Landluft, Mord und Eifelglück: Der Schatz im Vulkansee - Björn Berenz - E-Book

Landluft, Mord und Eifelglück: Der Schatz im Vulkansee E-Book

Björn Berenz

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Beschreibung

Tilla nimmt mit ihrem Oldtimer einen Anhalter mit - den charismatischen Elvis-Imitator Lars. Kurz darauf hat der Wagen eine Panne, und die beiden stranden in einem abgelegenen Hotel. Dort ist mal so gar nichts los. Das ändert sich schlagartig, als dem Hotelbesitzer ein Brief in die Hände fällt, in dem von einem alten Schatz im nahe gelegenen See die Rede ist. Am nächsten Tag ist in der Eifel das Goldfieber ausgebrochen. Tilla zweifelt jedoch an der Echtheit des Briefes. Als dann auch noch der King tot in einer Badewanne gefunden wird, ist sie sicher: Hier ist etwas faul!

Über die Serie:

Tilla liebt ihr Leben in einer restaurierten Wassermühle in der idyllischen Eifel. Ihr ganzer Stolz ist der liebevoll aufbereitete Oldtimer-Kastenwagen, mit dem sie als fahrendem Krämerladen die Eifeler Kundschaft mit allem Möglichen und Unmöglichen versorgt. Dabei kriegt die Mittdreißigerin eine Menge mit: Gerüchte, Geheimnisse und ... Morde! Und auch sonst ist ihr Leben alles andere als ruhig: Romantische Avancen, ihre chaotische Mutter und allerlei alltägliche Katastrophen halten Tilla auf Trab - und doch würde sie ihr Eifelglück um nichts in der Welt tauschen.

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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber diese FolgeLandluft, Mord und Eifelglück – Die SerieTitelKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26In der nächsten FolgeÜber den AutorImpressum

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Über diese Folge

Tilla nimmt mit ihrem Oldtimer einen Anhalter mit – den charismatischen Elvis-Imitator Lars. Kurz darauf hat der Wagen eine Panne, und die beiden stranden in einem abgelegenen Hotel. Dort ist mal so gar nichts los. Das ändert sich schlagartig, als dem Hotelbesitzer ein Brief in die Hände fällt, in dem von einem alten Schatz im nahe gelegenen See die Rede ist. Am nächsten Tag ist in der Eifel das Goldfieber ausgebrochen. Tilla zweifelt jedoch an der Echtheit des Briefes. Als dann auch noch der King tot in einer Badewanne gefunden wird, ist sie sicher: Hier ist etwas faul!

Landluft, Mord und Eifelglück – Die Serie

Tilla liebt ihr Leben in einer restaurierten Wassermühle in der idyllischen Eifel. Ihr ganzer Stolz ist der liebevoll aufbereitete Oldtimer-Kastenwagen, mit dem sie als fahrendem Krämerladen die Eifeler Kundschaft mit allem Möglichen und Unmöglichen versorgt. Dabei kriegt die Mittdreißigerin eine Menge mit: Gerüchte, Geheimnisse und … Morde! Und auch sonst ist ihr Leben alles andere als ruhig: Romantische Avancen, ihre chaotische Mutter und allerlei alltägliche Katastrophen halten Tilla auf Trab – und doch würde sie ihr Eifelglück um nichts in der Welt tauschen.

Der Schatz im Vulkansee

Kapitel 1

Elvis lebt!

Genau das war der Gedanke, der Tilla durch den Kopf ging, als sie ihn mitten auf der Straße stehen sah. Zu sehr damit beschäftigt, das Bild zu verarbeiten, vergaß sie beinahe das Wichtigste: das Bremsen. Aber die Situation war einfach zu absurd. Da saß sie hinter dem Steuer des Citroëns, sang lauthals die Best-of-Elvis-Presley-Kassette mit – und plötzlich stand er da. Der King. Mitten auf der Straße. In der tiefsten Eifel.

Wann passierte einem so etwas schon mal? Vor lauter Schreck reagierte sie viel zu spät. Einen halben Meter mehr und der wiederauferstandene Elvis wäre schneller ins Reich der Toten zurückgekehrt, als er »A wop bop a loo bop« hätte sagen können. Platt gedrückt von der Schweinsnase ihres HYs. Doch sie hatte rechtzeitig in die Eisen getreten und sah sich nun durch die Windschutzscheibe Auge in Auge mit dem King persönlich. Dieser lüpfte seine verspiegelte Sonnenbrille und betrachtete sie aus tiefdunklen Rehaugen. Eine ganze Weile starrten sie nur.

Schließlich kurbelte Tilla das Fenster herunter und schob ihren Kopf hinaus. »Vielleicht nicht gerade die cleverste Idee, mitten auf der Straße einen auf Tramp zu machen.«

»Sorry, Süße, ich dachte, du würdest mich sehen und rechtzeitiger abbremsen.« Ein blitzblankes Lächeln strahlte ihr entgegen. »Nimmst du mich denn ein Stück mit?«

Sie zögerte nur kurz. Ein millisekundenlanges Abwägen, ob sie diesem Mann Mord, Vergewaltigung oder sogar beides zutraute. In welcher Reihenfolge auch immer. Tat sie nicht. Aber sie musterte ihn ausführlich. Man konnte ja nie wissen. Allerdings schätzte sie die Wahrscheinlichkeit, dass sich im Gitarrenkoffer, den er bei sich führte, keine Gitarre, sondern ein Trommelgewehr befand, als relativ gering ein. Ihr Elvis war groß, beinahe athletisch gebaut. Mit seiner abgewetzten Bluejeans, dem weißen Unterhemd und der schwarzen Lederjacke wirkte er zwar verwegen, aber nicht gefährlich.

Das schuhcremeschwarze Haar hatte er zu einer imposanten Tolle geformt, die ihn fünfzehn Zentimeter größer erscheinen ließ. Nein, dieser Anhalter wirkte nicht furchterregend. Vielmehr vertraut. Als wäre er aus ihrer Fantasie geschlüpft und stünde nun leibhaftig vor ihr – der Mann, den sie als Teenager so sehr verehrt hatte.

Sie warf einen raschen Blick auf die Uhr. Bis nach Elzbach hatte sie noch eineinhalb Stunden vor sich, die sich bei der zweistelligen Endgeschwindigkeit ihres HY zäh gestalten konnten. Etwas Abwechslung kam da gerade recht. Zumal sie diese Fahrt ohne Humphrey antreten musste. Und das war ungewohnt. Denn normalerweise war der Basset-Mischling immer bei ihr. Doch seit Renate auf dem Hof war, war Tillas Hund nicht mehr wiederzuerkennen. Er umschwänzelte ihre Mutter, als wäre sie eine anbetungswürdige Hundegöttin, der entsprechend gehuldigt werden musste. Für Tilla reichte da nur noch ein Platz in den hinteren Reihen. Und so rief sie aus dem Fenster: »Hüpf rein.«

Mit dem Eintreten ihres Gastes hielt ein schwerer Duft nach Leder und Sandelholz Einzug in den Wagen. Irgendwie schaffte er es, den klobigen Gitarrenkoffer zwischen seine Beine zu bugsieren.

»Also, Mr Presley, wo darf es denn hingehen? Ich sag es lieber direkt, ich fahre nicht bis nach Memphis.«

»Von dort komme ich doch gerade.« Erneut zogen sich die Lippen des Mannes breit auseinander. Es war ein ansteckend charmantes Grinsen. »Ich bin unterwegs nach Daun und für jeden Kilometer dankbar, den ich nicht laufen muss.«

»Hast du ein Glück, das liegt auf meinem Weg.«

»Na, das ist doch spitze.« Er zog anerkennend die Luft ein. »Das ist ein echt schnuckeliges Wägelchen, das du da fährst.« Er ließ seinen Blick durch das Fahrerhaus schweifen und schnalzte mit der Zunge. Tilla nahm kurz den Blick von der Straße und musterte ihren Beifahrer etwas näher.

»Und wie heißt du wirklich?«

»Lars«, sagte er. »Lars Rouwen. Aus Malmedy.«

Sie reichte ihm die Hand. »Tilla. Aus Elzbach.«

Auf seinen schrägen Blick hin hob sie die Hand. »Frag nicht. Es ist ein winziger Ort, den musst du nicht kennen.«

Er lächelte sie an. »Freut mich sehr, Tilla. Und wo warst du unterwegs?«

»Ich war auch in Belgien«, erwiderte sie. »In Sankt Vith, hab dort ein Ersatzteil für meinen Wagen besorgt.« Liebevoll tätschelte sie das Armaturenbrett ihres HY. »So ein altes Gefährt braucht unglaublich viel Pflege.« Sie seufzte. »Und leider macht er mir momentan ein wenig Sorgen. Irgendwas stimmt mit dem Getriebe nicht.«

Lars lachte vorsichtig. »Aber bis nach Daun wird er es doch noch schaffen, oder?«

»Och, da bin ich ganz zuversichtlich. Er hat mich noch nie ernsthaft im Stich gelassen.« Sie warf ihm einen kurzen auffordernden Blick zu. »Und deine Geschichte?«

Er sah an sich herab. »Ist das nicht offensichtlich? Ich bin Musiker. Imitator.« Er blinzelte sie an. »Magst du Elvis?«

Grinsend hielt sie ihm das Tape hin. »Die höre ich hier rauf und runter.«

Er musterte die Hülle ausgiebig. »Wow, es ist eine Ewigkeit her, dass ich eine echte Kassettenhülle in der Hand gehalten habe. Dass es so was noch gibt.«

Tilla tippte gegen das uralte Radio mit Kassettendeck. »Leider habe ich noch keinen CD-Player gefunden, der hier reinpasst. Also muss es so gehen. Ich habe auch noch die Best-of-Johnny-Cash im Repertoire.«

»Wow. Die Frau hat Musikgeschmack.«

»Und was macht ein Elvis-Imitator in der tiefsten Eifel?«

»Na, seinen Träumen hinterherjagen. In Daun findet im Nevada Grand Hotel ein Elvis-Imitatoren-Wettbewerb statt.«

Tillas frisch gezupfte Brauen schoben sich von ganz allein nach oben. »Es gibt so viele von euch, dass sich eine derartige Veranstaltung lohnt?«

Lars nickte eifrig. »Aber hallo! Und wir alle haben nur ein Ziel: Mindestens einmal im Leben die Pilgerreise nach Graceland auf uns zu nehmen. Das werde ich schaffen, wenn ich diesen Wettbewerb gewinne.«

»Und was genau kann man da gewinnen?«, hakte Tilla nach.

»Der Sieger des Wettbewerbs bekommt natürlich ein hübsches Preisgeld. Aber das Beste ist, dass er nach Las Vegas eingeladen wird, wo die Finalrunde stattfindet. Die besten Imitatoren der Welt werden dort aufeinandertreffen. Dem dortigen Sieger winkt eine Festanstellung bei der veranstaltenden Hotelkette in Las Vegas.« Er sah Tilla fest an. »Kannst du dir das vorstellen? Ein Jahr lang eine eigene Show in einem Fünf-Sterne-Hotel. In Las Vegas!«

Seine Augen glänzten vor Euphorie.

»Das ist also dein Lebensplan?« Sie grinste ihn herausfordernd an. »Den Wettbewerb gewinnen und die große Reise nach Las Vegas antreten.«

Er nickte resolut. »So oder so Las Vegas. Entweder mit dem Wettbewerb oder – falls es für den ersten Platz nicht reichen sollte – auf eigene Faust.« Mit gesenktem Kopf fügte er kleinlaut hinzu: »Wobei mir noch das nötige Kleingeld fehlt.«

Tilla war beeindruckt von der Gradlinigkeit dieses Mannes. »Bist du denn auch … gut?«

Nun sah er sie von der Seite an. Dann platzte es aus ihm heraus: »Ja, verdammt! Eine Kostprobe gefällig?«

Tilla strahlte. »Aber bitte doch!«

Er hob den mit Stickern zugekleisterten Koffer umständlich an und schaffte es irgendwie, die darin befindliche Akustikgitarre zum Vorschein zu bringen.

»Das ist eine ganz besondere Gitarre, musst du wissen.«

Tilla schenkte der Gitarre einen kurzen Blick. Das Ding wirkte alt und irgendwie ramponiert. Überall waren Dellen und Kratzer, und der Lack war bereits an vielen Stellen abgeblättert.

»Es ist ein prachtvolles Stück«, erklärte er ihr. »Eine Martin D28 aus dem Jahr 1955. Es heißt, der King persönlich habe einmal auf ihr gespielt.«

»Der King?« Tilla bekam große Augen. »Ich meine, der King?«, fragte sie noch einmal. »Die Gitarre soll Elvis Presley gehört haben?«

Lars schüttelte belustigt den Kopf. »Ähm, nicht ganz«, lenkte er ein. »Er hat wohl lediglich einmal darauf gespielt. Und davon gibt es sogar ein Foto als Beweis, das macht sie für Fans und Sammler natürlich unendlich wertvoll.« Er strich liebevoll über die Saiten. »Sie ist ein Geschenk von meinem Vater gewesen«, erklärte er ihr. »Kurz bevor er starb.«

»Oh, das tut mir leid.«

Lars lächelte sie tapfer an. »Ist schon wirklich lange her. Aber selbst, wenn Elvis nie auf ihr gespielt hat, ist sie wertvoll. Und bei dieser hier handelt es sich um ein Sondermodell. Mein Dad hat sich seine Finger nach ihr abgespart.«

Als er einen Akkord griff und die Saiten anschlug, ging es Tilla durch und durch. Sie liebte den Klang von Gitarren. Kein anderes Instrument schaffte es, sie so zu verzaubern. Doch als seine Stimme einsetzte und er die erste Zeile von Love Me tender dahinschmachtete, war es gänzlich um sie geschehen. Die Härchen auf ihren Unterarmen richteten sich auf. Sie bekam Herzklopfen und hatte alle Mühe, sich auf die Straße zu konzentrieren. Dieser Lars hatte eine Stimme wie würziger, zähfließender Honig. Sie sickerte in ihre Gehörgänge und breitete sich in ihrem ganzen Körper aus, bis sie ihren Magen erreichte und ihn erbeben ließ. Doch da erkannte sie ihren Irrtum. Es war nicht ihr Magen, sondern das Getriebe, dem sie jetzt schweigend beim Sterben zuhörte.

Es war ein langes, qualvolles Dahinscheiden – begleitet von einem stotternden Ruckeln, das den ganzen Laster erschütterte.

»Vielleicht solltest du mal rechts ranfahren?« Lars deutete aus dem Fenster. »Da vorne ist eine Parkbucht.«

Sie schaffte es gerade noch auf den Seitenstreifen.

»Das ist so unfair«, schrie sie in die Einöde der Eifel hinaus. Dabei wusste sie nicht einmal genau, wo sie liegen geblieben waren. Hier sah aber auch alles gleich aus. Felder, Wälder, nichts. Und davon am meisten. Halt, nein, unmittelbar neben der Straße erkannte sie eine Abzweigung, die zu einem See führte. Aber welcher war es? Er lag gut einen Kilometer von der Straße entfernt. Die glatte Oberfläche des Wassers schimmerte wie ein Spiegel im Licht der sich allmählich senkenden Nachmittagssonne.

Lars blickte in den Himmel. »Wenigstens regnet es nicht.«

Tilla schnaubte. »Beschrei es nicht. Das kann sich in der Eifel sekündlich ändern.«

»Und was machen wir jetzt?«

Sie sah ihn irritiert an. »Wieso wir? Du kannst dir einfach eine andere Mitfahrgelegenheit suchen.«

»Bitte, ich werde eine Lady in dieser Situation doch nicht alleine lassen.«

Tilla nickte. Dankbar? Teilnahmslos? Sie wusste es nicht. Sie brauchte keinen seelischen Beistand, sondern einen Kfz-Mechaniker, der sich mit ihrem Schätzchen auskannte.

Joos!, schoss es ihr in den Sinn. Sie wühlte das Handy aus ihrer Hosentasche.

Doch sie zögerte den Anruf hinaus. Joos würde ausrasten, wenn er erfuhr, dass sie trotz der ersten Anzeichen für ein Getriebeproblem mit dem HY nach Belgien gefahren war.

Sie brauchte den Wagen einsatzbereit. Auf ihn zu verzichten, konnte sie sich nicht leisten, schließlich war er ihre Lebensgrundlage. Seit einem Jahr fuhr sie mit ihrem rollenden Gemüsegarten, der sich inzwischen zu einem gut sortierten Minisupermarkt gemausert hatte, die Altenheime und Senioren-Residenzen in der Eifel an. Sie war stolz auf ihr kleines Geschäft, das sie aus dem Boden gestampft hatte. Irgendwann war ihr diese Idee gekommen, den Bewohnern dieser Einrichtungen auch im hohen Alter noch die Möglichkeit zu bieten, sich weitestgehend selbst zu versorgen. Zunächst hatte sie sich auf ein Sortiment spezialisiert, das hauptsächlich aus längst vergessenen Obst- und Gemüsesorten bestand. Ebenjene, die es in den hiesigen Supermärkten nicht mehr gab. Doch mit der Zeit hatte sie ihre Zielgruppe immer besser kennengelernt und das Angebot entsprechend erweitert. Nun führte sie auch Süßigkeiten, Zeitschriften, Tabakwaren, Männerzeitschriften – überhaupt rühmte Tilla sich damit, alles besorgen zu können, was ihre Kundschaft wünschte. Sofern sich die Wünsche im für sie vertretbaren Bereich der Legalität bewegten.

Lars ließ es sich nicht nehmen, unter den Wagen zu kriechen, um sich die Sache anzusehen.

Doch Tilla machte sich keine große Hoffnung, dass er etwas ausrichten konnte. Sie wusste ja mehr oder weniger, was das Problem war. Und die Lösung dafür lag in ihrem Kofferraum. Bloß brauchte es eine Hebebühne und einen gelernten Mechaniker, um dieses Teil einzubauen.

Mit einem tiefen Seufzer drückte sie auf Joos’ Nummer auf dem Display. Innerlich wappnete sie sich für das, was nun kommen würde.

Doch Joos hob nicht ab. Es klingelte bereits zum fünften Mal an ihrem Ohr.

»Hallo?«

»Joos, endlich. Wo warst du denn?«

»Bei den Schafen! Wo soll ich denn sonst gewesen sein?«

Tilla stöhnte leise. Seit Joos die Schafherde des verstorbenen Schäfers bei sich aufgenommen hatte, kannte er kein anderes Thema mehr. Tatsächlich vermutete sie, dass er sich in seiner neuen Rolle als Teilzeitschäfer sogar ziemlich wohlfühlte.

Oder aber, er war auf der Flucht vor Renate. Das war sie selbst auch, daher konnte sie es Joos nicht verübeln.

»Der Transporter hat den Geist aufgegeben, ist liegen geblieben. Mitten auf der Straße.«

»Das Getriebe.«

»Genau«, sagte Tilla, obwohl Joos es nicht als Frage formuliert hatte, sondern als Feststellung.

Er jammerte klagend. »Ich habe es dir doch gleich gesagt, dass …«

Tilla hielt das Telefon auf Armlänge weg und zählte bis zehn. Lars warf ihr einen schrägen Blick zu, den sie mit einem Achselzucken quittierte.

Neun … zehn.

»… und du deshalb wirklich keinen Meter mehr als nötig mit ihm zurücklegen solltest.«

»Ja«, erwiderte Tilla genervt.

»Und überhaupt: Von wo kommst du denn?«

»Belgien.«

»Was? Du sprichst so leise, ich verstehe dich gar nicht.«

»BELGIEN!«

»Du warst in Belgien? BELGIEN??«

»Ja doch.«

»Hast du eine Ahnung, wie viele Kilometer das sind?«

Ȁhm, Joos, ich komme gerade von dort.

»Das war eine rhetorische Frage.«

»Dann stell sie mir nicht!«

»Herrje, du bist wie deine Mutter.«

»Vorsicht, Joos. Ganz dünnes Eis.«

Sie hasste es, mit Renate verglichen zu werden. Überhaupt nichts hatte sie mit ihr gemein. Bis auf den Nachnamen vielleicht.

»Kannst du kommen?«

In der Leitung wurde es still. Verdächtig still. Dann ein langes ausgiebiges Schnauben, bis sich Joos’ Stimme zurückmeldete. Schrill und missmutig.

»Wie stellst du dir das vor? Ich muss mich um die Tiere kümmern, und der Hirtenwagen wird auch nicht von allein fertig. Außerdem dämmert es schon, und du weißt ganz genau, dass ich nachts Probleme mit dem Autofahren habe, meine Augen. Aber …«

Tilla horchte auf. »Was, aber?«

»Ich könnte Renate fragen, vielleicht kann sie …«

»Nein!«

Sie hörte, wie Joos sich ein Lachen verkniff.

»Hier ist ein Hotel in der Nähe.« Sie blinzelte in die Ferne, betrachtete das große Gebäude, direkt am Seeufer. »Ich schätze, ich werde dort für eine Nacht unterkommen.«

»Bist du sicher?«

»Absolut.« Sie seufzte resigniert.

»Ich kann aber wirklich noch Renate fra…«

»ICHBINSICHER, sagte ich.«

Nun war es ein unverhohlenes Lachen, das ihr durch den Hörer entgegendrang.

»Vor morgen früh wird das nichts, aber ich verspreche dir, gleich mit den ersten Sonnenstrahlen aufzubrechen.« Er hielt kurz inne. »Ich werde Toni anrufen müssen, damit er einen Abschlepper organisieren kann. Irgendwie müssen wir das Schätzchen ja zurück zur Mühle bekommen.«

»Danke, Joos.«

Er grummelte etwas Unverständliches.

Als sie auflegte, sah sie Lars missmutig an.

»Und jetzt?«, fragte er.

»Da vorne ist ein Hotel.« Sie deutete mit dem Kinn Richtung See, betrachtete das alte Anwesen aus dunklem Basaltstein. Sogleich fiel ihr das grüne Bitburger-Schild auf, das an dem Gebäude angebracht war. »Vielleicht ist dort noch was frei.«

Kapitel 2

Umgeben von einem Waldstück, lag das Hotel am Ufer eines kleinen opalgrünen Sees, um den ein Rundweg verlief, wie eine Wanderkarte am Parkplatz verkündete. Ein paar letzte Sonnenstrahlen, die es noch über die Baumwipfel schafften, spiegelten sich glitzernd im Wasser.

Über dem Eingang stand der Name in verwittert goldenen Buchstaben, denen die vielen harten Winter deutlich anzusehen waren. Eifelglück.

Ein hübscher Name, fand Tilla. Wenngleich der Anblick etwas Bedrückendes hatte. Das Hotel hatte die besten Zeiten offensichtlich schon lange hinter sich. Das galt für den Wintergarten ebenso wie für die Einfahrt und die Außenfassade, von der an vielen Stellen der helle Mörtel zwischen den Basaltblöcken herausbröckelte.

Etwas weiter vom See entfernt bemerkte sie einen kleinen Minigolfplatz, der in eine schier endlos große Wiese überging. Direkt neben dem Gebäude gab es einen weitläufigen Biergarten. Die Stühle auf der ebenerdigen Terrasse waren zusammengeklappt und fristeten an einem verwitterten Jägerzaun ein tristes Dasein. Tilla sah, dass der Lack der Holztische großflächig abgeblättert war. Die vertrockneten Blätter der herumstehenden Buchen bildeten einen durchgehenden Laubteppich. Sonderlich einladend wirkte es hier nicht.

Lediglich zwei Autos auf dem Parkplatz und die helle Qualmwolke, die stetig aus dem Schornstein des großen Gebäudes quoll, zeugten davon, dass das Hotel noch bewirtschaftet wurde.

Lars trat neben sie. In der Hand trug er seinen lederbraunen Gitarrenkoffer und auf den Schultern einen olivgrünen Armeerucksack. »Ein Gefühl sagt mir, dass noch etwas frei sein könnte.«

Gemeinsam nahmen sie die vier Stufen, die zum Eingang des Hotels führten, und traten ein.

Lars’ Vorhersage bestätigte sich im Inneren, als sie vor der Rezeption standen und auf ein hölzernes Schlüsselbrett blickten, an dem sich ein Zimmerschlüssel an den anderen reihte.

Tillas Augen brauchten eine Weile, um sich an das schummrige Licht zu gewöhnen. Der Geruch von kaltem Zigarettenrauch und Frittierfett drang ihr in die Nase.

»Was wollt ihr hier?«, raunte gleich darauf eine übellaunige Stimme. Der folgte ein älterer Mann, der aus einem Nebenraum trat und mit verschränkten Armen im Türrahmen stehen blieb. Er trug eine Kochschürze, auf der sich undefinierbare Flecken abzeichneten.

»Wir sind mit dem Wagen liegen geblieben. Vorne, an der Hauptstraße.« Tilla zeigte nach draußen – obwohl es weit und breit nur eine einzige Straße gab.

Der Mann strich sich mit Daumen und Zeigefinger über seinen angegrauten Vollbart. Er zählte zu dieser Sorte Mensch, der man ansah, wenn sie nachdachten.

»Eine Panne?«, fragte er, nicht mehr ganz so übellaunig. »Soll ich den Abschleppdienst rufen?«

Tilla winkte ab. »Hilfe ist schon unterwegs.« Sie seufzte. »Jedoch wird sie erst morgen eintreffen. Besteht die Möglichkeit, dass wir hier übernachten?« Sie warf einen Blick auf das volle Schlüsselregal.

Die dicken Backen des Mannes zogen sich zu einem breiten Grinsen nach oben.

»Nun, das will ich meinen, es ist ja schließlich ein Hotel.« Er trat aus der Türzarge und marschierte hinter die Rezeptionstheke.

»Zwei Einzelzimmer, bitte.« Damit bloß kein Missverständnis aufkam, hob sie die Hand und streckte ihm Daumen und Zeigefinger entgegen.

»Oh«, machte der Hotelbesitzer bloß.

»Oh?«, fragte Tilla zurück. »Ist etwas nicht in Ordnung?«

»Nun ja.« Der Mann druckste herum. »Wir sind ein wenig im Hintertreffen mit der Zimmerreinigung. »Ich habe gerade mal ein Zimmer hergerichtet.« Er sah die beiden entschuldigend an. »Aber ich könnte einem von euch das Zimmer meiner Oma geben. Das ist zumindest sauber und aufgeräumt.«

Lars kniff die Augen zusammen. »Ihre Oma hat eines der Hotelzimmer bezogen?«

»Ganz genau.« Der Mann nickte resolut. »Weil sie nicht mehr allein leben konnte, habe ich sie zu mir geholt. Aber meine Wohnung hier in dem Haus war viel zu klein für uns beide. Da schien das die beste Lösung für uns zu sein.«

»Und jetzt ist sie tot?«, hakte Lars etwas unsensibel nach.

»Himmel, nein! Aber irgendwann habe auch ich ihre Pflege nicht mehr allein wuppen können. Deshalb wohnt sie nun in einem Altenheim.« Der Hotelbesitzer tippte sich an die Stirn und verzog das Gesicht zu einer bedauerlichen Miene. »Alzheimer«, erklärte er. »Im fortgeschrittenen Stadium.« Als wollte er sich entschuldigen, hob er die Arme. »Ich muss mich ja ums Hotel kümmern, da hab ich keine Zeit für eine kränkelnde, alte Frau.«

»Na, dann«, erwiderte Lars, sichtlich beruhigt, dass er nicht das Zimmer einer Toten beziehen musste. »Das Zimmer nehme ich.«

Mit einem zufriedenen Brummen fuhr der Hotelier den Computer hoch, trug etwas in ein Buch und reichte zwei Zettel über die Theke.

»Bitte ausfüllen. Name, Anschrift und Unterschrift reichen völlig.« Er sah aus dem Fenster. »Wo steht denn der Pannenwagen?«

»Na, draußen auf der Straße. Auf dem Seitenstreifen.«

Der Mann schüttelte den Kopf. »Da kann der aber nicht stehen bleiben. Sobald es dunkel wird, sieht man hier die Hand vor Augen nicht mehr. Das wäre gemeingefährlich, ihn dort zu lassen.«

Er sah dabei zu, wie Lars den Zettel ausfüllte und seine Unterschrift daruntersetzte.