Kurz und gut - Helmut Wichlatz - E-Book

Kurz und gut E-Book

Helmut Wichlatz

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Beschreibung

Über dieses Buch Dieses Buch ist wundervoll. Es wurde mit viel Liebe hergestellt. Von seinem ursprünglichen Plan, jedes Cover mit Wachsmalstiften persönlich auszumalen, musste Autor Helmut Wichlatz leider Abstand nehmen. Trotzdem ist es schön rot geworden. So finden Sie dieses Buch auch immer wieder, wenn Sie es verlegt haben. Sie können und sollten dieses Buch immer wieder verschenken oder sogar selbst lesen. Auch als Unterlage für kippelnde Tische eignet es sich schon aufgrund seines Formats ausgezeichnet. Bitte beachten Sie, dass dieses Buch nicht gerne alleine lebt. Am wohlsten fühlt es sich in Gesellschaft. Erstehen Sie daher weitere Bücher von Helmut Wichlatz. Oder eines anderen Autors Ihrer Wahl. Nein, am besten von Helmut Wichlatz. Dann sind Sie auf der sicheren Seite. Denken Sie daran: Die Geschichten sind Fiktion. Es kommt nie so schlimm wie in diesen Geschichten Es kommt noch schlimmer!

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Inhalt

Warum ist es am Rhein so schön?

Laari und das Erbe des Fremden

Ein Fingerzeig des Schicksals

Jokers großes Spiel

Nachricht von Kevin

Der Besenstiel

Mein ist die Rache

Jokers Rückkehr

Komm, lass uns spielen

Mittsommernachtsliebe

Stürmer-Jupp und die letzte Nacht

Wiedersehen mit Erika

Figurprobleme

…. Und zwei tödliche Dialoge

Tödliche Vereinsmeierei

Warum ist es …

„…. am Rheiiiiiin so schöööööön?

Warum ist es am Rheiiiiiiin so schööööööön?

Warum ist am Rhein so schön, am Rheiiiiiiinnnn soooo schööööön? …“

Die Sänger vom Männergesangsverein Eintracht Doveren 1859 e. V. jodelten und knödelten, was das Zeug hielt. Sie hatten sich dieses Lied als Opener für ihr Herbstkonzert im Rahmen des Hückelhovener Stadtmusikfestes gewünscht, weil es sie mehr als jedes andere Lied ihres umfangreichen Repertoires bewegte. Die Probe im Hinterzimmer ihres Stammlokals „Ohme Jupp“ dauerte nun schon zwei Stunden und sie bekamen den Einstieg nicht wirklich hin. Immer wieder gerieten die an sich routinierten und durch zahlreiche Auftritte in Schützenzelten und Mehrzweckhallen gestählten Sänger aus dem Takt, es herrschte eine gewisse Unruhe bei Eintracht. Mittlerweile hatte Dr. Martin Sondermann den Einstieg schon ein Duzend Mal geprobt, aber der Haufen von mehr oder weniger aus den Fugen geratenen und rotgesichtigen Hobbysängern undefinierbaren Alters und Alkoholpegels, der mit den Gesichtern zu ihm in zwei Reihen Aufstellung genommen hatte, war einfach nicht zu mehr in der Lage.

„Gut, meine Herren“, begann Sondermann, nachdem er den Gesang mit seinen Händen ausholend abgewürgt hatte. „Angesichts der fortgeschrittenen Stunde und der Tatsache, dass ich heute noch bis nach Aachen fahren muss, breche ich die Probe ab.“ Das einbrechende Gemurmel der zwölf Sänger wartete er nicht mehr ab. Hastig sammelte er seine Notenblätter zusammen, die vor ihm auf dem Pult lagen, verabschiedete sich mit einem knappen Kopfnicken und verließ den Raum. Zwölf Augenpaare schauten ihm nach und zuckten kurz, als die Tür ins Schloss fiel.

„Zack, weg isser“, kommentierte Mövesse Hein kopfschüttelnd und wendete sich seinem Bierglas zu, das der Wirt vor einer halben Stunde im Rahmen einer Runde reingebracht hatte. Heinrich Mevissen, wie er hochdeutsch hieß, hatte Eintracht vor 30 Jahren quasi von seinem Vater vererbt bekommen. Die Mevissens leiteten den Gesangsverein schon seit der Gründung. Von den einstmals über 30 Sängern war ein alternder Rumpf übriggeblieben, der nur noch bei privaten Grillfesten in ihrer niederrheinischen Heimatgemeinde und einmal im Jahr beim Stadtmusikfest auftrat. Trotzdem leisteten sie sich seit Jahr und Tag den Luxus eines ausgebildeten Dirigenten. Schließlich hatte der Name Eintracht in Sangeskreisen noch einen guten und klangvollen Namen.

Die Sänger strebten gerade unisono auf ihre Getränke zu, als die Tür noch einmal aufging und Sondermann seinen Oberkörper hinein schob. Schnell griff er seine Jacke von der Garderobe und verschwand dann wieder wortlos.

„Wat´n Dämlack“, platzte es aus Grabowskis Dirk heraus. „Warum mussten wir uns ausgerechnet so einen Schnösel an Land ziehen? Der passt doch gar nicht zu uns.“ Heinrich Mevissen nickte versonnen. „Ja, war auch sehr kurzfristig damals. Wir mussten ja schnell Ersatz besorgen, als Herbert … naja … ausgefallen ist.“

„Ausgefallen“, kommentierte Mättes Hensen. „Das ist gut. Ausgefallen!“

Einige Köpfe drehten sich zu ihm.

„Mensch, sei ruhig“, ermahnte Mevissen ihn zischend und wandte sich dann an die Gruppe der Sangesbrüder. „So, Leute. Probe ist vorbei für heute. Feierabend!“

Für die Neuen unter den Sängern hieß das: Klatschmarsch und Abmarsch. Der altgediente Kern wollte unter sich sein. Also verabschiedeten sich die Neuen, fast ausschließlich Zugezogene aus den Neubaugebieten, der Reihe nach. Sie bekamen noch Schulterklopfer und ein paar kumpelhafte Floskeln mit auf den Heimweg und schon bald waren die fünf Kern-Eintrachtler unter sich. Mevissen sah noch den letzten Rücken durch die Tür verschwinden und rief ihm nach, vorne wegen einer Runde „Nochma wie üblich“ Bescheid zu sagen. Dann nahm er Mättes ins Visier. „Sachmal, wie blöd bist du eigentlich?“, herrschte er ihn an. „Mal doch ein Schild und stell dich Sonntag damit vor die Kirche!“

Grabowski und die beiden anderen, Janses Will und Bankens Jupp, nickten ernst. „Find ich auch“, bestätigte Jupp und nahm einen Schluck an seinem Bier.

„Leute, wir hatten uns darauf geeinigt, dass das ein blöder Betriebsunfall war und damit ist Ende Gelände“, erinnerte Mevissen sie noch einmal und ließ seinen Blick von einem zum anderen wandern.

Der Wirt brachte „Nochmal wie üblich“ und verschwand wortlos.

Dann nahm Mevissen den Faden wieder auf. „Was dem Herbert damals passiert ist, war ein Unfall. Das haben wir schon tausendmal durchgekaut. Langsam könntest du deine Gewissensbisse begraben. Wir haben damit nichts zu tun.“

„Nee, Unfall, ist klar“, begann Mättes erneut im ironischen Tonfall. „Wir machen einen Chorausflug auf dem Rhein und Höhe Koblenz geht der Dirigent mir nichts dir nichts über Bord und von uns Schönen hier hat keiner damit zu tun. Wir stehen nur alle dabei und schauen zu.“

„Genau!“, unterbrach ihn der Vorsitzende. „Wir haben nichts damit zu tun! Oder hast du ihn etwa ganz sicher umgebracht?“

„Ja, nee … ihr wisst doch…“, begann Mättes stammelnd.

„Was wissen wir?“, hakte Bankens Jupp ein. „Wir wissen, dass er die Treppe runtergeplumpst ist, weil er hackedicht war, nachdem er sich einmal durch die Schiffsbar gepichelt hatte, und dass du zufällig in der Nähe gestanden hast. Mehr wissen wir nicht. Und da war der Herbert glaube ich schon sternhagelgranatenvoll, sonst wäre der ja nicht die Treppe runtergefallen, oder?“

„Genau“, bestätigten die anderen drei wie aus einem Mund, während Mättes sich mit einer hilflosen Geste die Augen rieb und „ich weiß, ich weiß“ murmelte.

„Und ich wollte ihn nur wieder in die Senkrechte bringen, deshalb habe ich ihm aufgeholfen und ihn gegen die Reling gelehnt, als ich ihn unten vor der Treppe gefunden habe“, erklärte Janses Will mit ruhiger Stimme. „Mehr habe auch ich nicht mit der Sache zu tun. Oder? Ich bin dann ja auch gleich los, um Hilfe zu holen.“ Es folgte ein vergewissernder Blick in die Runde, der nickend bestätigt wurde. „Obwohl ich sicher einen Grund gehabt hätte, nach dem, was der mit meiner Elsbeth getrieben hat. Aber Schwamm drüber, ich bin ja nicht nachtragend. Kannst du alle hier fragen.“ Es folgte ein erneutes Nicken.

„Ja, aber, wir haben …“, setzte Mättes erneut an.

„Was haben wir denn?“, unterbrach ihn Grabowski unwirsch.

„Konnte ich denn wissen, dass der gar nicht kotzen muss, als ich ihn etwas über die Reling gedrückt habe. Ich wollte dem doch nur helfen.“ Nicken. „Dann hat er die Kontrolle verloren und ist rübergerutscht. Aber da war er ja schon wieder zu sich gekommen und hat sich am Geländer festgehalten. Ich wollte ihn ja noch hochziehen …“ Nicken „.. aber ich bin ja nicht schwindelfrei und auch nicht der Stärkste. Deshalb habe ich Hein geholt, stimmt´s Hein?“ Mevissen nickte und übernahm. „Ja, und als ich kam, bin ich blöd gestolpert und gegen die Reling geknallt. Genau da, wo der sich festgehalten hat. Konnte ich ja nicht wissen, oder?“

Allgemeines Kopfschütteln. „Und da ist der Herbert abgerutscht und ins Wasser gefallen. Da konnte keiner was für.“

„Sachmal Hein, der Herbert, der hat doch auch mit deiner …“, setzte Mättes erneut stockend an. „Ich meine … der hat ja quasi jede von unseren Frauen mindestens einmal bestiegen, oder?“

Mevissen riss die Augen überrascht auf. „Ja und? Glaubst du etwa, deshalb hätten wir den umbringen wollen? Na hör mal!“ Er schaute sich überrascht um. Die anderen drei waren mindestens ebenso erstaunt über diese seltsame Idee.

„Ich kann mich noch sehr gut an den laustarken Streit an der Bar erinnern, als du dem Herbert an die Gurgel gehen wolltest“, setzte Mättes erneut an und schaute Mevissen tief in die Augen. Der hielt dem Blick nicht stand und erhob sich. „Ich geh noch was holen.

Noch mal wie üblich?“ Dabei machte er eine kreisende Bewegung mit dem Zeigefinger.

Wieder nickten alle, auch Mättes.

„Hör mal, Mättes, das ist nicht korrekt von dir“, begann Janses Will, gleich nachdem Mevissen den Raum verlassen hatte. „Du kannst den Scheiß nicht immer aufwärmen. Wir haben damals alle die Aussage bei der Polizei gemacht. Und die haben uns das geglaubt. Und damit lass mal gut sein. Der Streit vorher hat keinen interessiert.“

„Weil wir ihn nicht erwähnt haben!“, unterbrach ihn Mättes.

„Ja, warum auch? Mann, tickst du noch astrein? Das war vereinsintern. Das ist so was wie ein Grundrecht oder so“, konterte Will. „Das sagt quasi, dass das, was im Verein verkaspert wird, das geht dann keinen was an. So ähnlich zumindest. Und deshalb haben wir denen nichts davon gesagt. Klar?“

„Jaja, schon gut“, wiegelte Mättes ab. „Trotzdem sind mir das zu viele Zufälle vor dem Unfall. Von mir weiß ich ja, dass ich ihn am liebsten heute als morgen losgeworden wäre. Schon wegen Biggi.

Aber ich weiß, dass ich ihn nicht umgebracht habe.“

„Ja, aber du stehst am blödesten da, weil du ihn die Treppe runtergestoßen hast“, platzte ihm Janses Will ins Wort.

„Hab ich nicht!“, verteidigte sich Mättes und wurde rot.

„Klar, haste nicht. Und wir haben auch nicht. Keiner hat nichts getan, geht das noch deutlicher?“, kam es von hinten. Mevissen hatte den Raum unbemerkt betreten und sich hinter Mättes aufgebaut.

„Schau mal, wir haben ja sogar noch einen Rettungsring hinterhergeworfen, an dem der sich festhalten sollte. Jupp, stimmt´s?“ Jupp nickte eifrig.

„Ja, aber an der falschen Seite“, murmelte Mättes. „Du hast den links reingeworfen, während Herbert rechts abgesoffen ist.“

„Naja“, erwiderte Jupp. „Wir waren ja alle nicht mehr nüchtern zu der Zeit. Kann sein, dass ich mich mit der Seite vertan habe, aber bestimmt nicht absichtlich.“

„Und warum hat es fast eine halbe Stunde gedauert, bis ihr Alarm geschlagen habt?“, fragte er erneut.

„Na, ich wusste in der Aufregung erst nicht, wen ich fragen sollte“, kam es von Bankens Jupp. Mättes warf ihm einen Blick zu und schaute ihm tief in die Augen.

„Wir waren auf einem Schiff, da fragt man die mit den Uniformen, möchte ich wetten“, presste er hervor.

„Ja, jetzt, wo du das sagst, klingt das einleuchtend“, erklärte Jupp und nickte. „Hätte ich drauf kommen müssen. Aber hey, ich war genauso knülle wie du.“ Dabei grinste er und erhob prostend sein Glas.

Mättes starrte ihn an und in seinem Kopf rauschte es. Sollte er wirklich der einzige von ihnen sein, der sich wegen Herberts Tod Gedanken machte? Der Reihe nach schaute er seine vier Sangesbrüder an, einer unschuldiger als der andere.

Der Wirt unterbrach das Schweigen. „So, nochmal wie üblich“, sagte er zum Tablett und stellte ohne hinzuschauen die Biere und Schnäpse ab. Nachdem er die Striche auf den Deckeln verteilt und die Tür hinter sich geschlossen hatte, erhob sich Mevissen und setzte eine feierliche Miene auf. „Liebe Sangesbrüder“, begann er in demselben Tonfall, in dem er sonst die Mitgliederversammlungen eröffnete. „Lasst uns einen Moment im Gedenken an unseren lieben Dirigenten Herbert Barkotnik innehalten. Herbert war ein ausgemachtes Arschloch, das sage ich sicher in unser aller Namen. Herbert war ein mieser kleiner Schürzenjäger. Er hat uns allen Hörner aufgesetzt und zum Narren gehalten, die ganzen langen Jahre. In diesem Jahr hätte Herbert sein Vierteljahrhundert bei Eintracht vollgemacht. Aber er ist im lieben Vater Rhein in Höhe Koblenz ersoffen. Tragisch, traurig und für die deutsche Chormusik ein schwer zu verschmerzender Verlust, aber leider wahr. Wir gedenken seiner mit einem Toast und einem Lied. Meine Herren, wenn ich bitten darf.“

Auf Kommando erhoben sich die vier schwankend von ihren Stühlen, prosteten sich mit einem herzlichen „Auf Herbert!“ gegenseitig zu und kippten die Schnäpse runter. Dann räusperten sie sich und stimmten ihr Schicksalslied an, mit dem sie schließlich in zwei Wochen das Hückelhovener Musikfest eröffnen wollten.

„Warum ist es am Rheiiiiiin so schöööööön, warum ist es am Rheiiiiin so schoööööön…..“

*

Gleich neben der Tür zum Hinterzimmer saßen Biggi, Gerlinde und Claudia bei einem Gläschen Hugo zusammen. Als der Wirt die Tür aufschob, um mit der nächsten Runde „Nochmal wie üblich“ durchzuhuschen, wehten ein paar Fetzen des Liedes zu ihnen herüber. Claudia nahm die Melodie auf und begann zu summen.

„Warum ist es am Rhein so schön …“

„Weil die Schweine drin untergeh´n“, sangen Gerlinde und Biggi weiter. Dann mussten alle drei lachen. Als sie sich ein wenig beruhigt hatte, holte Biggi tief Luft und sagte leise: „Ich kann immer noch nicht fassen, dass es so einfach war, dem Herbert die ganzen Pillen in seine Getränke zu schmuggeln. Der war ja hackedicht, als er in meinen Mättes reingetorkelt ist. Da hätten die Männer gar nichts zu machen brauchen, der wäre sowieso zwanzig Minuten später mausetot gewesen, das Arschloch!“

„Auf Herbert“, hoben Claudia und Gerlinde an und ließen die Gläser aneinander klirren. Dann begannen sie zu singen

„Warum ist es am …..“

Ende

Blick zurück in der Zeit

Laari und das Erbe des Fremden

Oder wie die Entwicklung der Menschheit um hunderte Generationen beschleunigt wurde

Mitten im Gebiet des heutigen Meinweg, rund 30 000 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Die Sonne steht rot und tief über den Bäumen, deren Wipfel sich wie schwarze Finger in den Himmel strecken, während es am Boden langsam kühl wird. Die Vögel haben mit ihren Abschiedsliedern für die Sonne begonnen und schon bald wird sich die Stille über ihre Heimat legen, wenn die große alte Mutter stirbt und die Welt in Dunkelheit getaucht wird, bis sie am Morgen wiedergeboren wird . Diese Zeit liebt Nu´Oc sehr. Sie bringt Ruhe, und die Gruppe sitzt zusammen, um zu erzählen und gemeinsam der Dunkelheit zu trotzen. In der Dunkelheit, wenn der dunkle Bruder den Himmel beherrscht, geht die Angst um und alle sind froh, dass das Feuer ihnen eine Zuflucht bietet. In dieser Zeit werden die Geschichten lebendig und die Schatten der Vorfahren umtanzen die Gruppe, um sich auch noch einmal am Feuer zu wärmen und das Leben zu spüren.

Nu´Oc ist der Anführer der Gruppe seit er vor zwei Wintern den großen Yog im Kampf besiegt hat.

Mit der Steinaxt hat er seinen Schädel gespalten und sich dann neben ihm niedergelassen, um ihn beim Sterben zu begleiten.

Wenn Nu´Oc die Augen schließt, sieht er Yogs erstaunten Blick und den Lebenssaft, der aus seinem Kopf floss. Yog hatte nicht damit gerechnet, dass der junge Krieger ihn herausfordern und auch noch besiegen würde. Das Sterben dauerte fast die ganze Nacht, und am Morgen wurde Yog von der Gruppe bestattet, wie es sich für einen Anführer gehört. Dass von diesem Tag an Nu´Oc die Gruppe führen würde, wurde von niemandem angezweifelt. Er war der Stärkste und hatte auch bei der Jagd und im Kampf gegen die Hirsch-Sippe großen Mut bewiesen. Noch am selben Tag hatte Nu´Oc die schöne und kluge Laari zur Frau genommen, die als Tochter des toten Anführers das Recht hatte, dem nächsten Anführer als Frau zur Seite zu stehen. Ihre Brüder Laarn, Yorig und Hallon waren nach dem Tod des Vaters nur noch einfache Mitglieder in der Gruppe, denn die Frau gab die Stammlinie an und die musste erhalten bleiben. Deshalb war ihre Geburt ein Ereignis gewesen, das den gleichzeitigen Tod ihrer Mutter überstrahlte. Denn sie hatte ihre Aufgabe erfüllt, die Tochter war geboren. Laaris Mutter war schon die Frau des Anführers gewesen, ebenso deren Mutter und alle Mütter aus Laaris Linie bis zurück zu der Zeit, von der die ersten Geschichten berichten. Die Zeit, als die Vorfahren unter der Führung von O´m und seiner Frau Ulua den Großen breiten Wasserarm überquerten und sich in der fruchtbaren Gegend niederließen. Seitdem ist die Gruppe, die von den Nachbarn, Feinden und Handelspartnern Uluas Kinder genannt wird, hier. Und sie wird so lange hier bleiben, bis Laari oder eine ihrer Töchter beschließt, dass es an der Zeit ist zu gehen.

Das ist eine starke Gewissheit, die jeder in der Gruppe teilt und die ihnen durch die Jahre ohne Jagdbeute und die kalten Winter geholfen hat, in denen den Kindern und den Alten die Zehen und Finger abgefroren sind. Die Töchter Uluas werden immer wissen, was gut ist für die Gruppe.

Und nun muss Nu´Oc mit ansehen, wie die Zukunft der Gruppe durch den Fremden in Gefahr gebracht wird. Er ist auf dem Weg zu ihm. Der Fremde hat sein Lager am anderen Ende des Waldes.

Ein komisches Lager, aus glattem und kaltem Stein, der seltsame Geräusche macht, wenn Nu´Oc mit der Axt dagegen schlägt. Doch heute wird er mit der Axt nicht gegen den großen Metallstein schlagen, in dem der Fremde wohnt. Er wird den Schädel des Fremden mit seiner Axt spalten. Es wird ihm keine Freude machen, denn er mag den Fremden mit der seltsam hellen Haut und dem leuchtenden Haar, in dem die Kraft der untergehenden Sonne gefangen zu sein scheint. Er hat gesehen, wie er mit seinem Stein aus dem Himmel gefallen ist, wie ein Sohn des Mondes. Der Stein brannte sogar an einer Seite, was Nu´Oc noch nie zuvor gesehen hatte. Er war gerade auf der Jagd nach Schweinen und lauerte an der Stelle der Lichtung, wo sie zum Fressen hinkamen, wenn die Sonne sich zum Sterben zurückzieht.

Nu´Oc mag es sehr, ruhig zu warten, bis der alte Arig