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Als Jason Montgomery nach einem Herzstillstand aus dem Privatkrankenhaus Becker & Partner in einem Vorort von San Francisco entlassen wird, überraschen ihn sein Mann Kyle und seine Tochter Ellie mit einer fröhlichen Willkommensparty. Doch die Euphorie über sein wiedergewonnenes Leben hält nicht ewig und wird schon bald von alltäglichen Problemen verdrängt. Während Jason damit beginnt, bestimmte Dinge in seinem Leben zu überdenken, kämpft Kyle mit seinen ganz eigenen Sorgen. Dabei vergessen beide, dass sie ihre Probleme am besten gemeinsam bewältigen können.
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Seitenzahl: 431
Veröffentlichungsjahr: 2025
Andy D. Thomas
© dead soft verlag, Mettingen 2025
http://www.deadsoft.de
Für alle Angelegenheiten rund um den Verlag:
dead soft verlag
Querenbergstr. 26
D-49497 Mettingen
© the author
Cover: Irene Repp
http://www.daylinart.webnode.com
Bildrechte: © Jeff Palmer
1. Auflage
ISBN 978-3-96089-752-1
Mein Dank für die tolle Zusammenarbeit geht wie immer an Ines und natürlich auch an J.H.
„Wie fühlt sich das an?“, wollte Kyle wissen, als sich das riesige schmiedeeiserne Tor zu ihrem Zuhause langsam öffnete. Gerade hatte er Jason aus der Privatklinik Becker & Partner abgeholt, in die er vor zehn Tagen mit einem Herzstillstand und nach einer dramatischen Wiederbelebung eingeliefert worden war.
„Ein bisschen wie ein zweiter Geburtstag“, gestand ihm Jason.
Kyle fuhr hindurch, die vielen Serpentinen den Hügel hoch zur Villa Montgomery, die in einem schönen, parkähnlichen, von einem Team von Landschaftsgärtnern gepflegtem Anwesen lag und parkte schließlich auf dem angestammten Platz in der Garage.
Er stellte den Motor ab und sah Jason an.
„Scheißgefühl“, brummte Kyle. Genau hier hatte er Jason leblos in seinem Wagen gefunden. Oder besser ihr Hund Jamie.
„Ich werde alles dafür tun, damit das nie wieder passiert, Babe. Ich verspreche es dir.“
Inzwischen wussten sie, dass Jason aufgrund einer bislang unbekannten, genetischen Erkrankung eine Hypercholesterinämie hatte. Somit musste er von nun an entsprechende Medikamente nehmen, um zu verhindern, dass sich das ganze Drama wiederholte.
Kyle nickte. „Danke. Ich glaub dir.“
Sie stiegen aus und Jason trat dicht an ihn heran. „Weißt du, auf was ich mich am meisten freue?“
„Ich kann’s mir denken.“
„Ich will mich einfach nur mit dir ins Bett legen und dich spüren.“ Sie küssten sich zärtlich. „Aber erst muss ich Jamie knuddeln. Komm.“
Sie gingen zur Haustür und ließen sich ein.
„Oh, hallo zusammen, Entschuldigung, Sie beide waren schneller“, sagte ihr Butler. „Herzlich willkommen zurück, Sir!“
„Danke, Mel.“ Jason lächelte und sah sich nach Jamie um.
„Kevin und Daniel bringen ihn gleich“, beruhigte ihn Kyle und nickte dann Mel unmerklich zu.
„Dad!“, rief Ellie kurz darauf aus dem hinteren Teil der weitläufigen Wohnfläche. „Du bist schon da!“
„Honey.“ Jason ging ihr eilig entgegen und umarmte sie eng.
Plötzlich gab es einen Knall und sie fuhren zusammen. Aus drei Richtungen regnete es Konfetti und von überall her kamen ihre Freunde, die Jason ein herzliches Willkommen bereiteten.
„Du bist schon da! Geiles Kommando“, witzelte Kyle in Ellis Richtung, während alle Jason begrüßen wollten.
Sie lachte, zuckte mit den Achseln und klatschte ihn ab.
„Oh Mann, Luke! Josh, Tim. Ihr seid auch da!“ Jason griff sich an den Kopf und dann an die Brust. Er konnte kaum glauben, dass die drei extra aus Vancouver angereist waren.
„Mensch, lass den Scheiß!“, mahnte Luke sofort mit seiner sonoren Stimme und umarmte ihn.
Alle klatschten und Jason war sichtlich gerührt von der großen Anteilnahme. Er kam gar nicht dazu, alle zu begrüßen, denn nun klingelte es auch noch und alle sahen zur Haustür.
Mel öffnete und hereingestürmt kam ihr Deutscher Schäferhund Jamie, der sofort direkt auf Jason zu rannte.
Jason ging augenblicklich in die Hocke und schließlich auf die Knie, als Jamie auch schon bei ihm ankam. Als ehemaliger Polizeihund war er viel zu gut erzogen, um an ihm hochzuspringen, stattdessen presste der Hund winselnd und wild wedelnd den Kopf an Jasons Brust, der dankbar die Arme um ihn schlang und sein Gesicht in seinem Fell vergrub.
Mittlerweile klatschten alle im selben Rhythmus, bis auf einige, wie Marie, die sich die Tränen der Rührung abwischen mussten und Ellie schluchzte so sehr, dass Dave sie in den Arm nahm.
Kyle sah auf und obwohl auch er feuchte Augen hatte, lächelte er, da Jessie die Szene mit seiner Kamera eingefangen hatte.
„Oh Mann“, murmelte Jason und wischte sich die Tränen ab. „Danke, tausend Dank, dass ihr alle da seid.“
„Und das war auch der Grund, warum du leider bis Mittag warten musstest, bis ich dich abhole“, sagte Kyle. „Luke und seine Jungs sind erst um halb elf gelandet.“
Jason stand auf und schüttelte immer noch fassungslos den Kopf.
„Das Büffet ist eröffnet“, rief Ellie. „Wer meinen Dad schon geknutscht hat, mir nach.“
Alles lachte.
Die eine Hälfte folgte ihr, die andere begrüßte Jason. Darunter auch Daniel und Kevin, die in der Zwischenzeit für Jamie gesorgt und nun mit ihrem dreibeinigen Schäferhund Buddha aufgeschlossen hatten.
Irgendwann standen nur noch Jason und Kyle im Wohnzimmer, während sich die meisten draußen auf der Terrasse oder im Wintergarten befanden.
„Sorry, das mit dem Bett muss noch ein wenig warten“, sagte Kyle in komischer Verzweiflung.
„Kein Problem. War das deine Idee?“
„Meine und Ellis. Wir dachten, das müssen wir richtig feiern. Wie du schon gesagt hast: Es ist dein zweiter Geburtstag.“
„Dann mal los, ich hab Hunger.“ Jason nahm seine Hand und ging mit ihm hinaus auf die Terrasse.
„Wen suchst du?“, fragte Kyle.
„Louis. Ich hab ihn noch nicht gesehen. Und ich muss mich unbedingt noch persönlich bei ihm bedanken. Auch wenn wir schon miteinander telefoniert haben.“
„Küche? Er hat sein übliches Party-Team zusammengetrommelt und zusammen haben sie all das hier gezaubert.“ Kyle zeigte auf einen Teil des Buffets, das auf der Terrasse aufgebaut war. Der andere Teil befand sich drinnen. „Ich hab ihn einfach machen lassen.“
„Gute Idee. Ich geh mal, okay?“
Kyle nickte.
Jason ging wieder nach drinnen und stieß fast mit Luke zusammen.
„Oh Mann, Luke. Das bedeutet mir alles, dass ihr auch gekommen seid“, sagte Jason sofort und griff nach seiner Hand.
„Das war uns wirklich wichtig, immerhin sind wir schon ewig befreundet. Wir wollten dich alle drei unbedingt sehen, auch wenn wir heute Abend schon wieder zurückfliegen, weil wir ein großes Event betreuen …“
„Umso mehr weiß ich es zu schätzen.“
„Ist das der Held?“, fragte Luke und sah lächelnd zu Jamie herab, der dicht neben Jason saß, sich an sein Bein drängte und schmachtend zu ihm hochblickte.
Jason kraulte ihn hinter den Ohren. „Oh ja, das ist er. Ich weiß nicht, ob ich ohne ihn noch hier wäre. Und natürlich Kyle, der verstanden hat, was Jamie ihm mitteilen wollte.“ Jamie leckte über seine Hand. „Er ist ein ausgemusterter Polizeihund.“
„Ja, ich weiß.“
„Wir hoffen, er hat noch ein paar schöne Jahre bei uns.“
„Darf man ihn streicheln?“
„Klar. Er ist äußerst freundlich.“
Luke ging in die Hocke und kraulte ihn. „Hast du gut gemacht, Kumpel.“ Jamie legte eine Pfote in seine Hand. „Er hat sich wohl schon dafür bedankt, dass ihr ihn aufgenommen habt.“
„Oh ja, das können wir ihm in diesem Leben gar nicht zurückzahlen.“ Jason sah zu Jamie. „Es is’ alles gut. Du musst nicht hier auf mich aufpassen. Lauf zu und such Buddha. Hab ein bisschen Spaß und lass dich feiern. Hier sind genug Leute, die auf mich aufpassen, hm?“ Jamie wedelte und stand auf. „Ich meins ernst.“ Dann stupste Jamie ihn noch einmal mit der Schnauze an und schien sich tatsächlich auf die Suche nach Buddha zu machen.
Luke stand wieder auf. „Nicht schlecht.“ Dann wurde er ernst. „Ich dachte ja, mir bleibt das Herz stehen, als Dave mir sagte, was passiert ist. Blöder Vergleich, ich weiß …“
Jason winkte ab. „Heut kann ich auch schon ein bisschen drüber lachen.“
„Gut so. Aber wer noch viel mehr geschockt war, war Dave. Du weißt ja, dass wir im Studium best buddies waren, eigentlich waren wir wie Brüder. Aber das, was euch verbindet, ist nochmal ’ne ganz andere Nummer.“
Jason nickte. „Das, was Dave, Kyle und mich verbindet, ist stärker als Freundschaft. Und das wird immer so bleiben. Und jetzt hör ich auf, sonst fang ich wieder an zu heulen.“ Er atmete tief durch. „Wir sehen uns später noch, okay?“
Luke nickte, klopfte ihm auf die Schulter und sah Jason nach, wie er Richtung der offenen Küche davonging.
„Moment mal. Hey, Lou.“
Der fuhr herum und trat vorsichtshalber einen Schritt zurück, um ihm in die Augen sehen zu können.
„Oh, hui … Luke … Schön, dich zu sehen.“
„Umarmung?“
„Nönönö.“ Lou streckte abwehrend die Hand aus. „Das gilt immer noch, sorry. Hihi. Du weißt doch …“
„Ja, ja.“ Luke grinste. „Peter musste dich tagelang massieren, nachdem ich das mal gemacht hab.“
„Genau!“ Lou stemmte die Hände in die Seiten.
„Und du magst das nicht, wenn er das macht?“
„Was? Hach, doch natürlich!“
„Hahaha. Komm her!“ Er zog Lou trotzdem in seine Arme und der kicherte albern.
„Hach, was für ein Mann!“ Lou seufzte.
„Lass das mal nicht deinen Mann hören.“
„Was soll ich nicht hören?“, kam es in diesem Moment von einem Mann mit Bauch, Glatze und Bart. „Hi, Luke.“
„Hi, Peter.“
Die beiden begrüßten sich mit Handschlag.
„Hach, Zuckerbärchen, ich hab grad was für ein Mann zu diesem Hünen gesagt, weil er mich unbedingt drücken musste. Ich glaub aber, du musst mich wieder massieren.“ Lou warf Peter einen treuherzigen Blick zu und rieb sich übertrieben den Rücken.
Peter lachte. „Kein Problem. Dafür musst du aber noch ein bisschen warten.“
„Oh, supi, da freu ich mich drauf.“
„Wie hat dir unser kleines Filmchen für Dave gefallen?“, erkundigte sich Peter, der als Schnitttechniker bei David Hanks Pornofirma DH&A Productions arbeitete, bei Luke und meinte damit einen kleinen Zusammenschnitt von Bildern und Filmen, die sie extra für Dave und Jessie angefertigt hatten. Diese hatten ihren ersten Hochzeitstag bei Luke und seinen Jungs auf einer Lodge in den kanadischen Bergen gefeiert und der Film war eine kleine Überraschung für alle gewesen.
„Der war echt klasse und hat nicht nur Dave und Jessie sehr gerührt. Vor allem, weil wir ja nicht dabei sein konnten, als sie geheiratet haben, war das echt cool.“
„Ich hab echt keine Ahnung, warum ausgerechnet ich das moderieren sollte“, ließ sich Lou vernehmen.
„Ich finde, du hast das super gemacht, auch wenn Dave anfangs recht verwirrt war, als der Film anfing. Wir dachten ja alle, es wäre ein Trailer zu ’nem neuen Pornostreifen für eure Website. Ich denke, sie haben dich das machen lassen, weil du ihnen wichtig bist. Dave spricht nur in den höchsten Tönen von dir. Du bist doch auch sein Haushälter, oder?“
„Stimmt.“
„Dave meinte, du bist seine Perle.“ Luke grinste.
Lou wurde rot. „Huch … wirklich?“
Luke nickte und versuchte ernst zu bleiben.
„Hach, is’ ja süß. Aber ich lass euch mal, ja? Tschüssi, bis später.“ Er war sichtlich erleichtert, das Weite zu suchen und seinen Mann mit Luke alleine zu lassen.
„Habt ihr dieses Mal Zeit, ans Set zu kommen? Seit eurem letzten Besuch vor Jahren hat sich verdammt viel getan“, fragte Peter.
„Das glaub ich gern, aber wir müssen leider heute Abend schon wieder zurück. Geschäftlich. Wir sind für die Security bei einem großen Konzert verantwortlich, da sind wir drei auch involviert. Aber Dave hat uns schon so oft eingeladen, weshalb wir wohl diesen Sommer endlich mal vorbeikommen werden. Dann soll Jessie auch gleich wieder ein Shooting von uns machen. Eventuell sogar bei euch am Set.“
Peter zog die Augenbrauen hoch. „Wir drehen öfter auch mal Filme von echten Pärchen. Wie wär’s damit?“
Luke schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube, wir bleiben lieber privat. Außerdem sind wir drei und nicht zwei.“ Er zuckte mit den Achseln.
„Na, das würde es ja nur noch interessanter machen.“ Peter grinste.
„Kann ich mir gut vorstellen, doch die Antwort bleibt nein. Aber ich hoffe sehr, dass es dieses Jahr endlich mal klappt und wir ein paar Tage vorbeikommen können. Wird spannend.“
„Na, dann sehen wir uns spätestens dann wieder. Würd uns freuen.“
Währenddessen war Jason in der Küche angekommen, wo er endlich auf Louis traf, der gerade Anweisungen an zwei seiner Kumpel gab.
Jetzt sah er auf und ihre Blicke trafen sich.
„Moment“, sagte Louis und rief jemandem im Hintergrund zu: „Übernimm du, bitte, Zach.“
„Mach ich.“
Louis wischte sich die Hände an einem Handtuch ab und kam um die Kücheninsel herum. „Oh Mann, tut das gut, dich so zu sehen!“, wurde er von Louis begrüßt.
Jason spürte den Kloß im Hals und umarmte ihn.
„Ich weiß überhaupt nicht, wie ich dir danken soll“, murmelte Jason und kämpfte mit der Fassung.
„Kyle hätte es auch ohne mich geschafft, dich wiederzubeleben“, sagte Louis schlicht und fügte hinzu: „Wenn es drauf angekommen wäre.“
„Danke, Louis. Ich stehe tief in deiner Schuld.“
„Nein, tust du nicht.“ Louis war dennoch sichtlich gerührt. „Und jetzt lass dich feiern und mich arbeiten.“ Er zwinkerte. „Hast du schon was gegessen?“
Jason schüttelte den Kopf.
Louis drehte sich um, lud im Nu ein paar Köstlichkeiten auf einen Teller und reichte ihn Jason. „Iss! Erst dann lass ich dich hier weg.“
Jason lächelte ergeben und setzte sich auf einen der Barhocker an der Insel.
„Oh, sehr gut, ich wollte dir auch grad was bringen.“ Ellie glitt auf den Hocker neben ihm, einen reichlich gefüllten Teller in der Hand.
„Bin schon versorgt.“
„Dann ess ich es selbst. Wie geht’s dir?“
„Gut. Das hier ist alles ziemlich emotional.“
Sie schmunzelte. „Sorry, aber das musste einfach sein. So gut wie alle haben sofort ja gesagt, andere haben Termine abgesagt und alle Hebel in Bewegung gesetzt, um hier sein zu können. Es müssen über fünfzig Leute sein. Irre oder? Ich dachte sowieso, dass ein paar andere Pläne haben, aber Pustekuchen. Sie sind alle hier.“
„Ich bin ziemlich geflasht, ja.“
Sie lachte. „Du redest schon wie Kyle.“
„Wir nähern uns in vieler Hinsicht an“, erwiderte Jason. „Das geht wohl in beide Richtungen.“
„Das ist gut.“ Sie lächelte. „Is’ es okay, wenn ich heute Abend wieder zurückfliege?“, fragte sie, nachdem sie ihren Teller geleert hatte.
„Ja, bitte mach das. Du hast dein eigenes Leben in New York. Es bedeutet mir alles, dass du hier warst.“
„Und wer hätte gedacht, dass sie bei mir den gleichen Defekt finden und es am Ende auch mir das Leben retten könnte“, sagte sie mit leiser werdender Stimme.
„Wir beide haben uns geschworen, dass wir alles tun werden, damit keiner von uns beiden in diese Gefahr gerät, nicht wahr?“
Sie nickte. „Und wir halten uns dran, ja?“
„Oh, ja.“
Sie glitt vom Barhocker und umarmte ihn lange. Jason vergrub sein Gesicht in ihren langen schwarzen Haaren. Er war so stolz auf sein Mädchen, das ihn so akzeptierte, wie er war. Dieses Gefühl war einfach unbezahlbar.
Als er hochsah, kniff er die Augen zusammen.
„Kann mal jemand Jessie die Kamera abnehmen?“, knurrte er.
„Oh, nein. Er hat von Kyle und mir den Auftrag, alles und ich meine wirklich alles festzuhalten. Da musst du leider durch.“ Ellie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und wollte los, doch da erblickte Jason Luke.
„Warte mal, Liebes. Ich will dich jemandem vorstellen.“ Er griff nach ihrer Hand und zog sie mit sich. „Luke?“
Der drehte sich um, als er seinen Namen hörte.
„Darf ich dir die Lady an meiner Seite vorstellen?“
Ellie kicherte. „Dad!“, mahnte sie ihn.
Luke zog die Augenbrauen hoch. „Das is’ deine Tochter?“
„Das ist meine wundervolle Tochter Ellie. Ellie, das ist Luke McLean.“
„Oh, wow. McLean Security ist mir durchaus ein Begriff. Freut mich.“ Sie schüttelte ihm die Hand. „Schon viel von dir gehört.“
„Dito.“
Sie lachten und plauderten noch eine ganze Weile zu dritt.
Gegen halb fünf Uhr begann sich die Gesellschaft langsam aufzulösen. Mittlerweile war Jason auch entsprechend erschöpft und Ellie und Kyle hatten diese kleine Willkommensparty vorausschauend auch nur für den Nachmittag geplant. Daher waren sie erleichtert, dass die Gäste nun wieder gingen. Die meisten wurden mit den beiden Shuttles heimgefahren, mit denen sie auch gebracht worden waren. Der Rest hatte unten bei Jasons privatem Fitnessstudio geparkt. Daher hatte er auch keinen Verdacht geschöpft, als er nach Hause gekommen war.
Als letztes gingen Luke, Tim und Josh zusammen mit Ellie, denn Jasons Chauffeur würde alle gemeinsam zum Flughafen bringen.
Ellie umarmte ihren Vater lange und Jason küsste sie schließlich auf die Stirn. „Pass auf dich auf, ja? Melde dich, sobald du gelandet bist.“
„Mach ich. Bitte sei vorsichtig und lass es erstmal ruhig angehen.“
Jason nickte. „Mach ich. Kyle und Jamie passen auf mich auf.“
„Immerhin wiegelst du nicht mit ja ja ab. Das ist schon mal viel wert.“ Sie lächelte. „Ich liebe dich.“
„Und ich dich erst.“
„Bye Dad.“ Sie winkte ihnen noch einmal zu und stieg in die Limousine, die sich dann langsam in Bewegung setzte.
Mel hielt Jason und Kyle die Tür auf und nachdem sich Jamie noch an seinem Lieblingsbaum erleichtert hatte, kehrten sie alle ins Haus zurück.
„Willst du dich ein Stündchen hinlegen?“, fragte Kyle.
Jason schüttelte den Kopf. „Ich bin zwar groggy, aber viel zu aufgedreht, um jetzt ein bisschen zu schlafen.“
„Okay, versteh ich auch wieder. Terrasse?“
„Ja.“
Sie durchquerten das Haus und Jason stoppte kopfschüttelnd an einem Berg von Geschenken für Jamie. Leckerlis, Frisbees, Bälle, Brustgeschirre, Leinen, Halsbänder, Betten, Decken, Futter und einiges mehr.
Jason griff nach einem T-Shirt mit der Aufschrift K9 Hero. „Das ist von Luke, Tim und Josh. Sie haben sogar unterschrieben. Sieh mal.“
„Echt irre, ja. Und er hat es sowas von verdient.“
Jason sah auf und direkt in Kyles Augen. „Wie ich mich bei dir revanchieren soll, weiß ich immer noch nicht so recht. Kein Geld der Welt kann das bezahlen, was du mir geschenkt hast. Eine zweite Chance.“
Kyle schlang die Arme um seinen Hals und lehnte seine Stirn gegen Jasons. „Du vergisst was, Jay.“
„Hm?“
„Ich hätte dein Leben nicht retten können, wenn du nicht erst meins gerettet hättest. Ohne deine Hilfe wäre ich tot.“ Seine leise Stimme brach. Sie sprachen nicht oft über den Tag, an dem Kyles Vater ihn umbringen wollte, aber wenn sie es taten, dann kochten sofort die Emotionen hoch. Kyles Augen waren feucht. „Ich denke, wir sind quitt. Lass es gut sein, bitte.“
Jason zog Kyle in seine Arme und hielt ihn einfach nur fest. „Ich liebe dich.“
„Ich liebe dich auch.“
Als Kyle sich lösen wollte, hielt er ihn nur noch fester. Erst nach einem weiteren langen Moment ließen sie voneinander ab.
„Gehen wir raus?“
Kyle nickte.
Kurz darauf setzten sie sich auf der Terrasse in zwei bequeme Loungestühle.
„Was darf ich bringen?“, fragte Mel.
„Für mich nur Wasser mit Eis, danke“, erwiderte Jason.
„Für mich auch.“
„Kommt sofort.“
„Nanu?“ Jason zog fragend eine Augenbraue hoch.
Kyle zuckte mit den Achseln.
„Du musst dich nicht anpassen.“
„Will ich aber.“
„Das is’ was anderes.“
Mel kam wenig später mit dem Gewünschten zurück und half dann Louis, die letzten Rollwagen, die auf der Terrasse standen, ins Haus zu befördern.
Jason fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht.
„Hm?“
„Ich kann immer noch nicht ganz fassen, wie viele Leute hier waren.“
Kyle lächelte. „Fast die komplette Belegschaft, dieses Mal ohne Anhang. Bis auf die zehn, die in San Diego auf Fortbildung sind und weitere acht, die auf einem Taekwondo-Turnier sind. Da kannst du echt stolz drauf sein. Und wir haben sie nicht erpresst. Alle wollten hier sein.“
„Und ob ich das bin. Ich weiß gar nicht, womit ich das verdient habe.“
„Na, überlegen wir mal.“ Kyle tat so, als denke er angestrengt nach. „Du zahlst in allen vier Kampfsportstudios überdurchschnittlich hohe Löhne, die Leute haben fünf Tage mehr Urlaub als sonst irgendwo. Sie haben eine Krankenversicherung und, ach ja, eine Altersvorsorge. Egal, ob jemand einen Teilzeit- oder einen Vollzeitjob bei dir hat. Und es gibt so gut wie keine Fluktuation. Dafür jeden Monat Bewerbungen, die ihr ablehnen müsst, da es keine offenen Stellen gibt.“
„Du hast wohl deine Hausaufgaben gemacht?“ Jason schmunzelte.
„Nun, du hast mir doch nicht aus Jux und Tollerei Zugang zu den Zahlen gegeben, oder?“, konterte Kyle. „Und selbst in den Fitnessstudios bekommen die Angestellten bessere Konditionen als sonst üblich. Zumindest hier in der Stadt. Auf die landesweiten Fitnessstudios aus deiner Kette hast du ja keinen Einfluss.“
„Klingt ganz okay, so wie du das aufzählst.“
„Du und Dave, ihr macht das schon richtig.“
„Danke.“ Jason ließ seinen Blick über Kyles schönes Gesicht gleiten, das durch all die Dramen, die er schon hatte erleben müssen, sehr erwachsen wirkte. Wurde der Kerl tatsächlich erst dieses Jahr zwanzig?
Ich bin wirklich stolz auf dich, Babe, dachte er.
Mel brachte mehrere Teller mit Köstlichkeiten der Party und stellte sie auf den Tisch. „Kleiner Gruß von Louis. Er meinte, Sie sind beide sicher nicht viel zum Essen gekommen.“
„Stimmt. Danke, Mel.“
Sie griffen zu.
„Louis hat sich im Übrigen schon bei Sid informiert, wie das in Zukunft mit meiner Ernährung aussehen soll. Viel muss ich zwar nicht ändern, aber ich sollte im Urlaub und an den Wochenenden auch vernünftiger essen. Tabletten alleine werden es also nicht richten. Daher wäre es vielleicht gut, wenn du ihm deine Extrawünsche immer am Anfang der Woche kundtun würdest“, schlug Jason vor.
„Okay. Aber ich denke, ich passe mich einfach an. Wenn mir mal nach ’nem ungesunden Burger ist, dann kann ich mir einfach irgendwo einen holen und muss ihn nicht ausgerechnet vor deiner Nase essen. Gesünder essen würde mir auch nicht schaden. Aber es ist jammerschade, dass es dann wohl keinen Apfelstrudel oder New York Cheesecake mehr geben wird.“
„Ganz will ich auf seine Köstlichkeiten auch nicht verzichten. Und wenn ich ab und an mal einen Burger möchte – aber dann natürlich einen von Louis – bringt mich das nicht um. Also keine Sorge.“
Kyle grinste. „Gut.“ Sie stießen mit ihrem Eiswasser an. „Was is’ los?“, fragte er irgendwann, da Jason seit längerem schwieg und irgendeinen Punkt in der Ferne fixierte.
„Was?“ Jason sah ihn verwirrt an.
„Stimmt was nicht? Du warst grad ganz weit weg.“
„Sorry.“ Jason räusperte sich und schüttelte dann den Kopf.
Kyle wartete.
„Ich hatte in der Klinik ja viel Zeit zum Nachdenken, Babe.“
Kyle kannte das nur zu gut.
Jason sah ihn an und sein Blick streichelte sein Gesicht regelrecht. „Ich habe mich in den letzten Tagen oft gefragt, wie unser Leben wohl verlaufen wäre, wenn ich dich damals nicht – zugegebenermaßen ein wenig plump und unter einem fadenscheinigen Vorwand – zu mir in die Limousine gelockt hätte.“
Kyle konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Das erschien mir damals gar nicht plump. Ich war einfach nur fasziniert. Und es hat mich aus meinem öden Alltagstrott gerissen. Der Rest ist Geschichte.“
Jason verdrehte, offenbar genervt über sich selbst, die Augen. „Manchmal schäm ich mich schon ein wenig für die Art und Weise, wie alles zwischen uns begonnen hat. Hätte ich damals auch nur im Entferntesten geahnt, dass du mal mein Ehemann sein würdest …“ Er brach ab. „Das Schicksal geht schon manchmal seltsame Wege, was?“
Kyle beugte sich zu ihm hinüber, zog ihn am Hemd näher und küsste ihn wortlos.
Jason seufzte leise.
„Ich hab das erste unzüchtige Foto, dass du mir erlaubt hast, von dir zu schießen, immer noch aufm Handy“, sagte Kyle dann schmunzelnd.
„Oh, keine Sorge, ich habe die ersten auch noch. Und ich schätze sie sehr.“
„Echt? Wow.“
„Redest du von dem Foto, dass du an dem Abend geschossen hast, als du endlich deinen Saustall von einem Zimmer aufgeräumt hast?“
„Hahaha. Das trifft es recht gut. Ja, genau das. Die ersten musste ich löschen, weil meine Hände so gezittert haben. Gott sei Dank hatte ich sie gleich zu Anfang in der Cloud gespeichert.“
„Ich die von dir auch.“
Ihre Blicke wurden tiefer.
„Bett?“, fragte Kyle.
„Weiß nicht, denn wenn ich mich jetzt hinlege, dann schlaf ich vermutlich gleich ein.“
„Gegenvorschlag?“
In diesem Moment trat Mel wieder auf die Terrasse. „Soll ich Jamies Abendessen servieren?“
Kyle sah verwirrt auf Jamie. „Er hat noch nicht gefressen?“
„Nein, Sir. Und ich hatte ein Auge darauf, dass ihm niemand etwas zusteckt.“
„Super. Danke, Mel. Hunger, Jamie?“
Der stand auf und wedelte.
„Ich glaube, das ist ein Ja. Wir machen es selbst, Mel“, sagte Jason.
„Verstehe. Sein Abendessen steht auf der Kücheninsel und sollte mittlerweile Zimmertemperatur angenommen haben.“ Mit diesen Worten zog sich Mel wieder zurück.
Kyle grinste und beugte sich näher zu Jason. „Er hat sich wohl drauf gefreut, ihn zu füttern und ist jetzt enttäuscht.“
„Du hättest dich aber auch mal melden können, Jamie.“ Jason sah auf die Uhr. Es war mittlerweile fast halb sieben. „Es ist nach deiner üblichen Zeit. Sorry, Kumpel.“
Jamie wedelte immer noch erwartungsvoll.
Kyle stand auf. „Komm, gehen wir rein und sehen zu, wie er frisst.“
„Machst du dir Gedanken?“
„Daniel hat erzählt, dass er die ersten Tage bei ihnen so gut wie nichts gefressen hat. Und zwar obwohl Buddha neben ihm sehr wohl etwas gefressen hat. Vielleicht hatte er ja Angst, dass er wieder abgegeben wird.“
„Oh je.“
Sie folgten Jamie ins Haus.
„Er hat natürlich nicht verstanden, wieso Kevin ihn mitgenommen hat. Ich hab dann angeboten, vorbeizukommen, aber Daniel meinte, das könnte es nur noch schlimmer machen, wenn ich ohne ihn wieder fahre. Da dran hatte ich gar nicht gedacht.“
Jason nahm Jamies Napf und stellte ihn in seine Hundebar. „Er sieht jedenfalls sehr interessiert aus.“
Jamie begann auch sofort begeistert zu fressen und sie atmeten auf.
„Da hast du deine Antwort. Alles in Ordnung.“
„Ja, er hat dann ja auch wieder angefangen zu fressen, aber er hatte wohl Sorge, uns nicht mehr wiederzusehen.“ Kyle musste bei seinen eigenen Worten schlucken, als die Angst wieder in ihm hochkroch. Für einen Sekundenbruchteil sah er Jason zusammengesackt in seinem Aston Martin sitzen.
„Hey.“ Jasons Tonfall ließ schließen, dass er spürte, was in ihm vorging.
Zögernd sah Kyle auf und ihre Blicke trafen sich.
Jason streckte eine Hand aus und er nahm sie nur zu gerne.
Der Napf war inzwischen leer, auch wenn Jamie noch versuchte, die allerletzten Reste herauszulecken.
„Sorry. Ich weiß genau, was in Jamie vorgegangen ist. Ich konnte ja auch nix essen“, murmelte Kyle.
„Komm. Gehen wir runter.“
Kyle nickte und versuchte, den Kloß in seinem Hals wieder loszuwerden. Jason zog ihn in seine starken Arme und hielt ihn einfach nur fest.
„Ich liebe dich“, murmelte Jason. „Mel, wir ziehen uns zurück.“
„In Ordnung, Sir. Ich wünsche Ihnen beiden eine Gute Nacht. Schön, Sie wieder daheim zu haben.“
Im Souterrain angekommen, ließen sie die Tür für Jamie einen Spalt offen, denn der war nach dem Fressen noch in seinen Hundebereich gelaufen.
„Ich brauch erstmal eine Dusche nach dem Krankenhaus, auch wenn ich dort heute Vormittag schon geduscht habe.“
„Nur zu verständlich.“
Kyle folgte ihm ins angrenzende Bad. Während sie sich zuerst die Zähne putzten, vermied Kyle es, Jason anzusehen, doch es entging ihm nicht, dass Jason ihn dabei durch den riesigen Spiegel über dem Waschtisch beobachtete. Unruhe und Verunsicherung stiegen wieder in ihm hoch.
„Kannst du mir ’nen Gefallen tun?“, fragte Jason, als er fertig war.
„Klar.“ Kyle stellte seine Zahnbürste ebenfalls weg. „Brauchst du noch was?“
Jason trat dicht an ihn heran und Kyle musste augenblicklich schlucken.
„Mhmm. Ich möchte, dass du aufhörst, so besorgt dreinzuschauen. Bitte, Babe.“
„Uhm …“
Er kennt mich einfach zu gut, dachte Kyle, als Jason auch schon sein Gesicht liebevoll in beide Hände nahm. Oh, wie sehr ich deine Hände vermisst hab!
„Bitte. Es gibt keinen Grund dafür. Okay?“
Kyle nickte verhalten.
Jason zog sich nun komplett aus, warf die Kleidungsstücke in einen der Wäschekörbe und ging zur geräumigen Dusche.
„Wär schön, wenn du auch kommst. Selbst wenn du es nicht brauchst.“ Er zwinkerte ihm zu.
Super, kaum sind wir allein, weiß ich nicht mehr, wie ich mich verhalten soll. Auch wenn ich dich am liebsten niederknutschen würde. Kyle schloss genervt die Augen, als wieder Bilder eines leblosen Jasons in seinem Kopf auftauchten. Bilder die ihn seit dem Vorfall immer wieder verfolgten.
Er hatte sich mit beiden Händen am Waschbecken abgestützt und haderte mit sich. Schließlich gab er sich einen Ruck, zog sich aus und betrat kurz darauf ebenfalls die Dusche.
Er sah, wie Jason ihm erleichtert zulächelte, entschied sich aber für den Duschkopf neben ihm, statt unter Jasons zu treten.
Als sie sich gründlich gesäubert hatten und er gerade dabei war, sich das Shampoo aus den Haaren zu waschen, spürte er, wie Jason ihn in seine Arme zog.
Augenblicklich wurde ihm heiß und kalt, und er riss die Augen auf, was keine gute Idee war, da noch Shampoo über sein Gesicht lief.
Er kniff die brennenden Augen zusammen und wusch auch noch den Rest ab.
„Himmel, hab ich dich vermisst“, murmelte Jason ihm ins Ohr.
Kyle schlang die Arme um seinen Hals. „Und ich dich erst“, brummte er mit belegter Stimme.
Prompt schossen ihm Tränen der Erleichterung in die Augen und es wurde nicht besser, als Jasons Umarmung enger wurde. Ein klein wenig hatte er gehofft, dass der es im Duschregen nicht bemerken würde, doch andererseits wunderte es ihn auch nicht, da Jason immer zu wissen schien, was er fühlte.
„Babe“, murmelte Jason. „Nicht doch. Sonst fang ich auch noch an.“
Doch das machte es keinen Deut besser und so standen sie noch eine ganze Weile engumschlungen im warmen Duschregen.
Als Kyle endlich seinen Kopf hob und etwas sagen wollte, kamen ihm Jasons Lippen in die Quere. Der lustvolle Stich, den er augenblicklich verspürte, ging ihm durch Mark und Bein.
Der Kuss war sehr intim und zärtlich. Jason schaltete die Dusche mit einer Handbewegung am Sensor aus und sah ihm in die Augen.
„Du hast mich ins Leben zurückgeholt, damit wir genau da weitermachen können, wo wir aufgehört haben. Vergiss das nicht“, erinnerte ihn Jason.
„Stimmt.“
„Komm. Legen wir uns hin. Ich bin todmüde.“
„Oh Mann, sorry, das hatte ich zwischenzeitlich ganz vergessen.“
Sie trockneten sich ab und als sie zurück ins Schlafzimmer kamen, lag Jamie bereits ausgestreckt in seinem Hundebett. Er hob nur kurz den Kopf und klopfte mit dem Schwanz auf den Rand.
Jason zeigte zum Hund. „Siehst du, er hat es kapiert. Alles auf Anfang.“
Kurz darauf lagen sie im frischbezogenen großen Bett und Jason breitete einladend die Arme aus.
Kyle zögerte. „Was is’ mit deiner Rippe?“
„Die rechte Seite ist okay. Komm, leg dich her. Beim Umarmen hab ich ja auch kein Problem.“
„Wenn du meinst.“
„Was is’ los? Warum bist du so besorgt?“
Sie sahen sich in die Augen.
„Ich weiß auch nicht“, gab Kyle zu. „Ich glaub, ich hab die letzten Tage einfach nur funktioniert. Keine Ahnung warum ausgerechnet jetzt alles wieder hochkocht.“ Er verschwieg, wie oft ihn die traumatischen Geschehnisse seitdem verfolgten. Wie oft er versucht hatte, ihn wiederzubeleben. Erfolglos wiederzubeleben.
„Du warst voller Elan, als du mich abgeholt hast. Daher wundert es mich etwas.“
„Ich weiß. Jetzt fahr ich mit angezogener Handbremse.“
„Guter Vergleich.“ Jason strich ihm durch die feuchten Haare. „Es gibt keinen Grund so besorgt zu sein, okay?“
„Mhmm. Ich versuch mal, es meinem Hirn beizubringen.“
„Gut. Wollen wir schlafen? Mit dir an meiner Seite kann ich das bestimmt wieder.“
Kyle lächelte. „Das ist gut. Ich hoffentlich auch.“
„Hast du etwa auch schlecht geschlafen?“
„Jep.“
„Hast du mir gar nicht erzählt.“
„Vielleicht absichtlich?“
Jason verdrehte die Augen.
„Aber jetzt wird es sicher besser, Jay. Schlaf gut. Ich liebe dich.“
„Ich liebe dich auch, Babe.“
Kurz darauf fielen Jason die Augen zu und selbst Kyle schloss sich ihm wenig später an.
Stunden später wachte Kyle in derselben Stellung auf, wie er eingeschlafen war. Er lag immer noch in Jasons Arm.
So schlaf ich echt am liebsten, stellte er erleichtert fest und musterte Jasons Gesicht. Als er Jason liebevoll über die Wange strich, schlug der die Augen auf. Er zog die Hand zurück.
„Nicht doch.“ Jason nahm Kyles Hand und dirigierte sie zurück zu seinem Gesicht. „Hat gutgetan.“ Er küsste seine Handinnenfläche.
„Sorry, ich wollt dich nicht wecken.“
„Hast du nicht. Ich muss mal wohin, wollte mich aber nicht von dir trennen. Es ist zu lange her, dass wir so eingeschlafen sind.“
Kyle lächelte. „Stimmt.“ Er hob den Kopf und sah zum Wecker. Es war drei Uhr früh.
Jason löste sich von ihm und stand auf. „Bin gleich wieder da.“ Er zwinkerte und betrat das Bad.
Kyle lugte zu Jamie, doch der hatte nur kurz den Kopf gehoben und Jason hinterhergeblickt, danach hatte er sich wieder eingerollt.
Ich sollte mir wirklich ein Beispiel an dir nehmen, Kumpel, dachte er.
„Wie fühlst du dich?“, fragte Kyle, als Jason wiederkam.
„Besser“, erwiderte er, während er zu ihm unter die dünne Decke schlüpfte.
Kyle kuschelte sich wieder in seinen Arm und da es wie üblich nicht stockdunkel hier drinnen war, konnten sie einander auch jetzt in die Augen sehen, wenn kein Licht brannte.
Kyle musste Jason einfach erneut anfassen. Zärtlich strich er ihm übers markante Gesicht und ließ dann seine Fingerspitzen verspielt tiefer über seine tätowierte Brust wandern. Über dem Herzen stoppte er und Jasons Hand legte sich auf seine, während sich ihre Beine miteinander verschlangen.
Jason zog ihn enger in seine Arme und schließlich küssten sie sich zärtlich, setzten ab, sahen sich wieder an, küssten sich erneut.
„Fast wie beim ersten Mal, hm?“
„Es is’ echt schön“, murmelte Kyle und küsste ihn gleich wieder. Dazwischen sahen sie sich immer wieder verliebt an.
Jason sog jede Sekunde auf, wie ein trockener Schwamm langersehntes Wasser. Doch so sehr er den Moment auch genoss, so breitete sich nun auch bei ihm eine gewisse Sorge aus.
Schließlich gab er sich einen Ruck und räusperte sich. „Fällt dir irgendwas auf?“
„Uhm, wir sind beide nicht hart?“
„Mhmm. Laut Sid kann das bei mir auch noch ein paar Tage dauern. Hat wohl mit dem ganzen Medikamentencocktail zu tun, den man mir verabreicht hat.“
„Verstehe. Hab ich mir schon gedacht.“
„Und bei dir?“
Kyle unterbrach kurz den Blickkontakt und Jason ahnte, dass es ihm peinlich war.
„Hey.“ Er drehte sein Gesicht wieder so, dass sie sich in die Augen blickten.
„Ich hatte seitdem überhaupt noch keine.“
„Von wann redest du?“
„Seitdem … seitdem ich versucht habe, dich wiederzubeleben“, gestand Kyle.
Statt einer Antwort nahm Jason ihn in die Arme und seufzte. „So ging es mir damals auch.“
„Als … uhm …?“
Jason wollte nicht, dass er es aussprach und brummte daher schnell: „Mhmm.“
Er wusste, dass sie beide den Tag meinten, als Kyle sterben sollte. Jedenfalls wenn es nach seinem Vater gegangen wäre. Jason hatte lediglich noch rechtzeitig nach seinem Hilferuf das Schlimmste verhindern können.
„Aber ehrlich gesagt, dachte ich, das ist vorbei, sobald du zuhause bist und wir hier wieder in einem Bett liegen.“
„Setz dich nicht unter Druck“, riet ihm Jason. „Das gibt uns die Gelegenheit, uns auf einer ganz anderen Ebene neu kennenzulernen.“
Kyle brummte etwas Unverständliches, doch Jason ließ es nicht gelten und küsste ihn einfach.
„Also bei mir ist das Kribbeln nach wie vor da“, murmelte er. „Und bei dir?“
Kyle lächelte. „Und ob.“
„Das is’ alles, was zählt, Babe.“
Kyle beugte sich vor und küsste seine Brust direkt über dem Herzen und Jason musste bei dieser kleinen Geste schlucken.
„Ich liebe dich, Jay. Mir war überhaupt nicht bewusst, wie sehr. Ich sollte dir das viel öfter sagen.“
Jason zog ihn noch dichter an sich und küsste ihn auf die Stirn, während Kyle das Gesicht an seiner Brust vergrub.
„Mir geht es genauso. Aber sieh es mal so: Wir haben alles richtig gemacht. Wir sind füreinander bestimmt. Wir müssen einfach darauf vertrauen, dass es einen tieferen Grund gibt, warum wir beide überlebt haben. Nichts passiert umsonst.“
„Mhmm.“
Sie schwiegen eine Weile und Jason spürte, dass Kyle noch etwas anderes beschäftigte. Er konnte es in seinem besorgten Blick lesen, der immer noch nicht ganz verschwunden war. Selbst bei diesem diffusen Licht war er erkennbar, oder es lag einfach daran, dass sie sich in- und auswendig kannten.
„Jetzt spuck’s schon aus, hm? Bitte.“ Da er ein Abwiegeln erwartete, war er doch überrascht, als Kyle sich räusperte und endlich mit der Sprache herausrückte.
„Was is’ mit Sex, Jay? Müssen wir irgendwas beachten?”
Er hob verblüfft den Kopf. „Das is’ es, was dich die ganze Zeit beschäftigt?“
„Uhm, ja, wieso?“
Jason lachte leise. „Verdammt, ich hab mir schon Sorgen gemacht, es wäre was Ernstes.“
„Aber …“
Jason küsste ihn, um ihn am Weiterreden zu hindern und Kyle ließ es zu.
„Hör zu. Wir müssen gar nix beachten.“
„Wirklich?“ Er sah es in Kyles Augen hoffnungsvoll aufblitzen.
„Genau wie du damals nach deinen Rippenbrüchen hab ich mit Sid gesprochen und ihn gefragt, was das für mein Sexleben bedeutet.“
„Und?“
„Ich hab einen Stent, fertig. So lange ich meine Medikamente regelmäßig nehme und nicht wieder komische, unerklärliche Beschwerden habe, die ich fälschlicherweise für eine Grippe halte, muss ich gar nichts beachten. Und glaub mir, ich werde schon bei den kleinesten Anzeichen Rücksprache mit Sid und seinem Team halten. Das verspreche ich dir hoch und heilig. Und das hab ich auch Ellie versprochen. Außerdem muss Sid meine Blutwerte engmaschig überwachen. Vor allem jetzt am Anfang.“
„Okay.“
„Das hab ich dir aber auch schon in den letzten Tagen mehrfach versichert. Was ich dir bislang nicht gesagt habe, ist, dass mir das Ganze eine Scheißangst eingejagt hat.“ Sein sachter Ton war nun noch leiser geworden.
„Mir auch, Jay.“
„Ich dachte, ich bin unbesiegbar ... Falsch.“ Jason seufzte. „Ich bin immer noch groggy, aber das wird die nächsten Tage hoffentlich vergehen. Immerhin lag ich eine Woche komplett flach und das ist etwas, was für mich vollkommen ungewohnt war. Also gib mir ein bisschen Zeit und hör bitte auf, mich mit diesem besorgten Blick anzusehen. Es wird keinerlei Auswirkungen auf unser Sexleben haben und ich erinnere mich übrigens noch zu gut, wie wir beide in Manhattan Beach abgegangen sind.“
Jetzt endlich hatte er Kyle zum Grinsen gebracht. „Das war so geil. Und Dave und Jessie waren schon voll angenervt.“
Sie mussten beide lachen und küssten sich dann wieder. Dieses Mal wurde der Kuss tiefer und leidenschaftlicher.
Prompt spürte Jason, wie sich etwas in Kyles Schoß rührte und sich langsam, aber unaufhörlich gegen seinen Körper drückte.
Er setzte mit einem Schmatzen ab und beide sahen nach unten.
„Sieh mal einer an.“
„Oh, wow“, murmelte Kyle gleichzeitig.
„Was haben wir denn da?“ Jasons Finger schlossen sich um Kyles schönen Schwanz. „Hello again.“
„Und jetzt?“
Jason küsste ihn noch einmal, dann schob er sich tiefer und nahm Kyles bestes Stück, ohne zu zögern in den Mund. Er hörte noch, wie Kyle nach Luft schnappte und eine Hand an seiner Schulter landete. Wenig später hörte er nur leises Seufzen, das ziemlich schnell in ein lustvolles Stöhnen überging.
„AAAH! Fuck.“
„Mhmmhmm.“ Jason ließ sich Kyles schnellen Erguss auf der Zunge zergehen und entließ seinen Schwanz danach auf seinem haarlosen, tätowierten Schambereich. Dann schob er sich wieder höher und beugte sich über ihn. Mit sanften Fingern öffnete er Kyles Mund und küsste ihn, wobei er ihm einen kleinen Teil seines Ergusses, den er im letzten Moment noch zurückgehalten hatte, mit der Zunge in den Mund schob.
Kyle seufzte und mit einem langen Kuss, besiegelten sie Kyles ersten Orgasmus seit der Tragödie.
„Wir sind wieder back on track, Babe.“
„Ich liebe dich, Jay.“
„Und ich dich erst.“
Sie umarmten sich lange und waren wenig später wieder eingeschlafen.
Als Kyle später aufwachte, lag er alleine im Bett. Er blinzelte und spähte zum Wecker. Inzwischen war es fast neun Uhr. Ein Blick zu Jamies Bett zeigte ihm, dass der Hund ebenfalls fehlte.
Er lächelte, als ihm ihre kleine nächtliche Episode einfiel, während er aufstand und ins Bad ging. Außerdem spürte er, wie die Last der Sorge, die ihn seit Tagen begleitet hatte, verschwunden war. Er nahm es Jason auch nicht übel, dass er schon aufgestanden war, ohne ihn zu wecken. Immerhin war er lange genug im Bett gelegen.
Wenig später joggte Kyle die Treppe hoch und wurde von Jamie schwanzwedelnd begrüßt.
„Na, schon gefrühstückt, Kumpel?“, fragte er, da sich der Hund die Schnauze leckte. Jamie machte kehrt und lief zurück zu seinem Napf, offenbar um weiterzufressen. „Oh, wow, du hast dein Frühstück für eine Begrüßung unterbrochen. Danke!“, schickte er ihm erfreut hinterher und erblickte gleichzeitig Jason, der an der Insel stand und telefonierte.
„… tut mir leid, ich möchte das wie gesagt erst mit meinem Mann absprechen. Ich gebe Ihnen Bescheid, sobald ich kann. – In Ordnung. – Bis dann.“ Jason legte auf.
„Nanu? Über was möchtest du mit mir sprechen“, fragte Kyle neugierig.
Jason zeigte auf ein kleines Tablett mit zwei vollen Kaffeebechern. „Sorry, ich wollte gerade zu dir runter und dich mit frischem Kaffee wecken, da bekam ich einen Anruf. Ich erzähl dir draußen davon.“
„Okay, erstmal guten Morgen, Jay.“ Kyle drückte Jason einen Kuss auf die Lippen. „Und nochmal danke.“
Jason lächelte. „Gern geschehen. Du hast so tief geschlafen, da wollte ich dich nicht wecken. Und das ganz ohne sorgenvolle Miene.“
„Gehen wir raus?“ Kyle wollte die Becher nehmen, doch Mel war schneller.
„Guten Morgen. Ich habe bereits für das Frühstück eingedeckt, wenn Sie wollen. Ich bringe Ihnen den Kaffee.“ Er nahm das Tablett an sich.
„Sehr schön, gehen wir.“ Jason ging voraus auf die Terrasse und Kyle folgte ihm, während Jamie in seinem Hundebereich verschwand.
„Boah, so gut hab ich seit Tagen nicht geschlafen“, bemerkte Kyle und setzte sich zu Jason an den Tisch.
„Geht mir genauso. Danke Mel.“
„Oh, bekomm ich auch sowas?“ Fragend sah Kyle Mel an und deutete auf eine Schüssel mit frischem Obst und Naturjogurt, die Mel neben Jasons Gedeck gestellt hatte.
„Statt der Würstchen oder zusätzlich?“
Kyle schnaubte.
„Zusätzlich natürlich“, übersetzte Jason.
„Sehr wohl.“
Kyle sah Mel hinterher, der wieder ins Haus ging und schüttelte amüsiert den Kopf. „Was für eine Frage! Ich glaub, ich hab zum ersten Mal auch wieder richtig Appetit.“
„Sehr gut.“ Jason nahm ein Brötchen.
„Was hat es nun mit dem Anruf auf sich?“, wollte Kyle wissen und tat es ihm gleich.
„Zwei Officers von der K9-Unit würden gerne bei uns vorbeikommen.“
Kyle zog die Brauen zusammen. „Ist das jetzt gut oder schlecht?“
„Gut, denn offenbar soll Jamie eine offizielle Auszeichnung für seine Heldentat bekommen.“
„Oh, wow, cool.“
„Officer McKnowlen hat wohl Wind von der Sache bekommen.“
„Wie das?“
„Denke mal durch Kevin und Daniels Verbindung zur K9-Unit. Mel hat mich schon vor ein paar Tagen informiert, dass er bei uns angerufen hat. Ich hatte Mel gebeten, den Officer auf heute zu vertrösten. Aber ich wollte das jetzt nicht fix machen, ohne mit dir gesprochen zu haben.“
„Heißt das, es kommen auch Zeitungsfritzen vorbei?“, fragte Kyle zögernd.
„Nein, das hab ich abgelehnt. Wir beide legen schließlich aus diversen Gründen keinen großen Wert auf Publicity.“
Kyle verzog das Gesicht. „Genau.“
„Sie haben gesagt, sie würden ihren eigenen Fotografen und Pressevertreter mitbringen. Da der oder die aber auch von der Polizei ist, habe ich zugestimmt. Ich habe mal vorab unser Einverständnis erklärt, dass sie es zumindest auf ihrer Homepage veröffentlichen dürfen. Wär das für dich okay?“
Er zuckte mit den Achseln. „Von mir aus.“ Dann sah er an sich herab. „Heißt das, wir müssen uns nach dem Frühstück in Schale schmeißen?“, fragte er wenig begeistert, denn sie saßen beide in Shorts und T-Shirt auf der Terrasse.
„Ich denke, das können wir uns sparen. Entweder sie nehmen uns so, wie wir sind, oder sie lassen es bleiben.“
Kyle grinste. „Klingt gut.“ Er sah auf. „Danke, Mel. Das sieht wirklich lecker aus.“ Kyle bekam nun sein eigenes Schälchen mit frischem Obst und Jogurt. Der Teller mit gebratenen Würstchen folgte.
Kaum war Mel wieder im Haus verschwunden, kam Jamie auf die Terrasse und ließ sich an seinem Lieblingsplatz nieder, von dem aus er den Garten gut überblicken konnte.
„Hängen die ihm eine Medaille um, oder wie läuft das?“, wollte Kyle dann wissen.
„Ich denke eher, man wird uns eine Urkunde oder sowas überreichen. Die Auszeichnung ist auch dotiert.“
„Hundefutter für einen Monat oder wie soll ich mir das vorstellen?“
„Ein Jahr, einschließlich Tierarztkosten.“
„Krass. Aber völlig unnötig. Da gibt es sicher andere, die es notwendiger brauchen“, erwiderte er sofort.
Jason nickte. „Keine Sorge, ich hab das natürlich abgelehnt und darum gebeten, es anderswo sinnvoll einzusetzen.“
„Ja, das ist gut.“
„Man hat mich informiert, dass es wohl eine Auffangstation für alternde oder kranke Polizeihunde gibt, wo diese sozusagen unterkommen, bis für sie ein neues Zuhause gefunden wird. Ich dachte, die können es gut gebrauchen, was meinst du?“
„Klasse!“
„McKnowlen wollte damals wohl unbedingt verhindern, dass Jamie in einer Art Tierheim landet, als es ihn mit dem Tumor erwischt hat. Daher ist man an Daniel herangetreten, Jamie vorübergehend aufzunehmen.“
„Verstehe. Hat wohl so sein sollen.“
„Sehe ich auch so.“
„Wir sollten ihnen die zerkratzte Wagentür zeigen. Schade, dass wir sie noch nicht im Billardzimmer hängen haben.“
„Das machen wir auf jeden Fall. Und ich kümmer mich demnächst um einen Reparaturtermin.“
„Mit dem Hinweis, das Ding ja nicht wegzuwerfen!“
Jason hob seinen Orangensaft zum Toast. „Auf Jamie.“
„Auf Jamie.“
Kyle runzelte die Stirn, als Mel einige Augenblicken später noch einmal mit einem Tablett zu ihnen kam, auf dem lediglich eine zierliche, hübsch verzierte silberne Dose zu sehen war. Mit seiner üblichen Eleganz legte er diese neben Jasons Gedeck ab.
„Sir, wie besprochen.“
„Ja, ja, schon gut. Danke Mel“, brummte Jason und seufzte dann.
Der Butler zog sich wieder zurück.
Kyle sah ihn fragend an und Jason zeigte ihm den Inhalt der Dose. Seine Tabletten.
„Ich wollte sie eigentlich immer während oder nach dem Frühstück nehmen, aber Mel traut mir wohl nicht.“
Kyle hob abwehrend die Hände.
„Keine Sorge, Mel ist genauso besorgt wie du. Er ist und bleibt eine Glucke, und das ist gut so. Aber vielleicht ist es wirklich besser wenn er hier involviert ist.“
„Du machst das schon, Jay.“
Jason warf ihm einen liebevollen Blick zu und er musste einfach lächeln.
Nachdem Jason seine Schüssel mit Jogurt und Früchten geleert hatte, nahm er die Tabletten heraus und schluckte sie mit Orangensaft.
„Vermutlich bin ich auch nur etwas verwirrt, dass sich ein so junger Mensch wie du, über solche Sachen ernsthafte Gedanken macht.“
Ich hab versucht dich wiederzubeleben, verdammt noch mal! Klar mach ich mir Sorgen! schrie es in Kyles Kopf und er wollte schon zum Konter ausholen, als Jason schnell weitersprach.
„Aber was ich eigentlich damit sagen will, ist, dass mich deine Fürsorge sehr berührt, Süßer. Danke.“
Etwas überrascht klappte Kyle seinen Mund wieder zu.
Jasons Handy vibrierte und als er nachsah, seufzte er. Er drehte das Display zu Kyle und zeigte ihm eine Nachricht von Ellie. Guten Morgen, Daddy, hast du deine Tabletten genommen?
Kyle musste lachen. „Fotografier die leere Pillendose.“
„Gute Idee. Und dann frag ich sie gleich, ob sie das auch gemacht hat. Ich geb zu, jeden Tag sowas zu hören oder zu lesen, dürfte in der Tat reichlich nervig sein.“
„Es ist Tag eins, also sei ein bisschen nachsichtig mit uns“, bat Kyle und biss in sein Würstchen.
„Abgemacht.“
„Aber ich stimme dir zu, ich wär wohl auch irgendwann ziemlich genervt, wenn laufend jemand bezweifeln würde, dass ich es auf die Reihe kriege.“
Jasons Handy vibrierte erneut und er sah nach. „Videobotschaft“, brummte er und drückte auf Wiedergabe.
Kyle musste grinsen, als er Ellies Stimme hörte. Jaaaha Daddy, ich hab meine auch genommen. Okay, okay, ich verspreche, ich halt ab jetzt meine Klappe. Sieh es mir bitte nach. Hab dich lieb. Bye.
„Mal sehen, wie lang das anhält.“
Kyle verzog entschuldigend das Gesicht und nahm sich vor, sich mit seinen Ermahnungen am Riemen zu reißen.
Am späteren Vormittag trat Mel auf die Terrasse, wo sie es sich nach dem Frühstück in einer Hängematte für zwei bequem gemacht hatten.
„Sir, die Herren von der K9-Unit sind soeben durchs Tor gefahren.“
„Danke, Mel. Da es eh ein wenig dauern wird, bis die Besucher hier oben ankommen, würde ich Sie bitten, den Aston Martin aus der Garage zu fahren und quer davor zu parken, sodass die zerkratzte Tür schön zu sehen ist.“
„Wird erledigt, Sir.“
„Und bringen Sie unsere Besucher dann zu uns auf die Terrasse.“ Jason zeigte auf den ebenfalls überdachten Bereich mit den exquisiten Outdoor-Sofas.
„Sehr wohl.“ Mel machte sich auf den Weg und Jason drückte Kyle noch einen Kuss auf die Lippen, bevor er sich aufsetzte.
„Na, dann wollen wir mal, hm?“
Kyle nickte und gemeinsam verließen sie ihr lauschiges Plätzchen. Jamie stand ebenfalls sofort auf und streckte sich gähnend.
„Du bekommst Besuch von den Cops, Kumpel. Cool, oder?“, sagte Kyle mit einem Augenzwinkern.
„Er denkt, wir gehen …“
„… nicht aussprechen“, warnte ihn Kyle und Jason verstummte.
„Ähm …“
„Aber wir sollten nachher“, fügte er hinzu. „Das Hangtraining wird dir noch zu heftig sein, oder?“
„Vermutlich, ja. Aber wir könnten zu Dave und Jessie rüberspazieren.“
Jamie spitzte die Ohren und Kyle musste lachen.
„Oh je“, brummte Jason. „Später, versprochen.“ Er kraulte den Hund hinter den Ohren. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen, okay?“
Wie zur Bestätigung nieste Jamie und wedelte mit dem Schwanz.
„Guter Junge. Komm.“
Sie gingen hinüber und setzten sich. Jamie legte sich vor ihnen auf den Boden, doch wenig später setzte er sich aufmerksam auf und spitzte die Ohren.
„Hier entlang, bitte“, hörten sie Mel sagen und kurz darauf erschien er mit zwei Männern in blauer Uniform und einem in ziviler Kleidung, der eine Kameratasche dabei hatte.
„Officer Jamie, außer Dienst, hat offenbar das große Los gezogen, wenn ich mich hier so umsehe“, sagte der ältere der beiden Uniformierten lächelnd. „Ich bin Officer Chen, Sir, das ist Officer Marino und das unser Pressesprecher und Fotograf Mr. Cosby.“
„Das ist mein Mann, Kyle, und unseren Helden kennen Sie ja schon. Bitte setzen Sie sich. Darf ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee? Oder eine Erfrischung?“
Der Fotograf entschied sich für einen Espresso und die beiden Officers für je einen Cappuccino.
„Officer McKnowlen, der Vorbesitzer von Jamie, hat uns über den dramatischen Zwischenfall in Ihrem Haus informiert. Das Ganze ist ja noch nicht lange her.“
Kyle verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf.
„Sie sind ja gestern erst aus dem Krankenhaus entlassen worden, wie geht es Ihnen?“, fragte Officer Marino und wandte sich dabei an Jason.
„Danke der Nachfrage, ich fühle mich gut. Die Geschichte hat uns allen einen gehörigen Schrecken eingejagt.“
„Kann ich mir gut vorstellen. Haben Sie etwas dagegen, es nochmal kurz für uns zusammenzufassen? Mr. Cosby kann mitschreiben, damit wir das korrekt auf unsere Homepage setzen.“
Kyle räusperte sich und begann zu erzählen, wie es sich zugetragen hatte.
Während er noch sprach, brachte Mel mit einem Servierwagen die Getränke. Er stellte alles auf den Couchtisch, einschließlich einem Tablett mit fünf Gläsern Eiswasser, garniert mit Limettenscheiben und Pfefferminzblättern.
„Der Wagen ist uns gleich aufgefallen, als wir hochkamen. Sieht übel aus“, sagte Officer Chen.
„Ich hab ihn aus der Garage holen lassen, damit Sie sich ein Bild machen können. Ich zeige es Ihnen gern aus der Nähe. Aber es ist nur ein Wagen. Nichts gegen mein Leben“, erwiderte Jason. „Den kann man reparieren. Wir werden die Tür allerdings in Ehren halten und aufhängen. Wir sind nur noch nicht dazugekommen.“
„Das ist cool!“, sagte Cosby.
„Klasse Idee“, sagten auch die beiden anderen, nicht minder beeindruckt.
„Kann ich das nachher fotografieren?“
„Klar“, sagte Kyle. „Jamie war wirklich wie von Sinnen.“
„Und es ist ja nochmal gut gegangen. Mein Mann und ein Freund, und nicht zuletzt die Notärzte, konnten mich wiederbeleben. Der Rest ist Geschichte.“ Jason lächelte und kraulte Jamie, der schmachtend zu ihm aufsah.
„Ja, wir reden über dich. Der versteht echt alles.“ Kyle sah ihn bewundernd an. „Was für ein toller Hund.“
„Wie ist er zu Ihnen gekommen?“
„Ich hatte mich drüben in der Rainbow Foundation von unserem Freund Daniel Peters in ihn verliebt, wo Jamie nach seiner OP vorübergehend untergebracht war, und Jason hat ihn mir dann zu Weihnachten geschenkt.“
„Ich wusste ja, dass er sich nichts sehnlicher wünscht“, fügte Jason augenzwinkernd hinzu.
„Tolle Geschichte“, murmelte Cosby und sah auf seine Notizen. „Bevor ich das poste, werde ich es Ihnen zur Freigabe schicken, okay?“