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Die Digitalisierung der Arbeitswelt und unseres Alltags führt dazu, dass wir uns häufig wie "zerfasert" fühlen. Multitasking, ständige Unterbrechungen, oberflächliches Abarbeiten von Aufgaben führen zu Stress und überlasten das Gehirn. Mit Blick auf neue Erkenntnisse aus der Hirnforschung zeigt Cordula Nussbaum wie es gelingt, den Fokus wieder auf das zu richten, was wesentlich ist – im einzelnen Moment, aber auch ganz grundsätzlich im eigenen Leben. Ziel ist es, im Umgang mit der eigenen Zeit und den eigenen Ressourcen stärker selbstbestimmt zu agieren. Dank neuer, positiver Gewohnheiten gönnen wir unserem Kopf echte Pausen, gewinnen mehr Zeit für Dinge, die uns wichtig sind und verbessern langfristig auch unser Miteinander.
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Seitenzahl: 261
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© eBook: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
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Projektleitung: Nikola Teusianu
Lektorat: Ulrike Schöber
Covergestaltung: ki 36 Editorial Design, Petra Schmidt
eBook-Herstellung: Jie Song
ISBN 978-3-8338-9111-3
1. Auflage 2023
Bildnachweis
Illustrationen: Claudia Klein
Fotos: iStock, Shutterstock
Syndication: www.seasons.agency
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Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.
… du häufiger als früher Dinge vergisst oder das Gefühl hast, »hirnlos“ durch den Alltag zu taumeln.
… du unter »Brainfog« leidest, dir also klares Denken schwerfällt, du dich nicht konzentrieren kannst, deine Gedanken ständig abschweifen, du dich wie betäubt und in Watte gepackt fühlst und der Blick auf das Wesentliche »vernebelt« ist.
… sich dein Alltag wie zerfasert anfühlt, so, als bestünde er aus lauter kleinem Zeitkonfetti.
… du den Kopf so voller Aufgaben, Verpflichtungen, Sorgen, Entscheidungen und Kleinkram hast, dass letztlich das Wichtige hinten runterfällt.
… du permanent auf dein Handy schaust, deine E-Mails checkst und auch ansonsten ständig »on« bist.
… du dich für die Funktionsweise deines Gehirns interessierst – und dafür, wie du es gesund erhältst.
… du dir mehr Konzentration, mehr Kreativität und Leichtigkeit und klarere Gedanken wünschst.
… du wissen willst, wie du zum aktiven Gestalter deiner Zeit werden kannst.
… du dich nach Stille, Ruhe und Entschleunigung sehnst.
Tipp: Hole dir dein Gratis-Workbook mit wertvollen Übungen online unter https://kreative-chaoten.com/kopf-voll-hirn-leer/ und setze die Impulse aus diesem Buch gleich um.
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich wünsche dir …
einen Kopf voller Ideen,
ein waches Hirn,
einen klaren Geist,
ein warmes Herz.
Ich wünsche dir …
Momente der inneren Stille,
Augenblicke der Konzentration,
Atemzüge der Entspannung,
Stunden der Gelassenheit.
Ich wünsche dir …
ruhigen Genuss,
gespannte Begeisterung,
lebhaftes Prickeln,
erfrischende Zeiten.
Möge dieses Buch deinen Kopf so frei
und dein Hirn so kraftvoll machen,
wie du es dir wünschst!
Cordula Nussbaum
Wann hast du das letzte Mal etwas im Chaos deines Alltags komplett vergessen? Die Kunden-Mail an die Kollegin weiterzuleiten? Das Paket auf dem Heimweg in die Packstation zu legen? Vielleicht hast du dir mit der Hand an die Stirn geschlagen und gesagt: »Ich Idiot, das habe ich total vergessen!«
Auch wenn du nicht so abfällig mit dir reden solltest – neurobiologisch warst du mit dieser Geste ganz richtig. Denn im Stirnhirn (präfrontaler Cortex) sitzen einige Schaltzentralen, über die wir mit unserer Umwelt in Verbindung stehen, und mit ihnen versuchen wir, im Alltagsstress alle Bälle in der Luft zu halten. In der drei Millimeter dicken Schicht unserer Hirnrinde (Cortex) geht das Drama bereits los, warum wir den Kopf häufig so voll haben, uns ausgelaugt und erschöpft fühlen und einfach nicht mehr abschalten können. Unter unserer Kopfhaut stellen Neuronen, also Nervenzellen, die ersten Weichen dafür, ob wir gelassen durch die Welt gehen und unser Arbeitspensum locker handhaben oder ob uns Infoflut und Zeitfragmentierung (also die Zerstückelung unserer Zeit) zermürben und unser Hirn abschaltet.
Als ich Kunden, Kollegen und Bekannten von meiner Arbeit an »Kopf voll, Hirn leer« erzählte, riefen viele spontan: »Dieses Buch brauche ich unbedingt!«, und erzählten mir ihre persönlichen »Kopf voll, Hirn leer!«-Erlebnisse. Da berichtete die 32-jährige Daniela von einem Mittwochmorgen, als sie beide Kinder ins Auto verfrachtete, den Laptop unter den einen Arm geklemmt, Windeltasche und Kita-Beutel unter den anderen, im Kopf nochmals die Präsentation für 9.15 Uhr durchgehend – und feststellte: Der Schlüsselbund liegt im Haus! Ausgesperrt! »Und so was passiert mir ständig!«
Da schilderte der 46-jährige Thomas, er hetze durch die Tage, ein Ohr ständig am Handy, das andere offen für Mitarbeiter, seine Frau, seine Kinder. Eingehende Nachrichten scanne er nur oberflächlich, an Meetinginhalte könne er sich nicht mehr erinnern, kaum dass er aus dem (virtuellen) Meetingraum sei. »Meine Frau wirft mir ständig vor, dass ich zwar körperlich anwesend bin, aber nie wirklich da. Ich frage mich manchmal, wo ich bin, wenn ich nicht bei mir bin.«
Wie oft passiert es auch dir, dass du den Kopf so voller Aufgaben, Verpflichtungen, Sorgen, Entscheidungen und Kleinkram hast, dass letztlich das Wichtige hinten runterfällt? Wie oft fühlst du dich getrieben vom nicht abreißenden Strom der »Must-dos« und der Zerstückelung deines Alltags in lauter kleine Zeitschnipsel, in unbrauchbares »Zeitkonfetti«? Wie stark zerfasern deine digitalen Gadgets deine Aufmerksamkeit, fressen E-Mail-Flut und Chatnachrichten deine Zeit?
Viele Menschen jonglieren mit allen Anforderungen im privaten und beruflichen Alltag und fühlen sich bereits komplett erschöpft allein beim Anblick ihrer Kalendereinträge. Sie erledigen Vieles nur noch schnell und oberflächlich – Hauptsache es ist fürs Erste abgehakt. Das bringt gelegentlich einen kurzen Erfolg, der sie auf Touren hält, aber dann sind sie umso mehr erschöpft von dem, was sie nicht erledigt bekommen.
Viele Menschen berichten mir, sie würden sich Bücher kaufen, die dann ungelesen auf dem Wohnzimmertisch liegen, weil sie immer »noch eben mal schnell« was in den sozialen Medien lesen oder weil sie nicht über die ersten Seiten hinauskommen. »Ich ertappe mich dabei, wie ich eine Seite eines neuen Romans wieder und wieder lese, nichts davon aufnehme, weil meine Gedanken ständig springen«, berichtet ein 36-jähriger Bauzeichner. Andere beschreiben ein undefinierbares Gefühl der Betäubung, des Nebels im Kopf, aber sie würden es einfach nicht schaffen, diesen Nebel zu lichten.
Brainfog und Erschöpfung greifen um sich.
Als »Brainfog« – Gehirnnebel – bezeichnen Fachleute es, wenn klares Denken schwerfällt, wir uns nicht konzentrieren können, die einfachsten Sachen vergessen, unsere Gedanken ständig abschweifen, wir uns wie betäubt und in Watte gepackt fühlen und der Blick aufs Wesentliche »vernebelt« ist. Das Gefühl kennst du vielleicht, wenn du nach einer harten Party am nächsten Morgen einen schmerzhaften Hangover hast – nur dass Brainfog völlig ohne stoffliche Drogen entsteht.
Brainfog, das Gefühl, nicht ganz wach und aufmerksam zu sein, nicht konzentriert und fokussiert zu sein, ist keine Krankheit, sondern eine häufige Folge von Stress und Angstzuständen, manchmal von falscher Ernährung, zu wenig Bewegung und sehr häufig die Folge von Reizüberflutung und Aufgaben-Hopping. Es ist ein Warnsignal unseres Gehirns, dass irgendetwas in unserem Leben und in unserem Körper aus dem Gleichgewicht geraten ist und wir uns dringend darum kümmern sollten.
Wie du dein Gehirn mit guter Ernährung, Entspannung und Bewegung (wieder) auf »aufmerksam« polen kannst, das schauen wir uns später genauer an. Doch nur auf der körperlichen Ebene unser Gehirn zu stärken wird dein »Kopf voll, Hirn leer«-Problem nicht dauerhaft lösen. Viel besser ist es, wenn du von Grund auf deinen Alltag überprüfst, und dann die Maßnahmen ergreifst, die in deinem Leben eine echte Verbesserung bringen. Dabei kannst du auf Jahrhunderte an Erfahrung zurückgreifen, denn unsere Probleme haben eine lange Vorgeschichte.
Bereits im Mittelalter klagten Mönche offenbar über Aufmerksamkeitsprobleme und geistige Erschöpfung1. Schon 1893 schrieb der Nervenarzt Wilhelm Erb: »Alles geht in Hast und Aufregung vor sich, die Nacht wird zum Reisen, der Tag für die Geschäfte benützt; selbst die Erholungsreisen werden zu Strapazen für das Nervensystem.«2 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte »Neurasthenie« (chronisches Erschöpfungssyndrom) Mitteleuropa im Griff und Menschen wie Franz Kafka reisten an den Gardasee, um sich heilen zu lassen.3
Heute nennen wir es Hurry Sickness oder Burn-out, und technisch betrachtet gibt es kaum ein Entrinnen: Selbst Regionen, die kein Kabel und wenig Funkmasten haben und in den letzten Jahren als »netzfreie Zone« clever zu »Digital Detox-Kuren« einluden, sind heute dank Elon Musks Satelliten-Internet Starlink rund um die Uhr online angebunden.
Das englische Wort »wired« bedeutet »online« sein, aber auch, dass man sich in einem manischen, überdrehten Zustand befindet. Wie treffend, oder? Wischen, Scrollen und Tippen ist die neue Dauerbeschäftigung, selbst beim Essen und im Bett. Wir sind psychisch nur noch selten an dem Ort, an dem wir uns physisch gerade befinden.
Bist du »wired« oder noch gelassen?
Tempo, Taktung und Erreichbarkeit haben in unserer Hochleistungsgesellschaft angezogen. Immer schneller sind Aufgaben zu erledigen, immer enger werden Zeitpläne, immer kürzer können wir fokussiert bei einer Aufgabe bleiben. Dank digitaler Arbeitsmöglichkeiten sind wir örtlich und zeitlich flexibel, doch die Entgrenzung fordert ihren Preis: Unternehmen die Work-Life-Blending fördern, also eine entgrenzte Vermischung von Privatleben und Job, gelten zwar als familienfreundliche Arbeitgeber. Doch wer damit in die Pflicht genommen werden kann (oder sich selbst in die Pflicht nimmt), wiederholt nachts um vier Uhr an einem wichtigen Call mit Tokio teilzunehmen, der spürt die negativen Folgen der Digitalisierung sehr schnell.
So fein Onlinemeetings auch sind (weniger Umweltbelastung durch Verkehr, mehr Gemütlichkeit im Schlabberlook unter der Schreibtischkante), so negativ wirken sie sich auf unsere Taktung aus! Musstest du früher zumindest noch den Meetingraum wechseln und hattest dadurch ein paar Minuten »Luft« und Bewegung, so ist heute bei vielen Berufstätigen der nächste Termin nur einen Mausklick entfernt. Auf der Strecke bleiben Pausen, Beine-Vertreten, Durchatmen – und auch das Reflektieren und Verarbeiten der bisherigen Informationen.
Parallel zu nutzende Kommunikationskanäle wie Chatprogramme, E-Mail und soziale Medien erzeugen den Sog der permanenten Erreichbarkeit und zerstückeln (fragmentieren) unsere Zeit. Wir switchen im Höchsttempo von einer Anfrage zur nächsten oder versuchen, im Multitasking-Modus allen gleichzeitig gerecht zu werden. Mit fatalen Folgen! Seit 15 Jahren klettert der Krankenstand in Deutschland kontinuierlich an. Im Jahr 2023 hatten wir mit 6,5 Prozent den höchsten Krankenstand seit Beginn der statistischen Erfassung vor 32 Jahren.4
Doch viele Menschen machen trotz heftigster Stresssymptome weiter. Sie leben ein »Burn-on«. Sie peitschen sich immer wieder selbst an: »Mach weiter! Mach weiter! Mach weiter!« Langfristig tun sie sich allerdings mit ihrem Einsatzwillen keinen Gefallen. Denn wir wissen inzwischen nicht nur aus sämtlichen medizinischen Bereichen, wie negativ sich Stress auf unsere körperliche und mentale Gesundheit auswirkt. Auch die neuesten Forschungen der Neurowissenschaft belegen immer deutlicher, dass Dauerstress, Multitasking und Fragmentierung verheerende Schäden in unserem Gehirn anrichten: von Kopfweh über Brainfog, zu Aufmerksamkeitsstörung, Depression bis hin zur Demenz.
Wie gut, dass angesichts der mentalen Belastungen mittlerweile auch Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden unterstützen und unter Schlagworten wie Resilienz, Mental Health (mentale Gesundheit) und Selbstfürsorge entsprechende Workshops anbieten.
Gerade in den Disziplinen der Neurowissenschaften haben Forscher:innen rund um den Globus in den letzten Jahren Verblüffendes herausgefunden, was in unserem Gehirn beim Denken, Schlafen oder beim Sex abläuft. Sie versuchen, mithilfe bildgebender Verfahren (Neuro-Imaging) sichtbar zu machen, wie Neuronen dafür sorgen, dass wir sehen, hören, schmecken, riechen und fühlen können. Sie verfolgen die Spuren unserer Sinneswahrnehmungen durch unser Nervensystem, erforschen, wann und was wir wahrnehmen, erkunden die Abläufe in unserem Belohnungssystem bis hin zu unseren Handlungen und entdecken dabei ständig neue Zusammenhänge.
Mythencheck: Viele »Wahrheiten« gelten heute nicht mehr!
Viele bisher »unumstößliche« Wahrheiten über unser Gehirn können wir nach dem heutigen Stand der Forschung ad acta legen. So gilt es heute als Mythos, dass wir eine linke »logische« Hälfte und eine rechte »kreative« Gehirnhälfte haben. In beiden Gehirnhälften sind die meisten Gehirnregionen paarig und spiegelgleich angelegt, und steuern unseren Körper über Kreuz: Die rechte Körperseite wird bei den meisten Menschen von der linken Gehirnhälfte koordiniert, die linke Körperseite von der rechten. Wir haben unter anderem zwei Mandelkerne (Amygdala), zwei Thalami, zwei Hippocampi. Nur kleine Areale der Sprachverarbeitung finden sich jeweils nur auf einer Gehirnhälfte.
In diesem Buch tauchen wir im Sinne der Neuropsychologie in das ein, was unser Erleben, Denken und Verhalten verbindet und leiten Strategien ab, die dir helfen, deinen Kopf freizubekommen und dein Gehirn kraftvoll zu nutzen. Freue dich dabei auf taufrisch überprüfte Impulse und auf deren neurowissenschaftliche Grundlagen. Seit rund 20 Jahren beschäftige ich mich als Wirtschaftspsychologin und Coach sowie als Buchautorin, Bloggerin und Podcasterin damit, welche Facetten unserer Persönlichkeit für unseren Erfolg oder unseren Misserfolg verantwortlich sind. Sei es, um ein optimales, individuelles Zeitmanagement zu entwickeln oder um den eigenen Weg zu einem glücklichen und erfüllten Leben zu gehen. Immer tiefer tauchte ich dabei in die Erkenntnisse der Neurowissenschaften ein und versuchte, die komplexen Vorgänge zwischen Amygdala und Zirbeldrüse für unseren persönlichen Erfolg anschaulich und verständlich zu »übersetzen«.
In den letzten Jahren verbrachte ich mehrere tausend Stunden damit, die neuesten Erkenntnisse aus der Gehirnforschung zu erkunden und auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen. Ich arbeitete mich durch hunderte neue Bücher, Studien und Fachaufsätze und absolvierte intensive Weiterbildungen wie »Grundlagen der Neurobiologie« bei Professor Gerhard Roth (»Psychoneurowissenschaften«) oder die zweijährige Weiterbildung »Master of cognitive neuroscience (aon)« mit Vorlesungen und Masterarbeit bei anerkannten Professoren deutscher Lehrstühle wie Tobias Esch (»Die Neurobiologie des Glücks«), John-Dylan Hayes (»Fenster ins Gehirn«) oder Thomas Münte. Herzlichen Dank an dieser Stelle an aon/AFNB-Geschäftsführer Torsten Seelbach, der »Kopf voll, Hirn leer!« neuro-fachlich gecheckt hat.
Was mich persönlich erstaunt hat: Je tiefer ich in den Aufbau und in die Aufgaben unserer Denkzellen eingetaucht bin, desto mehr habe ich gesehen, dass trotz bildgebender Verfahren und aufwändiger Studiendesigns die Forscher nach wie vor keine absolute »Wahrheit« finden, sondern sie sprechen selbst von Annahmen, Konstrukten und Theorien.
Zum Beispiel schauen wir uns später an, wie unsere bewusste und unsere unbewusste Wahrnehmung unseren Kopf füllt. Ich fragte mich, was im Oberstübchen dazu führt, dass etwas, was wir hören, sehen, schmecken, fühlen oder riechen die Schwelle von unbewusst (subliminal) zu bewusst (supraliminal) übersteigt – und erhielt darauf unterschiedliche Antworten. Manche Neurowissenschaftler meinen, dass ein Reiz unbewusst bleibt, wenn unsere Gehirnzellen nur schwach aktiviert werden, während ein bestimmtes Erregungsniveau für Bewusstwerdung sorgt (Aktivitätslevel-Theorie). Andere meinen, wenn mehrere im Hirn verteilte Regionen verstärkt interagieren und ihre Neuronen synchron feuern, dann würde auch Bewusstsein herrschen. Dritte nehmen als Kriterium, was wir auf Nachfrage berichten könnten oder auf was wir reagieren würden, hätten wir auch bewusst wahrgenommen – sonst könnten wir ja nicht darüber reden oder entsprechend der Wahrnehmung handeln.5 Und wenn du einen Neurophilosophen fragst, dann ist der wiederum überzeugt, dass niemand allein anhand der Hirnaktivität aufzeigen kann, ob wir einen Reiz bewusst wahrnehmen oder nicht und stellt gleich das ganze Thema »Bewusstsein« in Frage.6
Es gilt offenbar das Zitat von Albert Einstein: »Je mehr ich weiß, desto mehr weiß ich, dass ich nichts weiß!« Je detaillierter Wissenschaftler in unseren Körper eintauchen, desto mehr sehen wir, dass es noch sehr viel zu entdecken gibt. Ein Ende der Reise in die neuronale Wunderwelt ist definitiv nicht in Sicht und wir werden noch viele spannende Entdeckungen feiern können. Was wir aktuell wissen, das möchte ich dir so einfach und pragmatisch wie möglich zugänglich machen, damit du (wieder) die Hoheit über deinen Kopf übernehmen und selbstbestimmt ein erfülltes, gelassenes und glückliches Leben führen kannst.
Unser Gehirn ist unsere Schaltzentrale und bestimmt alles, was wir tun, und auch das, was wir unterlassen. Ich bin fest davon überzeugt, je besser wir verstehen, wie wir »ticken«, desto aktiver können wir unser Leben nach unseren eigenen Vorstellungen gestalten, statt passiv das hinzunehmen, was uns geschieht.
Lass uns also den Vorhang lüften, was in deinem Gehirn passiert und wie du die neurologischen Prozesse zu deinem Vorteil nutzen kannst. Packe dir ein wenig Theorie drauf – die Lesezeit wird sich zigfach für dich auszahlen. Wenn du die Grundprinzipien der mentalen Abläufe verstanden hast, wenn du einen klaren Blick auf deine inneren Prozesse hast und damit »mindsight«7 auf dein Mindset, dann kannst du den Autopiloten abstellen und selbstbestimmt dein Leben gestalten.
Das erlebe ich täglich in der Arbeit mit meinen Coaching-Klienten: Sobald sie vom Kopf her verstanden haben, was sie mental »triggert«, können sie plötzlich sehr viel leichter eine gewünschte Haltung oder Gewohnheit verstärken oder ablegen.
Du erwirbst hier wertvolle Schlüsselkompetenzen (Soft Skills, Future Skills), die dich in deinem beruflichen und auch im privaten Leben enorm voranbringen können – unabhängig von konkreten Themen oder Situationen. Mein Ziel ist es, dass du deine Gehirnpsychologie besser verstehst, damit du ab sofort bewusst darüber entscheiden kannst, wie du deine Mindpower einsetzen willst, aus welchen (hinderlichen) Mustern und Glaubenssätzen du aussteigen willst und wie du machtvoll deine Gewohnheiten ändern kannst.
Bevor wir tiefer einsteigen, noch eine gute Botschaft: Wenn uns das Gefühl drückt, den Kopf viel zu voll zu haben, so ist das per se gar keine schlechte Nachricht. Denn im Oberstübchen speichern wir vieles ab, was uns das Leben erleichtert (Gewohnheiten), was uns innerlich wachsen und reifen lässt (Erfahrungen), was uns freut oder ängstigt (Emotionen) und natürlich das, was wir im Laufe unseres Lebens gelernt haben (Wissen, Fertigkeiten). Den Kopf von all diesen Dingen zu befreien kann also nicht unser Ziel sein. Es reicht völlig, wenn wir uns gelassen diejenigen Areale vornehmen, die »zu voll« sind und die uns Stress verursachen, den Schlaf rauben, uns erschöpfen, uns Kraft kosten.
Deshalb sprechen wir auch nicht im wahrsten Sinne des Wortes von »Hirn leer«. Denn solange du lebst und nicht hirntot bist, werden Wissen, Emotionen, Erfahrungen und vieles mehr unter deiner Schädeldecke pulsieren. Warum wir dennoch Momente des Blackouts erleben oder das Gefühl haben, hirnfrei zu agieren, das schauen wir uns später genauer an. Auch hier die gute Botschaft vorab: Wenn du »hirnfreie« Momente erlebst, dann ist nur ein Teil deines Gehirns außer Gefecht gesetzt – und auch das können wir mit sinnvollen Strategien beeinflussen.
Halten wir an dieser Stelle also fest, dass »Kopf voll! Hirn leer!« keine neurowissenschaftliche Aussage ist, sondern eine Metapher für das Chaos im Kopf, das wir in unserer schnellen, digitalisierten, fragmentierten, dynamischen (Arbeits-)Welt jeden Tag erleben. Wir verwenden die Begriffe »Kopf voll!« und »Hirn leer!« als Sinnbilder unserer Befindlichkeit und unseres Gefühls, die sich in mehreren Regionen unseres Gehirns abspielen, und nicht in ihrer biologisch korrekten Bedeutung.
Brechen wir auf zu einer Reise in die wundervolle Welt zwischen unseren Ohren und zu den wirksamsten Strategien, um deinen Kopf freizubekommen, dein Gehirn fokussiert nutzen zu können und endlich (wieder) dein Leben zu genießen. »Kopf voll, Hirn leer« wird dich unterstützen, bewusster zu handeln, dich stärker auf das Wesentliche zu konzentrieren, produktiver zu sein und gleichzeitig auch unter Druck gelassener zu bleiben.
Dabei folgen wir dem Weg durch dein Gehirn, den alle Informationen aus dem Außen und Innen nehmen von den Sinnesorganen ins Ultrakurzzeitgedächtnis. Wir klären, warum Dopamin und dein Belohnungssystem deinen Kopf schneller füllen, als dir manchmal lieb sein mag. Dann schauen wir uns an, wie Stress dein Hirn ausknipst – und was du dagegen tun kannst. Auch dein Bild von der Welt, deine Wahrnehmungen und Überzeugungen rücken wir ins Scheinwerferlicht, und zum Schluss schaffen wir die besten Grundlagen, damit du ab sofort fokussiert und kraftvoll durchs Leben gehen kannst.
Du wirst mit sofort umsetzbaren Brainhacks nach jedem Kapitel neue Mikrogewohnheiten in deinem Alltag etablieren können. Das sind kleine Veränderungen, die dir helfen – im einzelnen Moment, aber auch ganz grundsätzlich im eigenen Leben –, gelassener mit der eigenen Zeit und den eigenen Ressourcen umzugehen und stärker selbstbestimmt zu agieren. Neue, positive Gewohnheiten verschaffen deinem Kopf echte Pausen, machen dein Hirn zur kraftvollen Schaltzentrale und ganz nebenbei können die Strategien sogar dazu beitragen, dass du ein besserer Partner, eine bessere Partnerin, eine bessere Mutter, ein besserer Vater, eine bessere Kolleg:in, eine bessere Führungskraft wirst. Denn: Je mehr du kraftvoll in dir ruhst, desto besser läuft das Miteinander mit anderen Menschen.
Unter https://kreative-chaoten.com/kopf-voll-hirn-leer/ findest du einen geschützten Bonusbereich, in dem du in einige Themen tiefer eintauchen kannst (Deep-Dives) sowie ein Workbook zum Download mit Platz für deine Notizen. Lade es dir herunter, du kannst damit den Erfolg für dein Kopf-Frei-Training enorm erhöhen. Das Passwort zum geschützten Deep-Dive-Bereich lautet »hirn&herz«.
Viel Spaß beim Lesen und Umsetzen wünscht dir
Cordula Nussbaum
Rund um die Uhr treffen Sinnesreize in unserem Gehirn ein und verbinden uns mit der Welt. Doch auf Dauer schadet die schiere Masse an Reizen unserem Gehirn und unserer Gesundheit. Bist du bereit, dem ein Ende zu setzen und – wieder – einen gesunden Umgang mit der Reizüberflutung zu finden?
Die reizvolle Landschaft. Die Tätigkeit, die uns reizt. Der poetische Reiz einer Novelle. Die liebreizende Prinzessin. Das Anreizprogramm für treue Kunden. Der Reiz des Neuen. Einer Sache keinen Reiz abgewinnen können. Wir reagieren gereizt. Wir leiden am Reizdarm-Syndrom. Der Geruch reizt unsere Schleimhäute. Wir essen reizfreie Schonkost. Die reizlose Schauspielerin. Die Reizüberflutung zermürbt uns.
Die deutsche Sprache ist voll von Redewendungen über all die inneren und äußeren Reize, die aus unserem eigenen Körper oder der Umwelt kommen. Reize von innen informieren uns über Schmerzen, Kälte- oder Hitzeempfindungen, über Stellung oder Bewegungen unseres Körpers, über Hunger oder Harndrang. Von außen treffen Reize auf die Rezeptoren unserer Sinnesorgane Augen, Ohren, Zunge, Nase und Haut, dank derer wir sehen, hören, schmecken, riechen und fühlen können.
Im Kern sind Reize etwas Wunderbares: Sie regen unsere Kreativität und Lebensfreude an. Sie weisen uns auf besonders bemerkenswerte Dinge oder Empfindungen hin. Sie stimulieren unsere Neugier und unsere Motivation. Sie erfrischen unseren Geist. Sie lassen uns das Wasser im Mund zusammenlaufen. Sie machen uns verliebt. Sie beschützen uns vor lebensgefährlichen Tieren, einem Unwetter, verdorbener Nahrung oder anderen Gefahren. Ohne Reize wäre ein menschliches Leben fade und nicht lebbar.
Aber: Auf uns stürmen heute so viele Reize ein wie nie zuvor. Die Reizspirale dreht sich immer schneller, immer weiter nach oben. Wusstest du, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) jedes atmosphärische Geräusch ab 65 Dezibel als Lärmbelastung einstuft? Das entspricht einem normalen Gespräch oder einem Fernseher in Zimmerlautstärke. Da kannst du dir vorstellen, was ständig auf deine Sinne einprasselt, wenn du im Großraumbüro sitzt (75 Dezibel), an einer Hauptstraße wohnst oder arbeitest (85 Dezibel) oder mit dem Kopfhörer Musik hörst (95 Dezibel). Selbst wenn du nur eine neue Hose kaufen willst, dann strömt im Geschäft Dudelmusik aus den Lautsprechern auf dich ein, spezielle Duftmischungen vernebeln dein Riechorgan und knallige Rabattplakate buhlen darum, dass dein Blick auf sie fällt. Hast du dann noch an deinem Laptop oder deinem Smartphone die Pushbenachrichtigungen per Vibration, Bildschirmflackern und hellem »Ping« aktiviert, dann werden gleich drei Sinneskanäle bei einer neuen Nachricht gereizt.
Neben den visuell, akustisch und olfaktorisch immer stärker werdenden Reizen, nimmt seit Jahrzehnten auch die Menge an inhaltlichen Reizen zu, die täglich auf uns einprasseln. Dank Digitalisierung und Globalisierung können wir 24/7 News inhalieren oder miteinander kommunizieren. Ein Phänomen, das sich unsere Urgroßeltern nicht in ihren kühnsten Träumen hätten ausmalen können. Heute kannst du ständig irgendwo etwas beantworten, liken, kommentieren, klicken, anhören, lesen, anschauen, und der Zufluss an neuen Impulsen und Reizen reißt nicht ab.
Stundenlang erliegen wir dem Ansturm der Reize, konsumieren und kommunizieren.
Seit am 23. April 2005 zum ersten Mal ein Video auf YouTube hochgeladen wurde, werden heute 720 000 Stunden (!)8 pro Tag an neuem Content hochgeladen, der gesehen werden will!
Und die Reize schaffen es, dass wir ihnen erliegen: 5 Stunden und 22 Minuten klicken wir uns täglich durch die Weiten des Internets, wobei nur 83 Minuten auf das inhaltlich genutzte Internet entfallen, der Rest ist Streaming, Gaming, Surfen. Knapp 4 Stunden am Tag saugen wir News, Musik, Unterhaltung und Werbung aus dem guten alten TV-Gerät. 91 Minuten lang holen wir uns die Dröhnung aus dem Radio.9
Rund 90 Minuten am Tag sind wir fleißig lesend und schreibend in den sozialen Medien unterwegs.10 Im Schnitt rauschen uns derzeit täglich 80 Mails in die Inbox, Tendenz steigend.11 Manche meiner Kunden erhalten um die 300 Mails pro Tag, weil sie bei vielen Projekten in »cc« liegen, und das E-Mail-Pingpong das Volumen aufbläht. Auch die Einführung von Chatprogrammen wie Slack oder MS-Teams konnte in vielen Unternehmen dieser Infoflut keine Zügel anlegen. Im Gegenteil: Statt in einem Kanal alle Unterhaltungen zu bündeln, müssen Berufstätige jetzt mindestens zwei Kanäle im Blick behalten und dort aktiv sein.
Dann kommen vielleicht auf deinem Smartphone noch dutzende Pushnachrichten aus deinen Shopping-, Trading- oder Gaming-Apps dazu, die in dein Gehirn reinwollen. Allein die Push-Benachrichtigungsplattform Accengage versendete in einem Jahr 38 Milliarden (!) Pushbenachrichtigungen im Auftrag ihrer Kunden an 750 Millionen Endkunden – rein rechnerisch kamen pro App-User 50 Pushnachrichten am Tag an und zogen die Aufmerksamkeit auf ein neues Kaufangebot, den heißen Aktientipp oder die ultimative Rabattaktion. 23 Prozent der deutschen Empfänger klickten dann sogar, um mehr über die Angebote zu erfahren.12 Das sind Traumquoten für die Werbetreibenden, für unser Gehirn jedoch miserable Voraussetzungen, um fokussiert und konzentriert zu sein.
Nicht das Werkzeug ist das Problem, sondern unser Umgang damit!
Dabei geht es gar nicht darum, die digitale Welt zu verteufeln! Nein, ich finde es fantastisch, wie eng wir rund um den Globus mit unseren Freunden in Kontakt sein können, wie flexibel wir räumlich und zeitlich arbeiten können, wie einfach wir an Informationen kommen und wie schnell wir Waren bestellen oder Reisen buchen können. Internet und Smartphones sind eine immense Verbesserung unserer Lebensqualität – wenn wir die Herrschaft über die Contentflut behalten und uns nicht von unseren Gadgets versklaven lassen.
Apple-Gründer Steve Jobs hatte eine Vision: Apple-Produkte sollten helfen, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern und die Menschheit voranbringen. Tja, im gewissen Sinne hat er seine Vision erfüllt – wenn da nicht wir als Nutzer wären, die nie richtig gelernt haben mit all den feinen Gadgets umzugehen. Nicht das Werkzeug ist das Problem, sondern derjenige, der es nutzt.
Diese ständige Offenheit für Reize haben wir immer noch im Blut, und genau das macht es uns schwer, einfach einmal alle Sinneskanäle zu verschließen, um den Ansturm neuer Reize zu verhindern.
Dabei versucht Mutter Natur schon so gut wie möglich, uns vor unwichtigen Reizen abzuschotten und uns vor einem Informations-Overload zu schützen. Dazu hat sie zunächst bei unseren Sinnesorganen Reizschwellen eingerichtet, die überschritten werden müssen, damit Signale es aus dem Außen und dem Innen überhaupt in unser Gehirn schaffen.
Wir können uns das vorstellen wie das gut bewachte Gelände eines Unternehmens, nennen wir es unsere »Brain AG«. Rund um die Brain AG ist eine Mauer gebaut, und jeder, der das Firmengelände betreten will, muss zunächst am Wachpersonal eines Eingangstores, an den Rezeptoren, vorbei. In Bruchteilen von Sekunden entscheiden sie, ob sie Besucher überhaupt aufs Firmengelände lassen oder nicht. Bei jedem neuen Reiz, der an die Eingangstore von Augen, Ohren, Nase, Mund (Zunge und Gaumen), Haut oder von den körperinneren Rezeptoren klopft, prüfen sie zwei Fragen13:
Braucht mein Mensch, meine Brain
AG
, das zum Überleben?
Nein? Verbessert es dann zumindest unsere derzeitige Situation?
Nur, wenn die Gatekeeper mindestens ein Ja auf die obigen Fragen bekommen haben, dann lassen sie die Besucher zumindest aufs Firmengelände in den Bereich des Ultrakurzzeitgedächtnisses, auch sensorischer Speicher genannt. Dort bleiben sie für einen Wimpernschlag und werden dann entweder nach zwei Sekunden wieder rausgeworfen (dein Ultrakurzzeitgedächtnis löscht die Infos gleich wieder) oder sie dürfen tiefer in die heiligen Hallen der Brain AG vordringen und lösen dort weitere neuronale Aktivitäten aus. Sei es, dass du beim Waldspaziergang die Füße hebst, um nicht über eine Wurzel zu stolpern. Sei es, dass du nach dem Wasser greifst und trinkst, weil das Signal »Ich habe Durst!« angekommen ist. Manche Reize machen es sich auch irgendwo auf dem Firmengelände der Brain AG gemütlich und verhalten sich dort in deinem Unterbewusstsein erstmal still.
Dieses Sortieren ist äußerst schlau von unserem Gehirn. Denn so kannst du mit einem Freund im Wald spazieren gehen, dich intensiv mit ihm unterhalten und gleichzeitig die Füße heben, um über Hindernisse auf dem Waldboden zu steigen. Über die Eingangstore deiner Augen kam die Info in deinen visuellen Speicher »Achtung Wurzel!«, du reagierst. Aber nach dem Spaziergang wirst du nicht aufzählen können, über wie viele Wurzeln du gestiegen bist oder wie vielen Pfützen ausgewichen. Nachdem du instinktiv richtig reagiert hast, »vergisst« du es gleich wieder.
Zuhören, ohne zuzuhören.
Wir können übrigens Informationen, die für Sekunden im auditiven Speicher des Ultrakurzzeitgedächtnisses waren, wiederholen – auch wenn wir sie gar nicht bewusst wahrgenommen haben. (»Hey, du hörst mir überhaupt nicht zu! Was habe ich gerade gesagt?« – »Du hast gesagt, dass wir Dinge wiederholen können, auch wenn wir sie nicht wahrgenommen haben!«). Erst gar nicht ins Ultrakurzzeitgedächtnis gelangen natürlich jene Reize, die nicht in die Nähe deiner Sinnesrezeptoren gekommen sind. Wenn du beim Waldspaziergang nie deine Augen auf die dahinziehenden Wolken am Himmel gerichtet hast, dann klopfen diese Infos auch nicht bei den Gatekeepern an. Oder wenn du eine verstopfte Nase hast, wird die harzige Waldluft nicht auf die Geruchsrezeptoren treffen können.