Kurz(e) Geschichten aus dem Sackdorf - Horst Becht - E-Book

Kurz(e) Geschichten aus dem Sackdorf E-Book

Horst Becht

4,9

Beschreibung

Kurz(e) Geschichten aus dem Sackdorf sind eine Milieustudie dörflichen Lebens wie es in vielen Gegenden vorkommen kann. Teils autobiografisch, teils fiktiv werden Alltags- und besondere Szenen dargestellt und ausgeschmückt, die in ihrer Dichte und Realitätsnähe beeindrucken, betroffen machen und auch amüsieren. Es geht auch um das Lebensgefühl von Menschen, die durch das dörfliche Abgeschottetsein eine ganz spezifische Art von Nähe und Distanz pflegen.

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Seitenzahl: 58

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Gliederung

Einführung

Schlachtfest

Folgenreiche Liebelei

Verirrungen

Liebeskummer

Unverhofft kommt oft

Stadtkater vernascht Dorfmaus

Katzenjammer

Einmal NEIN, einmal JA

Der grobe Klotz

Tante Sophie

Ausblick

Zum Autor

Zur Themenauswahl- eine Einführung-

Der Autor ist größtenteils auf dem Land aufgewachsen und zwar in den 50er Jahren. Damals gab es noch Viehfuhrwerke, man spannte entweder Ochsen, oder je nach Wohlstand, auch Pferde vor die Wägen und fuhr damit im Schritttempo auf die Felder. Diese „Entschleunigung“, damals gezwungenermaßen - heute dringend notwendig - wirkte sich auch auf die Natur der Menschen aus. Man redete miteinander, wusste über die Situation des Nachbarn Bescheid, nahm Anteil an seinen Umständen, oder wollte nichts mit ihm zu tun haben. Zeit war kein Thema, sie war vorhanden. Knapp konnte sie nur werden, wenn ein „Wetter“(=Gewitter) aufzog und man schnell noch vorher die Ernte ins Trockene, meist in die nächstgelegene Scheune, bringen musste. Auf dem Felde, beim Heu machen oder Getreide ernten musste man sich gegenseitig unterstützen, weil alles „Handarbeit“ war. Oft mussten schon die Kleinen mithelfen, zumindest die Tiere am Zügel halten, damit diese während des Aufladens stillstanden. Deshalb bekamen die Kinder zur Erntezeit auch meistens schulfrei. Das Leben spielte sich in den Sommermonaten überwiegend auf dem Felde ab. Zur Mittagsoder Vesperzeit saß man zusammen, meist unter einem der großen Laubbäume, die es damals auf den Feldern noch gab. Das Wort: Flurbereinigung kannte noch niemand, das kam erst viel später auf, als alle Felder maschinengerecht „bereinigt“ wurden. Die Vögel, allen voran Bussarde, Falken und Habichte, fanden keine Bäume mehr zum nach Mäusen Ausschau halten. Stattdessen schuf man künstliche „Krücken“, nämlich Pfosten mit Querstangen versehen, auch „Andreaskreuz“ genannt. Diese bot man ihnen als Ersatz für lebendige Bäume an, welch ein trauriges Bild sich einem da viele Jahre später bot! Die Menschen wurden stark von der Landschaft, von den Tages-und Jahreszeiten, und von den Lebensumständen geprägt. Die Wertvorstellungen waren meist kollektiver Art, man wusste einfach, was sich für einen Burschen, für ein Mädchen schickte und was nicht. Auswüchse gab es selten. Wenn doch mal einer passierte, dann wurde er meist gnadenlos geahndet. In solchen Fällen wirkten die einzelnen Instanzen der Obrigkeit (Pfarrer, Lehrer, Schultes…) zusammen und versuchten gemeinsam, den oder die Gestrauchelte(n) wieder in die dörfliche Gemeinschaft zurückzuführen. Wenn ein Mädchen zum Beispiel ungewollt schwanger wurde, so konnte durch eine rasche Heirat, am besten noch bevor man “etwas sah“,- die Angelegenheit wieder bereinigt werden. Schwierig wurde es allerdings, wenn die Herkunft der beiden Unglücksvögel zu unterschiedlich war, denn es galt immer noch der alte schwäbische Spruch: „Sach gehört zum Sach“, oder, etwas geläufiger ausgedrückt: Schönheit vergeht, Grundstück besteht. Man achtete schon darauf, dass kein „Habenichts“ in eine wohlhabende Bauernfamilie einheiratete.

Ich wünsche Ihnen beschauliche und amüsante Momente beim Eintauchen in diese antiquierte Welt. Für Anregungen und Kritik – vorzugsweise positive – bin ich wie immer, offen und dankbar.

2016

[email protected]

„Schlachtfest“

Die Geschichten handeln in einem „Sack-Dorf“, das bedeutet, man kann nicht durchfahren. Wer hinwill, bleibt sozusagen „im Sack“ stecken. Diese zunächst rein geographische Besonderheit hat aber zwingende Auswirkungen auf die Mentalität der Bewohner; circa 800 an der Zahl. Eingeschlossen sind ein Lehrer, ein kath. Pfarrer, eine Gemeindeschwester, eine Kindergartenschwester, ein Landjäger, ein Büttel und natürlich ein Schultes(meist der reichste Bauer im Dorf oder zumindest einer der reichsten, aber dazu später).

Die Sacksituation und die Tatsache, dass man mit den umliegenden Dörflern in ruppiger Konkurrenz lag bewirkte, dass viel untereinander kopuliert wurde. Da Verhütung ziemlich unbekannt war, blieb es zwangsläufig nicht aus, dass in fast jeder zehnten Familie ein geistig behindertes Kind, ein „Duppel“, wie die Einheimischen zu sagen pflegten, aufwuchs. Dies war die folgerichtige Konsequenz einer Inzucht, die man zwar beim Namen nannte, aber dennoch die Zusammenhänge nicht gelten ließ. Es war auch größtenteils kein Problem, die „Duppel“ gingen mit aufs Feld, liefen hinter oder neben den Heu-und Erntefuhrwerken her und fanden auch begrenzt im Großfamilienhaushalt überschaubare Tätigkeiten.

Folgende Begebenheit war allerdings alles andere als harmlos, und hätte beinahe einem vierjährigen Mädchen das Leben gekostet.

Es war Winterszeit, die Hausschlachtungen liefen überall auf Hochtouren, Mattheis der Metzger, hatte alle Hände voll zu tun. Er machte sich übrigens einen Spaß daraus, den kleinen Kindern, die beim Schlachten oft zuschauten, die Augen der getöteten Schweine nachzuwerfen. Und wenn er ein Kind getroffen hatte, war das Gekreische des getroffenen Kindes weithin zu hören.

Einer dieser Jungen war Bankratz, der“ Duppel“ vom Bergerhof. Er schaute gerne beim Schlachten auf anderen Höfen zu und besonders erregte er sich, wenn die Sau abgestochen wurde und dabei lauthals quietschte.

Eines Tages beschloss er in seinem verwirrten Kopf, selbst der Metzger zu sein, nahm die vierjährige Berta vom Titus-Hof an die Hand und führte sie in den nahegelegenen Wald. Die gutgläubige Berta, die den „Banker“, wie alle ihn nannten, kannte, ging arglos mit und ahnte nichts Schlimmes.

Spät erst wurde das Fehlen des Kindes bemerkt, damals, auf dem Land, gab es noch keine „Helikoptereltern“, die Kinder liefen frei umher, waren(fast)überall dabei, tobten im Dorf herum.

Allmählich wurde das Fehlen der kleinen Berta doch bemerkt und man begann, sie zu suchen und nach ihr zu rufen. Zum Glück hatte ein anderer Junge gesehen, wie der „Banker“ mit der Berta an der Hand Richtung Wald spaziert ist. Mutter, Großvater und ein Onkel der Berta gingen in die angedeutete Waldrichtung, es lag tiefer Schnee, das Stapfen war mühsam, die Luft eisig kalt. Die Kinderspuren im Schnee wiesen in Richtung einer Schonung, und dort fanden sie die Beiden auch und waren entsetzt.

Die kleine Berta war nackt an einen Baum gebunden und wimmerte herzerweichend. Ihre Kleider lagen ringsum verstreut im Schnee. Vor ihr stand der „Banker“ mit einem Taschenmesser in der Hand und murmelte ständig: “Schweinchen schlachten, Schweinchen schlachten.“ Dabei stierte er aus glasigen Augen und wirkte wie abwesend. Widerstandslos ließ er sich das Messer abnehmen und sich nach Hause bringen. Klein - Berta wurde losgebunden, wieder angezogen und in den Titus-Hof getragen. Dabei weinte und wimmerte sie ununterbrochen.

Nur mit allergrößter Überzeugungskraft gelang es, Bertas Großvater davon abzuhalten, den „Banker“ und seine Sippe nicht durchzuprügeln.

Der Feldschütz wurde benachrichtigt, Bankratz kam in eine Geschlossene Anstalt. Die beiden Bauersfamilien waren seitdem gegenseitig verfeindet und noch nach Jahren, als Berta schon ein Teenager war und am Elternhaus von Bankratz vorbeiging, riefen ihr seine Schwestern nach: „wegen der musste unser Bruder in die “Klappse“, die ist schuld daran!“

Folgenreiche Liebelei

Im Sackdorf