zu begründen, und sie wollte auch kein therapeutisches Verfahren entwickeln. Ihr Anliegen war es, eine Suchende und eine Forschende zu sein, die sich in Gemeinschaft mit anderen erfahrbereit dem Leben zuwendet. In Berlin richtete sie ein Atelier ein, das sie ihr Laboratorium nannte. Sie arbeitete dort, bis zu dessen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, vor allem in Gruppen. Gemeinsam mit Heinrich Jacoby bot sie auch immer wieder Intensivkurse über zwei und mehr Wochen an (von Arps-Aubert, 2012). Für ihre Art zu Arbeiten stellte Gindler klar: »Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht nicht der menschliche Körper, sondern der Mensch. Der Mensch als Ganzes in all seinen Beziehungsmöglichkeiten zu sich, zu seinem Körper, zu seinem Leben und zu seiner Umwelt« (Ludwig, 2002, S. 125). Es waren vor allem Frauen, Schülerinnen von Gindler, die diese Art mit Menschen zu arbeiten, weiterentwickelten und in alle Welt trugen, so zum Beispiel Laura Perls, Charlotte Selver, Lily Ehrenfried, Ruth Cohn, Clare Fenichl, Gertrud Heller (Geuter, 2006).

1.2 Die tiefenpsychologischen Wurzeln

Die Psychoanalyse war nach der Ära der nationalsozialistischen Herrschaft auch in Europa wieder salonfähig geworden und erlebte einen beeindruckenden Aufschwung. Viele leitende Ärzt*innen in Psychiatrischen, Neurologischen oder Psychosomatischen Kliniken verfügten über eine Ausbildung oder zumindest Erfahrungen mit dieser Methode. Die Psychoanalyse war zu dieser Zeit schon lange keine einheitliche Lehre mehr, verschiedene Zugänge und Methoden hatten zur Bildung zahlreicher Schulen geführt, die ein sehr unterschiedliches Verständnis vom Menschen und den therapeutischen Interventionen hatten.

Ursula Kost, Ärztin, Psychoanalytikerin und KBT-Therapeutin der ersten Stunde meinte dazu:

[...] ich möchte [...] anschließen, dass wir uns seit vielen Jahren nicht als analytisch fundiert, sondern als tiefenpsychologisch fundiert bezeichnen [...] Denn das Menschenbild in der Analyse ist doch sehr anders als unser Menschenbild. Dort wird das Kranke im Menschen in den Mittelpunkt gestellt, während wir von den Stärken und noch unentdeckten Ressourcen des Menschen sprechen. (Achatz-Petz, 2008, S. 79)

Hans Becker, Psychiater und Psychoanalytiker, verband die Erfahrungen aus der KBT-Praxis mit einem tiefenpsychologischen Grundkonzept. Er bezog sich dabei vor allem auf die entwicklungspsychologischen Modelle von Erik Erikson und Margret Mahler, auf deren Grundlage er sowohl die Entstehung als auch die Behandlung von psychischen Erkrankungen beschrieb (Becker, 1981).

1.3 Übergänge und Verbindungen

Gertrud Heller (1892 – 1984) war eine Schülerin Gindlers, die in der nationalsozialistischen Zeit nach Schottland geflohen war. Am Crichton Royal Hospital for Nervous and Mental Disorders arbeitete sie mit Menschen mit schwerwiegenden psychischen Erkrankungen und fand Wege, wie sie die Gindlerarbeit gerade auch für diese Personengruppe adaptieren konnte. In Ermangelung einer besseren Bezeichnung bot sie sogenannte Entspannungsklassen an. Durch die Wahrnehmungs- und Spürarbeit konnte bei zahlreichen Patient*innen eine Verbesserung des Gesamtzustandes erreicht werden. Dazu schrieb sie:

Spontanität des Ausdrucks und der Bewegung ist gegeben, wenn inneres Wahrnehmen und nervale Reaktion wirklich gleichzeitig und zweckmäßig erfolgen; Seele und Körper sind dann eins, sind fähig die Bedeutung ihrer Erfahrung wahrzunehmen und abzuwägen. Diese unmittelbare Verbindung zwischen unserem Bewußtsein und unserer Sinneserfahrung gibt uns ein Gefühl von Sicherheit und körperlich-geistigem Wohlbefinden. (Heller, 1984, S. 244)

Somit war es Heller gelungen die wahrnehmende, spürende Erfahrungsarbeit in das Behandlungskonzept von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu integrieren. Helmuth Stolze begegnete ihr 1953 zum ersten Mal und war fasziniert von ihrer Arbeit (Achatz-Petz, 2008), denn als junger Facharzt für Neurologie war er auf der Suche nach neuen Behandlungsmethoden. Bei Heller lernte Stolze in Selbsterfahrung die neue Behandlungsmethode kennen und führte sie als Gruppentherapie in der Psychiatrischen Klinik in München ein. Er sprach zunächst, in Ermangelung einer geeigneten Bezeichnung für die neue Arbeitsweise, vom »Hellern« (Achatz-Petz, 2008, S. 211).

1.4 Inspirierende Anfänge

Einen wichtigen Impuls setzte Helmuth Stolze im Jahr 1958 auf den Lindauer Psychotherapiewochen, als er die Konzentrative Bewegungstherapie als neues Körperpsychotherapeutisches Verfahren einem damals vor allem ärztlichen Publikum vorstellte. Mit Gertrud Heller, Christine Gräff, Lucie Lenz und Miriam Goldberg wurden in den folgenden Jahren Praxis- und Theorieseminare angeboten, die regen Zuspruch erfuhren. Diese erste Zeit war geprägt von Erfahrungen der eigenen Leiblichkeit, spannenden Gruppenprozessen und der ständigen Reflexion des Erlebten. Vor allem der Pionierarbeit von Christine Gräff ist es zu verdanken, dass sich die KBT als Gruppentherapie im klinischen Setting mit psychisch schwer erkrankten Menschen sehr bald etablieren konnte und eine weite Verbreitung erfuhr (Achatz-Petz, 2008).

1.5 Der Weg zur lehr- und lernbaren Psychotherapiemethode

Schon in seiner ersten offiziellen Präsentation der KBT setzte sich Helmuth Stolze dafür ein, dass die vorgestellte Arbeitsweise als vollwertige Psychotherapiemethode betrachtet werden müsse:

Und gleichzeitig möchte ich damit nachdrücklich die Aufmerksamkeit auf eine Form der Therapie lenken, die auch der Arzt, der nicht Fachpsychotherapeut ist, erlernen und verwerten kann, und zwar nicht als ›Hilfsmethode‹ – das möchte ich noch einmal hervorheben –, sondern als ein vollgültiges und anderen Methoden gleichwertiges Verfahren einer modernen Psychotherapie. (Stolze, 1984, S. 26)

Einen weiteren Meilenstein in der Theoriebildung setzte Stolze mit der Einbeziehung und Weiterentwicklung des Gestaltkreises nach Viktor von Weizäcker zum Tetraeder des Begreifens (Stolze, o. J.).

Ein vollgültiges Psychotherapeutisches Verfahren zu sein, erforderte die unabdingbare Notwendigkeit, tragfähige Strukturen und einen institutionellen Rahmen dafür zu schaffen. So gründete Ursula Kost im Jahr 1977 den Deutschen Arbeitskreis für Konzentrative Bewegungstherapie (DAKBT) als Verein und war neun Jahre lang dessen Vorsitzende. Viele KBT-Therapeut*innen der Anfangszeit standen dieser Institutionalisierung durchaus kritisch gegenüber, denn sie fürchteten die Festlegung und Festschreibung, die im Widerspruch zur Experimentierfreudigkeit und Freiheit der ersten Jahre stand (Achatz-Petz, 2008). In der Folge entstanden Ausbildungsrichtlinien und -curricula, die dafür sorgten, dass die notwendige Einheitlichkeit sichergestellt war und auch die geforderten Qualitätsstandards eingehalten wurden.

In Österreich gründete eine Gruppe um Sylvia Cserny im Jahr 1980 den ÖAKBT und es gelang im Jahr 2001 die Anerkennung als eigenständige Psychotherapeutische Methode beim zuständigen Bundesministerium zu erreichen. Heute ist die fachspezifische Ausbildung zur*zum KBT-Therapeut*in ein universitärer Masterlehrgang an der Donau-Universität Krems.

Literatur

Achatz-Petz, G. (2008). Entstehung und Entwicklung der Konzentrativen Bewegungstherapie. 100 Jahre Psychotherapiegeschichte. Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller.

Becker, H. (1981). Konzentrative Bewegungstherapie. Stuttgart: Georg Thieme.

Geuter, U. (2006). Geschichte der Körperpsychotherapie. In G. Marlock & H. Weiss (Hrsg.), Handbuch der Körperpsychotherapie. (S. 17 – 32). Stuttgart: Schattauer.

Heller, G. (1984). Über meine Arbeit am Chrichton Royal Hospital. In H. Stolze (Hrsg.), Die Konzentrative Bewegungstherapie. Grundlagen und Erfahrungen (S. 243 – 247). Berlin: Mensch und Leben.

Ludwig, S. (2002). Elsa Gindler – von ihrem Leben und Wirken. Wahrnehmen, was wir empfinden. Hamburg: Hans Christians.

Stolze, H. (1984). Psychotherapeutische Aspekte einer Konzentrativen Bewegungstherapie. In H. Stolze (Hrsg.), Die Konzentrative Bewegungstherapie. Grundlagen und Erfahrungen (S. 16 – 27). Berlin: Mensch und Leben.

Stolze, H. (o. J.). Der Tetraeder des Begreifens. In B. Purschke-Heinz, & R. Schwarze (Hrsg.), KBT auf dem Weg. Gedenkschrift für Helmuth Stolze, den Begründer der Konzentrativen Bewegungstherapie (S. 81 – 119). Telgte: DAKBT e.V.

von Arps-Aubert, E. (2012). Das Arbeitskonzept von Elsa Gindler (1885 – 1961) dargestellt im Rahmen der Gymnastik der Reformpädagogik. Hamburg: Verlag Dr. Kovac.

2 Wissenschaftliche und therapietheoretische Grundlagen

Silvia Schüller Galambos

Um als psychotherapeutische Methode anerkannt zu werden, muss eine wissenschaftliche Fundierung nachgewiesen werden, die dem jeweiligen Stand der Forschung entspricht. Die KBT geht davon aus, dass körperliche und geistige Prozesse eines Menschen nicht voneinander getrennt werden können, sondern einander bedingen und hervorbringen. Daraus ergibt sich eine psychotherapeutische Methode, die versucht, den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit zu verstehen, und zwar in den Dimensionen seiner Leiblichkeit, seines Gewordenseins, seines intentionalen Handelns und seiner Bezogenheit auf andere Menschen und zur Welt (Cserny & Paluselli, 2006). Das beinhaltet, dass es keinen strikten Therapieablauf und keine Manuale gibt, die abgearbeitet werden. Dafür gibt es klare therapietheoretische Konzepte, die der Vorgehensweise zu Grunde liegen und strukturiertes und planvolles Handeln ermöglichen. Die KBT orientiert sich an der Individualität und Einzigartigkeit des hilfesuchenden Menschen, denn nur die jeweilige Person selbst kann in sich die Heilkraft finden, die Genesung ermöglicht. KBT-Therapeut*innen sind kundige Wegbegleiter*innen, die Veränderungsprozesse anstoßen und anregen.

In diesem Kapitel werden die wichtigsten Theorien zur KBT aus Philosophie und Neurowissenschaften zur Sprache kommen und es wird gezeigt, wie sie in der Praxis des therapeutischen Tuns Eingang finden.

2.1 Vor allem anderen: Ethik

Wenn Menschen mit einer Psychotherapie beginnen, so tun sie das, weil sie sich in einem Leidenszustand erleben und sich Heilung oder zumindest eine Verbesserung ihres Zustandes erhoffen. Sie befinden sich in einer vulnerablen Lebenssituation und allein auf Grund dieser Voraussetzungen ist es von großer Wichtigkeit, dass sich Psychotherapeut*innen ihrer ethischen Verantwortung bewusst sind, die sie für ihre Patient*innen und den Therapieprozess übernehmen. Die Behandlungssituation erzeugt ein Ungleichgewicht in der Beziehung, ein Machtgefälle zwischen behandelnder und behandelter Person. Diese Besonderheit der Beziehung muss den Therapeut*innen immer bewusst sein und laufend in der Supervision thematisiert werden. Im Allgemeinen müssen vier medizinethische Grundregeln Beachtung finden (Beauchamp & Childress, 2019):

Jedes Handeln ist zum Wohl der Patient*innen.

Es darf kein Schaden zugefügt werden.

Die Autonomie der Patient*innen muss geachtet werden.

Für Gerechtigkeit und Lastenausgleich ist zu sorgen.

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist es notwendig, sich laufend mit den theoretischen und wissenschaftlichen Grundlagen der eigenen Methode auseinanderzusetzen. Die KBT erfordert darüber hinaus, dass sich die Therapeut*innen selbst immer wieder auf den eigenen Erfahrungs- und Entwicklungsprozess einlassen, um einerseits eigenen Fragen und Lebensthemen genügend Raum zu geben und um andererseits ein immer tieferes Verständnis des eigenen therapeutischen Tuns zu entwickeln.

2.2 Begriffsklärung

Wann immer Menschen zum ersten Mal der KBT begegnen, ist es notwendig das Wort konzentrativ zu erklären. Helmuth Stolze benutzte ein Wort, das Herbert Binswanger in einer Studie zu den autogenen Organübungen geprägt und das in der Folge Johannes H. Schultz im Untertitel des Autogenen Trainings verwendet hatte. Konzentrativ meint nicht konzentriert im Sinne einer Einengung der Wahrnehmung oder völliger Entspannung, sondern einen Zustand erhöhter Wachheit und Erfahrbereitschaft, der den ganzen Menschen erfasst. In dieser offenen Haltung kann man sich selbst wahrnehmend in der Bewegung ganzheitlich und gegenwärtig erfahren. Bewegung, in ihren vielfältigsten Formen, war immer der zentrale Ausgangspunkt der KBT und meint ursprünglich neben dem Sich-Bewegen (motorische Funktionen) auch das innerliche Bewegt-sein und das Auf-dem-Weg-Sein der Patient*innen (Stolze, 1984).

2.2.1 Leiblich

Das Leib-Seele-Problem zieht sich seit Beginn durch die Philosophiegeschichte. Vereinfacht kann gesagt werden, dass es zwei mögliche Positionen dazu gibt: den Dualismus, bei dem man davon ausgeht, dass es zwei unterschiedliche Substanzen gibt, eine materielle und eine geistige (René Descartes, Karl Popper, John Eccles ...), und den Monismus, bei dem man davon ausgeht, dass sich alles auf ein einziges Prinzip zurückführen lässt, welches körperliche und geistige Vorgänge hervorbringt (Parmenides, Baruch de Spinoza, Maurice Merleau-Ponty ...). Schon in der frühen KBT-Literatur findet man die klare Grundannahme, dass körperliche und seelische Prozesse einander durchwirken und nicht voneinander getrennt werden können (Stolze, 1984).

Auch wenn bis heute in Fachkreisen heftige Kontroversen um das Leib-Seele-Problem geführt werden, unterstützen neurowissenschaftliche Erkenntnisse die Seite des Monismus. Unberührt von diesen akademischen Diskussionen, ist das alltägliche Selbsterleben des Menschen ein grundlegend anderes. Gerhard Roth (2003) meint, es sei gerade unser Gehirn, das in seiner Funktionsweise dafür sorgt, dass wir die Welt meist dreigeteilt erleben, nämlich als Körper-Geist-Welt-Triade. Diese drei würden sich als Wahrnehmungsfelder erweisen, die sich im alltäglichen Erleben deutlich voneinander abgrenzen und zeigen würden, wie das Gehirn Wahrnehmungen strukturiert, zusammenfügt und ins Bewusstsein hebt.

2.2.2 Körper-haben

Der alltägliche Zugang zu unserem Körper ist der des Habens. Wir haben einen Körper, der uns Verschiedenstes abverlangt oder ermöglicht. Er verlangt etwa danach gepflegt und ernährt zu werden. Er ermöglicht uns Bewegung und die Kontaktaufnahme mit anderen. Wir können den Körper in gewisser Weise gestalten (z. B. Bodybuilding, Training, Diät ...) oder durch invasive Eingriffe verändern (z. B. Schönheits-OPs, Tattoos, Piercings ...). Der Körper selbst wird zum Objekt, das gezeigt oder versteckt, das vergöttert oder abgelehnt wird und den Modeströmungen unterworfen ist. In diesem Modus scheint jeder Mensch über diesen Körper, wie über ein beliebiges anderes Objekt der Welt, zu verfügen und kann dazu ein innerliches Distanzgefühl aufbauen.

2.2.3 Leib-sein

Die wichtigste philosophische Grundlage der KBT ist die Phänomenologie, wie sie sich in Deutschland und Frankreich seit mehr als 100 Jahren entwickelt hat. Sie entfaltet ein Denken vom Leib als die Gesamtheit körperlicher und seelischer Prozesse eines Menschen, welche eine grundlegende Orientierung im therapeutischen Tun bieten kann. Eine zentrale Rolle in diesem philosophischen Diskurs spielt der französische Philosoph Maurice Merleau-Ponty (1908 – 1961), der in seinem Hauptwerk »Phénoménologie de la Perception« (Merleau-Ponty, 1974) das Phänomen der Wahrnehmung in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellt. Er versucht dabei, sich aus dem vorherrschenden dualistischen Sprachgebrauch von Körper und Geist zu lösen und führt dazu den Begriff der Ambiguität (Mehrdeutigkeit) des Leibes (»le corps propre«) ein. Der Leib ist weder Geist noch Seele, sondern die Gesamtheit der subjektiven Existenz eines Menschen. Materielle und geistige Elemente bringen einander hervor, durchwirken einander und sind in ihrer Rückbezüglichkeit aufeinander angewiesen.

Zahlreiche Neurowissenschaftler*innen stimmt aktuell dieser Sicht auf den Menschen zu. So schreibt etwa Antonio Damasio::

Aus Sicht der oben dargelegten Hypothese beruhen Liebe, Hass und Schmerz, Eigenschaften wie Freundlichkeit und Grausamkeit, die planvolle Lösung eines wissenschaftlichen Problems oder die Entwicklung eines neuen Gebrauchsgegenstands alle auf neuronalen Ereignissen im Gehirn, vorausgesetzt das Gehirn steht in Wechselbeziehung zum Körper. (Damasio, 2007, S. 19)

Damit lässt sich sagen, dass alle geistigen Fähigkeiten des menschlichen Organismus durch den Prozess einer vielfältigen elektrochemischen Kommunikation zwischen Zellen im chemischen Milieu (Botenstoffe, Hormone ...) des gesamten Organismus hervorgebracht werden. Roth (2003) beschreibt, dass sich das mit Hilfe von EEG und fNMR deutlich zeigen lässt und dass es sogar möglich sei, Vorhersagen über das Verhalten einer Versuchsperson, ca. eine Sekunde vorher, zutreffend machen zu können. Messbare körperliche Zustände und ihre Veränderungen verraten im Vorhinein, wie sich ein Mensch entscheiden wird. Auch wenn noch viele Fragen offen sind und erst ein ganz kleiner Teil der neurobiologischen Fragestellung geklärt werden konnte, diese ersten Befunde stützen die These von der Leiblichkeit des Menschen. So wird die der KBT zu Grunde liegende Hypothese »Der Körper ist der Ort des psychischen Geschehens« (Cserny & Paluselli, 2006), durch die Erkenntnisse der Neurowissenschaften offensichtlich bestätigt.

2.2.4 Permanenz des Leibes

Merleau-Ponty (1974) stellt fest, dass es in der phänomenologischen Analyse, eine Besonderheit gibt, die leibliches Sein kennzeichnet. Als Menschen sind wir uns als Leib gegeben und können uns nicht davon distanzieren, denn es ist die Art und Weise, wie wir mit der Welt in Kommunikation sind und ihr begegnen. Was immer wir über diesen Leib sagen, wie immer wir diesen Leib erfahren, fühlen und erleben, wie immer wir uns bewegen, wie immer wir handeln, selbst wie wir die Welt und ihre Gegenstände erleben und darüber sprechen ... alles hat den gleichen Ursprung – unseren eigenen Leib. Und so ist der Gegenstand des Denkens zugleich sein Grund und unauflöslich an seine Subjektivität gebunden.

Seine Ständigkeit ist keine solche der Welt, sondern Ständigkeit ›meinerseits‹. Daß er stets bei mir und ständig für mich da ist, besagt in eins, daß ich niemals ihn eigentlich vor mir habe, daß er sich nicht von meinem Blick entfalten kann, vielmehr immer am Rand meiner Wahrnehmung bleibt und dergestalt mit mir ist. (Merleau-Ponty, 1974, S. 115)

Damit beschreibt Merleau-Ponty eine verblüffende Feststellung: zwar ist mir mein Leib in seiner unauflöslichen Ständigkeit gegeben, gleichzeitig entzieht er sich mir dadurch, denn er ist mir nur in einer bestimmten Perspektive, meiner eigenen, gegeben. »Er entzieht sich vielmehr jeder Durchforschung und stellt sich mir stets unter dem selben ›Blickwinkel‹ dar.« (ebd., S. 115). Damasio (2021) identifiziert diese Erfahrung der Perspektivität und der Ständigkeit als neurobiologische Grundvoraussetzung dafür, dass ein Selbst entstehen kann.

In der KBT wird die bewusste Erfahrung und das Erleben der Ständigkeit durch das konzentrative Spüren und Bewegen vergegenwärtigt und aus den Rändern der Alltagswahrnehmung in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Auf diese Weise kann die eigene Leiblichkeit aus der eigenen Perspektive kennengelernt, entdeckt und erforscht werden. Die Permanenz des Leibes wird dabei als wichtige Ressource erfahrbar und verfügbar gemacht. Dabei muss beachtet werden, dass manchmal von Patient*innen (zum Beispiel auf Grund traumatischer Erfahrungen) genau diese Ständigkeit als bedrückend und belastend erlebt wird.

2.2.5 Die Rückbezüglichkeit des Leibes

Ein weiteres Merkmal des Leibes ist seine Reflexivität bis in die Sinnlichkeit hinein. Sie ist die Grundlage aller Wahrnehmung und im Sinn von ich sehe mich wahrnehmend Wahrgenommenes. Hier führt Merleau-Ponty den Gedanken Edmund Husserls »sich selbst als berührend zu berühren« aus den »Cartesianischen Reflexionen« weiter und merkt an: »Berühre ich meine rechte Hand mit der linken, so hat der Gegenstand rechte Hand die Eigentümlichkeit, auch seinerseits die Berührung zu empfinden.« (Merleau-Ponty, 1974, S. 118). Er führt weiter aus, dass es in der Folge möglich ist, zwischen berührter Hand und berührender Hand mit der Aufmerksamkeit hin und her zu pendeln und einmal das eine und dann wieder das andere in den Vordergrund treten zu lassen.

Ein kleines Angebot an die Leser*innen: Nehmen Sie sich Zeit, diesen Vorgang auszuprobieren und leiblich zu spüren.

Aus neurobiologischer Sicht formuliert Damasio diesen Prozess wie folgt: