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Kurz(e)Geschichten und noch kürzere Gedankengänge
Eindrücke, Begegnungen, Erlebtes, Erfundenes, Erfahrenes
Alltägliches und Außergewöhnliches
Altes und Neues
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Kätzchen namenlos
Meine allererste Katze war etwa einen Tag alt, als ich sie bekam. Ich hatte sie in unserem Garten in einem kleinen Nest gefunden, ganz allein, zurückgelassen von der Katzenmutter, die mit dem Rest des Wurfs weitergezogen war. Fast verhungert, aber schon ein richtiges kleines Kätzchen, war sie sofort mitten in mein Kinderherz geplatzt und ich war mir sicher, sie als Ersatzkatzenmutter zu einer großen und starken Katze aufzupäppeln. Meine eigene Mutter hatte mir vorsichtig zu erklären versucht, dass verlassene Katzenkinder kranke Katzenkinder sind, die keine Chance haben, durchzukommen und darum von ihrer Mutter verlassen werden. Aber Mütter reden vieles und Kinder wissen es immer und in jedem Fall besser und so war ich mir sicher, die kleine Katze retten zu können. Mit einem Milch-Wasser-Gemisch aus einer Flasche, die zuvor bunte Liebesperlen enthalten hatte, fütterte ich das Katzenkind vorsichtig. Es blieb mir nicht länger als einen Tag und mit seinem Tod zerbrach ein Stück meines Kinderherzens.
Maunzerle
Dann, viele Jahre später, kam Maunzerle. Ein kleiner schwarzer Kater aus irgendeinem ungewollten Wurf kätzischer Familienplanung. Seinen Namen bekam er nach dem kleinen Kater, der Kater Mikeschs Nachfolge angetreten hatte, aber immer einen Sprachfehler behielt und sich selbst als „Mauntscherle“ bezeichnete. Maunzerle schaffte es allerdings nicht einmal bis zu einem Sprachfehler. Er ließ vieles mit sich machen, als er aber gestiefelter Kater spielen sollte schlug er zu und verfehlte nur knapp ein Kinderauge, was ihm endlich den nötigen Respekt verschaffte, der einem fast erwachsenen Kater zusteht. Irgendwann war es dann so weit, aus der kleinen schwarzen Katze war ein stattlicher Kater geworden, der im und um das Haus herum alles markierte, was er nur erreichen konnte. Hätte er es nur draußen getan, so wäre nichts weiter geschehen, aber im Haus – das brachte ihm den schweren Gang zur Kastration. Aus Sparsamkeitsgründen, oder sollte ich lieber sagen, aus Geiz, packte mein damaliger Mitbewohner den armen Kater in einen Pappkarton, nahm ihn unter den Arm und marschierte Richtung Tierheim, wo die Kastration stattfinden sollte. Aber ein Kater in Not und mit einem Instinkt für das Schicksal, das ihm bevorsteht, entwickelt ungeahnte Kräfte, und so war der Pappkarton kein Hindernis für den bedrohten Kater. Er floh am nahen Waldrand auf einen Baum und blieb dort sitzen. Da ich an der Aktion nicht beteiligt gewesen war, hoffte ich, weiterhin in seiner Gunst zu stehen und versuchte ihn vom Baum zu locken. Gute Worte erreichten lediglich, dass er weiter nach oben kletterte, eine Schüssel mit duftendem Futter brachte ihn immerhin ein paar Äste abwärts. Nach zwei Stunden, es war schon dunkel geworden, ließ ich ihm das Futter zurück und ging nach Hause. Am nächsten Tag war alles gefressen, der Kater saß auf dem Baum und wartete auf Nachschub. So ging es drei Tage, dann war der Kater nicht mehr da, als ich wiederkam. Er führte von jetzt an, hoffentlich noch sehr lange, ein freies und unabhängiges Katzenleben.
Isidor
Dann kam Isidor. Wie der Name entstand lässt sich nicht mehr herausfinden. Isidor war ein Friedhofskater. Gemeinsam mit seinem Bruder war er ausgesetzt worden und die beiden hatten auf dem städtischen Friedhof eine neue Heimat gefunden. Zwei kleine Kater lebten hier ein freies und wildes Leben, Gesellten sich zu den Menschen, wenn ihnen danach war, blieben aber im Allgemeinen unter sich, bis ihnen ihr Bedürfnis nach menschlicher Zuwendung zum Verhängnis wurde. Immer wieder strichen Sie dem Pastor und der Trauergemeinde bei Beerdigungen, direkt am offenen Grab, um die Füße, was einige der Trauernden als pietätlos empfanden. Kann eine Katze pietätlos sein? Wohl kaum, aber ihr Schicksal war damit besiegelt, sie wurden eingefangen und ins Tierheim gebracht. Was aus Isidors Bruder wurde weiß niemand, Isidor war allein, als ich ihn aus dem Heim zu mir holte. Der kleine Kater gewöhnte sich schnell in der neuen Umgebung ein, blieb aber immer sehr unabhängig und selbständig. Nachts spielte er gerne das Spiel „Auto ärgere Dich nicht“ und erstaunlicherweise gewann er immer: Isidor saß am Rand der Durchgangsstraße vor dem Haus und wartete, bis er ein Auto erspähte. Wenn es nur noch wenige Meter entfernt von ihm war, stolzierte er hoch erhobenen Hauptes über die Straße und wartete auf der anderen Seite auf das nächste Spielzeug. Irgendwann kam er zwei Tage nicht nach Hause. Nicht ungewöhnlich für einen Kater, wenn der Frühling kommt. Aber dann kam er eine Woche lang nicht mehr und dann fehlte er einen ganzen Monat. Dafür suchte mich eine alte Frau auf. Sie wohnte nur wenige Straßen weiter und beschwerte sich, bei ihr wären plötzlich zwei Tigerkatzen. Sie hätte das erst gar nicht bemerkt, weil meist immer nur eine im Haus war. Sie müsste jetzt zwei Katzen füttern, dabei wäre eine davon doch meine. Aber was sollte ich tun? Solange sie zwei Katzen fütterte, würden zwei Katzen auch bei ihr fressen. Isidor hatte also einen Freund samt Vollpension gefunden und brauchte mich nicht mehr. Etwas konsterniert war ich schon, aber was sollte ich machen? Wenn sich eine Katze ein neues Zuhause sucht, so lässt sie sich da nicht drein reden. Aus einem Monat wurden drei, aus drei Monaten wurde ein halbes Jahr. Er kam immer mal wieder kurz zurück, um nach dem Rechten zu sehen und um zu zeigen, dass es ihm gut ging. Und dann kam er nicht mehr. Ein paar Jahre später, ich war in eine andere Stadt gezogen, tauchte er plötzlich bei den neuen Hausbewohnern wieder auf. Krank und heruntergekommen, und er musste kurz darauf eingeschläfert werden.
Gregor Miezi
Gregor Miezi, frei nach Gregor Gysi benannt, war eine Katze mit frühkindlichem Trauma. Ich weiß nicht mehr, woher sie kam, aber sie war wohl nur knapp mit dem Leben davongekommen und musste schlimme Erfahrungen mit menschlichen Füßen gemacht haben. Bewegte sich einer davon, so war Gregor Miezi auf und davon. Es dauerte lange, bis er sich einigermaßen eingewöhnt hatte, aber mehr als sein Fressen wollte er nie von mir. Er blieb ein Einzelgänger, der sich mit den Menschen nicht wirklich anfreunden konnte. Als ich wegzog, blieb er zurück und suchte sich einen neuen Dosenöffner unter denen, die nach mir kamen.
Swipp und Django