Küss mich bis zum Morgen - Anne Marie Winston - E-Book

Küss mich bis zum Morgen E-Book

Anne Marie Winston

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Beschreibung

Eigentlich sollte der Werbefachmann Jack Ferris doch Frannie für ihr Brautmoden-Studio beraten. Doch nun berät sie ihn bei der Betreuung seiner süßen Nichte. Dass Frannie das aus der Ruhe bringt, liegt allerdings nicht an dem Kind: Dieser anziehende Mann raubt ihr den Atem! Es scheint allerdings, als ob er an ihr allein ihre mütterlichen Qualitäten schätzte ...

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IMPRESSUM

Küss mich bis zum Morgen erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© by Anne Marie Rodgers Originaltitel: „The Baby Consultant“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1049 - 1999 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Ingrid Kasper

Umschlagsmotive: Yeko Photo Studio/Fotolia

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733742744

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Der Mann, der hinten in seinem Büro stand und telefonierte, war ganz vertieft in sein Gespräch, sodass Frannie Gelegenheit hatte, ihn genauer zu betrachten. Er war keine Schönheit im landläufigen Sinne, dafür war seine Nase etwas zu groß geraten, aber er besaß ausgeprägt männliche Gesichtszüge, die durch den militärisch kurzen Haarschnitt noch betont wurden. Nur ein paar vorwitzige hellblonde Haare, die dem scharfen Messer des Friseurs wohl entgangen waren, lockten sich auf seinem Kopf. Dee, eine gute Freundin von Frannie, hatte überschwänglich von diesem Mann geschwärmt.

Obwohl Frannie die Gefühle ihrer Freundin nicht ganz nachvollziehen konnte, musste sie zugeben, dass der Mann, der jetzt beim Telefonieren wie ein Tiger im Käfig auf und ab lief, eine äußerst attraktive Erscheinung war. Seine Ausstrahlung verfehlte nicht ihre Wirkung auf sie, und sie unterzog ihn einer genaueren Prüfung.

Er war sehr groß und hatte eine ausgesprochen sportliche Figur: breite Schultern, einen geraden, kräftigen Rücken, schmale Hüften und eine schlanke Taille. Frannies Blick wurde von seinen langen, muskulösen Beinen regelrecht gefesselt. Sie konnte die Augen kaum davon losreißen. Dazu kam noch seine elegante, kraftvolle Art, sich zu bewegen. Als er sich umwandte, wurde ihre Aufmerksamkeit auf seinen knackigen Po gelenkt, und sie betrachtete ihn anerkennend. Seine Figur war umwerfend, da musste sie ihrer Freundin recht geben. Zum ersten Mal in ihrem Leben verstand sie, dass Frauen beim Anblick eines solchen Mannes total den Kopf verlieren konnten. Sie unterdrückte ein Lachen, denn bis jetzt hatte sie die Schwärmereien ihrer Freundinnen immer als übertrieben abgetan, da ihr selbst so etwas noch nie passiert war. So ein Exemplar von einem Mann war ihr allerdings auch noch nie begegnet.

In diesem Moment drehte er sich zu ihr um, lächelte sie an und winkte ihr zu, doch näher zu treten und Platz zu nehmen. Frannie ging zu seinem Schreibtisch, stellte ihren Aktenkoffer ab und setzte sich. Das Lächeln, das er ihr jetzt schenkte, war überwältigend. Es nahm ihr fast den Atem, und sie spürte, dass ihr Herz heftig zu pochen begann. Himmel, ihr wurden sogar die Knie weich. Gott sei Dank saß sie schon, denn wahrscheinlich hätten ihre Beine sie nicht länger getragen.

Dee hatte sie vorgewarnt und ihr gesagt, dass Frauen sich gewissermaßen um ihn schlügen. Dennoch konnte sie ihre Reaktion nicht fassen. Dass der kurze Moment, in dem ihre Blicke sich getroffen hatten, ausreichte, sie so zu verzaubern, hätte sie nicht gedacht. Auf der Stelle hätte sie jede Verrücktheit für ihn begehen können.

Die Tür des Schreibbüros öffnete sich, und seine gut aussehende Sekretärin erschien. „Nur noch einen kleinen Moment, dann hat der Chef Zeit für Sie“, sagte sie, lächelte Frannie freundlich an und verschwand wieder.

Seine Sekretärin sah wie ein Model aus. Frannie spürte so etwas wie Eifersucht auf die schöne, junge Frau. Wenn sie nicht so freundlich zu mir gewesen wäre, könnte ich sie glatt hassen, gestand sie sich ein.

Er telefonierte immer noch. Eine Hand hatte er in die Hüfte gestützt, und er schien verärgert zu sein, obwohl er sich Mühe gab, das zu verbergen. „Ich sagte dir doch schon, dass es mir leidtut, Mona. An dem Tag habe ich ein Spiel. Aber wenn du möchtest, kannst du gern mitkommen.“ Seine Stimme klang höflich, dennoch sah Frannie es ihm an, dass es ihn große Mühe kostete, freundlich zu bleiben. Es schien, als knirsche er mit den Zähnen. Wenn Mona das sehen könnte! Für Frannie war es offensichtlich, dass er nicht bereit war, dem Wunsch dieser Frau nachzukommen.

Da Frannie dem Gespräch nicht länger zuhören wollte, griff sie in ihren Aktenkoffer und holte eine Mappe mit Fotos heraus. Sie legte sich die Mappe auf den Schoß, öffnete sie und schaute sich noch einmal kritisch die Bilder der Brautkleider an, die sie selbst entworfen und genäht hatte. Sie konzentrierte sich so stark darauf, dass sie die Welt um sich herum vergaß, sogar Jack Ferris mit seinem hinreißenden Charme.

Das cremefarbene Satinkleid hatte eine aufwendige Perlenstickerei auf dem eng anliegenden Oberteil. Das Kleid wäre noch besser zur Geltung gekommen, wenn sie auch die Rückenansicht fotografiert hätte. Der lange, kostbare Schleier aus echter Spitze war unbeschreiblich schön. Dann schaute sie sich das viktorianische Brautkleid an. Es war ein außergewöhnliches Modell. Nicht ihr Stil, aber der jungen Frau, für die sie es entworfen und genäht hatte, stand es. Es passte alles zusammen, sogar die weiten, mit Pelz verbrämten Ärmel. Auf Frannies Rat hin hatte die Braut die Haare hochgesteckt und statt eines Schleiers einen großen, mit Federn geschmückten Hut getragen. Der Anblick war bezaubernd gewesen. Jetzt ruhte ihr Blick auf dem zarten, seidenen Etuikleid mit dem Überwurf aus Brüsseler Spitze. Das Herstellen dieses Kleides hatte ihr ganz besondere Freude gemacht. Wäre es wohl besser gewesen, wenn sie nur ihre klassischen Entwürfe mitgebracht hätte? Denn Frannie hatte zu ihrem Erstaunen festgestellt, dass die überwiegende Zahl ihrer Kundinnen sich für die traditionellen Brautkleider entschied. Wenn sie an die Auswahl für ihre Broschüre dachte – der Grund ihres Besuchs in dieser hochgepriesenen Werbeagentur –, wurde sie unsicher. Ob man ihr hier auch dabei helfen würde?

Als sie sich wieder in ihre Kreationen vertiefte, hörte sie plötzlich ein Klicken. Der Chef der Werbeagentur hatte sein Gespräch beendet.

„Entschuldigen Sie bitte die Verzögerung, Miss Brooks. Mein Name ist Jack Ferris.“ Er kam mit ausgestreckter Hand auf sie zu und lächelte sie an.

Wieder dieses Lächeln. Frannie erhob sich ein wenig, um ihm die Hand zu geben. In dem Moment rutschte ihr die Mappe vom Schoß, und die Bilder landeten verstreut auf dem Fußboden.

„Ach, du liebe Zeit“, seufzte sie, als sie in die Hocke ging, um ihre Fotos aufzuheben. Da Jack Ferris sich auch spontan bückte, stießen sie mit den Knien aneinander. Frannie war ihm jetzt so nah, dass sie sein Aftershave riechen konnte. Das hielt sie nicht aus und rückte schnell von ihm ab, denn ihr fiel sogar das Atmen schwer.

In Sekundenschnelle waren die Bilder eingesammelt, und Frannie, die jetzt Jack Ferris direkt gegenüber auf dem Teppich kniete, konnte es nicht vermeiden, ihm ins Gesicht zu sehen. Es war, als bliebe die Zeit stehen, und Frannie wusste nicht, wie ihr geschah. Schmetterlinge schienen in ihrem Bauch zu tanzen.

Aber sie durfte sich keinesfalls eine Blöße geben, denn er war es sicher gewohnt, dass Frauen ihm hingerissen zu Füßen lagen. Frannie hatte nicht vor, ihn in diese Richtung auch noch zu ermutigen.

Sie lächelte ihn an und reichte ihm die Hand. „Ich danke Ihnen, Mr Ferris“, sagte sie höflich.

„Bitte, nennen Sie mich doch Jack.“ Er nahm ihre kleine zarte Hand in seine große starke. Als Frannie die Wärme und die Kraft seiner Hand spürte, fiel ihr der ewige Gegensatz ein: Mann und Frau, das Harte und das Zarte. Er half ihr auf die Füße, ließ ihre Hand aber nicht los. Sie hätte sich nicht ohne Aufhebens von ihm befreien können, wobei sie sich ein wenig kindisch vorgekommen wäre. Darum nickte sie zustimmend, als er auf eine Sitzgruppe deutete, die in einer Fensterecke stand. „Lassen Sie uns dort Platz nehmen. So ist es viel bequemer. Ich lege nämlich keinen großen Wert auf Förmlichkeiten“, erklärte er.

„Also, Sie sind zu mir gekommen, damit ich Ihnen einen Entwurf für eine Broschüre herstelle, ist das richtig?“, begann er, nachdem sie sich gesetzt hatten. „Sie wollen eine Werbeaktion für Ihr … Nähatelier starten.“ Er hatte einige Notizen vor sich liegen, die er kurz überflog.

„Ich entwerfe und fertige Brautkleider“, entgegnete sie nicht ohne Stolz. „Kostbare Roben nähe ich sogar selbst mit der Hand. Darüber hinaus bin ich behilflich, die passenden Accessoires dafür auszusuchen. Ich entwerfe aber nicht nur Brautkleider, sondern auch Modelle für andere große Anlässe. Manchmal kommt es vor, dass ich gebeten werde, das Brautkleid der Großmutter wieder instand zu setzen, das fünfzig Jahre gut verpackt auf dem Dachboden gelegen hatte.“

„Entschuldigen Sie bitte das Missverständnis. Es war nicht meine Absicht, Sie zu verletzen, denn ich habe den allergrößten Respekt vor jemandem, der so etwas kann. Ich bin nicht einmal in der Lage, mir einen Knopf anzunähen.“

Frannie musste bei seinen Worten lachen. „Das haben mir schon viele gesagt, dabei ist es gar nicht so schwer, die Grundbegriffe des Nähens zu erlernen.“

Er lächelte amüsiert. „Meine Hände sind dafür zu groß. Man sagt mir zwar nach, dass ich außergewöhnlich gute Reaktionen habe, aber meine Feinmotorik lässt ziemlich zu wünschen übrig. Also, was genau kann ich für Sie tun?“ Jack Ferris schaute sie mit seinem unwiderstehlichen Blick fragend an.

„Ich weiß es auch nicht so recht“, antwortete Frannie etwas unsicher. Als er die Augenbrauen hochzog, fuhr sie hastig fort: „Ich habe mein Geschäft erst letztes Jahr eröffnet. Es ist recht gut angelaufen, sogar besser, als ich es erwartet hatte. Aber nun würde ich meinen Kundenkreis gern erweitern und mein Geschäft vergrößern. Meine Kunden kommen bis jetzt nur hier aus dem Umkreis. Ich würde gern Interessenten im Umland von Baltimore gewinnen und kam daher auf die Idee mit der Broschüre.“

„Wie haben Sie denn das Geschäft auf die Beine gestellt?“ Er lehnte sich interessiert vor. Marketing war schließlich sein Fachgebiet, damit verdiente er sein Geld.

„Durch gute Beziehungen. Eine Freundin von mir, die selbst Geschäftsfrau ist, verfügt über einen großen Bekanntenkreis.“ Frannie konnte in Gedanken an ihre Freundin ein fröhliches Lächeln nicht unterdrücken. „Sie hat mich bekannt gemacht, dann ging alles ganz einfach. Die neu gewonnenen Kundinnen empfahlen mich weiter. Von da an brauchte ich mich über Arbeitsmangel nicht zu beklagen.“

„Das funktioniert allerdings nur, wenn Sie eine gute Ware anzubieten haben“, warf Jack Ferris ein. „Demnach müssen Sie gut sein. Wo haben Sie nähen gelernt? Entschuldigung … entwerfen gelernt?“ Er lächelte ihr augenzwinkernd zu, als wisse er ganz genau, dass Frannie ihm großzügig seinen Fehler verzieh.

„Ich habe zwei Jahre lang eine Fachhochschule für Mode und Design in Philadelphia besucht und kam dann wieder nach Hause zurück.“

„Demnach sind Sie hier aus der Gegend?“

„Nicht genau. Erst als ich mit meinem Geschäft anfing, zog ich hierher nach Westminster. Meine Familie lebt in Taneytown, das ist nicht weit von hier.“ Sie holte tief Luft, dann sagte sie mutig: „Ich habe ein Problem Mr … also gut, Jack. Ich kann es mir noch nicht leisten, viel Geld für eine Werbung auszugeben.“

„Meine Klienten kommen aus ganz verschiedenen Bereichen und haben daher völlig unterschiedliche Bedürfnisse“, antwortete Jack beruhigend und lächelte sie verführerisch an. Darauf würde sie nicht hereinfallen, so dumm war sie nicht. Denn sie war ziemlich sicher, dass er seine Worte zweideutig gemeint hatte. Sie brauchte nur in seine blitzenden Augen zu schauen, um ihren Verdacht bestätigt zu sehen. Dieser Playboy flirtete sicher mit jeder Frau, die in seine Nähe kam.

Frannie blieb ernst. „Im nächsten Frühling habe ich die Gelegenheit, meine Kollektion an verschiedenen Orten vorzuführen, und ich dachte daran, Broschüren drucken zu lassen, die interessierte Besucher dann mitnehmen könnten“, erklärte sie ihren Plan.

Jack nickte zustimmend. „Das ist ein guter erster Schritt, um Kunden zu gewinnen. Ihr Produkt hat sicher einen Markt und findet offensichtlich Anklang.“ Wieder lächelte er sie charmant an. „Man denke nur an all die Bräute, die bereit sind, für diesen großen Tag das Geld zum Fenster hinauszuwerfen. Und das für Kleider, die einmal getragen werden und über die man auch noch stolpern kann.“ Er lachte wie über einen gelungenen Witz.

„Ich habe allerdings festgestellt, dass die meisten Bräute sehr budgetbewusst sind“, entgegnete Frannie leicht verletzt. Je mehr Jack Ferris versuchte, dieses Gespräch von der heiteren Seite zu nehmen, desto distanzierter reagierte sie. Denn mit solchen Männern hatte sie schon ihre Erfahrungen gemacht. Sie erinnerte sich besonders an einen. Darum fühlte sie sich jetzt auch nicht sehr wohl. Oliver war auch so ein Mann gewesen. Er hatte immer ganz genau gewusst, wie er seinen Charme einsetzen musste, um seine Ziele zu erreichen.

Jack schien in Gedanken weit weg zu sein, als er jetzt begann, sich Notizen zu machen. „Ich komme zum wichtigsten Punkt, der zuerst geklärt werden sollte. Wer kann sich solche Roben überhaupt leisten? Wer kann das bezahlen?“ Er blickte hoch und schaute Frannie fragend an. „Haben Sie Preisvergleiche gemacht?“

Sie nickte. „Da meine besten Modelle von Hand genäht werden, ist der Preis gerechtfertigt und liegt im mittleren Bereich im Vergleich zu anderen Angeboten“, antwortete sie.

„Das hört sich gut an.“ Jack Ferris machte sich ununterbrochen Notizen. „Jetzt sagen Sie mir bitte noch, was Sie in Ihrer Broschüre besonders betonen wollen. Was ist für Ihre Kundinnen besonders wichtig?“

Von dem Augenblick an, in dem Jack Ferris sich mit der gestellten Aufgabe beschäftigte, war er ein ganz anderer geworden. Sachlich, konzentriert und effizient, stellte Frannie abschließend fest, als sie ihre Sachen zusammenpackte und aufstand, um zu gehen. Aber als Jack Ferris ihr die Tür aufhielt und sie verabschiedete, lächelte er sie wieder verführerisch an.

„Ich werde mich in den nächsten Tagen bei Ihnen melden“, sagte er leise und nickte ihr augenzwinkernd zu.

„Ich kann es kaum erwarten, Ihren ersten Entwurf zu sehen“, antwortete Frannie und sah sich gezwungen, ihm die Hand zu geben, damit sie das Geschäft besiegeln konnten. Wie beim ersten Mal spürte sie die Wärme, die von seiner großen, starken Hand ausging. Es war nur ein Händedruck, aber der wirkte auf sie sehr vertraulich, genau wie sein verflixtes Lächeln.

Frannie entdeckte ihre fröhlich winkenden Freundinnen sofort, als sie das kleine Lokal in Westminster betrat, und schlängelte sich flink zu ihrem Tisch hindurch. Amüsiert bemerkte sie, dass Jillian Kerr wieder einmal einen Mann verhext hatte, der um sie herumschlich wie ein liebeskranker Kater.

„Hi, Frannie!“, rief Deirdre Patten und stand auf, um sie zu umarmen. Für Dee waren Männer ungefähr so anziehend wie bissige Hunde. Daher war es zu verstehen, dass der Mann, den ihre Freundin Jill im Schlepptau hatte, ihr die Laune ziemlich verdarb.

„Liebes“, sagte Jillian, stand auch auf und kam um den Tisch herum, um Frannie herzlich zu begrüßen. Sie lächelte den Mann, der ihr auf den Fersen gefolgt war, freundlich an. „Okay, Bob, jetzt musst du dich verabschieden, denn dieses Treffen ist nur für Ladys.“

Frannie lächelte. „Weißt du, Jill, ich wundere mich immer wieder, wie du es anstellst, die Männer um den kleinen Finger zu wickeln. Ist dir das schon jemals nicht gelungen?“

Jillians selbstsicheres Lächeln verschwand, und zu Frannies Überraschung antwortete sie: „Doch, einmal.“ Und düster fügte sie hinzu: „Aber danach nie wieder.“

Plötzlich herrschte eine angespannte Stille. Da Frannie fühlte, dass Jill nicht näher auf die Geschichte eingehen wollte, um vielleicht noch tröstende Worte zu hören, versuchte sie, mit einer scherzhaften Bemerkung diesen Moment zu überbrücken. „Weißt du, was ich glaube? Du und Jack Ferris, ihr beide würdet ein tolles Paar abgeben.“

„Nie im Leben!“, protestierte Jill. „Ich kenne Jack. Er wird noch flirten, wenn er neunzig ist. Er ist ein toller Typ, zugegeben, aber nichts für mich. Er wäre mir ein viel zu unsicherer Kandidat. Wie ich schon sagte, für mich muss ein Mann kontrollierbar sein.“

Deirdre lachte belustigt auf. „Dann vergiss Jack sofort. Er ist ganz und gar kein Typ, den man an die Leine legen kann.“ Sie wandte sich Frannie zu. „Du hast Jack also aufgesucht. Und was hält er von deiner Idee mit der Broschüre?“

„Er hatte mir versprochen, einen ersten Entwurf zu erstellen und mir einen Kostenvoranschlag zu machen. Er wollte sich einige Tage später bei mir melden. Aber inzwischen sind schon zwei Wochen vergangen, und ich habe immer noch nichts von ihm gehört“, antwortete Frannie. Sie zog die Augenbrauen hoch. „Er war so ganz anders, als ich ihn mir nach eurer Beschreibung vorgestellt hatte. Ich glaube nicht, dass man sich in seiner Nähe wirklich wohlfühlen kann.“

Dee hob die Schultern. „Jack und ich wohnten früher in derselben Straße. Wir sind praktisch zusammen aufgewachsen. Mein Bruder spielte Lacrosse mit ihm, und für mich war er immer wie ein jüngerer Bruder.“

Jillian schaute Frannie neugierig an. „Was hattest du denn für einen Eindruck von Jack Ferris? Hat er dir etwa auch den Kopf verdreht?“

„Ich dachte, er interessierte dich gar nicht“, gab Frannie zurück, um einer Antwort auszuweichen.

„Nur weil ich keine nähere Beziehung mit ihm eingehen möchte, heißt das noch lange nicht, dass ich für seine männlichen Reize nicht empfänglich bin“, entgegnete Jillian und zwinkerte Dee zu. „Also, raus mit der Sprache. Wie fandest du ihn?“

„Wie du schon sagst, er ist wirklich ein Charmeur. Und ich bin ganz sicher, dass die Frauen nur so auf ihn fliegen und ihm zu Füßen liegen. Das bläht sein Ego sicher gewaltig auf.“

„Bist du ihm etwa auch zu Füßen gefallen?“, rief Jill schockiert aus. „Ich habe immer angenommen, dass Männer, die es darauf anlegen, eine Frau zu beeindrucken, bei dir keine Chance haben.“

Dee fühlte sich jetzt verpflichtet, Jack zu verteidigen. „Hört mal, Jack ist ein wirklich netter Typ, und ich glaube nicht, dass er eine Strichliste führt über alle Frauen, die er herumgekriegt hat.“

„Aber wir wollen das natürlich ganz genau wissen“, ergänzte Jill und zeigte auf Frannie. „Du bist unser Versuchskaninchen.“

„Ich denke nicht daran“, widersprach Frannie lachend, wurde dann aber gleich wieder ernst. „Mir gefällt es übrigens gar nicht, dass er sich bis heute noch nicht bei mir gemeldet hat. Und ich überlege ernsthaft, ob ich ihm den Auftrag geben soll, selbst wenn sein Preis meinen Vorstellungen entspricht.“

„Das ist überhaupt nicht Jacks Art, ich verstehe das nicht“, mischte Deirdre sich ein. „Zwar sehe ich ihn nur noch selten, aber er war immer sehr zuverlässig, ganz besonders in geschäftlichen Dingen. Er müsste sich schon sehr geändert haben.“

„Nun ja“, war alles, was Frannie auf Deirdres Bemerkung erwiderte, denn die Kellnerin kam an ihren Tisch, um die Bestellung aufzunehmen. „Allerdings muss ich unbedingt meine Fotomappe zurückhaben, da ich sie für meine Kundinnen brauche. Die Bilder sind für mich ein wichtiges Arbeitsmaterial“, fügte Frannie etwas frustriert hinzu.

Zwei Stunden später, als Frannie ihre Nachmittagspost durchsah, hielt sie Jacks Entwurf für die Broschüre in Händen. Sie starrte mit offenem Mund auf seinen Preisvorschlag. Wie war Dee nur auf die Idee gekommen, zu behaupten, seine Preise seien erschwinglich? Frannie hatte angenommen, dass Deirdre ähnlich scharf rechnen musste wie sie selbst. Eines wusste Frannie jetzt ganz genau: Es würde noch lange dauern, bis sie sich eine Werbung für „Brooks’ Modellbrautkleider“ bei Jack Ferris leisten konnte.

Vielleicht sogar sehr lange.

Der Gedanke deprimierte sie. Frannie war über den Anfangserfolg ihres Geschäfts sehr glücklich gewesen und wie auf Wolken gegangen. Es war für sie ein bedeutsamer Schritt, allein in die Kleinstadt Westminster zu ziehen und sich dort selbstständig zu machen. Bis dahin hatte sie mit kurzen Unterbrechungen immer in einer großen Familie gelebt, und es fiel ihr nicht leicht, sich daran zu gewöhnen, dass niemand mehr da war, um den sie sich kümmern musste. Um dieses Vakuum auszufüllen, hatte sie sich voller Elan in ihre Arbeit gestürzt.

Das hatte sicherlich zu ihrem Erfolg beigetragen. Sie hatte bald eine Näherin einstellen können, und seit einigen Monaten beschäftigte sie stundenweise eine Hilfe, die den Bräuten an ihrem großen Tag beim Ankleiden half, damit auch wirklich alles perfekt saß.

Frannie sah ein, dass es schwierig würde, ihr Geschäft zu vergrößern, wenn allein die Kosten für das Herstellen von Broschüren so hoch waren.

Kurz entschlossen ging sie zum Telefon und suchte die Nummer von Jack Ferris’ Werbeagentur heraus. Seine Sekretärin meldete sich und teilte ihr mit, dass Jack verreist sei, sie ihn aber bald zurückerwarte. „Wollen Sie eine Nachricht für ihn hinterlassen?“, fragte die junge Frau freundlich.

Aber Frannie verzichtete darauf und rief nach fünf Tagen erneut an. Jetzt hörte sie nur den Anrufbeantworter mit der Nachricht, dass die Firma wegen einer dringenden familiären Angelegenheit vorübergehend geschlossen sei. Das ging so bis zum Ende der Woche.

Am darauffolgenden Freitag war Frannies Geduld am Ende. Familienprobleme oder nicht, sein Benehmen ist einfach unmöglich, dachte sie und suchte sich seine private Telefonnummer heraus, um ihn dort anzurufen.

Niemand meldete sich, und der automatische Anrufbeantworter gab dieselbe Nachricht durch, die sie schon in der Agentur gehört hatte.

Jetzt reichte es ihr. Seit einem Monat hatte sie geduldig gewartet. Jack Ferris’ Verhalten war ihr unbegreiflich.

Sie brauchte dringend ihre Fotos und war entschlossen, so lange vor seiner Haustür zu warten, bis er kam.

Das Haus, in dem er wohnte, sah von außen gediegen und teuer aus. Der gemauerte Ziegelbau fiel auch in dieser Gegend auf. Frannie läutete fünf Mal, aber es rührte sich nichts. Die Haustür war abgeschlossen, wie sie schon vermutet hatte. Sie war richtiggehend wütend auf Jack Ferris. Sie erinnerte sich genau daran, ihm ganz deutlich gesagt zu haben, dass sie ihre Fotos so schnell wie möglich zurückhaben musste. Er war nicht nur ein gefährlicher Charmeur, sondern auch noch unzuverlässig, denn er hatte ihr fest versprochen, sich innerhalb einer Woche bei ihr zu melden.

Eine Woche, du liebe Güte. Jetzt waren schon vier Wochen vergangen. Ihr war aufgefallen, dass er einen Universitätsabschluss hatte. Das Diplom hing in seinem Büro an der Wand. Demnach musste er rechnen können. Außer, sein Studium lag schon so lange zurück, dass er inzwischen vergessen hatte, bis vier zu zählen.

Frannie war so ärgerlich, dass sie Rücksicht und Anstand einfach vergaß, die Terrasse betrat und von dort aus ins Haus spähte. Sie sah in eine perfekt aufgeräumte Küche, in der nur eine einzige Kaffeetasse auf der Theke stand und eine Zeitung aufgeschlagen auf dem Fußboden lag. An die Küche schloss sich ein Essplatz an, und tiefer im Raum konnte sie eine Sitzecke erkennen. Offenbar war das der Wohnbereich.

Irgendetwas beunruhigte Frannie, nur wusste sie eigentlich nicht, was es war. Irgendwie passte diese einzelne Tasse nicht zu der ansonsten sehr ordentlichen Wohnung. Es sah aus, als wäre Jack in großer Eile aufgebrochen und seitdem nicht wieder zu Hause gewesen.

Nun, ihre Sorge sollte das nicht sein. Sie entschied sich, zu ihrem Wagen zurückzugehen. Schließlich wollte sie nur ihre Sachen wiederhaben, alles andere ging sie nichts an.

Als Frannie ihre Wagentür öffnen wollte, um einzusteigen, fuhr ein rasanter Sportwagen in die Auffahrt und hielt direkt neben ihr an. Hinter dem Steuer saß Jack Ferris.

„Na endlich“, stieß sie erleichtert hervor. Obwohl es ihr sehr selten passierte, dass sie ärgerlich wurde, und noch seltener, dass sie ihren Ärger herausließ, hatte sie jetzt ein paar passende Sätze parat, die sie ihm allzu gern entgegengeschleudert hätte. Sie wollte schon zu ihm an die Fahrertür gehen, blieb aber überrascht stehen, als sie einen kurzen Blick durch das Seitenfenster seines Sportwagens warf. Ein winziges schreiendes Baby lag festgeschnallt in einem Kindersitz.

Bevor Frannie sich von ihrer Überraschung erholt hatte, war Jack bereits aus dem Wagen gesprungen und um das Heck herumgelaufen. Abwesend schaute er Frannie kurz an, riss dann die Beifahrertür auf und begann das Baby loszuschnallen.

Jetzt, bei offener Tür, klang das Schreien wirklich entsetzlich. Wahrscheinlich schrie das Kind schon länger, denn es hörte sich ziemlich heiser an. Die kleinen Fäuste und das Gesicht waren krebsrot von der Anstrengung.

Jack hob das wild strampelnde Baby hoch, nahm es auf den Arm und versuchte etwas unbeholfen, ihm beruhigend den Rücken zu klopfen. Schließlich drehte er sich zu Frannie um.

„Sie sind Miss Brooks, nicht wahr?“, fragte er und zog nachdenklich die Stirn kraus.