Konzeption, Gelingensbedingungen und Qualität fremd- und zweitsprachendidaktischer Hochschullehre -  - E-Book

Konzeption, Gelingensbedingungen und Qualität fremd- und zweitsprachendidaktischer Hochschullehre E-Book

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Beschreibung

Sprachlehr- und -lernforschung und Fremdsprachendidaktik haben sich interessanterweise, obwohl doch das Lehren und Lernen von Sprachen im Zentrum ihrer Arbeit steht, bis vor kurzem kaum mit der Konzeption, den Gelingensbedingungen und der Qualität ihrer eigenen (Hochschul )Lehre befasst. Vor diesem Hintergrund beschäftigte sich die 44. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts mit Konzepten, Lehrveranstaltungsformaten und Tools der fremd- und zweitsprachendidaktischen Hochschullehre und diskutierte leitende Prinzipien ihrer Gestaltung und Kriterien, anhand derer die Qualität der Lehre in den Fremd- und Zweitsprachendidaktiken bemessen werden kann. In den Blick genommen wurden zudem die Fort- und Weiterbildung von bereits praxiserfahrenen Lehrpersonen bzw. Quer-/Seiteneinsteiger:innen sowie die Gewinnung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Der Band dokumentiert die überarbeiteten Stellungnahmen der Teilnehmer:innen der 44. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts.

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Eva Burwitz-Melzer / Claudia Riemer / Lars Schmelter

Konzeption, Gelingensbedingungen und Qualität fremd- und zweitsprachendidaktischer Hochschullehre

Arbeitspapiere der 44. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts

© 2024 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

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Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

ISSN 0175-7776

ISBN 978-3-381-12291-2 (Print)

ISBN 978-3-381-12293-6 (ePub)

Inhalt

Fostering the Continuum: Kompetenzentwicklung von Englisch-Lehrkräften in der hochschuldidaktischen Ausbildung1 Einleitung: Die Situation der Lehrkräfteausbildung an deutschen Hochschulen2 Das erste Kern-Konzept der Lehramtsausbildung: die Entwicklung der professionellen Lehrkraftkompetenz3 Das zweite Kern-Konzept der Lehramtsausbildung: Reflexion als Professionalisierungselement4 Multiple Lerngelegenheiten in der fachdidaktischen Ausbildung: Reflexionsinstrumente, Veranstaltungsformate, Methodik5 Leitprinzipien für die erste Phase der LehramtsausbildungLiteratur„Teachers teach as they were taught“ – Überlegungen zur fremdsprachendidaktischen Lehre in der Hochschule und darüber hinaus1 Einleitung: Rahmenbedingungen fachdidaktischer Hochschullehre2 Die Basis: Prinzipien fachdidaktischer Lehre3 Grundsteinlegung möglich: Die Gewinnung und Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses4 Mehr als „nice to have“: Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen bzw. von Quer- und Seiteneinsteiger:innenLiteraturMenschen, Sprachen, Inhalte – Bestandteile der Qualitätsentwicklung fremdsprachendidaktischer Lehre1 Sonderfall Lehre in der universitären Fremdsprachendidaktik2 Vom Ziel zum Konzept fremdsprachendidaktischer Hochschullehre3 Transfer – der lange Atem qualitätsvoller LehreLiteraturKonzeption, Gelingensbedingungen und Qualität fremd- und zweitsprachendidaktischer Hochschullehre1 Was ist ‚gute‘ fremdsprachendidaktische Hochschullehre? Ein Forschungsdesiderat in der Fremdsprachendidaktik2 Reflexionskompetenz als zentrales Konzept in der fremdsprachendidaktischen Lehrkräftebildung3 Verzahnung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik: Kompetenzorientierung, Professionsbezug und forschendes Lernen in einem Lehrprojekt4 Interdisziplinarität und Internationalität: Das Seminar „US Migrations in History, Literature and the EFL Classroom“5 FazitLiteraturGrundlagen einer Identity-orientierten Hochschullehre für angehende Fremdsprachenlehrpersonen1 Zur Einleitung: Herausforderungen und grundlegende Fragestellungen2 Eingrenzung des Konstrukts Language Teacher Identity3 Implikationen für Hochschullehre4 Die Rolle der Lehrerbildner*innen5 Desiderata für BegleitforschungLiteraturDie Rolle der universitären Lehrkräftebildung in der Ausbildung von Lehrer:innen, Fremdsprachenforscher:innen und in der Fortbildung1 Lehrkonzepte in der universitären Lehrkräftebildung1.1 Funktionen, Aufgaben und Ziele der Hochschulbildung1.2 Constructive Alignment als leitendes Prinzip der Veranstaltungsplanung1.3 Kriterien für die Qualität von Lehrveranstaltungen in der Lehrkräftebildung2 2. Die Ausbildung von Fremdsprachenforscher:innen: Forschendes Lernen und Duale Promotion2.1 2.1 Forschendes Lernen2.2 Schule oder Wissenschaft? Die Duale Promotion als Qualifizierungskonzept3 Lehrkräftefortbildung3.1 Wirksamkeit von Lehrkräftefortbildung3.2 Entwicklung eines Fortbildungskonzeptes zum Einsatz von KI-Werkzeugen im FremdsprachenunterrichtLiteraturFremdsprachendidaktische Lehre in der Lehramtsausbildung – früher, heute, morgen1 Einleitung2 Ziele, Konzepte und Verfahren vor 130 Jahren und heute3 Forschen4 Fort- und Weiterbildung5 Was fehlt?LiteraturZur Ausbildung von Kulturvermittlungskompetenz in den Fremdsprachenphilologien1 Einleitung2 Lehrkräfteausbildung in DaF/DaZ im Vergleich zu den anderen Philologien3 Zur Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften4 Schlagworte der Kulturvermittlung im Fremdsprachenunterricht4.1 Das „Eigene“ und das „Fremde“4.2 Nation5 SchlussbetrachtungLiteraturParadoxale Verschränkungen, destruktive Tendenzen1 Einleitung2 Normative ParadoxienAnnäherung an die Fremdsprachenlehrkräftebildung3 Die Fremdsprachenlehrkräftebildung im Zeitalter multipler Krisen und forcierter Reformbestrebungen3.1 Paradoxale Gelingensbedingungen3.2 Paradoxale Konzepte3.3 Paradoxale Qualität4 Schlussbemerkung und AusblickLiteraturÜberlegungen zur Qualität fremd- und zweitsprachendidaktischer Hochschullehre1 Konzepte und Rahmenbedingungen fremd- und zweitsprachendidaktischer Hochschullehre2 Kompetenzentwicklung und Forschungsbezug: Hochschullehre und Lehrerbildung3 Dilemmata der Lehrerbildung: Zwischen Qualitätsstandards und PragmatismusLiteraturMuss der fremdsprachendidaktische Hochschulunterricht etwa umkehren?1 Von der Relevanz des studentischen Engagements: Aktivierende Lerngelegenheiten und Strategien(Proto-)Typ 1: Fokus Lernen – Grundlage für reflektiertes Sprachenlernen(Proto-)Typ 2: Fokus Lehren – Grundlage für kritisches und theoriegeleitetes Handeln(Proto-)Typ 3: Fokus Forschen – Grundlage für eine forschende Haltung2 Zur Frage der Nachwuchsförderung: Studentisches Engagement und Elemente forschenden Lernens3 Zur Frage der Lehrerfort- und Weiterbildung: Engagement der Lehrpersonen und Elemente forschenden Lernens4 Fazit und AusblickLiteraturExpert:innen braucht das Land!1 Herausforderungen der Lehrer:innenbildung für DaZ2 Lehrer:innenausbildung für neu zugewanderte Schüler:innen3 Optionen für die Lehrer:innenausbildung3.1 Keine Option: Erhalt des Status quo – das DaZ-Modul3.2 Option 1: DaZ-Modul mit Schwerpunktsetzungsoption3.3 Option 2: Integrierte Zusatzqualifikation3.4 Option 3: Fach „Deutsch als Zweitsprache/Deutsch für Zugewanderte“3.5 Option 4: Fort- und Weiterbildung4 Eine unerfreuliche Bilanz?LiteraturDaF/DaZ-Studiengänge mit internationaler und heterogener Studierendenschaft1 Problemaufriss2 Besonderheiten der DaF/DaZ-Studiengänge3 Exkurs: Sprachkompetenz und Studienerfolg internationaler Studierender4 DaF/DaZ-Masterstudiengänge: hochschuldidaktische Herausforderungen5 Fremd-/zweitsprachendidaktisches Studium als prospektiver ErfahrungsraumLiteraturKonzeption, Gelingensbedingungen und Qualität fremd- und zweitsprachendidaktischer Hochschullehre1 Besonders geeignete Konzepte, Lehrveranstaltungsformate und Tools der fremd- und zweitsprachendidaktischen Hochschullehre2 Konzepte der fremd- und zweitsprachendidaktischen Hochschullehre in der Ausbildung von Fremdsprachenforscher:innen3 Unterschiede in Konzepten und Qualitätskriterien der Fort- und Weiterbildung von Quer-/Seiteneinsteigern und bereits praxiserfahrenen Lehrpersonen und denen, die in der Ausbildung von Lehrpersonen an der Hochschule zum Tragen kommen4 Forschungs- und Entwicklungsbedarf im Rahmen fremdsprachendidaktischer Hochschullehre vor dem Hintergrund gesellschaftlicher EntwicklungenLiteraturHochschullehre als Problem der Hochschulforschung1 Einleitung2 Praxistheoretische und ethnographische Perspektiven auf die Hochschuldidaktik in der fremdsprachendidaktischen Hochschullehre der Lehrer:innenbildung2.1 Praxistheorie – Wissenspraktiken als Erkenntnisinteresse der Hochschulforschung2.2 Wie bekommen wir Zugang zu den Wissenspraktiken der Hochschullehre? Ethnographie und Autoethnographie als Habitusreflexion3 Beispiele aus der Fremdsprachenforschung und selbstreflektierende Präsentation des Projekts SimLit4 Weiterführende Fragen und ForschungsdesiderateLiteraturUnterrichtsnahe Elemente fremdsprachendidaktischer Hochschullehre1 Vorbemerkung2 Handlungsfelder der Fremdsprachendidaktik3 Forschung als „Meta-Praxis“4 Handlungsorientierte Lehrendenbildung5 Unterrichtsnahe Forschung6 FazitLiteraturSubjektwissenschaftliche Perspektiven der fremdsprachendidaktischen Hochschullehre1 Subjektwissenschaftliche Perspektiven – der Standpunkt des verallgemeinerten Subjekts2 Ziele, Funktionen und Aufgaben und daraus ableitbare Lehr-Prinzipien3 (Gesamtgesellschaftliche) Rahmenbedingungen der fremdsprachendidaktischen Hochschullehre4 Das Verhältnis von Lehre und Phasen selbstgesteuerten bzw. potenziell expansiven LernensLiteraturStudierende als Spiele-Entwickler*innen und Forscher*innen1 Einleitung2 Forschendes Lernen als didaktischer Zugang in der Fremdsprachenlehrkräftebildung3 Produktdesign- und Spiele-Entwicklungs-Kompetenzen für (angehende) Lehrkräfte?4 Ein „Projektband“-Seminar zur Entwicklung von Englisch-Lernspielen – Inhalte, Prozesse, Produkte5 Ausblick und FazitLiteraturCurriculare Überlegungen zur Rolle der Forschungsmethodologie in fremdsprachendidaktischen Studiengängen (am Beispiel von DaF/DaZ)1 Einleitung2 Grundsätzliche Überlegungen3 Zielsetzungen4 Lehrangebot4.1 Bachelorstudium4.2 Masterstudium4.3 Promotion und Habilitation, Fort- und Weiterbildung5 Schlussfolgerungen und AusblickLiteraturProfessionelle Lerngemeinschaften in der Ausbildung von Fremd- und Zweitsprachenlehrpersonen1 Didaktische Prinzipien und ihre Umsetzung in Professionellen Lerngemeinschaften1.1 Didaktische Prinzipien der Lehrkräftebildung1.2 Professionelle Lerngemeinschaften2 Nachwuchsförderung in Professionellen Lerngemeinschaften3 Professionelle Lerngemeinschaften in der Fort- und Weiterbildung4 Desiderate und Potenziale der Forschung zu Professionellen LerngemeinschaftenLiteraturSpannungsfelder literatur- und kulturdidaktischer Hochschullehre in den Fremdsprachen1 Erfahrungsbasiertes Lernen: Perspektivenkoordination und Vermittlung in der literaturdidaktischen Ausbildung2 Unmittelbare Erfahrung und Praxisanteile in der fremdsprachendidaktischen Ausbildung3 Literaturdidaktische Forschungsdesiderata, Wissenstransfer und WeiterbildungLiteraturKontexte, Prinzipien und Gelingensbedingungen fremdsprachendidaktischer Hochschullehre1 Einleitung2 Konzepte fremdsprachendidaktischer Hochschullehre für die erste Phase der Lehrkräftebildung3 Ausbildung von Fremdsprachenforscher:innen4 Fort- und Weiterbildung als Aufgabe fremdsprachendidaktischer Hochschullehre und zukünftige ForschungsbedarfeLiteraturZur Qualität fremdsprachendidaktischer Hochschullehre1 Einleitung2 Zur Qualität fremdsprachendidaktischer Hochschullehre3 Zum wissenschaftlichen Nachwuchs und Hochschullehre4 Zur Fort- und Weiterbildung praxiserfahrener Lehrkräfte5 Zum Wissenstransfer in die SchulpraxisLiteraturAdressen der Beiträger:innen und Herausgeber:innenBisher erschienene Arbeitspapiere der Frühjahrskonferenz

Vorwort

Sprachlehr- und -lernforschung und Fremdsprachendidaktik einschließlich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache sind wie die meisten Wissenschaftsdisziplinen, die sowohl einen Forschungs- als auch konkret auf schulische Fächer oder außerschulische Bildungsfelder u. a. in der Erwachsenenbildung ausgerichteten Ausbildungsauftrag haben, in mehrfacher Weise herausgefordert, diesen durchaus verschiedenen Aufgaben, Funktionen und Zielen gerecht zu werden. Fragen der Gestaltung der Studienangebote und der Adressierung der Studierenden, der zukünftigen Zweit-/Fremdsprachenlehrenden, sind daher inhärenter Teil der hochschulischen Fachaufgaben. Interessanterweise haben sich Sprachlehr- und ‑lernforschung und Fremdsprachendidaktik, obwohl doch das Lehren und Lernen von Sprachen im Zentrum ihrer Arbeit stehen und entsprechend eng mit dem disziplinären Selbstverständnis verbunden sind, bis vor kurzem kaum mit der Konzeption, den Gelingensbedingungen und der Qualität ihrer eigenen (Hochschul‑)Lehre befasst. Fragen wie etwa die folgenden werden eher hochschulintern und weniger hochschul- bzw. fachübergreifend diskutiert: Welche Konzepte, Lehrveranstaltungsformate und Tools eignen sich für die fremd- und zweitsprachendidaktische Hochschullehre? Welche leitenden Prinzipien können für die Gestaltung der Lehre formuliert werden? Wie und anhand welcher Kriterien kann die Qualität der Lehre in den Fremd- und Zweitsprachendidaktiken bemessen werden? Müssen diese Fragen mit Blick auf die Fort- und Weiterbildung von praxiserfahrenen Lehrpersonen bzw. Quer‑/Seiteneinsteiger:innen anders beantwortet werden als für die grundständigen Studiengänge? Diese Fragen gilt es in größerem Kontext zu bearbeiten und auch mit Blick auf die Gewinnung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu beantworten.

Vor diesem Hintergrund haben sich die Teilnehmer:innen der 44. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts anhand von Leitfragen mit dem oben beschriebenen Komplex auseinandergesetzt und dabei auch Erfahrungen und Konzepte ausgetauscht, die fachübergreifend die Zweit-/Fremdsprachenlehrendenbildung betreffen; vorhandene und erprobte Konzepte und Forschung wurden identifiziert und vielfältiger Forschungsbedarf festgestellt.

In bewährter Manier waren die Leitfragen vorab zugesandt worden und die Teilnehmer:innen hatten sich zu ihnen in einem Vorabstatement im Umfang von ca. acht Seiten schriftlich geäußert. Diese Statements lagen den Diskussionen vom 14. bis 16. Februar 2024 im Schloss Rauischholzhausen zugrunde. Die Leitfragen lauteten:

Welche Konzepte, Lehrveranstaltungsformate und ggf. Tools der fremd- und zweitsprachendidaktischen Hochschullehre sind aus Ihrer Sicht besonders geeignet, ihren Funktionen, Aufgaben und Zielen gerecht zu werden? Welche leitenden Prinzipien lassen sich erkennen? Anhand welcher Kriterien lässt sich die Qualität der fremd- und zweitsprachendidaktischen Hochschullehre bemessen?

Die fremd- und zweitsprachendidaktische Hochschullehre zielt neben der Vorbereitung auf das Agieren in den typischen Feldern des Lehrens und Lernens von Fremd- und Zweitsprachen (z. B. Unterricht, Lernberatung, Erstellung von Lehr- und Lernmaterialien) in Teilen auch auf die Gewinnung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Welche Konzepte der fremd- und zweitsprachendidaktischen Hochschullehre scheinen Ihnen mit Blick auf eine qualitätsvolle Ausbildung von Fremdsprachenforscher:innen besonders geeignet?

Auch die Fort- und Weiterbildung von bereits praxiserfahrenen Lehrpersonen bzw. Quer-/Seiteneinsteigern kann als Teil der sog. Third Mission trotz unterschiedlicher Regelungen und Möglichkeiten als Aufgabe der fremd- und zweitsprachendidaktischen Hochschullehre betrachtet werden. Inwiefern unterscheiden sich hier die Konzepte und Qualitätskriterien von denen, die in der Ausbildung von Lehrpersonen an der Hochschule zum Tragen kommen?

Angesichts gesellschaftlicher und technologischer Entwicklungen stellt sich für die fremdsprachendidaktische Hochschullehre (wieder) die Frage nach den Zielen, Gelingensbedingungen und Formen des Wissenstransfers über hochschulische Bildung in relevante (vorrangig berufliche) Felder. In welchen Aspekten sehen sie Forschungs- und Entwicklungsbedarf? Welche Forschungsdesigns halten Sie für angemessen?

Für die Veröffentlichung in diesem Band haben die Teilnehmer:innen ihre Statements im Anschluss an die Konferenz überarbeitet. In den Beiträgen zeigt sich nicht nur das breite Spektrum der Perspektiven auf die fremd- und zweitsprachendidaktische Hochschullehre und deren Herausforderungen, sondern es werden vielfältige Forschungsergebnisse und weiterführende Fragestellungen diskutiert.

Veranstalter:innen sowie Teilnehmer:innen der Frühjahrskonferenz sind den Verantwortlichen vor Ort für die weiterhin gewährte Gastfreundschaft dankbar. Denn das Schloss Rauischholzhausen mit seinem besonderen Rahmen trägt jedes Jahr aufs Neue zum guten Gelingen der Konferenz bei.

 

Gießen, Bielefeld und Wuppertal, im Sommer 2024

 

Eva Burwitz-Melzer     Claudia Riemer     Lars Schmelter

Fostering the Continuum: Kompetenzentwicklung von Englisch-Lehrkräften in der hochschuldidaktischen Ausbildung

Eva Burwitz-Melzer

1Einleitung: Die Situation der Lehrkräfteausbildung an deutschen Hochschulen

Viele Professionen befassen sich intensiv mit der Beforschung ihrer Ausbildung, für die Lehramtsausbildung hat dies bis vor wenigen Jahren nicht zugetroffen. Obwohl der Beruf einer Lehrkraft ausbildungsintensiv ist und hohe Anforderungen stellt an die kognitiven und affektiv-emotionalen Voraussetzungen der Studierenden sowie an ihr wissensbasiertes Handeln, stand eine systematische Erfassung oder Analyse des Kompetenzerwerbs bis vor etwa zehn Jahren nicht im Fokus des Interesses der Fremd- und Zweitsprachendidaktiken. Wichtige Ausnahmen, die im Kontext der Professionalisierungsprozesse zu nennen sind, stellen aber die Arbeiten von Roters (2012) zur Reflexion der Lehramtsstudierenden in der ersten Phase der Ausbildung dar sowie die Studie von Gerlach zur Ausbildungspraxis in der zweiten Phase (2020). Mit der großen quantitativen Studie von Blömeke et al. (TEDS-LT, 2011; 2013) wurde die Aufmerksamkeit auf die erfolgreiche Ausbildung von Kompetenzen der Lehramtsstudierenden gelenkt, zunächst im Fach Mathematik, dann in einer Erweiterung auf die beiden anderen Hauptfächer Deutsch und Englisch. Erstmals wurde versucht, in Orientierung an der kognitionspsychologischen Forschung und mit dem Bezugspunkt der Expertiseforschung (Blömeke et al. 2011, 13) zu ergründen, was „professionelle Lehrerkompetenz“ (Blömeke et al. 2011, 15) in gering strukturierten Domänen umfasst und wie ein gemeinsamer Kern für die genannten Fächer herausgearbeitet und beforscht werden kann. Diese Forschungsarbeit stellt auch zehn Jahre nach Einführung des Bologna-Prozesses einen wichtigen Schritt für die Professionsforschung der Lehrkräfte dar, denn die Ausbildungslandschaft ist sehr uneinheitlich. Der in der Konferenz von Bologna vereinbarte Prozess zur Angleichung und Modularisierung der Studiengänge in Europa im ersten Jahrzehnt des Jahrtausends hatte auch auf das Studium aller Lehrämter einen großen Einfluss gehabt. Angestrebt wurde damals eine größere Vergleichbarkeit der Studiengänge auf nationaler und internationaler Ebene, dieses Ziel wurde allerdings für die Lehramtsstudiengänge nicht erreicht. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die nebeneinander existierenden Systeme von Bachelor-/Master- und Staatsexamen-Abschlüssen, unterschiedliche Praxisphasen, die erst sehr langsam auf ein gemeinsames Praxissemester einschwenken und variable Ausbildungssituationen in der zweiten Phase der Lehramtsausbildung sorgen für eine starke Heterogenität in den Ausbildungsstrukturen. Diese Situation wird durch eine stetig ansteigende Zahl von Quer- und Seiteneinsteigern in der Lehramtsausbildung noch verkompliziert (vgl. Caspari 2016).

2Das erste Kern-Konzept der Lehramtsausbildung: die Entwicklung der professionellen Lehrkraftkompetenz

Konzeptionell hat sich die Lehramtsausbildung in den letzten hundert Jahren in den meisten Ländern auf einige wenige pädagogische Modelle, das Craft-Modell, das Applied Science-Modell und das Konzept des reflective practitioner fokussiert (Grenfell 2012). Heutige bildungspolitische Konzepte des Lehramtsstudiums vereinen in der Regel das Konzept der Reflexion mit einem kompetenzorientierten Modell (CBTE, competency-based teacher education), indem eine Liste von Ziel-Kompetenzen als Maßstab für gutes Lehrerhandeln vorgegeben wird und diese Kompetenzen im Laufe der Ausbildung gefördert werden sollen (vgl. auch Krumm 2016). Dabei ist der Begriff der Kompetenz hier grundsätzlich der Weinert’sche Kompetenzbegriff der allerdings in diesem Zusammenhang der Lehrkraftausbildung noch genauer gefasst wird (vgl. Weinert 2001, 54-66). Blömeke et al. (2015) unterstreichen die Konstituenten, die kognitiver, konativer, affektiv-emotionaler und motivationaler Natur sind:

In contrast to common views of intelligence as a less malleable trait, competence and competency are regarded as learnable and can thus be improved through deliberate practice. […] Furthermore, […] a competence framework recognizes the importance of real-world situations typical for performance demands in a field as ‘the’ point of reference. The definition of competence therefore has to start from an analysis of authentic job or societal situations and enumerate the tasks as well as the cognition, conation, affect, and motivation involved (Blömeke et al. 2015, 5).

Das Konzept der professionellen Lehrkraftkompetenz, das von konkreten Berufsanforderungen ausgeht, zentrale Teilkompetenzen offeriert und für die Ausbildung eine stringente Entwicklungslinie für den Erwerb dieser Teilkompetenzen vorgibt, stellt einen zentralen Kern der Lehramtsausbildung dar. Blömeke et al. gehen von einem Modell des Kompetenzerwerbs als Kontinuum aus, wobei sie versuchen, die zahlreichen Dichotomien und Ambivalenzen der erziehungswissenschaftlichen Debatte in einem Konstrukt zu vereinen. Ihr Modell zeigt die professionelle Lehrkraftkompetenz als Konstrukt, das auf Dispositionen, situationsspezifischen Merkmalen und Performanz beruht (ibid.): die Dispositionen vereinen Wissen und Affekt-Motivation, Einstellungen und Überzeugungen; die situationsspezifischen Fertigkeiten umfassen Wahrnehmung, Interpretation und Entscheidungsfähigkeit und sind eine wichtige Voraussetzung zur Performanz als beobachtbare Kategorie des Lehrkrafthandelns. Blömeke et al. (2015) betonen, dass sie mit diesem Modell ein vertikales und longitudinales Konstrukt beschreiben, das viele der noch herrschenden Dichotomien über professionelle Lehrkraftkompetenz positiv und konstruktiv zu wenden sucht. Professionelle Lehrkraftkompetenz wird hier sowohl als vertikales Kontinuum verstanden, das höhere und niedrigere Kompetenzstufen umfassen soll, wie auch als longitudinales Konstrukt, in dem eine Entwicklungsperspektive abgebildet ist. Eine solche Auffassung ist auch ansatzweise in den meisten Lehramtsstudiengängen der Hochschulen ablesbar, indem zunächst Wissen und verschiedene andere Dispositionen erworben werden müssen, bevor situationsspezifische Fertigkeiten ausgebildet werden.

So schlüssig und attraktiv ein solches Modell auch erscheint, so weit sind wir heute – im Zeitalter der Modulbeschreibung mit pragmatischen „Regenschirm-Definitionen“ – doch noch davon entfernt. Denn der Vorteil, der durch ein kompetenzorientiertes Lernmodell für die Lehramtsausbildung entstehen sollte, nämlich die genaue, detaillierte und gestufte Beschreibung von Teilkompetenzen in der Fachwissenschaft und Fachdidaktik der Lehramtsausbildung mittels Deskriptoren, die eine Entwicklung über die verschiedenen Ausbildungsphasen hinweg vorgeben, existiert nicht. Die Kompetenzen für die Lehrkraftausbildung, die durch die verschiedenen Vorgaben der Kultusministerkonferenz eine Art „Orientierungsrahmen“ erhalten, zeigen für das Fach Englisch nur wenig Systematik in Bezug auf die unterschiedlichen Lehrämter: Zwar existieren in Deutschland die Standards für die Lehrerausbildung: Bildungswissenschaften (KMK 2004/2019), die ein grobes Raster von Ziel-Standards für die Kompetenzbereiche Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren anbieten, die aber ohne eine fachdidaktische Anbindung zu kurz greifen.

Im zweiten großen bildungspolitischen Dokument zur Lehrerbildung, den Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (KMK 2008/2019), zeigen sich in Hinblick auf ein klar strukturiertes Kompetenzmodell für die Lehramtsausbildung ebenfalls Defizite: Zunächst werden die Standards nur in sehr grob strukturierter Form für die Lehrämter der Sekundarstufen I und II angeboten (vgl. Burwitz-Melzer 2018). Es wird nur eine Niveaustufe erfasst, man geht hier also nicht von einem Lernprozess aus, der sich kontinuierlich fortsetzt, sondern formuliert eine Art Endresultat der Kompetenzbeschreibungen. Eine genauere Beschreibung von Kompetenzprofilen der berufsbildenden Gymnasien und der Sonderpädagogik erfolgt nicht, obwohl sich das Dokument explizit auch auf diese Lehrämter beziehen soll. Das Grundschullehramt wird gar nicht einbezogen. Eine Stufung der Kompetenzbereiche durch verschiedene aufeinander aufbauende Deskriptoren, die es ermöglichen würde, ein stringentes Curriculum aufzubauen, fehlt. Insgesamt bleibt die Fachdidaktik in den Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (KMK 2008/2019) eine zu gering strukturierte Domäne, da ihre Teilkompetenzen nicht ausführlich genug in ihrer Vielfalt, in ihrer Qualität und in ihrer Entwicklungsmöglichkeit beschrieben werden. Es wäre für die Studierenden eine gute Orientierungshilfe, wenn die genau umrissenen Kompetenzbereiche der Fachdidaktik Englisch, Literatur- und Sprach-, Medien- und Kulturdidaktik detaillierter in Deskriptoren gefasst würden, die longitudinal ausgerichtet sind.

3Das zweite Kern-Konzept der Lehramtsausbildung: Reflexion als Professionalisierungselement

Der Begriff der Reflexion ist bereits sehr lange mit dem Professionsbegriff des Lehrkraftberufs verbunden; Dewey gilt (1933) als früher Vertreter eines reflexionsbezogenen Denkens, das, in konsekutiv aufgebauten Denkprozessen, Handlungen oder Gegenstände verstehen will, sowie auch problem- und lösungsorientiert arbeitet. Schoen (1983) stellt mit dem Konzept des „reflective practioner“ an Vertreter professioneller Berufe, also auch an Lehrkräfte, ganz besonders hohe Erwartungen in Bezug auf Reflexionsbedarfe und ‑anforderungen.

Die aktuelle erziehungswissenschaftliche und fachdidaktische Debatte um den Begriff der Reflexion zeigt ambivalente Positionen und Forschungsbefunde (te Poel/Heinrich 2020, 1). Reflexionsformate, Reflexionsanlässe und auch die Grundlagen des Begriffes selbst werden vielschichtig und mit einer neuen Tiefe diskutiert (vgl. te Poel/Heinrich2020). Nach Helsper (2001) bedingt der Professionsansatz für Lehrpersonen eine gesteigerte Reflexionsanforderung. Als professionell Handelnde müssen Lehrkräfte ihre Handlungen „begründen“ (Helsper 2001, 11) können; sie benötigen dafür ein „wissenschaftliches Reflexionswissen“ und spezifische „Reflexionsmöglichkeiten“ (ibid.). Normativ bringt Helsper dabei zum Ausdruck, dass Lehrpersonen „eines wissenschaftlich-reflexiven Habitus“ bedürfen, „den sie im Verlauf der Lehrerbildung erwerben müssen“ (2001, 11). Dieser Habitus wird von Helsper als „grundlegende kritisch-reflexive Haltung“ (2001, 12) und als „exzentrischer Blick auf die eigene professionelle Praxis“ (ebd.) näher definiert. Reflexion und Handeln sind somit einerseits getrennt voneinander, bedingen sich aber andererseits auch. Reflektieren, so sind sich fast alle Studien einig, muss aber sorgfältig erlernt werden. Roters zeigt Unterschiede zwischen Reflexionsgelegenheiten, -instrumenten und -niveaus in mehreren Ländern auf und offeriert eine empirisch begründete Typenbildung der Reflexionsleistungen von Lehramts-Novizen (Roters 2012, 256-270).

Mithilfe von Reflexion können Lehramtsstudierende lernen, Verbindungen herzustellen zwischen Aspekten der Theorie und der Empirie, ihren Dispositionen und den Anforderungen des Lehrberufs, ihren Dispositionen und ihrem Handeln. Obwohl Blömeke et al. (2015) in ihrem Artikel zur professionellen Lehrkraftkompetenz nicht den Begriff der Reflexion ansprechen, ist es gerade das Paradigma der Reflexion, das als „super-glue“ eine starke Verbindung der verschiedenen Elemente des Modells der professionellen Lehrkraftkompetenz verbinden soll und verbinden kann. Von Aufschnaiter et al. (2019, 152f.) legen mit dem Artikel „Reflexion und Reflexivität in der Lehrerbildung“ bereits ein solches Modell vor, indem sie das Kompetenzmodell von Blömeke et al. (2015) um den Faktor der Reflexion ergänzen und in ihr Modell einbauen. Reflexion erscheint hier als Kompetenz, die hilft, Dispositionen und situationsspezifische Fertigkeiten sowie Performanz jeweils durch reflexive Denkprozesse, die vor allem nach innen gerichtet sind, zueinander in Beziehung zu setzen. So kann Reflexion als Kompetenz und als Prozess bezeichnet werden, der strukturiertes Analysieren von eigenen Wissensbeständen sowie von Bereitschaften, Einstellungen und Überzeugungen sowie von situationsspezifischem Denken und Handeln verbindet. Sichtbar wird die Reflexion auch beim Kompetenzbestandteil der Performanz, entweder als Verbalisierung und Verschriftlichung der Performanz oder als Bestandteil des Handelns auf der Verhaltensebene (vgl. von Aufschnaiter et al. 2019, 153). Wird Reflexion als Kompetenz verstanden, ist es auch möglich, eine longitudinale Entwicklungslinie zu erwarten, auf der sich diese Kompetenz steigert. Außerdem kann man Qualitätskriterien aufstellen, die eine Entwicklung dieser Kompetenz indizieren; dazu zählen zum Beispiel der Grad des hergestellten Selbstbezugs, der Umgang mit den thematisierten Komponenten, der Grad der inhaltlichen Bezugnahme, und der Grad der Mehrperspektivität (ibid. 153f.).

Wenn Lehramtsstudiengänge also einerseits kompetenzausbildend und ‑fördernd sein sollen und andererseits die Reflexionskompetenz nutzen, um die professionelle Lehramtskompetenz herauszubilden, so steht der Reflexionskompetenz in dieser Systematik als verbindendem und analysierendem Element eine zentrale Stelle zu, die sich – bestenfalls – durch das gesamte Lehramtsstudium inklusive der Praxisphasen in der ersten Phase der Ausbildung in allen Fächern und noch darüber hinaus über die zweite Phase in die berufliche Karriere hinzieht (vgl. te Poel/Heinrich 2020, 1-3). Es ist anzunehmen, dass sich eine solche Erwartung in der Kompetenzausbildung in den Veranstaltungsformaten und -inhalten, in den Unterrichtsmaterialien und ‑methoden wiederfinden lässt.

4Multiple Lerngelegenheiten in der fachdidaktischen Ausbildung: Reflexionsinstrumente, Veranstaltungsformate, Methodik

Nimmt man die professionelle Lehrkraftkompetenz mit breit aufgestellten Teilkompetenzen und die Reflexionskompetenz als Kern-Konzepte eines Lehramtsstudiums an den Hochschulen, so steigt die Qualität der Ausbildung in der ersten Phase mit einer stringenten Berücksichtigung dieser Konzepte im gesamten Studienverlauf. Was die Teilkompetenzen der Lehrkraftkompetenz angeht, so gibt es die bildungspolitischen Vorgaben, die allerdings ungestuft und in der Breite der Lehrämter und der fachdidaktischen Teilkompetenzen auch nicht ausgeglichen genug aufgestellt sind (s. o.). In Bezug auf die Entwicklung der professionellen Lehrkraftkompetenz ist es also von Vorteil, die bildungspolitischen Voraussetzungen so zu ergänzen, dass alle Teilkompetenzen ausreichend berücksichtigt werden. Sehr oft wurde und wird die Reflexionskompetenz vor allem mit den Praxisphasen des Studiums in Verbindung gebracht (z. B. Hinzke 2020). Reflexionsanlässe können aber grundsätzlich an allen fachdidaktischen Inhalten und Materialien festgemacht und geübt werden. Um eine allmählich sich entwickelnde professionelle Lehrkraftkompetenz zu fördern, müssten konsequenterweise die Veranstaltungen sich auch in regelmäßigem Rhythmus an der Entwicklung der Reflexionskompetenz ausrichten.

In der Fachdidaktik der Justus-Liebig-Universität (JLU) ist ein solcher Rhythmus zu finden. Er stellt einen Dreischritt dar, der sich durch das Studium aller fünf Lehramtsstudiengänge zieht. Dieser Prozess beginnt im ersten Fachsemester für alle Studierenden mit zwei Pflichtveranstaltung, einer Einführung, die in ihrem Format zwischen einer Vorlesung und einem Seminar angesiedelt ist, also eine dialogische Unterrichtsform darstellt, und begleitet wird von einem Tutorium. Diese Doppelveranstaltung mit vier SWS ist ein zentraler Grundstein des fachdidaktischen Studiums, da sie inhaltlich nicht nur alle grundlegenden Kompetenzbereiche des Englischunterrichts, Lehrkraft- und Lernendenrollen sowie grundlegende Lehr- und Lerntheorien vorstellt, sondern auch methodisch – quasi als Spiegelung des Dozentenverhaltens im Hörsaal und im Tutorium – zahlreiche Vermittlungsansätze anbietet, die in der Doppelveranstaltung thematisiert und ausprobiert werden (z. B. Gruppenunterricht mit fest zugeschriebenen Rollen, Partnerarbeit, task-orientation, literaturdidaktische Verstehensübungen). Die Studierenden lernen Spiegelungen in der Hochschulveranstaltung als Didaktisierung des Stoffs zu verstehen und zu überdenken. Sie sehen Videoclips zu einzelnen Themen (z. B. zum Airport-Projekt von Michael Legutke) und werden angehalten, das Lehrkraft- und Lernenden-Verhalten zu beobachten und zu diskutieren. Das wichtigste Element dieser Doppelveranstaltung ist – neben der inhaltlichen Vermittlung ganz grundlegender fachdidaktischer Inhalte – aber auch das Einüben der Reflexionskompetenz. Mit Hilfe eines Reflexionsrasters, das nach Korthagen und Kohonen fachdidaktisch verändert wurde (vgl. Burwitz-Melzer 2018), reflektieren die Studierenden ihre Rollen und ihre individuellen Dispositionen in Hinblick auf den bildungspolitischen und den schulischen Rahmen, in dem sie agieren werden, sie reflektieren ihr vermutetes oder geplantes Lehrkraftverhalten, ihre bereits vorhandenen Teilkompetenzen in der Pädagogik, Fachwissenschaft und Fachdidaktik sowie ihre Einstellungen (vgl. hierzu Burwitz-Melzer 2018). Das Reflexionsinstrument möchte zwei grundlegende Ziele anstreben: Erstens sollen auszubildende Lehrkräfte, die dieses Modell betrachten und einsetzen, sich über die Multiperspektivität des angestrebten Berufs klarwerden. Es soll so schon frühzeitig eine deutliche Verortung der Lehrkraftpersönlichkeit innerhalb der bildungspolitischen, schulischen, pädagogischen und fachdidaktischen Systeme erfolgen. Zweitens sollen reflektierende Studierende erkennen, welche Strukturen und Schichten zu einer Lehrkraftpersönlichkeit gehören, so dass frühzeitig erkannt wird, dass neben pädagogischen Aspekten auch fachwissenschaftliche und fachdidaktische Seiten des Berufs professionell entwickelt bzw. weiterentwickelt werden müssen. Die Reflexionskompetenz wird am Ende des ersten Semesters in einem Portfolio dargestellt und evaluiert.

Der zweite Schwerpunkt der Reflexion im Modulsystem der JLU liegt in den fachdidaktischen Praxisphasen, in denen dann das eigene situationsspezifische Verhalten mit in den Blick genommen werden kann. Im fachdidaktischen Praktikum wird diese Art des Reflexionsansatzes mündlich in den Begleitseminaren und nach den eigenen Unterrichtsversuchen weitergeführt. Im Praktikumsbericht wird erwartet, dass die eigene Performanz nach den Kriterien des Reflexionsinstruments eingeordnet und überdacht wird. Wünschenswert sind dann auch Ausblicke auf die Entwicklung des eigenen Unterrichtsverhaltens oder auf Nachbesserungen bei den eigenen Einstellungen, dem Wissen, den Teilkompetenzen der professionellen Lehrkraftkompetenz. Da die Evaluation des Praxissemesters sich maßgeblich auf den Praktikumsbericht bezieht, wird auch hier die Reflexionskompetenz evaluiert, also die Rückschau auf die eigene Performanz, die eigenen Dispositionen und die situationsspezifischen Fertigkeiten (s. o. Abschnitt 2).

Der dritte Schwerpunkt liegt in der Fachdidaktik Englisch für alle Lehramtsstudiengänge nach dem Praxissemester und unmittelbar vor dem Ersten Staatsexamen.1 In kleinen Kolloquiumsgruppen soll das inzwischen durch die Seminarveranstaltungen und die Praxisphasen erworbene Erfahrungswissen reflektiert, eigene Dispositionen in ihrer Entwicklung besprochen und ein Bezug zu situationsspezifischen Wahrnehmungen und Entscheidungen hergestellt werden. Das Modell der professionellen Lehrkraftkompetenz wird hier in der Rückschau und in Vorbereitung auf das Examen einen wichtigen Grundpfeiler des Kolloquiums darstellen. In einer mündlichen Gruppenprüfung, die auf die mündliche Prüfung im Ersten Staatsexamen vorbereiten soll, wird am Ende der Veranstaltung die Reflexionskompetenz und das Verständnis über die Entwicklung der professionellen Lehrkraftkompetenz evaluiert. Dieser Lerninhalt dient auch der Vorbereitung auf die zweite Phase der Ausbildung.

Es wäre natürlich wünschenswert, wenn die Entwicklung der Reflexionskompetenz auch als ein fester Bestandteil in alle fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen und pädagogischen Veranstaltungen integriert würde, um längerfristige, mehrperspektivische Lerngelegenheiten zu ermöglichen. Als Forschungsdesiderat wäre es wünschenswert, die Bedeutung von Erfahrungswissen und Studierenden-Dispositionen sowie von erstem professionellem Handeln für die Reflexionsgelegenheiten und die Reflexionsbereitschaft noch besser zu ergründen. Interessant wäre auch eine longitudinale Beforschung, in der die Entwicklung der Reflexionskompetenz von Studierenden berücksichtigt wird. Dabei sollten die oben genannten Gütekriterien wie Selbstbezug, Mehrperspektivität etc. beachtet werden.

5Leitprinzipien für die erste Phase der Lehramtsausbildung

In kompetenzorientierten Studiengängen sind die Inhalte variabel, solange die Kompetenzen ausreichend Berücksichtigung finden, dies kommt der Freiheit von Forschung und Lehre an den Hochschulen in den Lehramtsstudiengängen entgegen. Eine Aufzählung von bestimmten Inhalten scheint hier deshalb nicht angebracht. Allerdings sollten zwei Desiderata erfüllt werden: Von zentraler Bedeutung ist, dass alle Teilkompetenzen der professionellen Lehramtskompetenz (also Literatur- und Kultur-, Sprach- und Mediendidaktik) in den fachdidaktischen Veranstaltungen gleichermaßen beachtet werden. Gerade in Bezug auf literaturdidaktische Veranstaltungen scheint die Ausgewogenheit häufig zu fehlen. Der zweite wichtige Punkt ist die Aktualität der Unterrichtsinhalte, die in die erste Phase eingebracht werden; nur wenn die Unterrichtsinhalte stetig auf ihre Aktualität hin – auch in Hinblick auf gesellschaftliche und technologische Entwicklungen – überprüft werden, können die Lehramtsabsolventen neue Impulse in die Schulen tragen und den Kanon der Inhalte in ihrem Fach Englisch in angemessener Weise öffnen. Die Digitalisierung, die die Schulen in mehrfacher Hinsicht überrascht, inzwischen aber als „fremdsprachenspezifische digitale Kompetenz“ auch Eingang in die Bildungsstandards (KMK 2023) gefunden hat, sind ein gutes Beispiel dafür.

Erwähnenswert sind hier aber noch einige zentrale Leitprinzipien, die in möglichst viele Veranstaltungstypen Eingang finden sollten, da sie maßgeblich dazu beitragen, dass das Lehren und Lernen erfolgreich stattfinden kann und eine solide professionelle Ausbildung begründet wird. Die nachfolgenden sechs Gütekriterien sind nicht nummeriert, um eine Hierarchisierung zu vermeiden:

Eine qualitätvolle Lehramtsausbildung in der Englischdidaktik verlangt, dass die Grundlagen des unterrichtlichen Geschehens auf soliden, wissenschaftlichen Analysemethoden beruhen, die in den Teildisziplinen der Fachdidaktik und in den Fachwissenschaften eingeübt werden. Nur so können die im Schulunterricht angebotenen Gegenstände und Inhalte von den Lehrkräften angemessen vorab ausgewählt und beurteilt werden in Hinblick auf spezifische Lerngruppen. Literaturdidaktische oder auch linguistische Analysen von Texten unterschiedlichster Art, Bild- und Medienanalysen bilden die Basis für angemessene Sachanalysen, die in der zweiten Phase auch von großer Bedeutung bei der Unterrichtsvorbereitung sind. Selbstständig Texte und Inhalte auswählen und beurteilen zu können in Hinblick auf ihr fremdsprachendidaktisches Potenzial ist eine Grundlage für späteres eigenes Unterrichten in wechselnden Lerngruppen.

Es zeichnet gerade die Ausbildung in der ersten Phase an den Hochschulen aus, dass sie forschungsorientiert und die Ergebnisse der aktuellen Forschungen unterschiedlicher Art auch in ihre Veranstaltungen einfließen lässt. Dabei kann es sich sowohl um pädagogische, fachdidaktische oder fachwissenschaftliche Forschungsergebnisse handeln, die sinnvoll mit den jeweiligen Inhalten verknüpft werden können. In literaturdidaktischen Seminaren kann zum Beispiel über neue Roman- oder Rezeptionstheorien diskutiert werden oder über die Berücksichtigung neuer Ansätze zur Heterogenitätsforschung beim Lesen fiktionaler Texte. Von zentraler Bedeutung ist, dass die angehenden Lehrkräfte die Forschungsergebnisse verstehen, diskutieren und sich selbst zu eigen machen können, indem sie auch darüber reflektieren, also die empirische Forschung auch in einen Selbstbezug und in ihr Erfahrungswissen integrieren.

Ein noch deutlicherer Praxisbezug kann – als ein weiteres Gütekriterium der Veranstaltungen in der ersten Phase – hergestellt werden, wenn Studierende gegen Ende des Semesters in Partnerschulen der Hochschule ihre Überlegungen, Projektarbeiten oder frisch erstellten Tasks im schulischen Kontext ausprobieren können. „The proof of the pudding is in the eating“ – das gilt auch für angehende Englischlehrkräfte, die zum Beispiel in einem Medienseminar zum Einsatz von Software im Unterricht von Lernenden im Unterricht Podcasts zu verschiedenen Themen erstellen lassen. Die zeitnahe Umsetzung des Gelernten in unterrichtliche Kontexte möglichst verschiedener Klassen sorgt für einen raschen Transfer, der wertvolle Erfahrungswerte generiert und natürlich auch neue Fragen zur Seminarthematik aufwirft. Eine Reflexionsrunde der Studierenden am Ende des Seminars, in der im optimalen Fall auch die besuchten Lehrkräfte und einige Lernende zu Wort kommen, rundet die Praxiserfahrung ab.

Ein nicht zu unterschätzendes Prinzip der Ausbildung von Fremd- und Zweitsprachenlehrkräften in der ersten Phase ist die Förderung ihrer Berufssprache. Es leuchtet ein, dass die wichtige professionelle Kernkompetenz der Berufssprache(n) sich nicht allein durch Wissen oder Erfahrung erwerben lässt, sondern prozessbezogen und für unterschiedliche Unterrichtsinhalte betrachtet und durch Reflexion gestützt gefördert werden muss (vgl. Legutke et al. 2022). Dabei sollte genau unterschieden werden, 1. welche Teilkompetenzen der Berufssprache(n) in der ersten Phase bzw. in der zweiten Phase ins Bewusstsein der auszubildenden Lehrkräfte gerückt und gefördert werden sollen und 2. mit welchen Methoden dies am besten bewerkstelligt werden kann. Microteaching und eine genaue Reflexion von zentralen Gelenkstellen im Unterrichtsdiskurs wie zum Beispiel Aufgabenstellungen und Feedback sollten bereits in die erste Phase integriert werden (vgl. Burwitz-Melzer 2023, 19-23).

Die Liste der Leitprinzipien ist nicht vollständig, sie zeigt nur die aus meiner Sicht zentralen Leitideen für Seminare oder andere Veranstaltungen für angehende Englischlehrkräfte auf als conditio sine qua non. Nur wenn diese Konzepte regelmäßig angeboten und eingesetzt werden, werden die Lehramtsstudierenden in ausreichender Qualität auf den weiteren Berufsweg vorbereitet.

Literatur

„Teachers teach as they were taught“1 – Überlegungen zur fremdsprachendidaktischen Lehre in der Hochschule und darüber hinaus

Daniela Caspari

1Einleitung: Rahmenbedingungen fachdidaktischer Hochschullehre

Die Diskussionen während der Frühjahrskonferenz 2024 haben gezeigt, dass wir uns als Lehrende und als Verantwortliche für unsere jeweiligen Lehrstühle bzw. Arbeitsgebiete hochschul- und fächerübergreifend mit ähnlichen Fragen und Herausforderungen beschäftigen. Nichtsdestotrotz, auch das haben die Diskussionen gezeigt, bestimmen die an den jeweiligen Standorten herrschenden generellen (z. B. die Vorgaben der Landesregierungen und Hochschulleitungen) sowie die spezifischen Bedingungen (z. B. die aktuelle Personalsituation) maßgeblich die Konzepte, Formate und Qualitätskriterien fachdidaktischer Hochschullehre. Generell gilt, dass das grundständige Studium für das Berufsziel „Lehrer:in einer Fremdsprache“ in hohem Maße durch die Wissenschafts- und Kultusbehörden bestimmt wird: inhaltlich durch die Vorgaben der KMK (2008/2019), zeitlich und strukturell durch die jeweils länderspezifischen Vorgaben in Hinblick auf die Anteile und die Verteilung der einzelnen Disziplinen innerhalb des Staatsexamens-Studiengangs bzw. der Bachelor- und konsekutiven Masterstudiengänge für Lehramtsstudierende. Die größte, nicht nur strukturelle, Veränderung des Lehramtsstudiums nach der Einführung von Bachelor und Master in den meisten Bundesländern in den 2000er Jahren erfolgte in den letzten Jahren durch die Einführung des Praxissemesters, das – je nach Ausgestaltung und Lesart – als besser strukturierter und erweiterter Praxisanteil oder als teilweise vorgezogener Vorbereitungsdienst betrachtet wird. So gibt es Bundeländer, in denen das Praxissemester ganz oder weitgehend in der, auch personellen, Verantwortung der Bildungsbehörden steht, und Bundesländer, in denen es in der Verantwortung der Hochschulen stattfindet. So obliegt die Betreuung der Studierenden im Praxissemester in Berlin den Hochschulen und nimmt einen großen Teil des fachdidaktischen Lehrdeputats ein.

Eine weitere relevante Rahmenbedingung ist die Doppelfunktion fachdidaktischer Lehre als Wissenschafts- und Ausbildungsdisziplin. Diese Doppelfunktion trifft ebenfalls auf Disziplinen wie Jura oder Medizin zu, allerdings wird vom Lehramtsstudium bereits in der ersten Ausbildungsphase traditionell eine stärkere Vorbereitung auf berufliche Praxis erwartet. So fordern viele Studierende insbesondere von der Fachdidaktik eine dezidiert praxisvorbereitende Lehre (vgl. auch Doll et al. 2018), wobei nicht selten eine Vorstellung von „Praxis“ vorherrscht, die im Wesentlichen auf Unterrichtsplanung und ‑durchführung reduziert ist. Die Erwartung unmittelbarer Praxisvorbereitung, die traditionell in der 2. Phase, dem Vorbereitungsdienst, stattfindet, wird in Folge des Lehrkräftemangels und der Verkürzung des Vorbereitungsdienstes inzwischen auch öffentlich sowie von „offizieller Stelle“, d. h. den Kultusbehörden und Schulen, geäußert. Besonders deutlich schlägt sie sich in der Schaffung „dualer Studiengänge“ in Brandenburg und Baden-Württemberg nieder (vgl. Hirt 2023). Ob und inwieweit die aktuell großen Anteile von Studierenden, die bereits parallel zum Studium mit teilweise hohen Deputaten und voller Klassen- bzw. Fachlehrer-Verantwortung an Schulen unterrichten (bzw. parallel zur Berufstätigkeit weiter studieren), entsprechende Erwartungen an das fachdidaktische Studium entsprechend verstärken oder sie anderweitig verändern, wird aktuell erstmals erforscht (vgl. Scheidig/Holmeier 2022).

Eine weitere für unser Thema wichtige Besonderheit fachdidaktischer Lehre besteht in der Qualifikation der Lehrenden. Die allermeisten Professor:innen haben ein Lehramtsstudium absolviert, viele ebenfalls den Vorbereitungsdienst; darüber hinaus waren viele als Fremdsprachenlehrer:innen aktiv und sie erhalten durch die Begleitung des Praxissemesters, Forschungs- und Entwicklungsprojekte fortlaufend Einblick in die schulische Praxis. Meist sind in den Arbeitsgebieten weitere Lehrende mit unterrichtlicher Praxiserfahrung tätig (wissenschaftliche Mitarbeiter:innen, Lehrkräfte für besondere Aufgaben), so dass in den Teams sowohl das Wissen über die Notwendigkeit von als auch eine gute Wissensbasis für die Entwicklung adäquater hochschuldidaktischer Lehr-/Lernformate vorhanden sein dürfte. Zudem sind die Professor:innen, zumal wenn sie an ihren Hochschulen dieses Fach alleine vertreten, für die Gestaltung der gesamten Lehre verantwortlich.

Es ist erstaunlich, dass über das zweit- und fremdsprachendidaktische Kerngeschäft „Regel-Hochschullehre“ (d. h. die Lehre außerhalb spezifischer Projekte) bislang nur wenig Austausch stattfindet. Ein Grund dafür könnte sein, dass der Aspekt „Lehre“ in besonderem Maße mit dem professionellen Selbstverständnis der Dozent:innen verbunden ist bzw. es auf den Prüfstand stellt. Nicht umsonst wurde in den Diskussionen während der Frühjahrskonferenz mehrfach die Frage nach dem beruflichen Ethos aufgeworfen, bis hin zur Frage, ob die eigene Lehre „besonders gut“ sein müsse. Daher ist es ausdrücklich zu begrüßen, dass mit diesem Band ein durchaus mutiger Schritt der Öffnung der black box fachdidaktischer Lehre gewagt wird. Dass dieses Thema auf großes Interesse stößt und sogar zur Selbstvergewisserung unserer Disziplin beitragen kann, zeigt die erste große Umfrage zur Vermittlung von fachdidaktischem Basiswissen, die Andreas Grünewald und ich durchgeführt haben: Unter den Lehrenden bestand sowohl eine hohe Bereitschaft, zu dieser Frage Auskunft zu geben (wir erhielten insg. 169 vollständig ausgefüllte immerhin 16 Seiten lange Fragebögen aus dem deutschsprachigen Raum), als auch eine für uns unerwartet hohe Einigkeit bezüglich der in einführenden Lehrveranstaltungen unterrichteten Inhalte und Zielsetzungen (vgl. Caspari/Grünewald 2022 und 2024a).

2Die Basis: Prinzipien fachdidaktischer Lehre

Konzepte, Formate und Tools fachdidaktischer Lehre hängen stark von den konkreten Rahmenbedingungen vor Ort ab: Lehre kann (und sollte) anders aussehen, wenn im Bachelor eine eigenständige Einführungsphase vorgesehen ist, als wenn die Einführungsveranstaltung gleichzeitig auf ein Praktikum mit eigener Unterrichtstätigkeit vorbereiten muss (wie ein/e Befragte:r unserer Basiswissen-Umfrage angab). Und wenn die gesamte fachdidaktische Lehre in dem einen Fach im Bachelor und im anderen im Master absolviert werden muss, sollte man bei der Planung die deutlich unterschiedlichen Lernvoraussetzungen berücksichtigen. Dasselbe gilt für Gruppengrößen: Mit 30 Studierenden sind andere Formate möglich als mit 70 oder mit vier.

Daher erscheint es mir vordringlich, sich unabhängig von den konkreten Bedingungen über generelle Prinzipien fremd- und zweitsprachendidaktischer Lehre zu verständigen (vgl. auch die Beiträge von Freitag-Hild und Siebold in diesem Band), zumal sie gleichzeitig als Qualitätskriterien dienen können. Wichtig erscheint mir dies nicht zuletzt, um zu verdeutlichen, was universitäre Lehrkräftebildung ausmacht – auch im Unterschied zur Ausbildung im Studienseminar oder in einem Vorbereitungskurs auf einen Seiteneinstieg. Ich plädiere dafür, dass diese Prinzipien auch bei der Gestaltung von spezifischen Lehrformaten für Studierende, die bereits während des Studiums individuell oder in dualen Studiengängen eigenverantwortlich unterrichten, leitend sein sollten.

Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist die bereits aus dem Jahr 1983 stammende, gleichwohl offenbar zeitlos gültige Beobachtung von Howard Altmann (1983, 19): „Teachers teach as they were taught, not as they were taught to teach“. Die mehr als 1.000 Stunden selbst erlebter Sprachunterricht während der Schulzeit1 sind für Studierende außerordentlich wirkmächtig; nicht nur, weil sie dort ja zumeist erfolgreich gelernt haben dürften, sondern vor allem, weil das Erlebte maßgeblich ihre subjektive Überzeugung prägt, wie schulisches Fremdsprachenlernen „funktioniert“ bzw. dass es am besten auf diese Weise funktioniert.2 Da selbst unangenehme Erinnerungen an den eigenen Fremdsprachenunterricht oder positive Erinnerungen an andere Sprachlernerfahrungen wie bilinguales Aufwachsen oder Auslandsaufenthalte die eigenen Schulerfahrungen nicht automatisch relativieren, besteht ein zentrales Prinzip insbesondere in den einführenden Lehrveranstaltungen darin, die eigenen Lernerfahrungen zu thematisieren und sie mit den Erfahrungen der Kommiliton:innen sowie mit fachdidaktischer Literatur zu vergleichen. Auf diese Weise kann ein Prozess angestoßen werden, den meist unbewussten learning bzw. teaching beliefs auf die Spur zu kommen, sie kritisch auf ihre Funktionalität hin zu befragen und sie entsprechend zu erweitern, zu verändern oder ggf. zu verwerfen.

In diesem 1. Prinzip wird bereits das 2. deutlich: Fachdidaktische Lehre ist wissenschaftsbasiert und theoriegeleitet. Dies legt die Grundlage dafür, dass Studierende auf der Basis des aktuellen Erkenntnisstandes Lehr- und Lernprozesse strukturiert beschreiben und analysieren können, theoriegeleitet Materialien analysieren und eine gezielte, systematische Förderung in einzelnen (Kompetenz-)Bereichen planen können. Das dafür notwendige Orientierungswissen hilft ihnen gleichzeitig, die Komplexität fremdsprachunterrichtlicher Lehr-/Lernprozesse zu strukturieren und Ansätze für Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen. Außerdem tragen diese Prinzipien dazu bei, die Fähigkeiten der Studierenden in wissenschaftlichem Denken und Arbeiten auszubauen.

Eng verbunden mit diesem Prinzip ist das der Forschungsorientierung. Es bedeutet, dass von Beginn an dezidiert forschungsintensive Momente in die Lehre integriert sind, sei es als Thema (z. B. in einem thematisch ausgerichteten Seminar, in dem unterschiedliche Zugänge zur Erforschung eines Gegenstandes miteinander verglichen werden), als Prinzip (als forschende Herangehensweise an fachdidaktische Fragen, z. B. wenn die eigene Sprachlernbiographie mit inhaltsanalytischen Verfahren ausgewertet wird) und/oder als Format (z. B. in einem Forschungspraktikum, als Praxis-Erkundungsprojekt oder als Teil des Praxissemesters, z. B. indem Unterrichtshospitationen für die systematische Erhebung und Auswertung bestimmter Unterrichtspraktiken genutzt werden).

Als weiteres Prinzip gilt: Fachdidaktische Lehre konkretisiert allgemeindidaktische und -pädagogische Prinzipien wie Lernerorientierung, Prozessorientierung, Autonomieförderung, Ganzheitlichkeit oder Kompetenzorientierung sowie Querschnittsthemen wie Inklusion, Digitalisierung oder Demokratiebildung in Hinblick auf fremdsprachliches Lernen. Dadurch werden die fremdsprachlichen Fächer im Kanon der anderen Fächer sowohl in ihrem allgemeinen Bildungsauftrag als auch in ihrer Spezifik erkennbar.

Als Prinzipien für die methodische Gestaltung der Lehre schlage ich Ziel- und Produktorientierung, Funktionalität und Transparenz vor. Das bedeutet, dass am Beginn des Planungsprozesses die mit der jeweiligen Lehrveranstaltung angestrebten Ziele konkretisiert und die Inhalte auf diese Zielsetzungen hin funktional ausgewählt und strukturiert werden. Das Gleiche gilt für die Wahl der Lehr- und Lernformen, auch sie sollten funktional auf die Zielsetzungen und die zu erbringenden Lernprodukte bzw. die Prüfungsform hin ausgewählt werden. Es zeichnet fachdidaktische Lehre aus, dass sie diese inhaltlichen und methodischen Planungsentscheidungen begründet und transparent macht und die Studierenden im Verlauf des Studiums zunehmend daran beteiligt. Die Bewusstmachung auf der Meta-Ebene verfolgt das Ziel, dass die Studierenden die zugrundeliegenden Prinzipien erkennen und die Lehrveranstaltung als ein Beispiel für die Planung von Lehr-/Lernprozessen wahrnehmen. Zusätzlich integriere ich in die laufenden Seminarsitzungen punktuelle Reflexionen, in denen ich meine inhaltlichen oder methodischen Entscheidungen auf der Meta-Ebene erkläre, problematisiere und Handlungsalternativen reflektiere bzw. Möglichkeiten der Umsetzung des gerade erlebten Vorgehens im fremdsprachlichen Klassenzimmer skizziere. Ziel all dieser Maßnahmen ist es, (reflektiertes) Modellernen, auch im Sinne Altmanns (1983, 19), anzuregen („Teachers teach, as they were taught …“).

Diese punktuellen Einschübe sind ebenfalls Bestandteil des durchgängigen Anwendungsbezugs fachdidaktischer Lehre. Da der Begriff Praxisbezug, wie ich oben angemerkt habe, von Studierenden oft stark verkürzt verstanden wird, bevorzuge ich den Begriff Anwendungsbezug, um die durchgängige Bezugnahme auf erinnerte und zukünftige, reale, aufgezeichnete und imaginierte (Fremdsprachen-)Lehr- und -lernsituationen zu charakterisieren. Anwendungsbezug bedeutet insbesondere, dass Theorien, Konzepte und Ergebnisse aus Spracherwerbsforschung, Fremdsprachenforschung und Bezugswissenschaften nie „um ihrer selbst willen“ thematisiert werden, sondern stets verwendet werden, um Konzepte, Aspekte oder Methoden des Fremdsprachenlehrens- und ‑lernens zu analysieren, zu erklären, zu illustrieren, zu diskutieren etc. Wenn möglich, geschieht dies außerdem unter Rückbezug auf eigene Lehr- und Unterrichtserfahrungen (s. o.). Zum Anwendungsbezug gehört ebenfalls, dass Studierende in den Lehrveranstaltungen für die Erarbeitung fachdidaktischer Themen didaktische Verfahren verwenden, die auch im Fremdsprachenunterricht üblich sind, wie Podiumsdiskussion, Stationenlernen, Wandzeitungen mit gallery walk, Erstellen von Wikis etc. Dieses Prinzip kann auch auf die konzeptionelle Gestaltung einer ganzen Lehrveranstaltung angewendet werden: So gestalten wir das Vorbereitungsseminar auf das Praxissemester nach dem Prinzip des pädagogischen Doppeldeckers als Lernaufgabe (vgl. Caspari/Noack-Ziegler 2023).

Damit das Ziel der Ausbildung zukünftiger Lehrpersonen als „reflective practicioners“ (Schön 1983) gelingen kann, ist es sinnvoll, ein durchgängiges fachdidaktisches Curriculum zu gestalten, das den entsprechenden Prinzipien folgt. Wie das in unserem Arbeitsbereich an der Freien Universität für die Ausbildung von Reflexionskompetenz konkretisiert wird, kann man in Caspari (2020) nachlesen.

3Grundsteinlegung möglich: Die Gewinnung und Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses

In den Augen von Studierenden, Kolleg:innen anderer Disziplinen, der Bildungsverwaltungen und nicht selten auch der Universitätsleitungen besteht unsere zentrale Aufgabe in der Aus- bzw. Fortbildung von Lehrpersonen. Dass die Fachdidaktik bzw. Fremdsprachendidaktik gleichzeitig eine eigenständige Forschungsdisziplin darstellt, dringt zumindest bei Letzteren inzwischen langsam ins Bewusstsein, nicht zuletzt durch die Qualitätsoffensive Lehrerbildung, durch die erstmals flächendeckend größere Summen an Drittmitteln für fachdidaktische Forschung ausgeschüttet wurden. Außerdem trug sie meiner Beobachtung nach nicht unerheblich dazu bei, dass durch die angestoßenen fächer- und universitätsübergreifenden Projekte fachdidaktische Forschung aus ihrer Vereinzelung („Nischenexistenz“?) heraustreten konnte und, unabhängig von schon zuvor sichtbaren einzelnen Akteur:innen, sowohl innerhalb der Universitäten als auch in den Ministerien als eigenständige Fächergruppe wahrgenommen wurde. Deutlich wurde durch die Qualitätsoffensive ebenfalls, dass es gar nicht einfach war, die nun plötzlich vorhandenen zahlreichen fachdidaktischen Stellen adäquat zu besetzen, so dass endlich auch die strukturelle Dimension fachdidaktischer Nachwuchsförderung über unsere individuellen Standorte hinaus in den Blick geriet.

Wie können Studierende, die ihr Lehramtsstudium ja in aller Regel mit dem Ziel aufnehmen, als Lehrer:innen in Schulen tätig zu werden, für eine Tätigkeit in der Fremdsprachenforschung interessiert werden? Dass es keine allgemeingültige Antwort gibt, zeigt eine Befragung von fachdidaktischen Kolleg:innen, die Andreas Grünewald und ich durchgeführt haben (vgl. Caspari/Grünewald 2024b). Mit dieser Befragung verfolgten wir das Ziel, über unser Tätigkeitsfeld, das von Externen ja immer nur ausschnittweise wahrgenommen wird, zu informieren und – auch im Sinne der Nachwuchsgewinnung – zu informieren. Eine der Fragen lautete, wie die Befragten in den Beruf gefunden haben. In den Antworten (vgl. ebda., 37-39) wird deutlich, dass neben Zufällen prägende Begegnungen z. B. mit Betreuer:innen oder Kolleg:innen sowie eine erfolgreiche Abschlussarbeit eine wichtige Rolle spielten.

Daher sollte an Standorten, an denen eine fachdidaktische Staats- bzw. Masterarbeit möglich ist, diese gezielt für die Ansprache und Ausbildung interessierter Studierender genutzt werden. An der Freien Universität tun wir dies im Masterarbeitsmodul, in dem die Studierenden über ein Semester hinweg an einem stark strukturierten Kolloquium teilnehmen. Sie starten mit der Absicht „Ich möchte in Fachdidaktik Französisch/Italienisch/Spanisch schreiben, weiß aber noch nicht so genau, wozu und wie“ und werden dabei angeleitet und begleitet, nach zwölf Seminarsitzungen ein Exposé für das eigene Projekt erstellt zu haben. Durch den Seminarverband lernen die Studierenden die Themen ihrer Kommiliton:innen kennen und weiten dadurch ihren fachdidaktischen Horizont. Durch ihre enge Zusammenarbeit in Tandems/Tridems über das Semester hinweg, verbunden mit der Verpflichtung zu gegenseitigen Rückmeldungen für die nach und nach zu verfassenden einzelnen Abschnitte des Exposés, wird die für einen Forschungsprozess notwendige kriteriengeleitete Beurteilung und Distanznahme auch gegenüber dem eigenen Projekt gefördert. Dank dieses Masterkolloquiums sind im Laufe der Jahre eine Reihe qualitativ hochwertiger Arbeiten entstanden, die im FU-Dokumentenserver refubium1 oder als Artikel in Praxiszeitschriften veröffentlicht werden konnten. Für empirische Arbeiten wäre zusätzlich eine Arbeitsteilung mit den Erziehungswissenschaften wünschenswert, zumal die Studierenden im vorangehenden Praxissemester dort ein empirisch ausgerichtetes Lernforschungsprojekt durchführen. Da an unserer Universität in diesem Kontext jedoch keine qualitativen Forschungsmethoden gelehrt werden, müssen diese im Rahmen des fachdidaktischen Kolloquiums erworben werden. Der damit verbundene Paradigmenwechsel fällt Studierenden erfahrungsgemäß recht schwer.

Dass die in Abschnitt 2 angeführten forschungsintensiven Momente in der Lehre eine wichtige Vorbereitung auf eine fachdidaktische Abschlussarbeit darstellen, versteht sich von selbst, ebenso die Darstellung der eigenen Tätigkeit der Dozent:in als Forscher:in. Hilfreich ist sicher auch die Einbindung von Studierenden bereits während des Studiums und für die Abschlussarbeit in laufende Forschungsprojekte des Arbeitsgebiets, nicht zuletzt durch eine Tätigkeit als studentische/r Mitarbeiter:in.

Wichtiger als die fachdidaktische Lehre dürfte für die Gewinnung und insbesondere für die Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs jedoch die Schaffung eines Umfeldes sein, das es ermöglicht, interessierte Studierende und Lehrpersonen in professionelle Lerngemeinschaften einzubinden, seien es, auch standortübergreifende, Tandems/Tridems, die zu ähnlichen Themen oder mit ähnlichen Methoden forschen, seien es Kolloquien, Sommerschulen und Nachwuchstagungen oder institutionenübergreifende Netzwerke. Sie unterstützen ebenfalls den für fremdsprachendidaktische Forschung notwendigen Rollenwechsel von dem/der Praktiker:in zur Wissenschaftler:in. Förderlich ist ebenfalls die, auch zeitlich begrenzte, Abordnung aus der Schule an die Hochschule oder die Möglichkeit einer „dualen Promotion“ in Verbindung mit dem Referendariat (bislang an den Universitäten Bremen und Kassel möglich).

4Mehr als „nice to have“: Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen bzw. von Quer- und Seiteneinsteiger:innen

An der Fort- und Weiterbildung sind zahlreiche Akteure beteiligt: Kultusministerien und Landesinstitute, Verbände und Verlage, Stiftungen und Kulturinstitute und nicht zuletzt die Schulen selbst, die ganz unterschiedliche Angebote von unterschiedlicher Dauer und mit unterschiedlichen Zielsetzungen anbieten. Universitäten als Institutionen und einzelne Lehrende werden meiner Beobachtung nach für die Beteiligung an der sog. 3. Phase eher unsystematisch angefragt, außer es bestehen, z. B. bei Verlagen durch die Mitwirkung an Lehrwerken oder bei Landesinstituten z. B. durch die Mitwirkung an Rahmenlehrplänen, bereits persönliche Kontakte.