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Beschreibung

Viele Politiker scheinen sich auf die Euro-Krise vorerst eingerichtet zu haben. Doch auch die Länder, denen es noch gut geht, müssen sich den drängenden Fragen der Zeit stellen: Wie lässt sich ein demokratisches und soziales Europa gestalten? Wie kann ein gesellschaftlicher Prozess auf den Weg gebracht werden, bei dem gute Arbeitsverhältnisse, der notwendige ökologische Umbau und die Demokratisierung der Gesellschaft zusammengehen? Wie lassen sich Solidarität, Selbstbestimmung und ökologische Verantwortung miteinander verbinden? Einige der führenden Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler unserer Zeit zeigen, wie die Weichen gestellt werden müssen. Das Ziel heißt nicht nur zahlenmäßiges Wachstum, sondern Wohlstand, der bei allen ankommt. Mit Beiträgen von Gerhard Bosch, Colin Crouch, James Galbraith, Gustav Horn, Berthold Huber, Kurt Hübner, Richard Hyman, Luiz Inácio Lula da Silva, Robert Misik, Jill Rubery, Christoph Scherrer, Ernst Ulrich von Weizsäcker und Noel Whiteside

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Berthold Huber (Hg.)
Kurswechsel für ein gutes Leben
Wege zu einer solidarischen Gesellschaft
Campus Verlag Frankfurt/New York
Über das Buch
WACHSTUM IST FÜR ALLE DA
Viele Politiker scheinen sich mit der Euro-Krise vorerst eingerichtet zu haben. Doch auch die Länder, denen es noch gut geht, müssen sich den drängenden Fragen der Zeit stellen: Wie lässt sich ein demokratisches und soziales Europa gestalten? Wie kann ein gesellschaftlicher Prozess auf den Weg gebracht werden, bei dem gute Arbeitsverhältnisse, der notwendige ökologische Umbau und die Demokratisierung der Gesellschaft zusammen gehen? Wie lassen sich Solidarität, Selbstbestimmung und ökologische Verantwortung miteinander verbinden? Einige der führenden Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler unserer Zeit zeigen, wie die Weichen gestellt werden müssen. Das Ziel heißt Wohlstand, der bei allen ankommt.
Mit Beiträgen von Gerhard Bosch, Colin Crouch, James Galbraith, Gustav Horn, Berthold Huber, Kurt Hübner, Richard Hyman, Luiz Inácio Lula da Silva, Robert Misik, Jill Rubery, Christoph Scherrer, Ernst Ulrich von Weizsäcker und Noel Whiteside
Über den Autor
Berthold Huber ist erster Vorsitzender der IG Metall, der mit über 2,2 Millionen Mitgliedern weltweit größten Gewerkschaft. Der gelernte Werkzeugmacher und studierte Geisteswissenschaftler ist außerdem stellvertretender Aufsichtsratschef bei Siemens und Audi.

Inhalt

Vorwort
Martin Allespach
Kurswechsel für ein gutes Leben
Berthold Huber
Wege zu einer gerechteren Welt
Luiz Inácio Lula da Silva
Kritik des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus und Perspektiven eines sozialökologischen Wandels
James K. Galbraith
Makroökonomisches Regime und sozialökonomische Entwicklung
Gustav A. Horn
Fragmentierte Zukunft – auf der Suche nach integrationsfähigen Arbeitsmärkten
Jill Rubery
Die Zukunft der Arbeitsgesellschaft
Gerhard Bosch
Lebenschancen und Wohlfahrt Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen im fortgeschrittenen Alter
Noel Whiteside
Die Revitalisierung der Demokratie
Colin Crouch
Demokratisierung der Wirtschaft
Richard Hyman
Neue Allianzen für Klima und Umwelt
Ernst Ulrich von Weizsäcker
»Grünes Wachstum« – Herausforderungen und Chancen
Kurt Hübner
Globalisierung gestalten – Weltökonomie und soziale Standards
Christoph Scherrer
Von der Eurokrise zum sozialen Europa
Robert Misik
Kurswechsel für ein gutes Leben: Der Beitrag der IG Metall
Martin Allespach, Jan Machnig, Angelika Thomas, Astrid Ziegler
Die Autorinnen und Autoren

Vorwort

Martin Allespach
Die Krise der Weltwirtschaft, die Ende 2008 eingetreten ist, stellt eine Zäsur dar: Sie zeigte sich schon von Beginn an als die schwerste globale Krise des Kapitalismus seit der Großen Depression in den 1930er Jahren. Deutschland als Exportnation war besonders betroffen. Fast alle Industriebetriebe mussten zweistellige Produktionsrückgänge hinnehmen, manche waren in ihrer Existenz bedroht.
Das vorrangige Ziel der IG Metall und der Betriebsräte war es, in dieser zugespitzten Situation Massenentlassungen zu verhindern und Arbeitsplätze zu erhalten. Anerkanntermaßen haben die deutschen Gewerkschaften in den schwierigen Jahren 2009 bis 2010 einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Krisenintervention geleistet.
Von Anfang an war aber auch klar, dass die Bekämpfung der Krisensymptome zwar notwendig, auf längere Sicht aber nicht hinreichend ist. Schließlich handelte es sich nicht um eine »gewöhnliche« konjunkturelle Krise, sondern um ein heftiges Beben eines Entwicklungsmodells. Eines Modells, in dem sozialer Ausgleich, Teilhabe und eine intakte Umwelt nur sehr begrenzt vorgesehen sind.
Eine bloße Variante des Bestehenden, gegebenenfalls garniert mit ein paar Veränderungen im Detail, ist also keine Lösung. Daher hat die IG Metall schon früh einen grundlegenden Kurswechsel zu einem zentralen Thema gemacht.
Für sein im Jahr 2010 erschienenes Buch Kurswechsel für Deutschland – Die Lehren aus der Krise hatte Berthold Huber bereits namhafte Autoren eingeladen, sich mit seinen politischen |7|und ökonomischen Analysen und Forderungen auseinanderzusetzen. Er hat damit die Debatte breit aufgestellt. Auf ihrem Gewerkschaftstag im Oktober 2011 bekräftigte die IG Metall nochmals die Notwendigkeit eines Kurswechsels, der in gesamtwirtschaftlichen europäischen und globalen Strategien und Zielen verankert ist.
Das setzt nicht nur innerorganisatorische Diskussionen und Verständigungsprozesse voraus. Notwendig sind Bündnisse und eine breite Debatte mit der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und der Politik: national wie international. Im Dezember 2012 veranstaltete die IG Metall deshalb in Berlin den großen internationalen Kongress »Kurswechsel für ein gutes Leben«. Der Kongress war ein wichtiger Meilenstein in der langfristig angelegten Kurswechseldebatte der IG Metall, die sich als Teil eines gesellschaftspolitischen Diskurses versteht. Mehr als 800 Teilnehmende aus Gewerkschaften, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik aus 60 Ländern diskutierten Fragen eines sozialen und ökologischen Wandels.
Die in diesem Buch versammelten Beiträge stammen alle von Autorinnen und Autoren, die auch auf dem Kongress wichtige Impulse gaben und sich der Diskussion stellten. Die Beiträge sind so vielfältig wie die Autorinnen und Autoren und ihre jeweiligen Kontexte. Die inhaltliche Klammer bildet die Frage, wie ein sozialer, politischer, ökonomischer und ökologischer Wandel gelingen kann. Damit ist das vorliegende Buch in seiner Breite und Tiefe ein weiterer, wichtiger Beitrag in der Diskussion um einen nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklungspfad.
Frankfurt am Main, Mai 2013
Martin Allespach|8|

Kurswechsel für ein gutes Leben

Berthold Huber
Seit dem Ausbruch der größten und schwersten globalen Finanz- und Wirtschaftskrise in der Nachkriegsgeschichte sind inzwischen fünf Jahre vergangen. Diese Krise hat nicht nur zu erheblichen Instabilitäten der Globalökonomie geführt und gezeigt, wie fragil das Regime des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus ist, sondern hat auch die Balance zwischen Staat, Markt und Demokratie nachhaltig gestört. Mit der Krise stieß auch die neoliberale Wachstumspolitik, deren Kennzeichen die weltweite Liberalisierung und Deregulierung der Märkte ist, an ihre Grenzen. Dieses neoliberale Globalisierungsmodell geht einher mit einem Rückzug des Staates und einem blinden, nahezu religiösen Glauben in die Funktionsfähigkeit und Stabilität freier deregulierter Märkte. Letztendlich hat diese Politik nicht zu mehr Wohlstand, sondern zu einem Übergang von einer Marktwirtschaft in eine »Marktgesellschaft« geführt und damit zur Durchsetzung des Primats der Ökonomie (vgl. Sandel 2012).
Die politischen, ökonomischen und sozialen Folgen der Krise sind bis heute spürbar. Sie sind spürbar, weil aus der Finanzmarktkrise und ihren Folgen für die Realwirtschaft und die Staatsfinanzen nicht die richtigen Lehren und Konsequenzen gezogen wurden. Die bisher ergriffenen Maßnahmen sind vor allem symbolischer und strukturkonservativer Natur. Von einer wirkungsvollen Regulierung der internationalen Finanzmärkte, von einer neuen nachhaltigen globalen Finanz- und Wirtschaftsarchitektur sind wir bis heute weit entfernt. Nur die Bekämpfung der Ursachen der Krise schafft die Voraussetzung dafür, dass es wieder zu einem neuen ökonomischen und sozialen |9|Gleichgewicht in Deutschland, in Europa und der Welt kommt. Wer hingegen ausschließlich die Symptome bekämpft, wie etwa die Staatsschulden, provoziert eine weitere Eskalation.
Die Krise der Ökonomie ist heute, auch wenn sie wie kein anderes Thema den öffentlichen und politischen Diskurs dominiert, keineswegs die einzige akute globale Krise. Im Gegenteil: Wir haben es heute vielmehr mit einer »neuen Unübersichtlichkeit« und »weltumspannender Gleichzeitigkeit« vielfältiger komplexer und interdependenter Krisendynamiken zu tun. So müssen wir neben der anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise unter anderem auch eine Klimakrise und eine Krise der Demokratie bewältigen.
In einem Zeitalter der Krisen ist es ein oft bemühtes Klischee, dass diese immer auch Chancen enthalten. So werden Krisen als schicksalsträchtige Wendepunkte gesehen, mit denen nicht nur die Furcht vor dramatischen Verschlechterungen, sondern auch die Hoffnung auf einen Wandel zum Besseren verbunden wird. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Krisen in der Tat des Öfteren Wendepunkte – ja Katalysatoren für Wandel – waren. Wendepunkte, bei denen feste Machtstrukturen sowie institutionalisierte Pfadabhängigkeiten und Handlungsroutinen aufbrechen, wodurch Räume für neue Politikkonzepte entstehen, die andernfalls nicht entstehen würden. Bei denen also »altes Denken« unter Legitimationsdruck gerät und sich neue gesellschaftliche Allianzen für ein »neues Denken« bilden (vgl. Mikfeld 2012).
Ein historisches Beispiel für einen grundlegenden Pfadwechsel infolge einer Krise ist der New Deal. Der New Deal war in den USA die politische Antwort auf die Große Depression von 1929. Mit ihm waren erhebliche politische, soziale und demokratische Innovationen verbunden, die den Grundstein für den Übergang von einem wirtschaftsliberalen zu einem sozial-regulierten Entwicklungspfad gelegt haben. Mit dem New Deal war nicht nur der Versuch verbunden, die Weltwirtschaftskrise von 1929 abzuwenden, sondern auch einen weitreichenden und systematischen Paradigmenwechsel einzuleiten und voranzu|10|treiben. Langfristige Investitionsprogramme, der Ausbau öffentlicher Beschäftigung, die Einführung von Mindestlöhnen, einer Arbeitslosenversicherung und einer staatlichen Rente bedeuteten nicht weniger als eine neue politische Grundausrichtung in den USA. Zudem installierte der damalige amerikanische Präsident Roosevelt eine strenge Börsenaufsicht und mit dem Glass-Steagall-Act von 1933 wurden Geschäfts- und Investmentbanken voneinander getrennt, wodurch die Finanzmärkte wieder stärker auf ihre der Realwirtschaft dienende Funktion beschränkt wurden. Durch diesen Policy-Mix gelang es der amerikanischen Regierung innerhalb relativ kurzer Zeit, eine effektive Antwort auf die Wirtschaftskrise zu finden und damit die ökonomisch stabile Phase des Fordismus einzuleiten, die bis Anfang der 1970er Jahre reichte.
Krisen, aus denen solch richtungweisende und fortschrittliche Konsequenzen erwachsen, müssen jedoch das Innere ergreifen, Denkgewohnheiten verändern, Identitäten auf den Prüfstand stellen und den Ruf nach Umdenken und Veränderung lauter werden lassen. Man muss dann ran ans Grundsätzliche. Nur so ist auch der amerikanische Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz zu verstehen. Für ihn ist die gegenwärtige Krise ein ebenso historisch bedeutsames Ereignis wie der Fall der Berliner Mauer. Der Fall der Berliner Mauer hat zu einer Neuordnung der Politik geführt – einer Neuordnung der Außen- und Sicherheitspolitik und einer Neuordnung der internationalen Beziehungen. Insofern müsste es heute um grundsätzliche Alternativen zum Neoliberalismus, eine demokratische Neuordnung der Globalisierung, eine wirksame Regulierung der internationalen Finanzmärkte, eine gerechte Verteilung von Wohlstand und einen sozial-ökologisch nachhaltigen Entwicklungspfad gehen.
Eine solche Entwicklung wurde angesichts der Schwere und Tiefe der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise nach ihrem Ausbruch auch allgemein erwartet. Diese Krise, so die damals einhellige Meinung, böte ein einmaliges Window of Opportunity, um den Ende der 1970er Jahre eingeschlagenen wirtschaftslibe|11|ralen Entwicklungspfad hinter sich zu lassen. Sogar von einer »Zeitenwende« war die Rede. Damit verband sich die Hoffnung auf ein soziales und ökologisch ausgerichtetes Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell sowie auf ein »Comeback« des Primats demokratischer Politik gegenüber der »Diktatur der Märkte«.
In der Tat schienen nach dem Ausbruch der Krise die über Jahrzehnte in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft dominierenden neoliberalen Lehrformeln und Glaubenssätze in der öffentlichen Diskussion an politischer Legitimation, ökonomischer Plausibilität und diskursiver Hegemonie zu verlieren. Theoretische und methodische Grundannahmen und deren Umsetzung in wirtschafts- und finanzpolitische Instrumente standen auf einmal zur Disposition und es öffneten sich neue Möglichkeiten, einen breiten gesellschaftspolitischen Diskurs über die zerstörerische Wirkung einer marktradikalen Wirtschaftsweise zu führen und mögliche Alternativen auszuloten.
Heute, fünf Jahre nach ihrem Ausbruch, lässt sich allerdings konstatieren, dass diese Erwartungen bisher nicht wirklich erfüllt wurden. Trotz der großen Anstrengungen des nationalen und internationalen Krisenmanagements zur Abwendung der akuten Folgen der Krise bewegen sich die wenigen längerfristigen Reformvorhaben größtenteils wieder innerhalb der Leitlinien des bisherigen neoliberalen Regimes.
Doch es zeigen sich auch zunehmend Risse innerhalb der neoliberalen Interessenkoalition. In Deutschland rücken beispielsweise selbst wichtige konservative Vordenker zunehmend von dieser Interessenkoalition ab und kritisieren sie öffentlich. So skizziert Frank Schirrmacher, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), in seinem neuen Buch Ego – Das Spiel des Lebens den Siegeszug eines inhumanen ökonomischen Modells – des Homo oeconomicus – über die realen Menschen, ihre Lebenswelt, ihre Gesellschaft und Institutionen sowie ihre Demokratie. Der im Modell des Homo oeconomicus angelegte Egoismus und der Trend zur Liberalisierung und Deregulierung der Ökonomie hätten zu einer Universalisierung der Marktprin|12|zipien geführt und zwängen nun jedem Unternehmen, jedem Privathaushalt dieselbe ökonomische Handlungslogik auf (vgl. Schirrmacher 2013). Diese Entwicklung habe zu einer sukzessiven Ausdehnung von Märkten und ihrer Wertvorstellungen in Lebensbereiche geführt, in die sie de facto nicht gehören. Schirrmacher thematisiert damit etwas, das korrigiert werden muss, und plädiert für Grenzen der Ökonomisierung und einen Primat der Politik statt eines Primats der Märkte.
Das Zeitfenster für einen breiten Diskurs über alternative Entwicklungspfade sowie entschlossene Reformen ist somit offensichtlich nicht geschlossen, auch wenn die Schwierigkeiten der Umsetzung eines Pfadwechsels unverkennbar sind. Er wird freilich nicht von selbst kommen, sondern gesellschaftspolitische Akteure, wie beispielsweise die Gewerkschaften, müssen ihn aktiv skizzieren und dazu beitragen, ihn mehrheitsfähig zu machen.

Die Idee des Kurswechsels

Die politökonomische Situation zu Beginn des 21. Jahrhunderts erinnert an etwas, was der französische Soziologe Émile Durkheim bereits um 1900 als einen Zustand der »Anomie« bezeichnet hat. Anomische Zustände sind nach Durkheim Situationen, in denen alte Werte und Instrumente nicht mehr unbesehen gelten und neue noch nicht da sind, aber intensiv gesucht werden.
Die IG Metall hat sich genau auf diese Suche begeben und damit begonnen, sich über einen alternativen gesellschaftlichen Entwicklungspfad Gedanken zu machen. Innerhalb der IG Metall wird der Diskurs über ein zukunftsfähiges Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell unter der Überschrift »Kurswechsel für ein gutes Leben« geführt.
Der Leitgedanke dabei ist, dass wir grundlegende politische, gesellschaftliche und ökonomische Veränderungen brauchen. Anstatt kurzfristiger Anti-Krisen-Programme oder kleinerer |13|symbolischer Korrekturen, die letztendlich nicht mehr darstellen als ein Nachjustieren weniger Stellschrauben, brauchen wir einen grundlegend neuen gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungspfad. Einen politischen Kurswechsel, der sich am Ziel eines »guten und gelingenden Lebens« für alle Menschen orientiert und in der Lage ist, ein produktives Zusammenspiel von wirtschaftlicher Dynamik, sozialer Gerechtigkeit, Innovationen und ökologischer Nachhaltigkeit zu ermöglichen.
Für die IG Metall geht es dabei um die Frage einer »humanen Ökonomie« und darum, wie es gelingen kann, qualitatives Wachstum, gute Arbeit, Gerechtigkeit und demokratische Teilhabe für alle miteinander zu verbinden. Es geht um die Entwicklung eines neuen Fortschrittsbegriffs, der auf die zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts eine progressive und emanzipative Antwort gibt.
In Anlehnung an den französischen Soziologen Robert Castel charakterisieren wir eine solche Politikstrategie als »linken Reformismus« (Castel 2011). Ein linker Reformismus sucht immer wieder neu nach Wegen für die Emanzipation des Menschen. In möglichst aufeinander abgestimmten Schritten strebt er einen gesellschaftlichen Pfadwechsel beziehungsweise Kurswechsel an. Im Mittelpunkt steht dabei, Bedingungen für ein gutes und erfülltes Leben für alle Menschen zu schaffen.
Die Politik eines linken Reformismus hat nichts mit einer minimalistischen Position zu tun, die sich mit marginalen Veränderungen zufriedengibt oder gar mit Schadensbegrenzung begnügt. Im Gegenteil: Eine solche Politik zeichnet sich durch ein Höchstmaß an politischem Gestaltungswillen aus, indem sie im Hier und Jetzt kontinuierlich nach Wegen und Mitteln sucht, unsere Gesellschaft gerechter und sozialer zu machen, ohne dabei das »Körnchen Utopie, das sich unter Beachtung des Realitätsprinzips verteidigen lässt« (Castel 2011, S. 238), aus den Augen zu verlieren.
Die Strategie eines politischen Kurswechsels folgt also weder großen Plänen noch abstrakten Theoriegebäuden, die jenseits |14|der Realität und der politischen Durchsetzbarkeit angesiedelt sind. Weder die Hoffnung auf einen Masterplan noch auf die allein selig machende, krisenüberwindende Einzelmaßnahme ist realistisch. Vielmehr handelt es sich um ein langfristiges strategisches Projekt, das der Ideen Vieler und neuer gesellschaftlicher Allianzen bedarf. Insofern handelt es sich letztendlich um das Aufgreifen und Bündeln der in den Menschen selbst steckenden Entwurfsfantasien von einem guten und lebenswerten Leben sowie um das kluge Ausnutzen gesellschaftlicher Widersprüche und aufbrechender Kräfteverhältnisse.

Ein Kurswechsel braucht Werte, Standpunkte und setzt Haltung voraus

Die IG Metall hat einen grundlegenden politischen Kurswechsel schon lange zu einem zentralen Thema ihrer Politik gemacht (vgl. Huber 2010). Nicht nur in der Programmatik ihres Gewerkschaftstages im Oktober 2011 hat sie die Notwendigkeit eines grundlegenden Pfadwechsels betont, sondern auch in ihrer Karlsruher Erklärung. Dort bekannte sie sich einstimmig zu einer europäisch-solidarischen Krisenlösung, die auf einem »entschiedenen und sofortigen Kurswechsel in der Finanz-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der EU-Kommission und der deutschen Bundesregierung hin zu einem demokratischen, ökologischen und sozialen Europa« (IG Metall 2011, S. 1) beruht. Ein Höhepunkt der bisherigen Kurswechseldebatte war der internationale Kongress »Kurswechsel für ein gutes Leben« im Dezember 2012. Mit Vertreterinnen und Vertretern aus Gewerkschaften, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft diskutierte die IG Metall, wie ein politischer, sozialer und ökologischer Pfadwechsel gelingen und gestaltet werden kann, und mischte sich damit zehn Monate vor der Bundestagswahl in die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung über Alternativen zum gegenwärtigen Wachstumsmodell ein.|15|
Bei der Entwicklung der Kurswechselstrategie ging es auch immer darum, eine Alternative zu der Ideenwelt des Neoliberalismus zu entwickeln; und zwar keine ideologische, sondern eine lebenswirkliche, praktische Alternative, die auf einem festen intellektuellen und theoretischen Fundament steht. Wer eine solche Politik verfolgt, der will keine reine Instrumenten- und Implementierungsdebatte führen, sondern macht Deutungsangebote und will über Werte sprechen. Über Werte, um die seit der Französischen Revolution in Politik und Gesellschaft gerungen und gestritten wird: über Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, Selbstbestimmung und Solidarität.
Deshalb hatte die IG Metall schon vor dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise begonnen, eine strategische Debatte um gesellschaftliche Grundorientierungen zu führen. Damit war auch die Überzeugung verbunden, dass zu gewerkschaftlichem Handeln Haltungen gehören, die sich an einem gemeinsamen Wertefundament orientieren. Denn Werte können gewerkschaftliche Forderungen in einen größeren Zusammenhang stellen. Werte geben Forderungen eine größere Legitimation und schlagen einen Bogen zwischen Verstand und Gefühl (vgl. Allespach/Staadt/Wentzel 2009).
Das Leitbild dieser Wertedebatte war die in der philosophischen Tradition Europas tief verankerte Idee eines guten und gelingenden Lebens, die sich nun auch als zentraler Bestandteil in der Kurswechseldebatte wiederfindet. Den Gedanken des guten Lebens finden wir schon in der griechischen Philosophie, insbesondere bei Aristoteles. Für ihn hatte der Staat die Aufgabe, die Voraussetzungen für ein gutes Leben zu schaffen. Selbstbewusste, politisch engagierte und freie Bürger sollten die Garanten dafür sein. Allerdings waren damals die Träger dieses Modells, die freien Bürger, eine kleine, privilegierte männliche Oberschicht (vgl. Allespach/Staadt/Wentzel 2009).
Auch Karl Marx entwarf – insbesondere in seinen Frühschriften – ein Bild vom guten Leben. Dafür knüpfte er über Hegel an Gedanken von Aristoteles an. Dieser war zu dem Schluss |16|gekommen, dass es Aufgabe eines demokratischen Gemeinwesens sei, den Bürgern materielle und institutionelle Möglichkeiten und auch Bildungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, damit sie ein gutes und gelingendes Leben führen können. Dass Sklaven, Bauern, Frauen und Kriegsgefangene nicht zu jenen glücklichen Bürgern gehören sollten, war selbstredend für den griechischen Demos, der ja immer noch eine Sklavenhaltergesellschaft war. Erst die modernen Aufklärer, die gegen Sklaverei, Leibeigenschaft und Absolutismus die Idee der allgemeinen und universellen Menschenrechte entwickelten, durchbrachen die klassenmäßige Beschränkung von Freiheit und Demokratie. Darüber hinaus beschäftigten sie sich damit, dass Freiheit und Demokratie kein Geschenk sind und nicht einfach verordnet oder von einer Obrigkeit gnädig »gewährt« werden können. Der Philosoph Immanuel Kant plädierte deshalb für Mündigkeit, Kritikfähigkeit, Emanzipation und Vernunft. Der Mensch solle nicht mehr Teil einer großen Schafherde sein, die dem Hirten folgt – so wie es die Religion predigte –, sondern er solle mündig werden durch den Gebrauch seines eigenen Verstands. Auch für Marx war die freie Entwicklung des Individuums die Voraussetzung für die freie Entwicklung aller. Entscheidend war für ihn die selbstbestimmte, keinen fremden Zielen unterworfene, nicht »entfremdete« Existenz. Die Menschen sollen die Möglichkeit haben, ihre individuellen Anlagen und Fähigkeiten nach eigenen Vorstellungen entwickeln zu können. Dieser Anspruch gilt für alle Menschen und alle Lebensbereiche. Kurz: Für eine freie Entwicklung der Menschen braucht es Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit, Anerkennung, Mitbestimmung und Selbstbestimmung.
In der Jetztzeit hat sich insbesondere die amerikanische Sozialphilosophin Martha Nussbaum mit der Frage des guten Lebens intensiv auseinandergesetzt. Sie knüpft am aristotelischen Ansatz an und fragt, wie unter heutigen Voraussetzungen Bedingungen geschaffen werden können, die den Menschen die Entfaltung ihrer Fähigkeiten ermöglichen. Dazu hat sie umfas|17|sende Kriterien, die ein gutes Leben ausmachen, benannt. Für sie sind materieller Wohlstand und soziale Sicherheit unverzichtbare Grundlagen für ein gutes Leben. Ebenso unverzichtbar sind jedoch auch individuelle Fähigkeiten, wie beispielsweise die Fähigkeit zur Selbstreflexion, die Verständigung und die Verbundenheit mit anderen und die Fähigkeit, in der natürlichen Umwelt zu leben, ohne sie zu zerstören. Nussbaum geht es damit vor allem um Selbstbestimmung. Eine Entwicklung zu einem besseren Leben erwartet sie dabei aus einem Demokratisierungsprozess der Gesellschaft. Die Menschen müssten lernen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Diese Fähigkeit sei ein wesentlicher Bestandteil des guten Lebens. Eine demokratische Entwicklung benötige jedoch ein zuverlässiges Angebot öffentlicher Güter, das der Daseinsvorsorge und der persönlichen Entwicklung diene, und dürfe daher nicht den Marktgesetzen ausgeliefert sein (vgl. Nussbaum 1999).
Nun bewegt sich gewerkschaftliche Arbeit in den Betrieben, in Aufsichtsräten und in der Politik nicht in herrschaftsfreien Räumen. Dort werden in der Regel keine theoretisch-philosophischen Diskurse geführt. Vielmehr stoßen dort Interessengegensätze aufeinander und Machtfragen werden ausgehandelt.
Von Walther Rathenau stammt der berühmte Satz: »Die Wirtschaft ist unser Schicksal.« Dieser Satz wurde von Wirtschaftsliberalen in dem Sinne interpretiert, dass sich die Menschen der Wirtschaft unterzuordnen haben. Gegen eine solche Interpretation hat sich der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Amartya Sen gewandt. Für ihn hat die Wirtschaft eine dienende Funktion für den Menschen und nicht umgekehrt. Er nennt dies »Ökonomie für den Menschen«. Dieser Begriff ist sympathisch, weil er so unideologisch ist. Sen sagt damit, dass die Qualität einer Ökonomie nicht von einer Wirtschaftslehre abhängt, sondern vom konkreten Nutzen für die Menschen. Im Zentrum einer solchen »Ökonomie für den Menschen« steht ein ermöglichender Staat, der das öffentliche Handeln in den Dienst |18|der Entfaltung menschlicher Fähigkeiten stellt (vgl. Sen 2002). Diese Idee kommt gewerkschaftlichen Zielen und der Kurswechselpolitik sehr nahe.
Diese Werte und Grundorientierungen bilden das Fundament nicht nur unserer täglichen Gewerkschaftsarbeit, sondern auch unserer Kurswechselpolitik. Im Kern geht es bei allen hier nur in ihren Grundzügen skizzierten (theoretischen) Ansätzen um ganz konkrete Fragen: Wie müssen gesellschaftliche Verhältnisse beschaffen sein, damit die Menschen ihre Potenziale frei entwickeln können? Was ist die Voraussetzung für Selbstverwirklichung? Wie kann der Mensch als freies und selbstbewusstes Individuum ein gutes und gelingendes Leben führen?
Für eine politische Organisation, die auf der Höhe der Zeit sein will, ist eine solche Verständigung über Werte und Ziele ihrer Politik essenziell. Erst dadurch bekommen strategische Projekte wie die Kurswechselpolitik ein tragfähiges politisches Fundament und ein solides Dach. Insbesondere in unsicheren Zeiten ist Selbstvergewisserung überlebensnotwendig für eine politische Organisation, die aktiv Politik gestalten und durchsetzen will. Denn Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit, Mitbestimmung, Selbstbestimmung und Anerkennung müssen immer wieder neu erkämpft, errungen und in der Lebenswirklichkeit sowie in Betrieb und Gesellschaft gegen Machteliten und den Neoliberalismus durchgesetzt werden. Insofern hat die Debatte um Werte und Grundorientierungen auch nichts mit einem theoretisch-philosophischen Diskurs zu tun. Im Gegenteil: Sie unterstützt gewerkschaftliche Ziele und fördert ihre Durchsetzungsfähigkeit.

Richtungsfragen für einen Kurswechsel

Wer einen Kurswechsel will, muss die Richtungs- und Zukunftsfragen unserer Gesellschaft auf die politische Tagesordnung setzen. Dabei geht es um sehr konkrete Fragen: |19|
Wie können wir den Wert von Arbeit in dieser Gesellschaft, entgegen dem säkularen Trend der Prekarisierung und der damit verbundenen Entwertung von Arbeit, stärken?
Wie gehen wir mit der Rückkehr zu einer sozialen Klassenspaltung und der Entwicklung in Richtung einer Zweidrittelgesellschaft um?
Wie sieht eine gerechte Einkommens- und Reichtumsverteilung aus?
Wie gelingt es uns, dass Bildungspolitik zur Zukunfts- und Gerechtigkeitspolitik des 21. Jahrhunderts wird?
Wie sieht heute eigentlich das Verhältnis von Markt und Staat aus? Wie viel Markt wollen wir, wie viel Staat brauchen wir und welcher Ordnungsrahmen ist dafür erforderlich?
Wie bewältigen wir die großen Zivilisationsfragen, wie etwa die Bevölkerungsexplosion, den Klimawandel und die zunehmende Ressourcenknappheit?
Wie sehen wir heute das Verhältnis von wirtschaftlichem Wachstum, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit und demokratischer Teilhabe?
Wie reagieren wir auf eine Aushöhlung der Demokratie durch das Primat der Ökonomie?
Wie gestalten wir ein soziales und demokratisches Europa?
Diese Richtungs- und Zukunftsfragen stehen in Wechselwirkungen zueinander. Der politische Wille zu Pfadveränderungen, zu einem Kurswechsel, muss daher immer mögliche Interdependenzen im Blick haben. Das verlangt ein Höchstmaß an politischem Gestaltungswillen. Die »Rhetorik des Sachzwanges« und das »Postulat der Alternativlosigkeit« sind auf diese Herausforderungen keine adäquate Antwort (vgl. Unger 2007). Vielmehr erfordert das eine Politik, die nicht in alten Denkweisen verharrt und nicht Ökologie, Ökonomie und Soziales als Gegensätze begreift und gegeneinander ausspielt, sondern als drei Seiten eines Dreiecks erkennt. Denn im 21. Jahrhundert ist die ökologische Frage zu einer ökonomischen, aber auch sozialen Frage gewor|20|den. Auch umgekehrt gilt, dass es dauerhaft keine wirtschaftliche Prosperität ohne Ökologie und ohne Soziales gibt. Ein angemessener und insbesondere progressiver Umgang mit diesen Herausforderungen setzt deshalb voraus, die inneren Zusammenhänge der vielfältigen Herausforderungen zu verstehen und aufzudecken.

Der Wert der Arbeit

Arbeit und Arbeitspolitik ist ein Kernthema für Gewerkschaften und steht daher im Zentrum ihrer Arbeit. Eine wichtige Richtungsfrage innerhalb der Debatte um einen Kurswechsel ist deshalb, wie wir den Wert von Arbeit in dieser Gesellschaft – entgegen dem säkularen Trend der Prekarisierung und der damit verbundenen Entwertung von Arbeit – stärken können. Diese Frage wird im Folgenden exemplarisch diskutiert. Der Beitrag von Allespach et al. in diesem Band greift die weiteren Richtungsthemen für einen Kurswechsel auf und diskutiert die Beiträge der IG Metall.
Arbeit ist sowohl für die Emanzipation der Menschen als auch für Wohlstand und Entwicklung einer Gesellschaft entscheidend. Ein gutes Leben ist ohne gute Arbeit in all seinen Facetten nicht möglich. Denn Arbeit ist heute weit mehr als Existenzsicherung. Gute Arbeit hat einen Wert, der weit über das Materielle hinausreicht: Gute Arbeit eröffnet Chancen für die Planung der eigenen Zukunft. Gute Arbeit ist Voraussetzung für die Integration in die Gesellschaft. Gute Arbeit ist die Grundlage dafür, dass Menschen sich engagieren und die Gesellschaft mitgestalten wollen. Für eine fortschrittliche und aufgeklärte Gesellschaft gilt heute deshalb mehr denn je, dass es Wohlstand, Innovationen und Wachstum nur mit guter Arbeit gibt.
Doch unsere heutige Arbeitsgesellschaft leidet unter einer Erosion guter Arbeit. Die Deregulierung des Arbeitsmarktes hat in den letzten Jahren zu einer massiven Entwertung von Arbeit |21|geführt. Prozesse der Flexibilisierung und Prekarisierung, Subjektivierung, Entgrenzung und Verdichtung von Arbeit sind hierbei eng miteinander verflochten. Atypische und prekäre Arbeitsverhältnisse werden zunehmend typisch. In Deutschland sind mittlerweile fast zehn Millionen Menschen in befristeten Arbeitsverhältnissen, Leiharbeit, Werkverträgen oder Minijobs. Das Ergebnis ist eine tiefe gesellschaftliche Spaltung zwischen denen, die noch über eine halbwegs sichere, angemessen entlohnte und sozial abgesicherte Arbeit verfügen, und jenen, die davon oftmals dauerhaft ausgeschlossen sind.
Was immer als Preis für die unvermeidbare Anpassung an die Zwänge der globalen Wirtschaft dargestellt wurde, hat somit zu einer Ökonomisierung unserer Gesellschaft geführt. Weniger soziale Absicherung bei Arbeitslosigkeit, schärfere Sanktionen und die Etablierung eines Niedriglohnsektors sind Ergebnis und Ausdruck dieses Ökonomismus. Dieser neoliberale Ökonomismus hat darüber hinaus auch die normativen Anforderungen an die moderne Arbeitnehmerin, den modernen Arbeitnehmer radikal verändert. Die beiden Soziologen Luc Boltanski und Eve Chiapello haben anhand einer Langfristanalyse von Managementdiskursen die idealtypische Beschreibung eines »marktgerechten Arbeitnehmers« (Boltanski/Chiapello 1999) identifiziert. Dazu gehören zum Beispiel Autonomie, Employability, Flexibilität, Mobilität, Kreativität, Verfügbarkeit, Innovations- und Kommunikationsfähigkeit, Kompromissbereitschaft, Risikobereitschaft, Selbstsicherheit, Neugierde, Offenheit, Selbstmanagement und Selbstevaluation. Der ideale, marktkonforme Arbeitnehmer ist damit geografisch mobil, beruflich flexibel, arbeitet permanent an der Perfektionierung seines Humankapitals, handelt im Rahmen von befristeten Projekten anstatt in Dimensionen lebenslanger beruflicher Karrierevorstellungen und weiß dies mit seinem Privatleben in Einklang zu bringen (vgl. Schultheis 2011).
Das alles hat wenig mit einem guten und selbstbestimmten Leben zu tun. Deshalb brauchen wir einen Kurswechsel, damit |22|Arbeit wieder einen Wert bekommt. Arbeit ist nicht nur ein Mittel, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Arbeit ist für Menschen eine Quelle ihrer Identität. Wenn sie in einem Zentralbereich ihres Lebens vermittelt bekommen, nur eine Nummer im System zu sein, die jederzeit ausgetauscht werden kann, ist das gleichbedeutend mit einem Mangel an Respekt.
Vor diesem Hintergrund ist eine Neuordnung des Arbeitsmarktes dringend notwendig. Dafür brauchen wir einen gesetzlichen Mindestlohn, eine Neuregelung der Leiharbeit (»Equal Pay«), den Abbau prekärer Beschäftigung sowie eine Qualifizierungsoffensive angesichts des sich bereits heute abzeichnenden Fachkräftemangels.
Die Parole, dass alles, was Arbeit schafft, auch sozial ist, ist falsch. Sie ist ein Irrglaube. Richtig ist: Alles, was gute Arbeit schafft, ist auch sozial! Atypische und prekäre Beschäftigungsverhältnisse dürfen keine Alternative zu regulärer Beschäftigung sein. Diese Entwicklung bremst nicht nur die gesamtwirtschaftliche Dynamik, sie behindert auch den technologischen und ökologischen Strukturwandel in der deutschen Industrie. Auch den Unternehmen und Betrieben nutzt eine »Billig-Strategie« nichts, da sowohl ihre Produktivität als auch die Qualität ihrer Produkte darunter leiden. Deutschland braucht sichere Arbeitsplätze und innovative, wettbewerbsfähige Unternehmen. Das funktioniert nur mit einem regulierten und neu geordneten Arbeitsmarkt sowie mit mehr Mitbestimmung der Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter in den Betrieben.
Die IG Metall hat auf die neuen Herausforderungen in der Arbeitswelt reagiert. Wir haben mit unserer Tarifpolitik einen Beitrag zu mehr Fairness geleistet. Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer bekommen heute über Branchenzuschläge mehr Geld und nach 24 Monaten Einsatzzeit einen festen Arbeitsplatz. Wir haben dafür gesorgt, dass erstmals der Grundsatz der unbefristeten Übernahme der Auszubildenden tariflich festgeschrieben wurde. Damit wird der Fachkräftebedarf der Industrie gesichert und die junge Generation erhält eine Perspektive |23|im Anschluss an ihre Ausbildung. Aktiv sind wir auch in Sachen Werkverträge. Mit unserer Kampagne »Arbeit: sicher und fair – für alle« machen wir uns stark für die Rechte der Werkvertragsbeschäftigten. Die IG Metall steht zu ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung. Wir sind solidarisch mit allen Beschäftigten, egal ob es sich um Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter, Werkvertragsnehmende oder Stammbeschäftigte handelt.
In allen sozialen Auseinandersetzungen, in allen Fortschritts- und Freiheitsbewegungen der Menschheit haben Werte eine entscheidende Rolle gespielt. Wenn sich die IG Metall also heute für einen Kurswechsel einsetzt und sich gegen den säkularen Trend zur Prekarisierung wehrt, dann geht es nicht nur um materielle Interessen, sondern auch um die gesellschaftliche Anerkennung von Arbeit und um die soziale Würde der Beschäftigten. Der Kampf gegen die Prekarisierung und für gute Arbeit ist deswegen eine zentrale Aufgabe einer gewerkschaftlichen Kurswechselpolitik.

Literatur

Allespach, M.; Bartmann, M. (2011): Dimensionen eines gesellschaftspolitischen Kurswechsels – Überlegungen zu gewerkschaftlichen Zielen und ihren Durchsetzungsstrategien, in: WSI-Mitteilungen 12/2011, S. 619–628.
Allespach, M.; Staadt, D.; Wentzel, L. (2009): Vom Mehrwert der Wertedebatte. Gewerkschaftliche Strategiebildung in der Systemkrise, in: Sozialismus 36 (2009), Heft 3, S. 42–45.
Boltanski, L.; Chiapello, E. (1999): Der neue Geist des Kapitalismus, Konstanz.
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Wege zu einer gerechteren Welt

Luiz Inácio Lula da Silva1
Seit ich Vorsitzender der Metallarbeitergewerkschaft in São Bernardo do Campo und Diadema im Großraum São Paulo geworden bin, dort, wo die Werke von VW und Mercedes Benz liegen, hat sich die deutsche Gewerkschaftsbewegung immer sehr solidarisch uns gegenüber verhalten. Auch in schweren Zeiten wie in den 70er/80er Jahren, als wir in meinem Land noch eine Militärdiktatur hatten. Aus diesem Grund bin ich sehr glücklich, hier bei euch Kolleginnen und Kollegen zu sein.
Ihr wisst, dass ich in meinem Land Gewerkschaftsführer war. 1975 bin ich in den Vorstand meiner Gewerkschaft gewählt worden, 1979 wurde ich von den Militärs meines Amtes enthoben, Anfang 1980 bin ich wieder ins Amt zurückgekehrt. 1980 haben wir zu einem 41-tägigen Streik aufgerufen und ich bin wieder meines Amtes enthoben worden.
In dieser Zeit habe ich herausgefunden, dass die Gewerkschaft nicht allen Erwartungen der Kolleginnen und Kollegen Rechnung tragen kann. Etwas, das ihr schon Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt habt. Daraufhin habe ich beschlossen, eine politische Partei zu gründen. Wir haben die Partido dos Trabalhadores (Arbeiterpartei, kurz PT) gegründet, die heute die wichtigste Linkspartei in Lateinamerika ist. Ich habe es damit aber nicht bewenden lassen. Ich habe auch beschlossen, die Kraft der Gewerkschaften zu bündeln und einen Dachverband zu gründen, die CUT. Sie ist gegenwärtig die bedeutendste Gewerkschaftszentrale Lateinamerikas.|26|
Ich hatte erkannt, dass die Arbeitnehmer selbst an die Macht kommen müssen und nicht mit einem Präsidenten, der ein »Leihpräsident« wäre. Wir hatten ja schon viele Präsidenten, die den Anschein erweckt hatten, im Namen der Arbeitnehmer zu sprechen, aber diesem Anschein nicht genügten. Ich habe deshalb beschlossen, mich als Kandidaten für das Präsidentenamt aufstellen zu lassen. Niemand hielt es für möglich, dass eine Partei, die von Arbeitnehmern gegründet wurde – mit einem Metaller an der Spitze –, die Wahl gewinnen könnte. Das war in keinem Buch zu lesen. Doch die brasilianischen Arbeitnehmer waren hartnäckig und eigensinnig, und die Partei setzte entschlossen auf ihren Kandidaten.
Ihr müsst wissen, dass ich sehr viele Wahlen verloren habe. Ich habe die Wahl zum Gouverneur des Bundesstaates São Paulo verloren. Ich habe 1989, 1994 und 1998 die Wahlen zum Präsidenten nicht geschafft und ich konnte es nicht mehr ertragen, noch weitere zu verlieren. 2002 habe ich die Wahl dann endlich gewonnen. Nun war ich von einem Gedanken besessen: Ich wollte den Nachweis führen, dass ein Metaller mehr ausrichten kann, als es die sogenannte brasilianische Elite im Laufe der Geschichte in meinem Land getan hat. Ich wollte zeigen, dass ich in der Lage sein würde, als Präsident den Erwartungen zu entsprechen, die man in mich gesetzt hatte, als ich Gewerkschaftsvorsitzender und Oppositionsführer war. Das war meine fixe Idee jeden Tag.
Ich wusste, ich muss als Arbeiter mehr tun und ich muss es besser tun. Fehler machen können alle Menschen. Fehler machen können alle Präsidenten. Aber wenn der Metaller im Präsidentenamt Fehler macht, dann wird man ihm keine zweite Chance geben. Ich wusste, dass irgendein Präsident – irgendein Vertreter der brasilianischen Elite –, wenn er zum Präsidenten gewählt wird und nichts tut, damit kein Problem hat.
Ich hatte die Gewissheit, dass es bei mir anders sein wird. Ich hatte also nicht das Recht, Fehler zu machen. Mit dieser Überzeugung bin ich Präsident der föderativen Republik Brasilien gewor|27|den. Ich möchte euch gestehen, dass ich in der ersten Nacht, die ich im Palast verbracht habe – ich lag dort mit meiner Frau –, sie gefragt habe, ob wir wirklich hier sind. Dieser Palast ist nicht für uns gebaut worden, er ist für andere Leute gebaut worden. Aber wir waren angekommen. Ich war Präsident. Jetzt musste ich zeigen, dass ich in der Lage war, das zu tun, was ich versprochen hatte. Das Erste, was ich getan habe, hatte ich von meiner Mutter gelernt, die nicht lesen und schreiben konnte. Niemand achtet den, der keine Selbstachtung hat. Wenn ich von anderen geachtet werden will, muss ich mich selbst achten und ernst nehmen. Ich wusste, dass Brasilien international nicht glaubwürdig war. Oft sprachen die Leute von Brasilien wie von einem kleinen und unbedeutenden Land. Wir waren aber weder klein noch unbedeutend. Was wir bis zu diesem Zeitpunkt gehabt hatten, waren Politiker, die sich selbst nicht achteten, und deswegen war Brasilien international auch nicht geachtet. Um geachtet zu sein, mussten wir erst einmal unsere Hausaufgaben machen. Wir mussten die Inflation unter Kontrolle bringen und wir brauchten eine seriöse Fiskalpolitik. Wir konnten ja nicht mehr ausgeben, als wir einnahmen, und dabei habe ich immer wieder an meine Mutter gedacht.
Ich war 16 Jahre alt, arbeitete in einer Schraubenfabrik und bekam meinen Lohn am Ende des Monats in einer Tüte ausgezahlt. Ich musste die Tüte nach Hause bringen, ohne sie zu öffnen. Meine Mutter hat dann alle ihre sieben Kinder am Tisch versammelt und öffnete unsere Tüten. Sie hat von jedem das Geld eingesammelt und gesagt: Damit bezahlen wir dies und damit bezahlen wir das. Und wenn etwas übrig geblieben ist, hat jeder davon ein Taschengeld bekommen. Aber erst einmal wurden mit dem Geld alle offenen Rechnungen bezahlt.
Und mit dieser Einstellung habe ich mein erstes Mandat begonnen. So habe ich versucht, die brasilianischen Rechnungen zu zahlen, die Inflation zu senken, die Staatsausgaben zu senken und eine Währungspolitik durchzuführen, die Brasilien zur Glaubwürdigkeit verhelfen würde. Dieses Opfer hat ein Jahr gedauert.|28|

Reichtum anders verteilen

Im Jahr 2004 hatte die brasilianische Wirtschaft sich schon etwas erholt. Es begann das Wirtschaftswachstum, und ab da konnten wir dann eine wichtige Politik in Angriff nehmen – nämlich den Einkommenstransfer. Auch da wollten wir mit einigen Tabus aufräumen. Wir wollten den Nachweis führen, dass die These, der zufolge man erst mal die Wirtschaft zum Wachstum bringen muss und danach erst umverteilen kann, falsch ist.
Als Brasilien kein Wachstum verzeichnete, wurde der Reichtum nicht umverteilt. Wenn es dann aber Wachstum gab, erfolgte auch keine Umverteilung. Wir haben Beispiele von Ländern, die seit zehn bis vierzehn Jahren sechs Prozent Wachstum im Jahr haben, und es gibt keine Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeitnehmer. Ich wollte also den Nachweis führen, dass diese These, dass man erst einmal das Wachstum abwarten muss und dann den Reichtum umverteilen kann, verfehlt ist. Ich ging davon aus, dass erst einmal verteilt werden muss, um damit die Wirtschaft anzukurbeln und das Wachstum in Gang zu setzen. Genau das ist in Brasilien eingetreten.
Wir haben eine Einkommenstransferpolitik durchgeführt. Wahrscheinlich habt ihr schon von dem Programm »Null Hunger« (Fome Zero) gehört und von der »Familienzulage« (Bolsa Familia). Viele Millionen Brasilianer hatten bisher nie in ihrem Leben eine Bank betreten. Als wir mit dieser Politik anfingen, haben wir gesehen, dass die brasilianische Wirtschaft in Bewegung geriet. Die Armen sind in die Supermärkte gestürmt und haben Dinge gekauft, die sie bis dahin nie kaufen konnten. Sie hatten Zugang zu Waren, die bis dahin nur einem Teil der Mittelständischen vorbehalten waren. Es passierte also das, was ich das »Wunder der Brotvermehrung« nenne. Die brasilianische Wirtschaft wuchs, und wir konnten die Löhne erhöhen. In den acht Jahren meiner beiden Mandate hat es in jedem Jahr Lohnerhöhungen gegeben.|29|
Wir haben auch den Mindestlohn erhöht. Als wir die Macht übernahmen, wurde der Mindestlohn auf 100 US-Dollar angehoben. Heute beträgt er über 300 US-Dollar, und dies hat einen entscheidenden Beitrag zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums in Brasilien geleistet. Heute erreichen wir mit dem Programm »Bolsa Familia« über 50 Millionen Menschen. Was ist passiert? Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes haben wir gleichzeitig das Wirtschaftswachstum organisiert, den gesellschaftlichen Reichtum umverteilt und wir haben die Staatsausgaben rigoros kontrolliert.
Die größte Freude, die ich in meinem Leben erfahren habe, war folgende: Im Jahr 2005 habe ich den Präsidenten des IWF nach Brasilien eingeladen, um dem IWF mitzuteilen, dass Brasilien seine Anleihen vollständig zurückzahlen würde. Ich kann mich noch an diesen Tag erinnern, als wäre es gestern gewesen. Der Präsident des Internationalen Währungsfonds hatte darauf gesagt: »Präsident Lula, wir brauchen kein Geld. Brasilien ist ein Land, das wir schätzen und achten.« Ich sagte darauf, dass ich das Geld nicht möchte. Wir haben dann dem IWF 30 Milliarden US-Dollar zurückgezahlt. 30 Jahre meines Lebens habe ich Transparente durch die Straßen getragen mit Aufschriften wie »IWF raus«. Brasilien war viele Jahre Schuldner, und heute ist Brasilien Gläubiger des IWF. Wir haben heute beim IWF 14 Milliarden US-Dollar gelagert, und dieses Geld nutzen wir, um die Krise in den ärmeren europäischen Ländern zu bekämpfen.
Ich hatte große Angst vor meinem zweiten Mandat. Ich hatte Angst, ob ich es das zweite Mal schaffen würde. Die Umstände haben mich praktisch dazu gezwungen, 2006 erneut zu kandidieren. Ich habe ein Programm für die nächsten vier Jahre aufgelegt. Ein Programm zur Verbesserung der Infrastruktur und ein Programm zur Konsolidierung des sozialen Bereichs. Wir haben ein Investitionsprogramm von 300 Milliarden US-Dollar in Gang gebracht zur Erweiterung von Häfen, Flughäfen, zum Bau von Eisenbahnlinien, Wohnungsbauprogrammen, und wir haben uns vorgenommen, eine Million Sozialwohnungen zu |30|bauen. Zum Glück haben wir auch Erdölvorkommen tief unten im Meeresboden entdeckt, und das ist auch eine Fahrkarte für Brasilien in die Zukunft. Als dann die Krise kam, hatte Brasilien schon ein staatliches Investitionsprogramm. Das erlaubte mir schon damals, zu sagen, dass die Krise in Brasilien nur geringfügig sein würde. Und genau das ist eingetreten.
Wichtig war auch, dass wir mehr Arbeitsplätze geschaffen haben, als wir uns hätten vorstellen können. Von 2002 bis 2013 haben wir 17 Millionen Arbeitsplätze in Brasilien geschaffen. Heute ist die Arbeitslosigkeit auf 5,4 Prozent gesunken, also die niedrigste Rate der brasilianischen Geschichte, und es werden immer weitere Jobs geschaffen, da wir in Brasilien einen sehr hohen Infrastrukturbedarf haben.