Kritisch denken im Zeitalter der Lügen - Daniel J. Levitin - E-Book

Kritisch denken im Zeitalter der Lügen E-Book

Daniel J. Levitin

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wir leben in einer Welt der Informationsüberflutung, in der die Grenze zwischen Wahrheit und »alternativen« Fakten, Halbwahrheiten und halbseidenen Theorien mehr und mehr verschwimmt und deren Unterscheidung zunehmend schwieriger fällt. Mehr noch, Falschaussagen werden gerade über Social Media gezielt platziert und eingesetzt, um Menschen zu beeinflussen. Doch wie kann man sich heute noch verlässlich informieren, wenn jeder per Klick zum "Experten" werden kann? Wie entkommt man den Filterblasen und entlarvt Falschmeldungen? Und wie erkennt man, ob eine Aussage oder Zahl richtig ist? Bestsellerautor und Neurowissenschaftler Daniel Levitin zeigt in seiner Anleitung, wie Fakten, Statistiken und Aussagen umgehend geprüft werden können. Das perfekte Buch für alle, die einen besseren Durchblick wollen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 361

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Daniel J. Levitin

Kritisch denken im Zeitalter der Lügen

 

Für meine Mutter und meinen Vater,die mir beigebracht haben, klar zu denken.

 

Daniel J. Levitin

Kritisch denken im Zeitalter der Lügen

Fake News, Halbwahrheiten und Pseudo-Fakten entlarven

Übersetzung aus dem Englischen von Nikolas Bertheau

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2018

© 2018 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

© der Originalausgabe 2016 by Daniel Levitin

Die englische Originalausgabe erschien 2016 bei The Wylie Agency (UK) LTD unter dem Titel Weaponized Lies.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Nikolas Bertheau

Redaktion: Bärbel Knill, Landsberg am Lech

Umschlaggestaltung: Laura Osswald, München

Umschlagabbildung: Shutterstock/Viktoriia Mamontova

Satz: Zerosoft SRL, Timisoara

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-86881-690-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-994-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-995-5

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Imprints unter www.m-vg.de

INHALT

Einführung Kritisch denken

Erster Teil:Was Zahlen sagen

Plausibilität

Spaß mit Durchschnitten

Achsenspielereien

Die lustige Welt der Zahlen

Wie Zahlen ermittelt werden

Wahrscheinlichkeiten

Zweiter TeilWas Worte sagen

Woher wir unser Wissen beziehen

Sachverstand erkennen

Alternative Erklärungen

Counterknowledge – »Gegenwissen«

Dritter TeilWas die Welt uns sagt

Wie Wissenschaft funktioniert

Logische Fehlschlüsse

Wie wir wissen, was wir nicht wissen

Der Satz von Bayes

Vier Fallstudien

Fazit: Das eigene Denken entdecken

Anhang: Der Satz von Bayes und seine Anwendung

Glossar

Anmerkungen

Danksagungen

Über den Autor

EINFÜHRUNG KRITISCH DENKEN

Ich werde zu Beginn zwei Dinge sagen, über die sich sicher so mancher furchtbar aufregen wird. Erstens: Unsere Alltagssprache hat begonnen, die Beziehung zwischen Fakten und Fantasie zu verschleiern. Zweitens: Es handelt sich dabei um eine gefährliche Nebenwirkung der Unzulänglichkeiten unseres (US-amerikanischen) Bildungssystems, die mittlerweile eine ganze Generation in unserem Land betreffen. Diese beiden Umstände haben dazu geführt, dass Lügen in unserer Kultur in einem Ausmaß um sich greifen, wie wir das zuvor nicht kannten. Falschbehauptungen kommen zunehmend als Waffe zum Einsatz, indem sie auf geradezu heimtückische Weise unsere Fähigkeit untergraben, gute Entscheidungen für uns selbst und unsere Mitbürger zu treffen.

Was geschieht mit unserer Sprache? Das Oxford Dictionary erklärt post-truth zum »Wort des Jahres 2016« und definiert es als Adjektiv, welches »Umstände bezeichnet, unter denen Appelle an Gefühle und individuelle Überzeugungen die öffentliche Meinung stärker prägen als objektive Fakten«. Das Wort wurde ausgewählt, weil seine Verbreitung in jenem Jahr rasant zunahm. Ich denke, es ist Zeit, dass wir wieder dazu übergehen, von der guten alten »Wahrheit« Gebrauch zu machen – je eher, desto besser. Und wir müssen der Vorstellung entgegentreten, es gäbe so etwas wie Wahrheit gar nicht mehr.

Im Umgang mit Unwahrheiten sind wir alle ein wenig zu vorsichtig. Vielleicht im Versuch, persönliche Konfrontationen zu vermeiden und uns »zu arrangieren«, haben wir uns angewöhnt, Euphemismen für Dinge zu gebrauchen, die einfach nur dummes Zeug sind. Die Falschbehauptung, wonach der Washingtoner Pizzaladen Comet Ping Pong unter maßgeblicher Führung von Hillary Clinton verdeckt Sexsklaven hielt, verleitete den 28-jährigen Edgar M. Welch am 4. Dezember 2016 (nur wenige Tage nach der Kür von post-truth zum Wort des Jahres) dazu, von Salisbury, North Carolina, in das 560 Kilometer entfernte Washington zu fahren und mit seiner halbautomatischen Waffe in der Pizzeria um sich zu feuern. Die New Yorker Tageszeitung Daily News nannte die Falschbehauptung eine fringe theory oder »Randtheorie«. Eine Theorie ist, nebenbei bemerkt, nicht einfach irgendeine Vorstellung, sondern eine, die sich auf die sorgfältige Auswertung von klaren Anhaltspunkten stützt. Und nicht nur irgendwelchen Anhaltspunkten, sondern Anhaltspunkten, die für die betreffende Frage von Relevanz sind und unvoreingenommen und nach strengen Maßstäben gesammelt wurden.

Andere Euphemismen für Falschbehauptungen – also Lügen – sind Counterknowledge, Extremansichten, alternative Wahrheiten, Verschwörungstheorien und die neuerdings verbreitete Bezeichnung »Fake News«.

Der Ausdruck »Fake News« hat einen ironischen Beiklang, ähnlich den Krankheitsausreden, mit denen sich Schüler vor Klassenarbeiten zu drücken versuchen. Solche Euphemismen verschleiern die Tatsache, dass die Sexsklavinnen-Theorie eine blanke Lüge war. Ihre Urheber wussten, dass sie nicht stimmte. Eine Medaille hat keine zwei Seiten, solange die eine Seite eine Lüge ist. Journalisten – wie überhaupt wir alle – müssen aufhören, Geschichten Beachtung zu schenken, die keine faktenbasierte Medaillenseite haben. Eine Geschichte hat nur dann zwei Seiten, wenn es für beide Seiten fundierte Anhaltspunkte gibt. Dann mag es Gründe geben, diese Anhaltspunkte unterschiedlich zu gewichten und zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen zu gelangen. Natürlich darf sich jeder seine eigene Meinung bilden. Aber es gibt kein Recht auf eigene Fakten. Lügen basieren auf nichtexistenten Fakten. Mehr noch, in vielen Fällen stehen sie in direktem Widerspruch zu positiv verfügbaren Fakten.

Wahrheit ist unverzichtbar. Ein Zeitalter jenseits der Wahrheit ist ein Zeitalter der vorsätzlichen Irrationalität, die das Rad der Menschheitsentwicklung zurückdreht. Vielleicht scheuen sich Journalisten deshalb, »Fake News« als das zu bezeichnen, was sie sind – nämlich Lügen –, weil sie deren Urheber nicht provozieren wollen. Aber ich sage: Provoziert sie! Lest ihnen die Leviten.

Eine bessere Formulierung ist vielleicht: Was ist im Vorfeld dieses Post-truth-Zeitalters mit unseren Bildungssystemen und -institutionen geschehen? Die durchschnittliche Zahl der Bücher, die unsere Schüler lesen, nimmt oberhalb der zweiten Klasse mit jedem weiteren Jahr ab.1 Bereits vor fünfzehn Jahren stellte das US-Bildungsministerium fest, dass mehr als jeder fünfte erwachsene US-Amerikaner nicht einmal in der Lage ist, Informationen in einem Text zu finden oder »aus Drucksachen einfachste Rückschlüsse zu ziehen«.2 Offenbar gelingt es uns nicht, unseren Kindern beizubringen, was Quellen sind und wie man sie nutzt. Das sollte uns keine Ruhe lassen. Edgar Welch, der erwähnte Schütze in der Pizzeria, erzählte den Behörden, seine Absicht sei es gewesen, die Verschwörungstheorie, von der er online gelesen habe, zu »überprüfen«. Unsere Informationsinfrastruktur ist höchst wirkungsmächtig. Sie kann viel Gutes bewirken und ebenso viel Schaden anrichten. Und jeder von uns muss wissen, worin sich das eine vom anderen unterscheidet.

Welch mag in der einen oder anderen Form gedacht haben, dass er etwas »überprüfte«, aber nichts deutet darauf hin, dass er ernsthaft den Versuch unternahm. Ganz offensichtlich weiß dieser Bürger nicht, was es heißt, echte Nachforschungen anzustellen und Quellen auszuwerten. In diesem Fall hätte man beispielsweise nach Verbindungen zwischen Hillary Clinton und dem Restaurant forschen können. Man hätte bei ihr nach Verhaltensweisen suchen können, die auf ein Interesse an der Leitung eines Prostitutionsrings hätten schließen lassen, oder nach einem entsprechenden Motiv (ein finanzielles Motiv wäre wohl kaum infrage gekommen – nach der Aufregung um ihre Vortragshonorare). Er hätte beobachten können, ob Kinderprostituierte und ihre Freier in dem Gebäude ein- und ausgingen. Und wenn es ihm an der nötigen Mentalität oder Bildung gemangelt hätte, um selbst Recherchen anzustellen, hätte er zumindest zur Kenntnis nehmen können, was professionelle Enthüllungsjournalisten zu dem Fall zu sagen hatten. Der Umstand, dass kein ernstzunehmender Journalist dieser Geschichte den geringsten Glauben schenkte, hätte ihm zu denken geben müssen. Mir ist bewusst, dass es Menschen gibt, die Journalisten grundsätzlich für korrupt und politikgesteuert halten. Dem US-Büro für Arbeitsstatistik zufolge gibt es in den Vereinigten Staaten 45 790 Reporter und Korrespondenten.3 Die US-amerikanische Gesellschaft der Nachrichtenredakteure, eine unabhängige Handelsgruppe, schätzt, dass für die knapp 1400 Tageszeitungen des Landes rund 32 900 Journalisten arbeiten.4 Einige davon mögen korrupt sein, aber angesichts ihrer Gesamtzahl ist es höchst unwahrscheinlich, dass sie es alle sind.

Die Social-Media-Plattform Facebook bemüht sich, ihrer gesellschaftlichen Funktion als Informationsquelle dadurch gerecht zu werden, dass sie es »ihren 1,8 Milliarden Mitgliedern erleichtert, Fake News zu melden«5 – mit anderen Worten, Lügen als solche zu bezeichnen. Vielleicht werden andere Social-Media-Seiten in Zukunft in verstärktem Umfang kuratorische Aufgaben wahrnehmen. Zumindest dürfen wir hoffen, dass ihre Rolle beim bewussten Einsatz von Falschmeldungen als Waffe abnehmen wird.

Viele Nachrichtenorganisationen haben versucht, den Ursprüngen der Geschichte von der Sexsklavinnen-Pizzeria nachzugehen. NBC-Reporter berichteten von einer florierenden Gemeinde von »FakeNews«-Produzenten in der mazedonischen Stadt Veles,6 die sehr wohl als Quelle infrage kommen. Diese Gegend war bis 1991 Teil des kommunistischen Jugoslawiens. Buzzfeed und der Guardian fanden mehr als 100 dort registrierte Domain-Namen für Fake News. Junge Menschen aus Veles ohne irgendeine politische Zugehörigkeit oder Verbindung zu einer US-Partei verbreiten lügengestützte Geschichten, um von den signifikanten Werbeklickvergütungen auf Plattformen wie Facebook zu profitieren. In Städten, die ihnen kaum wirtschaftliche Perspektiven bieten, können Teenager auf diese Weise Zehntausende Dollar verdienen. Sind sie schuld an den Schüssen in der Pizzeria? Sind die Social-Media-Plattformen schuld? Oder ein US-amerikanisches Bildungssystem, das in Scharen Bürger hervorbringt, die sich nicht die Mühe machen, die Behauptungen zu hinterfragen, die täglich auf sie einprasseln?

Sie könnten jetzt einwenden: »Die kritische Auswertung von Statistiken ist nicht meine Aufgabe. Das sollten Zeitungen, Blogger, die Regierung, Wikipedia und so weiter für uns tun.« Ja, das sollten sie, aber sie tun es nicht, oder zumindest nicht immer, und es fällt ihnen zunehmend schwerer, mit dem Tempo mitzuhalten, in dem immer neue Lügen in Umlauf kommen. Es ist ein Hase-und-Igel-Spiel. Die Pizzagate-Story erzeugte mehr als eine Million Klicks, während ihre Entlarvung durch Snopes weniger als 35 000-mal aufgerufen wurde. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir eine freie Presse haben. Den meisten Nationen war dieses Glück nur selten, wenn überhaupt beschieden. Freiheit und Unversehrtheit der Presse sind keine Selbstverständlichkeit. Die Journalisten und ihre Arbeitgeber werden weiter helfen, Lügen zu erkennen und zu zerstreuen, aber das gelingt ihnen nicht, solange ein leichtgläubiges, ungeschultes Publikum alles für bare Münze nimmt, was man ihm vorsetzt.

Natürlich würden die wenigsten von uns sich zu dem Glauben verführen lassen, Hillary Clinton leite von einer Washingtoner Pizzeria aus einen Prostitutionsring. Aber es geht in diesem Buch nicht nur um solche Absurditäten. Brauchen wir dieses neue Medikament wirklich, oder versucht hier eine milliardenschwere Werbekampagne, uns mit handverlesenen, unausgewogenen Pseudodaten über den Tisch zu ziehen? Woher wissen wir, ob Anschuldigungen gegen eine prominente Person begründet sind? Wie bewerten wir diese oder jene Investition? Welche Schlüsse ziehen wir aus einander widersprechenden Wahlprognosen? Was liegt außerhalb unserer Erkenntnisfähigkeiten, weil uns die nötigen Informationen fehlen?

Am besten und zuverlässigsten schützen wir uns vor listigen Falschmeldern, indem jeder von uns seine Fähigkeiten im kritischen Denken schärft. Bislang gelingt es uns nicht, unseren Kindern die evolutionär bedingte Veranlagung zur Leichtgläubigkeit auszutreiben. Wir sind eine gesellige Spezies und neigen dazu, dem, was andere uns erzählen, blind zu glauben. Und unsere Köpfe sind Meister im Geschichtenerzählen und Fabulieren. Wenn es sein muss, schaffen wir es, noch für die abwegigste Prämisse fantasievolle Erklärungen aus dem Hut zu zaubern. Aber das ist der Unterschied zwischen kreativem und kritischem Denken, zwischen Lüge und Wahrheit: Die Wahrheit stützt sich auf objektive Fakten. Manche Behauptungen sind möglicherweise richtig; wahre Aussagen sind es eo ipso.

Von Januar 2015 bis Juni 2016 befragte die Stanford University mehr als 7800 Schüler von der Mittelstufe bis zum College im Rahmen einer Studie zur reflektierten Rezeption von Online-Informationen. Die Forscher sprechen von einer »überwältigenden Tendenz. Alles in allem lässt sich die Fähigkeit der jungen Menschen, Informationen aus dem Internet reflektiert zu verarbeiten, mit einem Wort zusammenfassen: Fehlanzeige«. Die Unfähigkeit, seriöse Nachrichten von Lügen zu unterscheiden, war einfach nur erschreckend. Es ist höchste Zeit, dass wir anfangen, es ihnen beizubringen. Und wo wir schon dabei sind, könnten wir übrigens einen Auffrischungskurs gut gebrauchen. Glücklicherweise sind bereits die meisten Zwölfjährigen zu evidenzbasiertem Denken fähig, sofern man ihnen nur zeigt, wie es geht.

Viele sagen, Pizzagate sei eine unmittelbare Folge von Fake News gewesen – aber wir sollten sie bei ihrem richtigen Namen nennen: Lügen. Fake News sind schlechterdings keine News, keine Nachrichten. Was Welch schließlich dazu brachte, in einer Washingtoner Pizzeria um sich zu schießen, war die vollkommene Unfähigkeit zu erkennen, dass es sich bei einer Vorstellung, die sich in seinem Kopf gebildet hatte, um einen Irrtum handeln könnte. Die wichtigste Komponente des kritischen Denkens, an der es unserer heutigen Gesellschaft fehlt, ist das Bewusstsein für die eigenen Grenzen, oder, um ein altertümliches Wort zu gebrauchen, Demut. Das Konzept dahinter ist ebenso einfach wie tief greifend: Solange uns bewusst ist, dass wir nicht alles wissen, können wir lernen. Sobald wir aber wähnen, alles zu wissen, wird Lernen unmöglich. Irgendwie haben unser Bildungssystem und unser Umgang mit dem Internet eine junge Generation hervorgebracht, die nicht weiß, was sie nicht weiß. Indem wir die Wahrheit dieser Aussage akzeptieren, eröffnen wir uns die Möglichkeit, den Bildungsstand im Land zu heben, Bürgertugenden wiederherzustellen und den Heerscharen der zur Waffe mutierten Lügen entgegenzutreten, die unsere Welt bedrohen. Nur so kann Demokratie funktionieren und gedeihen.

Drei Formen strategischer Verteidigung

Die Anfänge meiner Arbeit an diesem Buch gehen auf das Jahr 2001 zurück, als ich einen College-Kurs zum Thema kritisches Denken hielt. Eine intensive Beschäftigung in den Jahren 2014 bis 2016 mündete in einer ersten Veröffentlichung des Buches mit einer anderen Einleitung und unter dem Titel A Field Guide to Lies. Seit damals jedoch haben die Gefährlichkeit und der Einfluss von Lügen und Falschmeldungen rasant zugenommen. Hier geht es nicht länger nur um Dinge, die sich mit einem Achselzucken abtun ließen. Die Lüge ist zur Waffe geworden. Und diese Gefahr nimmt möglicherweise noch zu und führt früher oder später zu Problemen, die wir seit Generationen nicht mehr erlebt haben. Vielleicht aber geht es auch glimpflicher aus. Die Werkzeuge, die ich hier vorstelle, haben sich gegenüber der ersten Ausgabe nicht verändert; sie sind unverzichtbar, ganz gleich, woher der politische, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Wind gerade weht.

Ein Teil des Problems betrifft die Quellen. Früher sahen faktenbasierte Bücher und Zeitungsartikel schlicht authentischer aus, verglichen mit irgendwelchen auf häuslichen Druckmaschinen hergestellten Pamphleten. Mit dem Internet hat sich das natürlich geändert. Eine faktenverdrehende Website kann ebenso authentisch wirken wie eine verlässliche, faktenbasierte Website – ich werde dazu später im Buch Beispiele nennen. Das Internet hält ein teuflisches Gemisch aus echten und falschen Informationen bereit, weshalb es auch so schwer fällt, das eine vom anderen zu trennen. Und die Lüge ist überaus promiskuitiv – sie hält es mit Vertretern sämtlicher Gesellschafts- und Bildungsschichten und taucht an Orten auf, an denen Sie sie niemals vermuten würden. Sie verbreitet sich von einem zum anderen und von diesem zum nächsten, über Twitter, Facebook, Snapchat, Instagram, Tumblr und wie sie alle heißen; sie setzt sich fest und erlangt Bekanntheit, und plötzlich glauben viele Menschen Dinge, die nicht stimmen.

Dieses Buch handelt davon, wie wir Probleme mit den (echten oder vermeintlichen) Fakten erkennen, die uns präsentiert werden – Probleme, die uns möglicherweise dazu verleiten, falsche Schlussfolgerungen zu ziehen. Manchmal hoffen diejenigen, die uns die Fakten vorsetzen, dass wir genau dies tun; manchmal kennen sie den Unterschied selbst nicht. Heute prasseln die Informationen beinahe pausenlos auf uns ein. Politiker melden sich in unseren Social-Media-Zeitleisten, und täglich, wenn nicht gar stündlich, heischen »Eilmeldungen« um unsere Aufmerksamkeit. Aber wann haben wir die Zeit, um zu prüfen, ob diese Nachrichten frei sind von Pseudofakten, Wahrheitsverdrehungen oder unverblümten Lügen? Wir alle benötigen effiziente Strategien, um feststellen zu können, ob das, was uns vorgesetzt wird, verlässlich und wahr ist.

Wir haben in den vergangenen fünf Jahren mehr menschengemachte »Informationen« produziert als in der gesamten Menschheitsgeschichte zuvor. Neben Wahrem sind darunter gewaltige Mengen an Falschinformationen – auf Internetseiten, in Videos, Büchern und Social Media. Das Problem ist an und für sich nicht neu. Fehlinformationen bilden seit Jahrtausenden eine Konstante im menschlichen Leben und wurden schon zu biblischen Zeiten und im klassischen Griechenland dokumentiert.7 Was neu ist, ist, dass sie sich heute als Waffe verwenden lassen, um gesellschaftliche oder politische Ziele zu erreichen, vor denen wir andernfalls geschützt wären.

In den folgenden Kapiteln habe ich diese Strategien in Kategorien unterteilt. Der erste Teil des Buches handelt von numerischen Fehlinformationen. Es macht deutlich, wie falsch gedeutete Statistiken und Graphen eine verzerrte Sicht vermitteln und uns zu falschen Schlussfolgerungen (und in der Folge verkehrten Entscheidungen) verleiten. Der zweite Teil handelt von falschen Argumenten – davon, wie leicht es ist, überzeugend zu klingen und Geschichten zu präsentieren, die trotz oder gerade wegen ihres fehlenden Faktenbezugs so verführerisch daherkommen. Nebenbei werde ich beschreiben, wie wir unser Gespür für den Wahrheitsgehalt von Nachrichten, Werbebotschaften und Berichten verbessern können. Der letzte Teil des Buches geht näher ein auf die Grundlagen unserer Fähigkeit zu erkennen, ob etwas wahr oder falsch ist: die wissenschaftliche Methode. Sie ist das beste Werkzeug, das jemals erfunden wurde, um die tiefsten Geheimnisse zu ergründen, und hat ihre Wurzeln in den großen Denkern der Menschheitsgeschichte wie Aristoteles, Bacon, Galilei, Descartes, Semmelweis und Popper. Dieser letzte Teil des Buches handelt von dem, was wir wissen können und was nicht, beziehungsweise, was wir schon jetzt wissen und was vielleicht erst in Zukunft. Anhand einer Reihe von Fallstudien demonstriere ich logisches Denken in unterschiedlichen Kontexten, die von der gerichtlichen Zeugenaussage über medizinische Entscheidungen, Magie und moderne Physik bis zu Verschwörungstheorien reichen.

Kritisches Denken bedeutet nicht, alles pauschal infrage zu stellen; es bezeichnet vielmehr den Versuch, zwischen Behauptungen mit und ohne geeignete Faktenbasis zu unterscheiden.

»Meinungsmacher« haben leichtes Spiel, ihre Lügen mit Statistiken und grafischen Darstellungen zu untermauern, wissen sie doch, dass sich die wenigsten Menschen die Mühe machen, sie sich genauer anzuschauen, um zu verstehen, wie sie funktionieren. Vielleicht sprechen sie sich selbst die Kompetenz dazu ab. Dabei ist das etwas, das jeder kann; die Kenntnis weniger Grundprinzipien genügt, damit Kurven und Diagramme ihre Eleganz offenbaren – oder ihre Entstellung.

Nehmen wir die zuvor erwähnte Statistik, der zufolge die Zahl der Bücher, die die Schüler lesen, ab der zweiten Klasse Jahr für Jahr stetig abnimmt. Man möchte daraus schließen, dass unser Bildungssystem mangelhaft ist – dass die Kinder keine guten Lesegewohnheiten entwickeln, dass sie nicht daran interessiert sind, sich zu verbessern, und dass sie geistig träge sind. Aber halt! Fragen Sie sich zuerst: Ist die Zahl der Bücher ein geeignetes Maß, um daraus solche Schlüsse zu ziehen? Zweitklässler lesen im Allgemeinen sehr kurze Bücher, und mit den Jahren nimmt die Länge der Bücher zu. In der Mittelstufe lesen sie dann vielleicht Herr der Fliegen (200 Seiten), und in der Oberstufe oder als Studenten Krieg und Frieden (1500 Seiten). Vielleicht sollten wir stattdessen auf die Zahl der gelesenen Seiten oder die mit Lesen verbrachte Zeit schauen. Im Studium und in vielen Berufen aus Bereichen wie Rechtsprechung, Politik, Industrie, Finanzen und Wissenschaft lesen die Menschen vielleicht weniger Bücher und dafür mehr fachbezogene Aufsätze. Angenommen, ein Regierungsbeamter liest überhaupt kein Buch und verbringt seine Zeit stattdessen mit der Lektüre von Verfassungstexten, Gesetzen, Branchenberichten, Zeitungen und Zeitschriften. Würden Sie ihn dann als intellektuell träge bezeichnen? Nur weil eine Statistik zitiert wird, heißt das noch lange nicht, dass sie für die betreffende Frage auch von Relevanz ist. Noch dazu wurde die Studie allem Anschein nach von einem Unternehmen durchgeführt, das Software zur Verbesserung der Lesefähigkeiten im Angebot hat und sich von einem Bericht über mangelhafte Lesegewohnheiten möglicherweise Vorteile verspricht. So sieht kritisches Denken aus.

Sobald wir einzelne falsche Argumentationsschritte innerhalb von Geschichten erkennen, fällt es uns leichter zu beurteilen, ob die Argumentationskette insgesamt zu einem schlüssigen Ergebnis kommt oder nicht. Informationskompetenz steht für die Fähigkeit zu erkennen, dass Quellen von unterschiedlicher Qualität sein können, dass Pseudofakten leicht den Blick auf die wahren Fakten verstellen können, und dass unsere eigene Voreingenommenheit unseren Blick für die Informationen trüben kann, die uns geboten werden, mit der Folge, dass wir uns zu schlechten Entscheidungen verleiten lassen und schlechte Ergebnisse erhalten.

Manchmal bestehen die Quellen aus Zahlen und dann müssen wir uns fragen: »Woher kommen diese Zahlen? Wie wurden sie erhoben?« Manchmal sind die Zahlen Quatsch, aber es verlangt ein wenig Gedankenarbeit, um dies zu erkennen. Manchmal wirken Behauptungen plausibel, stammen aber aus einer wenig glaubwürdigen Quelle, wie beispielsweise von jemandem, der behauptet, etwas gesehen zu haben, ohne jedoch am Schauplatz gewesen zu sein. Mithilfe dieses Buches können Sie lernen, gar nicht erst auf Falschbehauptungen hereinzufallen und deren Verbreitung von Anfang an die rote Karte zu zeigen.8

ERSTER TEIL:

WAS ZAHLEN SAGEN

Was dich in Schwierigkeiten bringt, ist nicht das, was du nicht weißt. Es sind vielmehr die Dinge, die du sicher weißt, die aber doch nicht so sind.

MARK TWAIN

PLAUSIBILITÄT

Weil Statistiken aus Zahlen bestehen, kommen sie als kalte, harte Fakten daher. Als Fakten scheinen sie naturgegeben zu sein; man muss sie nur finden. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass es Menschen sind, die sie zusammentragen. Menschen entscheiden, was sie zählen,9 wie sie es zählen, welche abgeleiteten Zahlen sie schließlich an uns weitervermitteln und mit welchen Worten sie diese Zahlen beschreiben und interpretieren. Statistiken sind keine Fakten, sondern Interpretationen. Und Ihre eigene Interpretation ist im Zweifelsfall mindestens ebenso gut oder sogar besser als die Interpretation der Person, die sie Ihnen vorsetzt.

Manchmal sind die Zahlen schlicht falsch und häufig ist es am einfachsten, mit einer kurzen Plausibilitätseinschätzung zu beginnen. Und selbst dann, wenn die Zahlen diesen Plausibilitätstest bestehen, sind anschließend drei Arten von Fehlern möglich, die Sie dazu verleiten, Dinge zu glauben, die nicht zutreffen: wie die Zahlen erhoben, wie sie interpretiert und wie sie grafisch aufbereitet wurden.

Eine kurze Rechnung im Kopf oder auf der Rückseite eines Briefumschlags genügt (fast immer), um festzustellen, ob eine Behauptung plausibel ist. Akzeptieren Sie eine Behauptung nicht einfach so; investieren Sie ein Minimum an Mühe.

Bei der Plausibilitätseinschätzung interessieren uns nicht die exakten Zahlen. Auch wenn das der Intuition zu widersprechen scheint, ist Genauigkeit hier nicht wichtig. Gesunder Menschenverstand reicht häufig aus: Wenn Bert Ihnen erzählt, ein Weinglas sei vom Tisch auf den weichen Teppich gefallen, ohne zu zerbrechen, dann klingt das plausibel. Erzählt Ernie, das Glas sei von der Spitze eines vierzigstöckigen Hochhauses auf den Bürgersteig gefallen, ohne zu zerspringen, dann ist das nicht plausibel. Das verrät Ihnen Ihr Erfahrungswissen – Ihre im Lauf des Lebens gemachten Beobachtungen. Und wenn Ihnen jemand erzählt, er sei zweihundert Jahre alt, schlage regelmäßig beim Roulette in Vegas die Bank oder könne sechzig Stundenkilometer schnell laufen, dann wissen Sie ebenfalls, dass das keine plausiblen Behauptungen sind.

Wie würden Sie auf solche Behauptungen reagieren?

In den 35 Jahren, in denen die Marihuana-Gesetze in Kalifornien nun schon nicht mehr durchgesetzt werden, hat sich die Zahl der Marihuana-Konsumenten jedes Jahr verdoppelt.

Ist das plausibel? Wo fangen wir an? Angenommen, vor 35 Jahren hätte es in Kalifornien lediglich einen Marihuana-Konsumenten gegeben, was eine sehr konservative Schätzung ist (in den Vereinigten Staaten wurden 1982 eine halbe Million Menschen wegen Marihuana-Besitzes festgenommen). Eine jährliche Verdopplung dieser Zahl über 35 Jahre ergäbe mehr als 17 Milliarden – mehr als die Weltbevölkerung. (Versuchen Sie es selbst, und Sie werden sehen, dass eine jährliche Verdopplung über 20 Jahre bereits einen Wert von über einer Million liefert: 1, 2, 4, 8, 16, 32, 64, 128, 256, 512, 1024, 2048, 4096, 8192, 16 384, 32 768, 65 536, 131 072, 262 144, 524 288, 1 048 576.) Diese Behauptung ist nicht nur nicht plausibel, sie ist schlechterdings unmöglich. Leider haben viele Menschen Schwierigkeiten, klar zu denken, sobald Zahlen im Spiel sind, weil sie sich von diesen einschüchtern lassen. Aber Sie sehen selbst, dass hier nicht mehr verlangt ist als elementare Schulmathematik und ein paar naheliegende Annahmen.

Hier ist ein weiteres Beispiel. Sie haben gerade die Tätigkeit eines Telefonverkäufers aufgenommen, wo Ihre Aufgabe darin besteht, Zielkunden mit Überraschungsanrufen zu belästigen. Ihr Chef versucht Sie mit folgender Behauptung zu motivieren:

Unser bester Verkäufer schaffte schon einmal 1000 Verkäufe an einem Tag.

Manche Behauptungen lassen sich nicht so einfach abschätzen. Hier ist eine Überschrift des Time Magazine aus dem Jahr 2013:10

»Mehr Menschen haben Mobiltelefone als Toiletten.«

Was machen wir damit? Wir könnten uns die Zahl der Menschen in Entwicklungsländern ohne Zugang zu Sanitäranlagen anschauen und berücksichtigen, dass viele Menschen in den reicheren Ländern mehr als ein Mobiltelefon besitzen. Die Behauptung scheint plausibel zu sein – was jedoch noch nicht bedeutet, dass wir sie akzeptieren sollten, nur weil wir sie nicht rundheraus als absurd zurückweisen können. Nachdem sie den Plausibilitätstest passiert hat, müssen wir andere Techniken zu Hilfe nehmen, um sie auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen.

Manchmal bedarf es dazu ein wenig eigener Recherche. Gewiss, es wäre Aufgabe von Zeitungen und Internetseiten, das für uns zu tun, aber sie tun es nicht immer, und so passiert es dann, dass abwegige Statistiken ihr Eigenleben zu führen beginnen. Vor einigen Jahren fand folgende Statistik große Verbreitung:11

In den Vereinigten Staaten sterben jedes Jahr 150 000 Mädchen und junge Frauen an Magersucht.

Okay – machen wir den Plausibilitätstest. Dazu müssen wir etwas recherchieren. Laut Angaben der US-Behörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) beträgt die jährliche Sterberate von Mädchen und jungen Frauen zwischen 15 und 24 unter Berücksichtigung sämtlicher Todesursachen 8500. Selbst wenn wir die Frauen von 25 bis 44 hinzurechnen, landen wir immer noch bei nicht mehr als 55 000.12 Die Magersuchttoten eines Jahres können nicht das Dreifache sämtlicher Todesfälle betragen.13

In einem Beitrag für die Zeitschrift Science vermeldeten Louis Pollack und Hans Weiss die Dezimierung der Telefonkosten seit der Gründung von COMSAT:

»Die Kosten für ein Telefongespräch sind um 12 000 Prozent gesunken.«14

Wenn ein Preis um 100 Prozent sinkt, fällt er auf null (unabhängig von seiner ursprünglichen Höhe). Eine Verminderung um 200 Prozent würde bedeuten, dass jemand Ihnen das zahlt, was Sie zuvor ihm dafür bezahlt haben, dass Sie ihm das Produkt abnehmen. Eine Minderung um 100 Prozent ist äußerst selten; eine Minderung um 12 000 Prozent ist hochgradig unwahrscheinlich.15 Ein Artikel im Journal of Management Development (bei dem sämtliche Beiträge den Peer-Review-Prozess durchlaufen) behauptete, eine neue Kundenbetreuungsstrategie habe zu einem Rückgang der Kundenbeschwerden um 200 Prozent geführt.16 Der Autor Dan Keppel gab sogar seinem Buch den Titel Get What You Pay For – Save 200% on Stocks, Mutual Funds, Every Financial Need. Er hat einen Master of Business Administration. Er sollte es besser wissen.

Natürlich müssen Sie Prozentangaben auf denselben Referenzwert – dieselbe Messbasis – beziehen, um sie vergleichen zu können. Eine 50-prozentige Gehaltsminderung17 lässt sich nicht durch eine 50-prozentige Aufstockung Ihres neuen, geringeren Gehalts kompensieren, weil sich der Referenzwert geändert hat. Wenn Sie ursprünglich 1000 US-Dollar in der Woche bekamen und nach der 50-prozentigen Gehaltsminderung nur noch 500 US-Dollar verdienten, landen Sie mit einer 50-prozentigen Aufstockung lediglich bei 750 US-Dollar.

Die New York Times vermeldete die Schließung einer Tuchfabrik in Connecticut und ihren Umzug nach Virginia aufgrund hoher Personalkosten.19 In der Zeitung hieß es: »Löhne, Vergütungen und Arbeitslosenversicherung sind in Connecticut 20-mal so hoch wie in Virginia.« Ist das plausibel? Wenn es wahr wäre, würde man annehmen, dass Unternehmen scharenweise von Connecticut nach Virginia umsiedeln würden – und nicht nur ein Werk – und dass wir davon schon längst gehört hätten. In Wahrheit aber stimmte es nicht und die Times musste eine Berichtigung drucken. Wie konnte das passieren? Die Reporterin hatte schlicht einen Unternehmensbericht schlecht gelesen. Ein Ausgabenposten, die Arbeitslosenversicherung, war tatsächlich in Virginia 20-mal so hoch wie in Virginia, aber unter Berücksichtigung der übrigen Faktoren ergaben sich unterm Strich Personalkosten in Connecticut, die 1,3-mal so hoch waren wie in Virginia, und nicht 20-mal so hoch. Die Reporterin war betriebswirtschaftlich nicht einschlägig vorgebildet und das sollten wir auch nicht von ihr erwarten. Um solche Arten von Fehlern zu bemerken, genügt es aber, einen Augenblick innezuhalten und den eigenen Kopf einzuschalten – wozu jeder fähig ist (und was die Reporterin und ihre Cheflektoren hätten tun sollen).

New Jersey verabschiedete Gesetze, wonach Mütter, die bereits Sozialhilfe empfingen, kein zusätzliches Kindergeld mehr erhalten sollten.20 Einige Parlamentarier waren der Ansicht, dass Mütter in New Jersey nur Kinder bekamen, um sich auf diese Weise eine höhere staatliche Unterstützung zu sichern. Nach zwei Monaten erklärten sie das »Familien-Obergrenzen-Gesetz« zu einem großen Erfolg, weil die Geburtenzahlen um 16 Prozent zurückgegangen waren. Die New York Times berichtete:

»Nach nur zwei Monaten veröffentlichten die Behörden Zahlen, aus denen hervorging, dass die Geburtenzahlen von Müttern, die staatliche Unterstützung erhielten, um 16 Prozent zurückgegangen waren, und die Politiker begannen, sich für ihren Über-Nacht-Erfolg zu beglückwünschen.«21

Sie zählten wohlgemerkt nicht Schwangerschaften, sondern Geburten. Was stimmt hier nicht? Weil eine Schwangerschaft üblicherweise neun Monate dauert, kann ein Effekt, der sich in den ersten zwei Monaten zeigt, unmöglich dem Gesetz zugeschrieben werden, sondern ist vermutlich den normalen Schwankungen in den Geburtsraten geschuldet (es ist bekannt, dass Geburtsraten saisonabhängig sind).

Es gab hingegen noch weitere Probleme mit diesem Bericht, die ein Plausibilitätstest nicht sofort zutage förderte:

»... im Lauf der Zeit schrumpften die 16 Prozent jedoch zu etwa zehn Prozent zusammen, nachdem die offiziellen Stellen verspätet Geburten registrierten, die nicht vorher gemeldet worden waren. Offensichtlich sahen viele Mütter keine Notwendigkeit mehr, Geburten zu melden, weil sich dies nicht auf ihre Unterstützungszahlungen auswirkte.«22

Das ist ein Beispiel für ein Problem, das damit zu tun hat, wie Statistiken erhoben werden: Wir erfassen weniger Menschen, als wir zu erfassen glauben. Manche logischen Fehler lassen sich schwerer antizipieren als andere, aber durch Übung werden wir besser. Beginnen wir mit einem Blick auf ein elementares, wenngleich häufig missbräuchlich eingesetztes Werkzeug.

Das Kreis- oder Tortendiagramm ist eine einfache Methode, Prozentangaben – aus welchen Teilen sich ein Ganzes zusammensetzt – zu visualisieren. Vielleicht möchten wir wissen, zu welchen Anteilen das Budget eines Schulbezirks für Dinge wie Gehälter, Lehrmittel oder Gebäudewartung ausgegeben wird. Oder wir möchten wissen, welche Anteile der Lehrmittelausgaben auf die einzelnen Fächer wie Mathematik, Naturwissenschaften, Sprachen, Kunst, Sport, Musik und so weiter entfallen. Die Kardinalregel für Tortendiagramme lautet, dass sich die prozentualen Anteile zu 100 addieren. Denken Sie an eine echte Torte: Wenn neun Personen jeweils ein gleichgroßes Stück davon wollen, können Sie sie nicht in acht teilen. Wenn Sie am Ende der Torte angelangt sind, ist nichts mehr da. Das hinderte Fox News allerdings nicht daran, dieses Tortendiagramm zu veröffentlichen:

Die wichtigste Regel für Tortendiagramme: Die Summe der Prozentangaben ergibt 100. (Fox News, 2010)

Wir können uns vorstellen, wie es dazu kommen konnte. Die Wähler hatten die Möglichkeit anzugeben, dass sie mehr als einen Kandidaten unterstützten. Nur sollte man die Ergebnisse dann nicht in einem Tortendiagramm wiedergeben.

SPASS MIT DURCHSCHNITTEN

Ein Durchschnitt kann eine hilfreiche Angabe sein, die sich noch leichter verdauen lässt als ein Tortendiagramm und uns erlaubt, sehr viele Informationen in einer einzigen Zahl zusammenzufassen. So könnte es interessant sein, das durchschnittliche Vermögen der Personen in einem Raum zu kennen, um danach zu entscheiden, ob unsere Spendensammler oder Vertriebsleiter sich einmal mit ihnen treffen sollten. Oder wir fragen uns nach dem durchschnittlichen Benzinpreis, um abzuschätzen, wie teuer uns eine Autofahrt von Vancouver nach Banff zu stehen kommt. Aber Durchschnitte können ungeahnt komplex sein.

Es gibt drei Arten, einen Durchschnitt zu berechnen, und häufig kommen dabei unterschiedliche Zahlen heraus, weshalb Menschen, die sich mit Statistik auskennen, den Begriff Durchschnitt gern vermeiden und stattdessen von Mittelwert, Median und Modus sprechen. Gelegentlich fallen diese Begriffe zusammen, aber in den meisten Fällen liefern sie unterschiedliche Werte. Wenn von Durchschnitt die Rede ist, ist damit in der Regel der Mittelwert gemeint, aber sicher ist das nicht.

Der Mittelwert (oder das arithmetische Mittel) ist der am häufigsten gebrauchte unter den drei Begriffen und wird gebildet, indem alle verfügbaren Beobachtungen oder gemeldeten Einzelwerte aufaddiert und durch die Anzahl der Beobachtungen oder Werte geteilt werden. So ist beispielsweise das durchschnittliche Vermögen der Anwesenden im Raum einfach ihr Gesamtvermögen geteilt durch ihre Anzahl. Wenn sich zehn Personen im Raum befinden, deren Vermögen jeweils 100 000 US-Dollar wert ist, beträgt das Gesamtvermögen im Raum eine Million US-Dollar, und Sie benötigen keinen Taschenrechner, um den Mittelwert zu ermitteln. Es sind 100 000 US-Dollar. Wenn sich in einem anderen Raum zehn Personen mit unterschiedlichen Vermögen zwischen 50 000 und 150 000 US-Dollar befinden, die sich ebenfalls zu einer Million US-Dollar aufaddieren, beträgt der Mittelwert immer noch 100 000 US-Dollar (weil wir schlicht das Gesamtvermögen von einer Million US-Dollar durch die zehn Personen teilen, unabhängig davon, wie viel jeder Einzelne zu dem Gesamtvermögen beiträgt).

Der Median (oder Medianwert) ist der mittlere Wert in einer Menge von Zahlen (Statistiker sprechen von einer »Verteilung«): Die Hälfte der beobachteten Einzelwerte liegt darüber und die andere Hälfte darunter. Wohlgemerkt: Der Sinn des Durchschnitts liegt darin, eine Vielzahl von Daten mithilfe einer einzigen Zahl zu repräsentieren. Der Median ist dem Mittelwert immer dann überlegen, wenn wenige beobachtete Einzelwerte ganz anders sind als die überwiegende Mehrzahl. Statistiker sprechen hier von Ausreißern.

Angenommen, wir kommen in einen Raum, in dem acht Personen ein Vermögen von rund 100 000 US-Dollar besitzen, während eine Person auf der Schwelle zum Bankrott steht, mit einem Negativvermögen von 500 000 US-Dollar aufgrund seiner Schulden. Hier ist die Gesamtaufstellung des Raumes:

1. Person: -500 000 US-Dollar2. Person: 96 000 US-Dollar3. Person: 97 000 US-Dollar4. Person: 99 000 US-Dollar5. Person: 100 000 US-Dollar6. Person: 101 000 US-Dollar7. Person: 101 000 US-Dollar8. Person: 101 000 US-Dollar9. Person: 104 000 US-Dollar

Die Addition dieser Beträge ergibt ein Gesamtvermögen von 299 000 US-Dollar. Indem wir diesen Betrag durch neun, die Anzahl der Beobachtungen, teilen, erhalten wir das mittlere Vermögen der Anwesenden in Höhe von 33 222 US-Dollar. Aber der Mittelwert charakterisiert den Raum nicht besonders gut. Unser Spendensammler würde vermutlich darauf verzichten, sich mit diesen Personen zu treffen, obgleich es in Wahrheit nur eine Person ist, die aus der Reihe tanzt – ein Ausreißer – und den Schnitt drückt. Das ist das Problematische am Mittelwert: Er reagiert empfindlich auf Ausreißer.

Der Median betrüge in diesem Fall 100 000 US-Dollar. Vier Personen haben ein geringeres Vermögen und vier ein höheres. Der Modus ist 101 000 US-Dollar – der Betrag, der häufiger als alle anderen in der Liste auftaucht. Sowohl Median als auch Modus sind in diesem speziellen Fall aussagekräftiger als der Mittelwert.

Sie könnten sagen:

Durchschnittsgehalt der Mitarbeiter: 66 000 US-DollarDurchschnittsgehalt + Bonus der Eigentümer: 170 000 US-Dollar

Das ist korrekt, sieht aber vermutlich für niemanden gut aus, außer für Sie und Ihre Mami. Wenn Ihre Mitarbeiter diese Zahlen sehen, fühlen sie sich möglicherweise unterbezahlt. Potenzielle Investoren könnten den Eindruck bekommen, dass die Gründer es sich zu gut gehen lassen. Sie könnten also stattdessen Folgendes berichten:

Durchschnittsgehalt der Mitarbeiter: 66 000 US-DollarDurchschnittsgehalt der Eigentümer: 100 000 US-DollarGewinn: 210 000 US-Dollar

Das sieht in den Augen potenzieller Investoren besser aus. Und im Bericht an Ihre Mitarbeiter könnten Sie ebenso gut die Tatsache, dass Sie als Gründer den Gewinn unter sich aufgeteilt haben, übergehen und die letzte – den Gewinn betreffende – Zeile weglassen. Die vier Programmierer werden sich in hohem Maße wertgeschätzt fühlen, weil sie mehr verdienen als der Durchschnitt. Ihre arme Buchhalterin wird nicht so glücklich sein, aber zweifellos wusste sie schon vorher, dass die Programmierer mehr verdienen als sie.

Nehmen wir jetzt an, Sie haben das Gefühl, die Arbeit fällt Ihnen auf den Kopf und Sie wollen Ihre beiden Partner, die nicht viel von kritischem Denken verstehen, überzeugen, dass Sie weitere Mitarbeiter einstellen sollten. Sie könnten das tun, was viele Unternehmen tun, und den »Gewinn pro Mitarbeiter« berichten, indem sie die 210 000 US-Dollar durch die fünf Angestellten teilen:

Durchschnittsgehalt der Mitarbeiter: 66 000 US-DollarDurchschnittsgehalt der Eigentümer: 100 000 US-DollarJahresgewinn pro Mitarbeiter: 42 000 US-Dollar

Jetzt können Sie behaupten, dass 64 Prozent des Gehalts, das Sie Ihren Beschäftigten zahlen (42 000/66 000 US-Dollar) als Gewinn wieder hereinkommt, sodass Sie am Ende nur 36 Prozent ihrer Gehälter zahlen müssen, nachdem der ganze Gewinn berücksichtigt wurde. Natürlich lässt nichts an diesen Zahlen darauf schließen, dass ein zusätzlicher Mitarbeiter auch zusätzlichen Gewinn schafft – möglicherweise hängt Ihr Gewinn in keiner Weise von der Zahl der Mitarbeiter ab – aber für jemanden, der nicht kritisch denkt, klingt das wie ein überzeugender Grund, um mehr Mitarbeiter einzustellen.

Und was ist, wenn Sie sich als ungewöhnlich gerechten und fairen Arbeitgeber präsentieren wollen? Wenn Sie deutlich machen wollen, dass Sie Ihre Mitarbeiter in Anbetracht des erzielten Gewinns alles andere als schlecht bezahlen? Zweigen Sie von den 210 000 US-Dollar Gewinn 150 000 US-Dollar ab, um sie unter sich und Ihren Partnern als Bonus aufzuteilen, und berichten Sie die verbleibenden 60 000 US-Dollar als »Gewinn«. Berechnen Sie diesmal die Durchschnittsgehälter unter Berücksichtigung Ihres eigenen Gehalts und der Gehälter Ihrer Partner mitsamt Bonus.

Durchschnittsgehalt: 97 500 US-DollarDurchschnittlicher Gewinn pro Eigentümer: 20 000 US-Dollar

Und um den Spaß auf die Spitze zu treiben:

Gesamtgehaltskosten inklusive Bonus: 840 000 US-DollarGehälter: 780 000 US-DollarGewinn: 60 000 US-Dollar

Das sieht doch recht vernünftig aus, nicht wahr? Von den insgesamt für Gehälter und Gewinn verfügbaren 840 000 US-Dollar flossen nur 60 000 US-Dollar oder 7 Prozent in den Eigentümergewinn. Ihre Mitarbeiter werden keinen Anlass sehen, Ihnen etwas vorzuwerfen – wer wird es den Eigentümern einer Firma verübeln, wenn sie sich 7 Prozent genehmigen? Noch dazu ist die Zahl in Wahrheit gar nicht so hoch – teilt man die 7 Prozent auf die drei Firmeneigentümer auf, bleiben für jeden lediglich 2,3 Prozent.

Es geht sogar noch besser. Angenommen, Sie hatten in Ihrem ersten Betriebsjahr lediglich Teilzeitmitarbeiter mit einem Jahresgehalt von 40 000 US-Dollar. Im zweiten Jahr hatten Sie nur Vollzeitbeschäftigte, die die oben erwähnten 66 000 US-Dollar verdienten. Sie können ehrlich behaupten, dass der Durchschnittsverdienst Ihrer Beschäftigten um 65 Prozent gestiegen ist. Was sind Sie doch für ein wunderbarer Arbeitgeber! Nur dass Sie dabei unerwähnt lassen, dass Sie Teilzeit- mit Vollzeitarbeit vergleichen. Sie wären nicht der Erste. US Steel tat dasselbe bereits in den 1940er-Jahren.

In Strafprozessen hat die Form, in der Informationen präsentiert werden, große Auswirkungen auf die Schuldsprüche der Geschworenen. Vergleichen wir folgende zwei gleichbedeutende Aussagen eines Gutachters:23

»Die Wahrscheinlichkeit, dass die Blutstropfen auch dann zu dem Verdächtigen passen, wenn sie nicht von ihm stammen, beträgt nur 0,1 Prozent.«

»Unter tausend Menschen in Houston ist einer, zu dem die Blutstropfen ebenfalls passen«.

Die erste Aussage wirkt hier sehr viel überzeugender.

Durchschnitte werden häufig verwendet, um Ergebnisse wie das folgende zu formulieren: »Eine von X Ehen endet mit einer Scheidung.« Das heißt aber nicht, dass dieser statistische Wert auf Ihre Straße, Ihren Bridgeclub oder irgendwen zutrifft, den Sie kennen. Er kann zutreffen oder auch nicht – es ist ein landesweiter Durchschnitt und es gibt bestimmte Risikofaktoren, die uns in gewissem Umfang vorhersagen lassen, wer sich scheiden lassen wird und wer nicht.

Genauso könnten Sie lesen, dass eines von fünf neu geborenen Kindern Chinese ist. Die schwedische Familie in Ihrer Nachbarschaft hat bereits vier Kinder und erwartet ein fünftes. Das heißt aber nicht, dass es ein Chinesenbaby sein wird – das eine von fünf Kindern ist lediglich als Durchschnitt zu verstehen, gemittelt über alle Geburten in der Welt und nicht bezogen auf ein bestimmtes Haus, eine bestimmte Nachbarschaft oder auch nur ein bestimmtes Land.

Seien Sie vorsichtig mit Durchschnitten und wie sie angewandt werden. Eine Möglichkeit der Irreführung besteht darin, den Durchschnitt über Stichproben aus unterschiedlichen Populationen zu bilden. Das kann zu absurden Beobachtungen führen, wie beispielsweise dieser:

Im Durchschnitt haben Menschen nur einen Hoden.24

Dieses Beispiel illustriert den Unterschied zwischen Mittelwert, Median und Modus. Weil es geringfügig mehr Frauen als Männer auf der Welt gibt, sind Median und Modus beide null, während der Mittelwert bei knapp unter 1 (vielleicht bei 0,98 oder so ähnlich) liegt.

Im Übrigen sagt der Durchschnitt natürlich nichts über die Schwankung aus. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt im kalifornischen Tal des Todes angenehme 25 Grad Celsius. Aber die Schwankungen – gemessen wurden schon Temperaturen von -10 bis +56 Grad Celsius25 – können tödlich sein.

Oder ... ich könnte Ihnen erzählen, dass das durchschnittliche Vermögen von hundert Personen in einem Raum sage und schreibe 350 000 US-Dollar beträgt. Sie denken vielleicht, dass das der Ort ist, an den Sie einhundert Ihrer besten Verkäufer schicken sollten. Aber vielleicht befinden sich in dem Raum Mark Zuckerberg (35 Milliarden US-Dollar) und 99 mittellose Menschen. Der Durchschnitt kann wichtige Unterschiede verwischen.

Ein weiterer Aspekt, auf den wir bei Durchschnitten achten müssen, ist die bimodale Verteilung. Der Modus ist, wie schon gesagt, der Wert, der am häufigsten auftritt. In vielen biologischen, physikalischen und soziologischen Datenreihen weist die Verteilung zwei oder mehr Gipfel auf – zwei oder mehr Werte, die häufiger auftauchen als die übrigen.

Bimodale Verteilung

Ein Graph wie dieser beispielsweise könnte den Betrag zeigen, der wöchentlich für Mittagessen ausgegeben wird (x-Achse), und wie viele Personen diesen Betrag ausgeben (y-Achse).26 Stellen Sie sich zwei verschiedene Gruppen von Personen vor, die befragt wurden: Kinder (linker Gipfel – sie kaufen Schulmensaessen) und Firmenmanager (rechter Gipfel – sie besuchten ausgesuchte Restaurants). Der Mittelwert und der Median wären hier Zahlen irgendwo in der Mitte zwischen beiden, die uns nicht viel darüber verraten würden, wie die Situation in Wirklichkeit aussieht – Mittelwert und Median werden möglicherweise sogar durch einen Betrag repräsentiert, den niemand ausgibt. Ein Graph wie dieser ist häufig ein Indiz für Heterogenität in unserer Stichprobe, oder dafür, dass wir Äpfel mit Birnen vergleichen. Hier ist es besser, darauf zu verweisen, dass es sich um eine bimodale Verteilung handelt, und die beiden Modi zu berichten. Noch besser ist es, die Gruppe in zwei Gruppen aufzuteilen und für jede eigene statistische Werte anzugeben.