Landluft, Mord und Eifelglück: Der tote Schäfer - Björn Berenz - E-Book
SONDERANGEBOT

Landluft, Mord und Eifelglück: Der tote Schäfer E-Book

Björn Berenz

0,0
4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sommer in der Eifel: Eigentlich sucht Tilla nur ihre verschwundene Katze Miau Tse-tung. Doch plötzlich steht sie in einer herrenlosen Schafherde, die im Dörfchen Elzbach Chaos verbreitet. Was ist passiert, wo ist der Schäfer? Wenig später findet Tillas bester Freund Hölzi den Schäfer in einer Höhle im Wald, und zwar mausetot. Sofort ist klar: Es war Mord!

Bald darauf ein zweiter Todesfall: Die agile Seniorin Rosel stirbt überraschend - kurz nachdem sie an Tillas mobilem Krämerladen eine Pistole kaufen wollte. In diesem Fall sieht die Polizei allerdings so gar keinen Handlungsbedarf. Tilla dagegen ist sich sicher: Da stimmt was nicht in Elzbach. Und sie geht selbst auf Mörderjagd!

Über die Serie:

Tilla liebt ihr Leben in einer restaurierten Wassermühle in der idyllischen Eifel. Ihr ganzer Stolz ist der liebevoll aufbereitete Oldtimer-Kastenwagen, mit dem sie als fahrendem Krämerladen die Eifeler Kundschaft mit allem Möglichen und Unmöglichen versorgt. Dabei kriegt die Mittdreißigerin eine Menge mit: Gerüchte, Geheimnisse und ... Morde! Und auch sonst ist ihr Leben alles andere als ruhig: Romantische Avancen, ihre chaotische Mutter und allerlei alltägliche Katastrophen halten Tilla auf Trab - und doch würde sie ihr Eifelglück um nichts in der Welt tauschen.

beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!



Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 189

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber diese FolgeLandluft, Mord und Eifelglück – Die SerieTitelKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21EpilogIn der nächsten FolgeÜber den AutorImpressum

Liebe Leserin, lieber Leser,

vielen Dank, dass du dich für ein Buch von beTHRILLED entschieden hast. Damit du mit jedem unserer Krimis und Thriller spannende Lesestunden genießen kannst, haben wir die Bücher in unserem Programm sorgfältig ausgewählt und lektoriert.

Wir freuen uns, wenn du Teil der beTHRILLED-Community werden und dich mit uns und anderen Krimi-Fans austauschen möchtest. Du findest uns unter be-thrilled.de oder auf Instagram und Facebook.

Du möchtest nie wieder neue Bücher aus unserem Programm, Gewinnspiele und Preis-Aktionen verpassen? Dann melde dich auf be-thrilled.de/newsletter für unseren kostenlosen Newsletter an.

Spannende Lesestunden und viel Spaß beim Miträtseln!

Dein beTHRILLED-Team

Melde dich hier für unseren Newsletter an:

Über diese Folge

Sommer in der Eifel: Eigentlich sucht Tilla nur ihre verschwundene Katze Miau Tse-tung. Doch plötzlich steht sie in einer herrenlosen Schafherde, die im Dörfchen Elzbach Chaos verbreitet. Was ist passiert, wo ist der Schäfer? Wenig später findet Tillas bester Freund Hölzi den Schäfer in einer Höhle im Wald, und zwar mausetot. Sofort ist klar: Es war Mord!

Bald darauf ein zweiter Todesfall: Die agile Seniorin Rosel stirbt überraschend – kurz nachdem sie an Tillas mobilem Krämerladen eine Pistole kaufen wollte. In diesem Fall sieht die Polizei allerdings so gar keinen Handlungsbedarf. Tilla dagegen ist sich sicher: Da stimmt was nicht in Elzbach. Und sie geht selbst auf Mörderjagd!

Landluft, Mord und Eifelglück – Die Serie

Tilla liebt ihr Leben in einer restaurierten Wassermühle in der idyllischen Eifel. Ihr ganzer Stolz ist der liebevoll aufbereitete Oldtimer-Kastenwagen, mit dem sie als fahrendem Krämerladen die Eifeler Kundschaft mit allem Möglichen und Unmöglichen versorgt. Dabei kriegt die Mittdreißigerin eine Menge mit: Gerüchte, Geheimnisse und … Morde! Und auch sonst ist ihr Leben alles andere als ruhig: Romantische Avancen, ihre chaotische Mutter und allerlei alltägliche Katastrophen halten Tilla auf Trab – und doch würde sie ihr Eifelglück um nichts in der Welt tauschen.

Der tote Schäfer

Kapitel 1

Sie hasste Tse-tung. Seit drei Tagen hatte Tilla ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen. Dass er mal eine Nacht nicht nach Hause kam, war nichts Ungewöhnliches. Zwei Tage am Stück ließen Tilla ebenfalls nicht nervös werden. Aber drei? Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass ihr Kater jemals so lange verschwunden gewesen war.

Dabei fürchtete sie gar nicht so sehr, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte. Tse-tung war ein cleverer Kater. Viel zu schlau, um von Traktorrädern überrollt zu werden, und die Mähdrescher kamen erst im Spätsommer. Außerdem war er zu bösartig und mit seinen sieben Kilo Lebendgewicht überdies zu fett, um sich von einem anderen Kater davonjagen zu lassen. Auch nicht von einem Marder oder Frettchen. Schon gar nicht von einem Hund. Miau Tse-tung hasste Hunde. Mehr noch als Zeckenkämme, Wurmkuren und Billig-Katzenfutter. Bestimmt war es die Katzenmafia!

Sie wollte das hier so rasch wie möglich zu Ende bringen und dann in ihrem geliebten Citroën HY zu ihren ersten Kunden fahren. Wenn sie es vor Sonnenaufgang schaffen würde, wäre ihr Zeitplan noch nicht völlig verloren. Ihre Kunden waren streng. Sosehr sie ihren Kater und der Kater Hunde hasste, hassten die Verspätungen.

»He, was machst du denn da?«

Tilla zuckte vor Schreck zusammen und drehte sich in die Richtung, aus der die Stimme kam.

In diesem Moment trat eine hochgewachsene Gestalt ins Laternenlicht, in dem ein halbes Dutzend fetter Nachtfalter wild umherflatterte.

»Hölzi?«, fragte sie erstaunt. »Ich dachte, ihr wärt noch auf dem Hof.«

»Nein, wir sind ganz früh aufgebrochen.«

Der Mann setzte den gewachsten Regenhut ab und rieb sich über den Kopf. Ihn so zu sehen war für Tilla ein noch immer sehr ungewohnter Anblick. Seit Neuestem waren seine Haare raspelkurz, weil er sich bei einem seiner Wildnisausflüge mit einer Kindergartengruppe Läuse eingefangen hatte.

Wie so oft trug er seine klassische Outdoor-Kleidung, die ihn ein wenig wie die Eifelversion von Indiana Jones aussehen ließ. Beigefarbene Cargo-Hose mit vollgestopften Taschen, ein olivgrünes Hemd mit ebenso vielen Ausbuchtungen, eine Weste mit noch mehr Taschen und diesen gekrempelten Hut mit Kinnschnürung.

Tilla neigte den Kopf ein wenig, während sie ihn musterte.

»Wir wollen unbedingt vor Mittag den Wald erreichen.«

Von Joos’ alter Mühle bis hierher zum Marktplatz von Elzbach waren es keine zwei Kilometer. Dennoch blickte sie in die bereits mächtig verschwitzten Gesichter einiger Wanderer, die sich um den HY herum versammelt hatten. Es war Hölzis neue Survival-Gruppe, die sie bereits gestern Nachmittag kennengelernt hatte, als die Teilnehmer für die erste Nacht ihres Erlebnistrips bei Joos angekommen waren.

Das Geschäftsmodell hatte sich Hölzi einfallen lassen. Er wollte die Menschen näher an die Natur heranführen. Mittlerweile startete er all seine Survival-Touren von der Mühle aus. So konnten seine Gäste in Ruhe anreisen und noch eine gemütliche Nacht in einem Bett verbringen, bevor es in die raue Wildnis ging.

Tilla mochte es, wenn sich das alte Gemäuer hin und wieder mit fremden Menschen füllte.

»Aber lenk nicht ab. Was du da machst, habe ich gefragt. Du kannst doch nicht einfach so deine Zettel an die Bäume tackern.«

Sein Blick richtete sich auf den Tacker in ihrer Hand.

»Bitte was?«, fragte sie verdutzt zurück.

Dann verstand sie.

»Ach so, die Vermisstenzettel.«

Sie hielt dem aufgebrachten Hölzi eines der Blätter unter die Nase, die sie sich unter den Arm geklemmt hatte.

Dessen Stirn legte sich in Falten, als er zu lesen begann.

»Dein Miau Tse-tung ist ausgebüxt?«, fragte er mitfühlend.

Tilla nickte.

»Seit drei Tagen ist er nicht mehr nach Hause gekommen.«

Sie hielt kurz inne. Wie leicht es ihr auf einmal über die Lippen ging. Dieses nach Hause. Noch vor anderthalb Jahren hätte sie darüber gelacht. Und doch war es so. Die alte Mühle war mittlerweile für sie das, was einem Zuhause am nächsten kam.

»Trotzdem, Tilla!« Hölzi hob den Arm, aber nicht, um nach dem Zettel zu greifen, sondern um ihn mitsamt Tillas Hand zur Seite zu schieben.

»Du kannst doch hier nicht so einfach Sachen an die Bäume tackern!«

»So? Warum nicht?«

»Warum, warum! Weil Bäume auch Lebewesen sind!«

»Das machen doch alle so.«

»Schlimm genug!«

»Ich will meinen Kater zurück! Deshalb …«

»Aber doch nicht damit! Soll ich dir mal in den Arm tackern?«

Mit einem unterdrückten Stöhnen wandte sie sich von ihm ab. Sie öffnete die geteilte Hecktür des HY und verschwand mit dem Oberkörper im Inneren des uralten Transporters. Zwischen Zeitschriften, Süßigkeiten und Konserven fand sie schnell, wonach sie suchte.

Mit dem Paketband in der Hand kehrte sie zurück und machte sich ohne ein weiteres Wort daran, den nächsten Vermisstenzettel damit am Baum zu befestigen, was wider Erwarten erstaunlich gut klappte. Da sie auf die Schnelle keine Schere zur Hand hatte, riss sie das Band einfach mit den Zähnen ab.

Sie hätte sich denken können, dass sie Ärger bekam, wenn Hölzi sie mit dem Tacker erwischte. Er hieß eigentlich Thomas Rosenholz. Den Spitznamen hatte man ihm in seiner Försterausbildung verpasst, weil »Baumflüsterer« zu lang war. Denn nichts anderes war Hölzi. Ein Mann, der wie kein Zweiter mit der Natur verbunden und felsenfest davon überzeugt war, dass Bäume nicht nur lebten, sondern miteinander kommunizierten.

Tilla hatte keine Meinung dazu, lauschte aber gerne den ausschweifenden Erklärungen, mit denen er seine These stützte. Diese Leidenschaft, mit der er Dinge tat, schätzte sie sehr an ihm.

»Und wie kommst du mit deiner neuen Truppe voran?«, raunte sie ihm zu.

Hölzi trat einen Schritt näher an sie heran.

»Großstädter eben.« Auch er flüsterte. »Groß im Sprücheklopfen. Wollen endlich mal was erleben. Ein echtes Männerabenteuer. Du verstehst? Aber Theo pfeift schon jetzt aus dem letzten Loch. Den muss ich im Auge behalten.« Er zeigte auf einen einladend lächelnden Mann mit einem enormen ausladenden Bauch.

Tilla nickte. Und wie sie verstand. Und auch wieder nicht. Was trieb erwachsene Männer bloß dazu, ein Wochenende in der Wildnis zu verbringen? Schlimmer noch, Hölzi lieferte seinen Kursteilnehmern eine Survival-Erfahrung, die selbst Hartgesottene an ihre Grenzen brachte. Völlig auf sich allein gestellt, verbrachten sie das Wochenende in der urigen Natur der alten Eifeler Wälder.

»Wir wollen an der Elz entlang zum Felsensteig und uns von dort in den Wald hineinschlagen.«

»Hui, klingt ja aufregend.«

»Ist es auch. Tief im Wald werden wir eine Quelle ausfindig machen und uns dort mit einem Wasservorrat eindecken. Ich werde ihnen zeigen, wie man das Wasser aufbereitet und dann …«

Tilla legte ihren Zeigefinger auf seinen Mund, um ihn zum Schweigen zu bringen. Sie schenkte ihm ihr charmantestes Lächeln.

»Nicht böse sein, aber ich will hier schnell fertig werden und muss dann los nach Kempenich zu meiner Kundschaft.« Sie warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr an ihrem Handgelenk. »Bin schon wahnsinnig spät dran. Erzähl mir den Rest ein andermal.«

Hölzi zuckte mit der Augenbraue. »Kempenich?«

Er wirkte etwas unbeholfen, als er erst ihren Transporter, dann sie ansah.

»Hältst du es wirklich für eine gute Idee, mit der fahrenden Wellblechhütte solch weite Strecken zurückzulegen?«

Sie drehte sich um und tätschelte den türkisfarbenen Kotflügel des HY. Unter ihren Fingerkuppen spürte sie eine raue Rostblase, die drauf und dran war, sich durch den dicken Lack hervorzudrücken. Sie machte sich eine gedankliche Notiz. Ein klarer Fall für Alles-Ganz-Macher Joos. Tilla wüsste gar nicht, was sie ohne diesen Mann tun sollte, der nicht nur zu einer Art Vaterersatz, sondern auch zum WG-Partner und besten Freund für sie geworden war.

»Ist doch bloß Landstraße. Außerdem ist der Wagen zuverlässiger als jeder Mann, mit dem ich mich bislang eingelassen habe.«

»Ja, na gut, dann will ich dich nicht länger aufhalten.« Er tippte gegen die Hutkreppe und gab einen Laut von sich, als würde er ein Pferd herbeirufen. Doch es waren nur vier Großstädter, die seinem Ruf folgten und mit ihm fortzogen.

Tilla wandte sich den nächsten Bäumen zu, und jedes Mal, wenn sie einen Blick auf das Plakat warf und ihren Kater sah, schmerzte ihr das Herz.

»Möööäääh!«

Tilla fuhr vor Schreck zusammen. Ruckartig drehte sie sich um und starrte in die schwarzen Augen von … einem Schaf.

Es gaffte Tilla so dämlich an, wie nur diese Tiere es konnten.

Tilla schüttelte resigniert den Kopf. Wie sehr ihr das Landleben manchmal zu schaffen machte …

Wieder wandte sie sich dem Baum zu und hantierte ungelenk mit dem Handzettel herum. Hinter ihr wurde es zunehmend unruhiger. Blökender.

»Verdammt noch mal …«

Sie drehte sich noch einmal um.

Langsamer. Vorsichtiger.

Auf einmal war alles voller Schafe. Unzählige Köpfe hatten sich ihr zugewandt. Die friedvollen Augen stierten sie interessiert an. Die rosafarbenen Nasen blähten sich auf. Schafe. Überall Schafe. Der ganze Marktplatz von Elzbach war voll von diesen Tieren.

Tilla zuckte noch einmal zusammen, als sie von etwas Wolligem gestreift und ihr mit einem entschiedenen Ruck der Vermisstenzettel aus der Hand gerissen wurde.

Kapitel 2

Hinter dem Steuer ihres faltigen Schnuckelchens fühlte sie sich frei. Außerdem war der Wagen hübsch, nein, außerordentlich schön sogar – zumindest auf den zweiten Blick. Rustikal und kantig. Wie ein unförmiges, übergroßes Insekt, jedoch mit putziger Schweinsnase. Gänzlich anders präsentierte sich das Innenleben. Joos hatte ihr in unzähligen Stunden Fleißarbeit ein Interieur gezaubert, das einem französischen Tante-Emma-Laden im Fünfziger-Jahre-Look in nichts nachstand. Es war alles vorhanden, von den handgemachten Eifeler Kartoffelchips und herzhaften Wildschweinwürsten über Himbeerlollis und naturtrüben Apfelsäften bis hin zu regionalen Schnäpsen und Riesling-Weinen – einschließlich ausladendem Tresen und bis zur Decke reichenden Regalen.

Tilla hatte sich sofort in den HY verliebt, als Joos damit angekommen war. Dabei war er damals bloß ein Schatten seiner selbst gewesen. Angefressen von Rost. Ein Scheinwerfer hatte gefehlt, die geteilte Frontscheibe war gesprungen und das Innenleben komplett vermodert gewesen.

Gemeinsam hatten sie unzählige Stunden an diesem Oldtimer geschraubt und gehämmert, lackiert und geschweißt. Sie hatte zwar bloß die Handlangertätigkeiten erledigt, aber es fühlte sich für sie trotzdem so an, als hätte sie diesem Wagen ein zweites Leben geschenkt. Ein Leben, das sie nun mit ihm teilen durfte.

Und auch dieses Mal ließ er sie nicht im Stich. Sie erreichte Kempenich mit nur einer Viertelstunde Verspätung.

Das war zu verkraften, fand sie.

Kaum war sie um die Ecke in das kleine Sträßchen gebogen, winkte ihr bereits ein halbes Dutzend Gehstöcke zu.

Zwei Herren ließen es sich nicht nehmen, ihr beim regelkonformen Einparken behilflich zu sein.

Sie stellte den Motor ab, rutschte vom Fahrersitz, schnürte sich beim Betreten des Verkaufsraums die fliederfarbene Schürze um und schob die große Seitenklappe auf.

Jedes Mal aufs Neue genoss sie diesen Augenblick, wenn das Tageslicht in den hinteren Bereich des Lasters strömte und all ihre Waren mit hübschem Glanz überzog.

Strahlend begrüßte sie die ersten Kunden des Tages: »Guten Morgen zusammen.«

»Sie werden immer unpünktlicher!« Mit grimmigem Blick tippte Herr Henkel auf das Ziffernblatt seiner Uhr am Handgelenk.

Er stand ganz vorne – so dicht am Wagen, dass sie ihm beim Öffnen beinahe die Wellblechklappe vor die Nase geschlagen hätte.

»Und was haben Sie mit Ihren Haaren gemacht?«

»Getönt, Herr Henkel. Erdbeerblond. So zumindest stand es auf der Verpackung.«

Herr Henkel rümpfte die Nase.

»Also ehrlich, Sie sind so ein hübsches Mädchen. Warum muss man sich da so verschandeln? Und dann die dicke Schminke in Ihrem Gesicht.«

»Das ist Kajal.«

»Und all die bunten Bilder auf Ihrer Hand.«

»Das sind Tattoos.«

»Zu meiner Zeit, als ich noch zur See gefahren bin, hatten das damals nur die Hafenhu…«

»Günni, jetzt lass aber mal gut sein«, wies Frau Gilles ihn barsch zurecht.

Eine kleine Frau mit der kompakten Statur stand dicht hinter ihm und verpasste ihm einen heftigen Klaps auf den Hinterkopf, sodass seine staubgraue Schirmmütze nach vorn rutschte.

Herr Henkel zuckte zusammen.

»Naja, hab die Tönung tatsächlich ein wenig zu lange einwirken lassen«, gestand Tilla und zog eine Strähne aus ihrem Knoten und strich sich über das glatte Haar. »Deshalb ist das Erdbeerblond eben doch ein wenig pinkstichig geworden.«

Ihr gefiel es trotzdem. Sie war ohnehin ein farbenfroher Mensch.

Frau Gilles zwinkerte ihr liebevoll zu, während sie ihren kleinen, wolligen Hund streichelte, den sie im Arm hielt.

Tilla, ganz der Katzenmensch, konnte mit Hunden nicht allzu viel anfangen, doch sie fand es klasse, dass immer mehr Seniorenzentren ihren Bewohnern die Haltung von Haustieren erlaubten.

»Gut, wäre das mit den Haaren ja geklärt«, raunte Herr Henkel übellaunig. »Kann ich dann endlich einkaufen, ja?«

Tilla schenkte ihm ein zuckerwattiertes Lächeln. Es kostete sie überhaupt keine Überwindung – auch wenn der Mann sie gerade unterschwellig als Hafenhure tituliert hatte, sie mochte den alten Kauz. Das war wohl eine der wenigen positiven Begleiterscheinungen des Älterwerdens: Man ließ einem einfach viel mehr durchgehen.

»Dasselbe wie immer, Herr Henkel?«

»Muss.«

Weiterhin gut gelaunt, griff sie nach einer Papiertüte und begann zu packen: eine Schachtel Chesterfield und zwei kleine Fläschchen Strothmann Weizenkorn.

»Sehr schön.«

Herr Henkel schenkte ihr zum ersten Mal an diesem Morgen etwas, das einem Lächeln zumindest ansatzweise nahekam.

»Und dann hätte ich gerne noch eine Dose Corned Beef, einen Bund Möhren und …«, er trat näher an die Verkaufstheke heran und reckte sein Kinn, »vielleicht noch etwas zu … lesen?«

Dabei zwinkerte er ihr so umständlich zu, dass es Tilla schwerfiel, ernst zu bleiben.

»Klaro!«

Mit beiden Händen umgriff sie die gerade gepackte Papiertüte, ging in die Hocke und stellte sie neben sich, um das Sortiment unterhalb der Ladentheke in Augenschein zu nehmen. Die neueste Ausgabe der Reif & Drall ließ sie in der aktuellen Rhein-Zeitung verschwinden und packte diese in die Tüte.

»Der Artikel wegen«, rechtfertigte sich Herr Henkel, wie er es an jedem Monatsanfang tat.

Nun kamen das Dosenfleisch und die Möhren in die Tüte. Genau so, dass alles Darunterliegende verdeckt wurde. Tilla wusste genau, dass diese Lebensmittel oft nur Alibi-Käufe waren, um die Schmuddelheftchen, vor allem aber den Korn und die Zigaretten an der Heimleitung vorbeizuschmuggeln.

Es war eine stille Übereinkunft, die sie mit allen Kunden hatte, die sich für ihre Bückware interessierten.

Und wahrscheinlich war genau das der Grund, warum sie sich gegen die Lieferdienste der Supermarktketten durchsetzen konnte: ein Sortiment, das perfekt und persönlich auf ihre Kunden zugeschnitten war.

Leben und leben lassen, sagte Tilla sich immer. Natürlich tat sie der Kundschaft mit diesen Lieferungen keinen gesundheitlichen Gefallen. Doch sie waren alt genug, um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Und wenn Tilla auf dieser Welt eine Sache mehr als alles andere gegen den Strich ging, dann war es die Aufhebung der Selbstbestimmung. Ob Motorradfahren ohne Helm, Anschnallpflicht oder der Genuss von Rauschmitteln. In ihren Augen hatte kein Mensch das Recht, einem anderen vorzuschreiben, wie er zu leben hatte, wenn er mit seinem Tun keinen anderen gefährdete.

Sie selbst hatte sich vorgenommen, ebenfalls wieder mit dem Rauchen anzufangen, wenn sie die siebzig überschritten hätte. Bei Zeus, sie würde mit Leib und Seele Kettenraucherin werden!

Mit einem knappen Nicken tapste Herr Henkel, die schwere Tüte vor sich hertragend, zurück in Richtung Seniorenheim.

Vermutlich landeten die Möhren im hauseigenen Streichelzoo, noch ehe er in der Stube aus seinen Schlappen geschlüpft war.

»Und nächsten Samstag dann wieder pünktlicher, Fräulein!«, rief er ihr über die Schulter hinweg zu.

»Aye, aye, Sir!«

Tilla salutierte zum Spaß, aber das bekam Herr Henkel nicht mehr mit.

Sie senkte den Blick und arrangierte die Zeitschriften auf der Theke neu, als Frau Gilles an sie herantrat.

»Also, was darf es heute sein?«

»Na, dasselbe wie immer.«

So ging es eine ganze Weile weiter, bis die Schlange sich auflöste und der Inhalt ihres Wagens sich zunehmend leerte. Zum Schluss war es nur noch eine einzelne Dame, die vor der Luke stand.

»Die Frau Metzler!«

Tilla freute sich, als sie die kleine Frau mit den gutmütigen Zügen vor sich stehen sah. Sie mochte Frau Metzler, denn sie war freundlich und überaus witzig. Sie hatte die für ältere Damen typische, in Wellen gelegte Kurzhaarfrisur und eine große, runde Hornbrille, die ihre Augen geradezu riesig erscheinen ließen. Neben ihr hockte Humphrey, ihr Basset-Mischling, der ihr stets auf Schritt und Tritt folgte. Er hatte kleine, dünne Beinchen, einen langen, dackelförmigen Körper und riesige, superweiche Schlappohren. Sein Fell war auf dem Rücken schwarz und braun und vom Bauch an beinahe völlig weiß, als wäre er durch ein Milchbad gelaufen. Vielleicht war er auch ein wenig pummelig, was die langen hellbraunen Schlappohren aber nur noch mehr zur Geltung brachte.

»Sie habe ich ja schon lange nicht mehr gesehen. Wie geht es Ihnen?«

Die Frau lächelte nicht, schaute Tilla aber aufmerksam in die Augen. Ein kurzer Blick nach links, gefolgt von einem längeren Blick nach rechts.

»Man sagt, Sie können alles besorgen«, begann sie zaghaft.

»Und ob!«

»Können Sie auch eine Knarre beschaffen?«

Tilla runzelte die Stirn, glaubte, sich verhört zu haben. Deshalb beugte sie sich nach vorn.

»Wie bitte?!«

Frau Metzler ging ihrerseits auf die Zehenspitzen, ihre Nasenspitze lugte gerade so über den Thekenrand.

»Ob Sie auch eine Knarre organisieren können«, wiederholte sie ihre Frage. »Eine Wumme, einen Schießknüppel – wie nennt man die Dinger denn heutzutage?«

»Sie wollen, dass ich Ihnen eine Pistole besorge?«

Das faltige Gesicht erhellte sich, während Tilla sie irritiert ansah.

Neben Frau Metzler bellte der Hund freudig auf, woraufhin er sofort von seinem Frauchen in die Schranken verwiesen wurde.

»Pscht, Humphrey, bist du wohl still!«

Der Hund wimmerte leise und duckte kurz den schweren Kopf. Dann sah er Tilla mit großen Augen und heraushängender Zunge an. Tilla wusste, dass er sie liebte. Nicht, weil sie ein besonderes Händchen für Hunde hatte, sondern weil er von ihr stets ein Stück vom Fleischwurstkringel bekam.

»Darf er ein Stück Wurst haben?«, fragte sie weiter gut gelaunt und hoffte, das Thema Pistole damit erledigt zu haben.

Frau Metzler nickte abwesend. »Ja, doch, aber haben Sie denn nun eine Pistole für mich?«

Tilla nahm den Kringel von der Holzstange und schnitt ein großzügiges Stück ab. »Hier, mein Guter.«

Der Schwanz des Hundes schlug aus wie eine Wünschelrute.

Gezielt ließ sie den Leckerbissen vor dem Hund fallen. Humphrey bellte, schnappte danach und verfehlte ihn um Haaresbreite. Sie konnte sehen, wie die Wurst unter den Wagen kullerte. Die schwarze Schnauze des Bassets suchte den Boden ab und verschwand schließlich ebenfalls unter dem HY.

»Was wollen Sie denn mit einer Pistole?«, fragte Tilla.

»Na, mich beschützen.« Die Antwort kam so inbrünstig, dass Tilla selbst für einen Moment überzeugt war, die dümmste Frage der Welt gestellt zu haben.

Sie hielt dem Blick der alten Dame stand, suchte einen Funken Humor darin. Vergeblich.

»Ich glaube, dass man mir nach dem Leben trachtet«, erklärte sie nun in todernstem Tonfall, als Tilla noch immer nicht reagierte. Noch einmal ragte die Nasenspitze über den Thekenrand. »Haben Sie nun eine Pistole für mich oder nicht?«

Tilla gab ein lang gezogenes »Hm« von sich. Sie fürchtete um den Geisteszustand der alten Frau. Ob sie der Heimleitung von dieser mysteriösen Bitte berichten sollte? Bislang hatte Tilla nie den Eindruck gehabt, Frau Metzler sei senil. Aber was wusste sie schon über Demenz und Altersschizophrenie?

Unter ihren Füßen rumpelte und polterte es, dann hörte sie heiseres Hundegebell.

»Humphrey! Kommst du wohl da unten raus!«

Tatsächlich erschien im nächsten Augenblick der Kopf des Hundes – mit der erbeuteten Wurst in der Schnauze.

»Ich bin auch bereit, jeden Preis dafür zu zahlen. Also?«

Tilla wusste nicht recht mit der Situation umzugehen, sie wollte die alte Frau keineswegs vor den Kopf stoßen. Deshalb sagte sie: »Solche Ware habe ich natürlich nicht vorrätig. Aber ich werde sehen, was ich für Sie tun kann, Frau Metzler. In Ordnung?«

Die kleine Frau nickte eifrig.

»Sehr gut, aber machen Sie bitte schnell, bevor es zu spät ist!«

Kapitel 3

»Wir sind da!« Als Hölzi unmittelbar vor dem Eingang einer Höhle stehen blieb und den vier Männern mit einem Nicken zu verstehen gab, dass sie ihr Ziel erreicht hatten, erntete er ungläubiges Schweigen.

Sie sahen fertig aus. Die atmungsaktiven Markenklamotten waren schmutzig und verschlissen; sie waren eben nichts für die echte Wildnis. Gut, er hatte ihnen auch bereits einiges abverlangt. Sie hatten Rinde gegessen, eine Quelle gefunden und ihr Wasser selbst abgekocht – über Feuer, das sie nur mithilfe von Reibung und trockenem Holz entfacht hatten. Seit über zehn Stunden waren sie nun im Wald unterwegs. Das konnte Bürohengste ganz schön schlauchen.

Es wurde also Zeit für ein authentisches Waldabendessen und den Schlaf der Gerechten.

Auf Hölzis heutigem Speiseplan standen Wurzeln, Beeren und Insekten – hauptsächlich Insekten. Denn von denen gab es in der Höhle, vor der sie standen, reichlich.