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Seit vielen Jahren verdingt sich der ehemalige Tempel-Assassine Aral als Schurke, stets im Schatten und jenseits des Gesetzes. Eines Tages tritt eine Frau aus seiner Vergangenheit an ihn heran: die ebenso schöne wie gefährliche Jax, die einst zu den gefürchteten Klingen zählte. Sie behauptet, die zerstörerischen Mächte seien wieder am Werk, die Aral alles geraubt haben. Ein Krieg steht bevor, in dem Aral Freund von Feind nicht unterscheiden kann...
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Seitenzahl: 520
Kelly McCullough
Krieg derKlingen
Roman
Aus dem amerikanischen Englischenvon Frauke Meier
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Deutsche Erstausgabe
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2012 by Kelly McCullough
Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Crossed Blades«
Originalverlag: Ace Books, published by The Berkley Publishing Group
All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.
This edition published by arrangement with The Berkley Publishing Group, a member of Penguin Group (USA) Inc
Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright © 2014 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Frank Weinreich, Bochum
Lektorat: Ruggero Leò
Titelillustration: © Hrvoje Beslic
Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München
Datenkonvertierung E-Book: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN 978-3-8387-5381-2
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Für Laura,ganz einfach, weil ich sie liebe.
Und im Gedenken an Lee Perish,Freundin, Tante, Fan –du wirst mir fehlen.
Heute sah ich einen Geist in den Augen einer ehemaligen Geliebten. Mir war nie bewusst geworden, wie sehr ich mein altes Gesicht vermissen würde, bis zu dem Moment, als Jax mich angesehen und einen Fremden erblickt hatte.
Ich saß im Greifenkopf, wie ich es schon so oft in der Vergangenheit getan hatte, und trank zu viel Whiskey– wofür das Gleiche galt. Nur war es nicht mein üblicher Whiskey, und ich war nicht, wer ich üblicherweise war. Die Glocken Shans hatten soeben die sechste Stunde verkündet. Die durch die offenen Fenster der Taverne dringenden Sonnenstrahlen waren immer noch heiß, auch wenn der aufziehende Abend ihrem Biss bereits das schlimmste Feuer genommen hatte. Ich hatte mir einen Platz weit entfernt von meinem üblichen Tisch gesucht und Magierlandwhiskey anstelle meines bevorzugten Aveni bestellt, um den kürzlich erfolgten Verlust meines Gesichts nachzubereiten.
Jax erkannte ich in dem Moment, in dem sie den Greifen betrat, obwohl sie im Gegenlicht stand und Schatten ihr Gesicht verhüllten. So ist das eben mit der ersten Liebe. Sie schreibt sich mit untilgbaren Lettern in Herz und Erinnerung.
Oder sind sie womöglich doch nicht so untilgbar?
Der Blick, mit dem Jax mich bedachte, als wir Augenkontakt hatten, bohrte sich so tief wie ein Schwerthieb in mein Inneres. Nicht wegen dem, was er aussagte, sondern aufgrund dessen, was er nicht sagte. Da gab es keine Erkenntnis, keinen noch so kleinen Hinweis auf das, was einmal zwischen Jax Seldansfluch und Aral Königsmörder gewesen war. Keine Liebe und kein Verlust, nur das kühle Taxieren, mit dem ein professioneller Mörder einen Raum auf eventuelle Bedrohungen kontrolliert.
Mich bedachte sie mit einem einzigen, gemessenen Blick, der einzig dazu diente, Quellen möglichen Ärgers zu identifizieren, und weiterwanderte, als er keine entdeckte, ganz, wie es der meine auch getan hätte, wäre ich an ihrer Stelle gewesen. Damit hätte ich rechnen müssen, ich hätte daran denken müssen, was ich geworden war, aber das tat ich nicht, und das Desinteresse der Frau, die ich einmal geliebt hatte, peinigte mich. Für sie war ich unsichtbar, nur ein Geist in ihren Augen.
Beruhig dich, Aral. Triss’ vertraute Stimme sprach direkt in meinem Kopf zu mir, süß und klar und absolut besänftigend. Du bist derjenige, der dein Gesicht vergessen hat, nicht Jax.
Wie stets hatte mein Vertrauter auch dieses Mal recht. Ich fühlte einen Druck auf der Schulter, so, als würde die Hand eines Freundes sie kurz drücken und gleich wieder loslassen. Kurz sah ich mich zu dem Schatten hinter mir um und schenkte ihm ein schiefes Lächeln. Dem, was in dem Schatten verborgen war, um genau zu sein. Triss ist ein Finsterling, eine Kreatur lebendiger Nacht, und er lebt in meinem Schatten. Buchstäblich.
Danke, mein Freund, antwortete ich in Gedanken. Auch wenn es schon einen Monat her ist, fällt es mir schwer, daran zu denken, was der Knochenformer mit meinem Gesicht gemacht hat.
Mit einer Hand rieb ich mir reumütig über Wange und Kinn. Eigentlich nicht so anders als mein altes Gesicht, jedenfalls nicht von innen und nicht für meine Finger. Aber ich wusste, dass mir kein Spiegel je wieder das Gesicht von Aral Königsmörder zeigen würde, nicht einmal die ausgezehrte, verhärmte Version, die ich in den Jahren getragen hatte, als ich Aral der Löhner gewesen war. Ein Löhner, einer der freiberuflich arbeitenden Allzweckdienstleister der Unterwelt. Pakete liefern, Leute beschützen, dann und wann der eine oder andere Auftragsdiebstahl. Das alles gehörte zum Alltag jenes Aral, ach, und was war das für ein tiefer Sturz, gemessen an jener Zeit, in der die Welt mich den Königsmörder genannt hatte und die, die Unrecht taten, beim Gedanken an mich erzitterten.
Ich nahm einen weiteren tiefen Schluck von meinem Whiskey, rauchig und kräftig, genau das, was ich nun brauchte. Dann aber ermahnte ich mich im Geiste, dass meine Veränderung mir nur zugute kam, bedachte man all die Fahndungsplakate mit meinem alten Gesicht. Das sagte ich mir wieder und wieder, und bis zu dem Moment, in dem mich Jax’ Augen bar jeglicher Erkenntnis gestreift hatten, hatte ich sogar meist so getan, als würde ich mir glauben.
Mein Gesicht war von jeher nichts Besonderes gewesen. Alles nur mittelbraun, von den Haaren bis zur Haut. Nicht allzu hübsch, nicht zu hässlich. Die Art von Gesicht, das sich leicht ignorieren oder vergessen lässt. Die Meister und Priester, die mich aufgezogen und zum Assassinen im Dienste einer inzwischen toten Göttin ausgebildet hatten, hatten mir stets gesagt, dies sei einer meiner größten Vorzüge.
Mein neues Gesicht teilte all die vorteilhaften Aspekte meines alten und verbesserte sie sogar noch. Ich hatte Haut und Knochen gezielt auf eine Art neu angeordnet, die sämtliche Kennzeichen meiner Herkunft auslöschte, sodass ich nun aussah wie das Produkt verschiedenster Erbanlagen. Was ich nun hatte, war die Art von Gesicht, die man in jedem der elf Königreiche des Ostens finden konnte– nicht einheimisch, aber auch nicht unverkennbar fremd. In vielfacher Hinsicht war dies das perfekte Gesicht für den, der ich einst gewesen war. Aral Königsmörder, Klinge der Namara, der Göttin der Gerechtigkeit. Welch eine Ironie, dass ich es erst aufgesetzt hatte, nachdem meine Göttin ermordet worden war, ihr Tempel zerstört und meine Freunde und Gefährten bis auf eine Handvoll niedergemetzelt.
Ruhig. Wieder drückte Triss meine Schulter– die Berührung eines Schattens– dieses Mal jedoch, um mich zu warnen. Denk daran, wo wir sind, und beherrsch dich. Wir werden immer noch gejagt.
Und wieder hatte er recht. Der Greif war ein öffentlicher Ort. Einer, von dem bekannt war, dass ich dort einen guten Teil meiner Zeit verbracht hatte, ehe mein zweites Leben als Schattenlöhner aufgeflogen war. Wenn ich mich im Raum umblickte, sah ich gleich mehrere Tische, die potenziellen Ärger versprachen. Der Platz in der Ecke, den ich früher als meinen Stammplatz betrachtet hatte, beispielsweise. Dort saßen ein Mann und eine Frau, beide mit dem Rücken zur Wand, beide umgeben von der Aura lauernder Jäger.
Sie war schlank, groß, hatte lange und doch muskulöse Glieder und war alles andere als zerbrechlich. Eisblondes Haar und weiße Haut wiesen sie als Fremde aus, ebenso wie ihre hart blickenden blauen Augen. Mit ihren sicheren, zielgerichteten Bewegungen erinnerte sie mich an eine riesige Gottesanbeterin. Der Mann war ebenfalls groß, aber breit, wo sie schmal war. Dicke Muskeln zeichneten sich unter der dünnen Seide einer langärmeligen Tunika ab. Er war so dunkel wie jeder gewöhnliche Einheimische, doch seine Züge und sein dichter, schwarzer Bart deuteten auf eine Kadeshi-Herkunft hin. Das Gleiche galt für die kurzen Äxte mit den breiten Klingen, die in seiner Schärpe steckten.
Er ertappte mich dabei, wie ich ihn musterte, zog kaum merklich eine Braue hoch und berührte eine seiner Äxte auf eine Weise, die mir verriet, dass er mich für einen Dieb hielt. Ich tat verschüchtert und schluckte krampfhaft, ehe ich in mein Glas starrte, und er schnaubte verächtlich und widmete sich wieder der Unterhaltung mit der Frau. Diesen Ärger hatte ich zwar mühelos abwenden können, aber, verdammt, ich sollte gar nicht hier sein. Ich hätte fortgehen und mir eine andere Bar suchen sollen, in der ich mich regelmäßig aufhalten konnte, um mir zu dem neuen Gesicht auch eine neue Identität aufzubauen.
Aber ich war es sterbensmüde, ständig davonzulaufen, und irgendwie konnte ich mein altes Ich nicht so einfach zurücklassen. Nicht einmal die Version, in der ich weiter nichts war als ein versoffenes Wrack, das sich sein Brot als Schattenlöhner hatte verdienen müssen.
Was mich wieder zu Jax brachte. Wir waren gemeinsam im großen Tempel der Namara aufgewachsen. Sie war ein Jahr nach mir mit kaum vier Jahren in den Dienst der Göttin getreten; ein zierliches Mädchen mit langem, dunklem Haar, heller Haut und einem gewinnenden Lächeln, das sich im Laufe der Jahre, in denen das Mädchen sich in eine schöne, junge Frau verwandelt hatte, zu einem ebenso gefährlichen wie schelmischen entwickelt hatte. Zwar war sie physisch nicht sonderlich beeindruckend, doch das hatte sie durch ihre Fähigkeiten als Zauberin und Assassinin im Dienst der Gerechtigkeit mehr als wettgemacht und sich in Bezug auf ihre Fertigkeiten den dritten Platz in unserer Generation verdient. Gleich nach Siri und mir.
Warum hatte sie ausgerechnet diesen Moment gewählt, um in mein Leben zurückzukehren? Ich beging nicht den närrischen Fehler, mir einzubilden, ihre Anwesenheit an dem einzigen Platz in ganz Tien, von dem bekannt war, dass ich ihn regelmäßig frequentiert hatte, beruhe in irgendeiner Weise auf Zufall. Nebenbei fragte ich mich auch, wo sie sich während der sechs Jahre seit dem Untergang des Tempels versteckt gehalten haben mochte. Nicht in Zhan, wie ich in Anbetracht der mangelnden Pigmentierung ihrer Haut vermutete. Und auch an keinem anderen Ort unter sengender Sonne, es sei denn, sie war zu einem reinen Geschöpf der Nacht geworden.
Aven vielleicht, oder zu Hause in Dalridia oder in den Bergen im Magierland. Mit größter Wahrscheinlichkeit war es einer dieser Orte gewesen. Sie musste sich irgendwo verborgen gehalten haben, wo sie nicht weiter auffiel, aber zugleich an einem Ort, der nahe genug war, dass sie Tien in maximal vier Wochen hatte erreichen können. Damit fielen Öse, Varya und Radewald aus.
Die Nachricht, dass der Königsmörder entlarvt worden war, war auf den Flügeln der Magie weit und schnell geflogen. Jeder in den elf Königreichen, der irgendwelche Kontakte zum Hof oder zur Schattenseite hatte, musste diese Nachricht binnen einer Woche, maximal zwei Wochen erhalten haben. Wollte sie nicht haufenweise Geld ausgeben und gerade die Art von Aufmerksamkeit erregen, die unsereiner sich im Grunde nicht leisten kann, musste Jax für ihre Reise auf bescheidene Mittel zurückgegriffen haben. Weder ein Schiff noch ein Pferd konnten sie von weiter entfernten Orten hergebracht haben.
Ich wusste, dass Jax gleich nach dem Untergang des Tempels einige Zeit unter dem Joch des Herrn des Himmels zugebracht hatte, jenem menschlichen Instrument, das die Götter benötigt hatten, um den Tempel und Namaras Anhänger zu vernichten. Als magische Verlängerung des Arms von Shans Erzpriester war die Hand des Himmels bekannt für ihre Bereitschaft, Pranger und Folter zur Erreichung ihrer Ziele einzusetzen. Was zweifellos die dünnen Narben erklärte, die sich zu mehreren Dutzend über Jax’ Arme und Gesicht zogen, weiß auf weiß wie die zarte Maserung eines Marmortischs.
Aber wo hatte sie seit ihrer Flucht gesteckt? Was hatte sie getan?
Ihre Kleidung verriet mir gar nichts. Wie jeder, der ausreichend bei Geld und Verstand war und sich dem tienisischen Sommer ausgesetzt sah, hatte sie sich für eine Weste und eine weite Hose aus dünnster Seide entschieden– in diesem Fall in Grau. Auf die üblichen Sandalen hatte sie zugunsten leichter Stiefel verzichtet, wie auch ich sie für meine Wege über die Dächer trug. Die kurzen Krummschwerter, die in einer Doppelscheide an ihrer rechten Hüfte steckten, sahen von der Gestaltung her vage dalridisch aus, konnten aber im Grunde von überall stammen. Sie lieferten mir jedenfalls auch keine weiteren Hinweise. Um genau zu sein, fand ich nirgends auch nur den kleinsten Fingerzeig auf ihre jüngere Vergangenheit.
Ich wollte zu ihr gehen, wollte sie in die Arme nehmen und ihr sagen, wer ich war und wie froh ich war, sie lebendig wiederzusehen. Aber sechs Jahre auf der Flucht hatten ihren Tribut gefordert. Ich würde warten, und ich würde beobachten, und nur, wenn ich ganz sicher war, dass mich keine Falle erwartete, würde ich einen Zug tun. Und sogar dann würde ich der Vorsicht den Vorzug vor jeglichem Vertrauen einräumen.
Etliche lange Minuten unterhielt sie sich am Tresen leise mit Jerik. Wenn ich auch nichts Genaues ausmachen konnte, stellte sie doch offenbar Fragen. Jerik hingegen schüttelte nur immer wieder den Kopf und zuckte mit den Schultern, ungeachtet der Tatsache, dass sie ihm mehrere schwere Goldmünzen zeigte. Schließlich schien sie aufzugeben, denn sie warf das Haar mit der gereizten Halsbewegung zurück, die ich in dem ungestümen Jahr, in dem wir das Bett geteilt hatten, zu oft gesehen hatte, um noch mitzuzählen. Ohne ein weiteres Wort stolzierte sie geradewegs zur Eingangstür des Greifen.
Eigentlich hätte es witzig sein müssen zuzusehen, wie abgehärtete Knochenbrecher von der Schattenseite, die doppelt so groß waren wie die Frau, ihr hastig und wohlüberlegt aus dem Weg gingen, als Jax sie mit dem Blick bedachte. Aber sie hatte mich mit ihrem abrupten Abgang derart überrascht, dass ich kaum genug Ruhe hatte, das überhaupt wahrzunehmen. Dafür war ich viel zu sehr damit beschäftigt, so zu tun, als hätte ich nicht die Absicht, ihr zu folgen, als ich meinen Drink hinunterkippte und mich erhob, um exakt das doch zu tun.
Wie sieht dein Plan aus?, fragte Triss stumm. Ich dachte, wir würden das langsam angehen.
Das war, bevor sie so schnell aufgebrochen ist. Immerhin haben wir keine Ahnung, ob sie noch einmal zurückkommt, und ich will wissen, warum sie hier ist.
Das ist ein Argument. Wie gehen wir vor?
Wir kreuzen ihren Schatten. Sagen Sshayar, sie soll Jax informieren, dass wir uns um Mitternacht irgendwo treffen, wo wir unter uns sind. Gehen unserer Wege.
Das war ein alter Klingentrick zur Weitergabe geheimer Botschaften untereinander. Finsterlinge waren zu einer stummen Form der Kommunikation fähig. Triss und Sshayar würden einige grundlegende Informationen austauschen können. Bedauerlicherweise war kein Finsterling, wenn man einmal von meiner neu entdeckten Befähigung absah, mich stumm mit Triss auszutauschen, in der Lage, ausschließlich auf gedanklicher Ebene mit seiner Klinge zu kommunizieren. Diese neu erworbene Gabe war eine Hinterlassenschaft des Zaubers, der mein Gesicht umgeformt hatte, ein Durchbruch, der uns gestattete, etwas zu nutzen, das keiner der unseren je zuvor genutzt hatte: echte gedankliche Kommunikation. Aber das war nichts, das man lernen konnte, also würden wir uns auf die ältere Methode der Weitergabe von Nachrichten von Finsterling zu Finsterling beschränken müssen, auf dass sie später in Worte gefasst werden konnte.
In der Theorie ein hervorragender Plan. In der Praxis…
Ich hasse es, wenn wir das tun, dachte ich an Triss gewandt. Wo zum Henker ist sie hingegangen?
Da entlang, entgegnete der Schatten und zupfte unauffällig an meinem rechten Fuß. Ich kann Sshayars Essenz auf der Straße schmecken, aber nur sehr vage. Sie versteckt sich tief in Jax’ Schatten, und die Sonne ist heute sehr stark und verbrennt ihre Spuren schnell. Wir müssen uns beeilen, wenn wir sie nicht verlieren wollen.
Als ich mich anschickte, die Tür der Taverne hinter mir zu schließen, war Jax kaum vierzig Fuß vor uns gewesen, doch als ich die Schwelle dann verließ, war sie schon in der Menge verschwunden. Was zum Teil schlicht an ihrer Größe lag, eine Haaresbreite unter fünf Fuß, womit sie einen ganzen Kopf kleiner war als der tienisische Durchschnittsbürger. Von denen Tausende auf der Suche nach einem Abendessen durch die Straßen wanderten.
Die Stolprer, die Gegend, in der der Greif liegt, sind eines der schlimmsten Viertel von ganz Tien. Die Straßen sind schmal und in erbärmlichem Zustand– irgendwo da unten liegen Pflastersteine, aber um die zu finden, müsste man sich durch einen Haufen Müll wühlen. Im Augenblick allerdings war es schon schwer, den Unrat unter dem Gewühl der Menschen zu sehen, die die Straßen ausfüllten.
Wie es in Elendsvierteln häufig der Fall ist, zählten die Stolprer auch zu den bevölkerungsreichsten Gegenden von Tien. Die Unterkünfte rangierten irgendwo zwischen miserabel und inadäquat, aber Räume oder Teile von Räumen waren für ein paar Kips am Tag zu haben. Das bedeutete, dass Leute, die in anderen Teilen der Stadt auf der Straße nächtigen mussten, hier zumindest eine Tür zwischen sich und der Nacht schließen konnten, wenn sie schlafen gingen. Das war wertvoll, besonders an einem Ort wie den Stolprern.
Während ich mir, stumm geleitet von Triss, einen Weg durch die Menge bahnte, hielt ich unentwegt Ausschau nach Jax. Aber infolge ihrer geringen Größe und der Tatsache, dass in dieser armen Gegend so gut wie jeder irgendwas in Hellbraun und Mittelgrau trug, konnte ich sie nicht ausmachen. Dafür entdeckte ich ein halbes Dutzend Langfinger und Taschendiebe, von denen ich zwei, die mir zu nahe zu kommen drohten, mit einem Blick verwarnte. Letzteres war ein Schock für mich, eine weitere Erinnerung an mein verlorenes Gesicht– die Leute in den Stolprern kannten Aral, den Löhner, und sie waren klug genug, gar nicht erst daran zu denken, in seine Taschen zu greifen– aber sie kannten mich nicht.
Niemand kannte mich. Nicht die unbedeutenden Kriminellen, nicht Machim, der Bettler, und auch nicht Asleth, der Nudelverkäufer. Niemand. Das sollte es mir einfacher machen, mich durch die Menge zu wühlen, da die Leute, die normalerweise ein Stück meiner Zeit beanspruchen würden, mich ignorierten. Aber dem war nicht so. Aral, der Löhner, war ein gefährlicher Mann, vielleicht auch ein Säufer und ein Pechvogel dazu, aber die meisten Leute waren schlau genug, ihm aus dem Weg zu gehen. Aber niemand ging… wem?… aus dem Weg.
Als diese Frage mich plötzlich mit voller Wucht traf, blieb ich mitten auf der Straße stehen. Wer war ich eigentlich?
Aral Königsmörder war mit seiner Göttin gestorben. Der Mann, der diesen Namen getragen hatte, hatte sich tief in einer Flasche verkrochen und war nicht wieder herausgekommen. An seiner Stelle war ein neuer Aral aufgetaucht. Aral, der Säufer, der seine Tavernenrechnungen bezahlte, indem er einen Schattenlöhner spielte. Der Dinge für Geld tat, die der frühere Aral niemals auch nur in Erwägung gezogen hätte. Jämmerliche kleine Gesetzeswidrigkeiten, und alles freiberuflich, sodass er nie in die Gefahr geriet, jemals wieder irgendjemandem Loyalität zu schulden. Jemals wieder jemanden zu haben, der ihm am Herzen lag.
Das alles hatte sich vor etwas mehr als einem Jahr geändert, als eine Frau namens Maylien ein Echo des alten Königsmörders entdeckt hatte, das sich unter der Haut des Löhners verbarg.
Für eine kurze Zeit hatte ich geglaubt, ich hätte einen neuen Sinn im Leben gefunden, einen neuen Aral, der vielleicht eine Chance hatte, wieder Gutes in der Welt zu bewirken. Das jedenfalls war der Plan gewesen. Und ich hatte mir sogar eingebildet, er würde funktionieren. Das war bis zu dem Moment einigermaßen gegangen, in dem mir bewusst geworden war, wie viel von mir ich zusammen mit meinem Gesicht verloren hatte. Ich hatte nun nicht einmal mehr einen Namen. Jedenfalls keinen, den ich in der Öffentlichkeit tragen konnte. Wenn dein einziger Name ein Geheimnis ist, ist es dann überhaupt noch ein Name?
Aral! Los, wir verlieren Jax. Triss versetzte mir einen scharfen Schlag an den Fuß, und ich setzte mich wieder in Bewegung.
Aber ich hatte meinen Jagdeifer verloren, und so zuckte ich kaum mit der Wimper, als die Spur die schmalen Straßen der Stolprer hinter sich ließ und wir sie in dem Menschenstrom verloren, der die Marktstraße beherrschte.
Feuer und Sonne!, grollte Triss in meinem Geist. Sie ist weg, und ich weiß nicht einmal, ob das an der Sonne liegt oder ob Jax irgendeinen schlauen Trick angewandt hat, um ihre Spur zu unterbrechen.
Ich fand es überaus schwer, mir den Kopf über eine Antwort zu zerbrechen, obwohl ich doch eigentlich nur zurück in den Greifen wollte, um mir die Welt aus den Gedanken zu trinken. Das aber konnte ich Triss in Anbetracht dessen, wie er über meine Trinkerei dachte, nicht sagen. Also blieb ich einfach stehen und starrte die vorüberziehende Parade an, dieses Durcheinander aus Fußgängern und Reitern, Kutschen und Rikschas und sogar der einen oder anderen Sänfte. Sandalen und Stiefel und Hufe und Räder, und alle knirschten über Staub und Schmutz und…
Warte. Noch mal zurück. Denk nach, Mann!
Das war es. So einfach und elegant, ich hatte wirklich keine Ahnung, warum ich nicht schon längst darauf gekommen war.
Ich nehme an, sie sitzt in einem von denen. Ich zeigte auf einen vorüberfahrenden Ochsenkarren. Wenn sie dafür gesorgt hat, dass ihr Schatten nicht über den Wagen hinausragt, ist so ein Fuhrwerk ein sehr gutes Fluchtvehikel. Das oder eine dieser geschlossenen Sänften. Verdammt, sie hätte sich hier sogar von einer abgedeckten Rikscha abholen lassen können.
Ich bin ein Idiot. Triss hörte sich ernsthaft schockiert an. Die Vorstellung von der Schattenspur ist neu genug für dich, dass ich verstehen kann, warum du nicht früher daran gedacht hast. Aber warum bin ich nicht früher darauf gekommen?
Aus dem gleichen Grund wie ich, wahrscheinlich. Scheuklappendenken. Wir wissen beide, dass Feuer, Sonne und fließendes Wasser eine Schattenspur auslöschen können, und darum sind wir beide nicht auf die Idee gekommen, dass es jenseits dieser großen Hindernisse noch etwas viel Profaneres geben könnte.
Und was jetzt?, fragte Triss.
Der Greif, denke ich. Vielleicht kommt Jax ja zurück. Triss sagte nichts, aber ich konnte die Missbilligung spüren, die er bei dem Gedanken, ich könnte noch etwas zu trinken zu mir nehmen, verströmte. Ich könnte auch etwas zu essen brauchen, und das heißt, entweder wir genehmigen uns Jeriks Küche, oder wir gehen nach Hause, wo wir erst mit Faran und Ssithra fertig werden müssen…
Ich nehme an, ein weiterer Whiskey wird dich nicht umbringen.
Ich dachte mir, dass du mir zustimmen würdest.
Faran war fast sechzehn und ein Problem auf Beinen. Beim Untergang des Tempels war sie erst acht gewesen. Nur der ihr eigenen Mischung aus Begabung, Intelligenz, Glück und absoluter Schonungslosigkeit hatte sie es zu verdanken, dass sie den Angriff überlebt hatte, dem der größte Teil ihrer Kameraden und Lehrer zum Opfer gefallen war. Sechs Jahre lang hatten sie und ihre Vertraute Ssithra sich ganz allein durchgeschlagen und waren spionierend und diebisch durch die elf Königreiche gezogen, um am Leben zu bleiben. Ihr letzter Auftrag hätte sie womöglich das Leben gekostet, hätte er sie nicht zufällig auf meine Schwelle geführt. Aber um das ganze Durcheinander in Ordnung zu bringen, hatte ich mein altes Gesicht ablegen müssen.
Und jetzt war sie meine… Schülerin? Mündel? Tochterersatz? Faran und ich arbeiteten immer noch daran herauszufinden, was wir für den jeweils anderen waren. Bisher umfasste dieses Unterfangen eine Menge Knurren und Zähnefletschen, und ich brauchte dringend eine kleine Pause, ehe ich mich der nächsten Runde stellte. Und wenn das Verhältnis zwischen Triss und Ssithra auch schwerer zu erfassen war, deutete doch all das Zischen in Finsterlingsprache an, dass es nicht weniger belastet war. Auf jeden Fall war die Aussicht auf den Greif in diesem Moment doch erheblich verlockender als das Haus, das wir gemietet hatten und uns mit Faran und ihrer Vertrauten teilten.
Als ich wieder in der Taverne eintraf, herrschte im Greifen schon etwas mehr Betrieb. Jerik wies nur grunzend auf einen freien Platz am Ende des Tresens, als ich mit lauter Stimme einen Whiskey und einen Teller gebratener Nudeln mit geschreddertem Was-auch-immer-heute-von-der-Ladefläche-irgendeines-Fuhrwerks-gefallen-war bestellte. Sein Desinteresse schmerzte ein wenig, denn ich war es gewohnt, als Stammgast begrüßt zu werden. Wenige Minuten später ließ er meinen Teller samt einem kleinen Laib Schwarzbrot, den ich nicht bestellt hatte, vor mir auf die Theke fallen und machte kehrt, ehe ich noch etwas zu der missverstandenen Bestellung sagen konnte.
Am liebsten hätte ich ihm das Brot in den davoneilenden Rücken geworfen, doch ich begnügte mich mit einem Seufzen und nahm stattdessen einen Schluck von meinem Whiskey. Er schmeckte seidenweich, wie flüssige Magie. Achtzehnjähriger Kyles aus dem speziellen Reservefass, wenn ich auch nur die geringste Ahnung von Whiskey hatte. Auch nicht das, was ich bestellt hätte. Als ich vor dem nächsten Schluck eine Pause einlegte, wirbelte Jerik herum und stellte ein Bier vor einem Schmuggler auf den Tresen, der drei Hocker weiter rechts saß. Ich wandte mich Jerik zu und hob kaum merklich das Glas und eine Braue dazu. Jeriks Antwort bestand aus so etwas wie dem blassen Geist eines Zwinkerns oder fiel vielleicht auch einfach aus.
Ich nippte noch einmal an meinem Glas. Das war eindeutig die beste Sorte Kyles, das flüssige Gold, das der alte Aral immer dann getrunken hatte, wenn er der Meinung gewesen war, er hätte genug Geld in der Tasche. Da ich aber seit dem Wechsel meines Gesichts im Greifen nie etwas anderes als Magierland-Whiskey bestellt hatte und der Kyles nicht so stand, dass man ihn versehentlich hätte verwechseln können, musste ich davon ausgehen, dass Absicht dahintersteckte.
Was bedeutete, dass er mich erkannt hatte und wollte, dass ich es wusste. Ich hätte gern geglaubt, dass dies schlicht unmöglich sei, aber er war fünf Jahre lang mein Stammwirt wie auch mein Vermieter gewesen und kannte mich besser als jeder andere in der Stadt. Seinen Gang zu verändern war schwer; noch schwerer, wenn man gerade betrunken war.
Aber warum machte er mich darauf aufmerksam? Um meine Verwirrung zu verbergen, nahm ich einen weiteren Schluck von dem exzellenten Whiskey und stopfte einen Mundvoll Nudeln hinterher. Die scharfe Pfeffersoße war beinahe kräftig genug, den etwas überalterten Jahrgang der frittierten Fleisch- und Gemüsebestandteile zu überdecken. Beinahe.
Nun betrachtete ich mein Brot. Jerik stellt ein hartes Schwarzbrot her, das einen Mann lange am Leben erhält, wenn ihn das mühsame Kauen nicht vorher umbringt. Es ist billig und abscheulich, und ich habe im Laufe der Jahre ebenso viel Zeit damit zugebracht, von dem Zeug zu leben, wie ihm aus dem Weg zu gehen. Dieser Laib sah noch verbeulter aus als die meisten seiner Kameraden. Er wies etliche Löcher und Beulen auf sowie einen breiten Riss an einer Seite, der sich beinahe durch den ganzen Laib zog. Hmm. Ich bohrte den Daumen in den Riss und brach eine kleine Ecke ab, als ich spürte, dass sich tief im Inneren des Brots ein Stück Papier verbarg.
Als ich das Brotstück in meiner Pfeffersoße versenkte, kam Jerik zu mir zurück. »Anschreiben?«
Ich nickte, und er ging. Die Gunst des Anschreibens gewährt Jerik nur seriösen Stammgästen, und das Gesicht, das ich nun trug, war dafür schlicht noch nicht lange genug in der Gegend. Aber ich nehme an, es hätte mich nicht so überraschen dürfen, dass er mich erkannt hatte.
Jerik war ein verdammt kluger Bursche. Früher hatte er seinen Lebensunterhalt mit der Monsterjagd, vorwiegend auf königlichen Ländereien, verdient, was die Liste der diesem Gewerbe inhärenten Gefahren um die potenzielle Begegnung mit königlichen Patrouillen erweiterte. Die Dummen sterben schnell, aber die Klugen können sehr reich werden, wenn sie nur lange genug überleben. Mit dem Verkauf der Einzelteile an Magieausrüster war ein Haufen Geld zu machen, und Jerik war lange genug dabei gewesen, dass er im Grunde nicht mehr hätte arbeiten müssen.
Er hatte sich aus dem Geschäft zurückgezogen, nachdem der Greif, eben der, nach dem die Taverne benannt war, ihm die halbe Kopfhaut nebst einem Auge abgefressen hatte. Die Narben waren schaurig und einer der Gründe, warum er auf helles Licht zu verzichten pflegte, aber ich glaube, die Aufregung an der ganzen Sache fehlte ihm trotzdem. Er war erst wenige Jahre hier gewesen, als er den Greifenkopf eröffnet und den Schädel des verdammten Viehs hinter die Theke genagelt hatte. Ich hatte von jeher angenommen, dass er sich weit Besseres hätte leisten können, und ging davon aus, dass er die Taverne hier unten in den Stolprern inmitten der Schattenseitenprotagonisten nur gekauft hatte, weil er aus alter Gewohnheit gern von gefährlichen Räubern umgeben war.
Trotz des brennenden Verlangens, die kleine Mitteilung gleich hier und jetzt zu lesen, hielt ich mich zurück. Stattdessen nagte ich noch eine Ecke von dem Brot ab und nahm einen tiefen Schluck Kyles. Pures Gold, obwohl ich immer noch das Efik vermisste. Heute mehr denn je, nun, da eine weitere Klinge aufgetaucht war, die mich an all die Dinge erinnerte, die ich hatte zurücklassen müssen. Gebraut oder gekaut, die Wirkung der Bohnen war viel weicher als die von Alkohol. Aber natürlich wäre ich längst tot, hätte ich nicht die Finger davon gelassen. Oder, schlimmer, einer der Schlafwandler, die in den Gassen herumlungern und sich die eigenen Arme aufschneiden, nur um fein gemahlenes Efik in die Wunden zu reiben und sich so einen noch schöneren Ritt zu dem Ort zu verschaffen, an dem alles egal war.
Ich verdrängte den Gedanken, denn je mehr ich über Efik nachdachte, desto dringender verlangte es mich danach, und das war ein Pfad, der geradewegs in den Ruin führte. Als ich mit den Nudeln und dem sorgsam rationierten Kyles fertig war, steckte ich das Brot ein und ging hinaus in den Hof des Greifen. Dort hatte ich früher eine Kammer über dem Stall gemietet. Nun nutzte ich den Vorteil, den mir meine langjährige Kenntnis dieses Ortes gewährte, um mich in den leeren Stall zurückzuziehen, ehe ich meinen Brotumschlag aufbrach.
Als ich das Brot endlich entzweigebrochen hatte, hatte Triss sich bereits über die Beschränkungen hinweggesetzt, die das Licht Schatten üblicherweise aufzwang, und war an der Wand zu einer Stelle hinaufgeglitten, von der aus er über meine Schulter blicken und mitlesen konnte. Kaum hatte er seinen Platz eingenommen, veränderte er seine Gestalt. Meistens tat er, als wäre er nichts anderes als das, was das Licht zu produzieren vermochte, eine dunkle Kopie meiner menschlichen Gestalt. Aber wenn wir unter uns waren, veränderte er häufig seine Silhouette und zeigte sich in der Form eines kleinen Drachen samt Schwingen und Schwanz. Wenn er das tat, änderten sich auch einige seiner anderen Eigenschaften, und als er sich nun verwandelte, streckte ich die Hand aus und kratzte ihn hinter den Ohren, wo seine Schuppen ständig zu jucken schienen.
Er gab einen glückseligen Laut von sich, schüttelte mich aber bald ab und deutete mit dem Kinn auf das fest zusammengerollte Stück Papier in meiner Hand. Was steht drin?
Ich wickelte es auseinander und hielt einen gefalteten Bogen in der Hand, der mit einem kleinen Klecks schwarzen Wachses versiegelt war. Das Wachs wies keine Einprägungen auf, und auf der Außenseite war auch kein Name zu erkennen, aber mein Magierblick offenbarte mir einen schwachen Schimmer von Magie auf dem Siegel. Ich hielt das Schriftstück für Triss hoch, und er streckte einen Klauenfinger aus und berührte das Wachs. Es zischte kurz, und das Siegel löste sich auf. Mit hochgezogener Braue blickte ich Triss an, und er nickte mir zu. Wie erwartet reagierte das Siegel nur auf die Berührung eines Finsterlings. Jeder andere Versuch, es zu öffnen, hätte dazu geführt, dass das ganze Ding augenblicklich zu Asche verbrannt wäre.
Ich faltete den Brief auseinander. Darin stand: Ashviks Grab. Zwei Stunden nach Mitternacht. Wenn sich der Tag jährt, an dem du mir das Herz gebrochen hast. Und das war alles. Keine Namen. Keine Unterschrift.
Schlau gemacht. Nur ein Ort, eine Tageszeit und ein Datum, das nur ich kennen konnte. Der Tag, an dem ich Jax gesagt hatte, dass ich sie nicht heiraten würde. Am 5. Erstkorn, also von jetzt an in einer Woche. Die ganze Sache war klug eingefädelt, und ich fragte mich, wie viele von diesen Nachrichten sie wohl verteilt haben mochte in der Hoffnung, eine davon würde mich erreichen.
In Tien hatte es sechs Könige mit Namen Ashvik gegeben, und ihre Gräber verteilten sich über den ganzen königlichen Friedhof. Sollte also jemand die Nachricht abfangen, ohne zu wissen, dass sie für mich bestimmt war, so würde er nicht nur in Bezug auf das Datum, sondern auch in Hinblick auf den Treffpunkt raten müssen: das Grab Ashviks VI, jenes Herrschers, dessen Tod mir den Namen Königsmörder eingetragen hatte.
Meine frühesten Erinnerungen sind angefüllt mit Dunkelheit. Als ich mit vier Jahren in die Dienste Namaras trat, trat ich zugleich tief in den Schatten.
Von meinem ersten Tag an trainierte ich in den lichtlosen Tiefen unter dem Tempel, lernte blind zu agieren. Als ich sieben war, fühlte ich mich in totaler Dunkelheit genauso sicher wie am helllichten Tag. Und dann verband ich mich mit Triss, und ein Schatten wurde zu meinem besten Freund.
Die meisten Leute verstehen unter Dunkelheit lediglich die Abwesenheit von Licht, aber wir, die wir das Leben mit jenen von Triss’ Art teilen, wissen, dass sie auch eine lebendige Präsenz bergen kann. Ein Finsterling kann viele Formen annehmen. Er kann sich als substanzloses Gespenst im Schatten seines Gefährten verbergen. Er kann besagten Schatten beherrschen und nach seinen Wünschen formen, wie Triss es bisweilen tut, wenn er die Gestalt eines Drachen annimmt oder mir Klauen verleiht, mit denen ich klettern kann. Er kann auch zu einer dichten Wolke werden, einer Art schwarzem Nebel, und seinen Kameraden in einen Mantel aus Finsternis hüllen– was exakt die Form war, die Triss derzeit innehatte.
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