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Die Eifel versinkt im Schnee! Den Vorweihnachtszauber kann Tilla allerdings kaum genießen, denn sie soll den perfekten Weihnachtsbaum für ihre anspruchsvolle Mutter beschaffen. Dabei gerät Tilla zwischen die Fronten der rivalisierenden Tannenbaum-Bauern Erik und Günter. Kurze Zeit später ist Erik tot. Zu allem Überfluss scheint es auch noch im Altenheim von Elzbach zu spuken. Sind es vielleicht die Geister der Weihnacht, die dort ihr Unwesen treiben? Tilla ermittelt gemeinsam mit Polizist Ben - sie sind einfach ein perfektes Team. Warum nur hat Ben offenbar keine Lust, Heiligabend mit ihr zu verbringen?
Über die Serie:
Tilla liebt ihr Leben in einer restaurierten Wassermühle in der idyllischen Eifel. Ihr ganzer Stolz ist der liebevoll aufbereitete Oldtimer-Kastenwagen, mit dem sie als fahrendem Krämerladen die Eifeler Kundschaft mit allem Möglichen und Unmöglichen versorgt. Dabei kriegt die Mittdreißigerin eine Menge mit: Gerüchte, Geheimnisse und ... Morde! Und auch sonst ist ihr Leben alles andere als ruhig: Romantische Avancen, ihre chaotische Mutter und allerlei alltägliche Katastrophen halten Tilla auf Trab - und doch würde sie ihr Eifelglück um nichts in der Welt tauschen.
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Seitenzahl: 151
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Die Eifel versinkt im Schnee! Den Vorweihnachtszauber kann Tilla allerdings kaum genießen, denn sie soll den perfekten Weihnachtsbaum für ihre anspruchsvolle Mutter beschaffen. Dabei gerät Tilla zwischen die Fronten der rivalisierenden Tannenbaum-Bauern Erik und Günter. Kurze Zeit später ist Erik tot. Zu allem Überfluss scheint es auch noch im Altenheim von Elzbach zu spuken. Sind es vielleicht die Geister der Weihnacht, die dort ihr Unwesen treiben? Tilla ermittelt gemeinsam mit Polizist Ben – sie sind einfach ein perfektes Team. Warum nur hat Ben offenbar keine Lust, Heiligabend mit ihr zu verbringen?
Tilla liebt ihr Leben in einer restaurierten Wassermühle in der idyllischen Eifel. Ihr ganzer Stolz ist der liebevoll aufbereitete Oldtimer-Kastenwagen, mit dem sie als fahrendem Krämerladen die Eifeler Kundschaft mit allem Möglichen und Unmöglichen versorgt. Dabei kriegt die Mittdreißigerin eine Menge mit: Gerüchte, Geheimnisse und … Morde! Und auch sonst ist ihr Leben alles andere als ruhig: Romantische Avancen, ihre chaotische Mutter und allerlei alltägliche Katastrophen halten Tilla auf Trab – und doch würde sie ihr Eifelglück um nichts in der Welt tauschen.
Ein tödliches Fest
»Ich kann nicht glauben, dass wir das wirklich machen!« Tilla pustete sich eine Strähne aus ihrer Stirn, die sich unter der Bommelmütze befreit hatte.
»Nicht meckern, mit anfassen«, ermahnte Joos sie keuchend. »Das Teil ist furchtbar schwer.« Und so wuchteten sie zu zweit den riesigen Tannenbaum aus ihrem Transporter, der nicht nur schwer, sondern mit seinen drei Metern auch enorm lang war. Sie hatten die Hecktüren offen lassen und eine rote Fahne befestigen müssen, um ihn sicher nach Hause zu transportieren. Und da er nicht nur schwer und lang war, sondern auch Nadeln hatte, die piksten, stand ihre Mutter natürlich nur daneben, statt ebenfalls zu helfen. Immerhin gab sie dem rückwärtsgehenden Joos Navigationsanweisungen. »Etwas mehr links und jetzt nach vorn, Achtung – Schlagloch! Ja, so ist gut.« Ächzend, stöhnend und keuchend befreiten sie das Monstrum von Baum aus Tillas Transporter.
»Weißt du, Renate.« Obwohl sie eine gewisse Wut im Bauch verspürte, war Tilla um einen freundlichen Tonfall bemüht. »Es wäre einfacher, wenn du mit anpacken würdest.«
Erbost streckte ihre Mutter die in dünnen Wollhandschuhen steckenden Hände aus. »Du weißt doch, wie empfindlich meine Haut ist«, beschwerte sie sich. »Von den piksenden Nadeln bekomme ich jede Menge rote Pünktchen, die dann wie verrückt jucken.«
Joos sah sie vorwurfsvoll an. »Dann hättest du dir besser mal einen Baum mit Nadeln aussuchen sollen, die nicht piksen.«
»Das hätte ich natürlich tun können, aber dann wäre es kein so schöner Baum.«
Nun schnaufte Tilla, denn genau das war ja das Problem dieses Monsterbaumes. Er war nicht schön genug. Zumindest nicht in den kritischen Augen ihrer Mutter.
Die klatschte zweimal in die Hände, was mit den Wollhandschuhen ziemlich dumpf klang. »Kommt schon, ich habe nicht den ganzen Nachmittag Zeit. Außerdem wird das Wetter immer ungemütlicher.« Sie hob den Kopf und stellte den riesigen Kragen ihres bunt gefilzten Winterponchos auf.
Tilla sparte sich den Kommentar, dass sie auch dickere Handschuhe hätte anziehen können, um zu helfen. Auf ein Nicken hin hoben sie und Joos den Baum erneut an und stapften mühsam durch das frische Schneeflockengestöber. Es war der erste Schnee in diesem Winter, und obwohl es erst Mitte Dezember war, war es bereits so kalt, dass er als zuckrige Schicht auf dem Boden liegen blieb.
Renate ging voraus und führte sie zwischen den geparkten Autos hindurch, den schneebedeckten Pfad entlang, der geradewegs zum Bauernhof führte. Dieser war weihnachtlich geschmückt und gespickt mit bunt blinkenden Lichterketten, die sich an der hohen Mauer entlangzogen. Überhaupt hingen überall bunte Lichterketten, die hektisch blinkten, was dem Bauernhof allerdings weniger ein weihnachtliches Flair als eher das Ambiente einer Kirmes verlieh.
Inmitten des Hofes standen Reihen unzähliger Tannenbäume, die in ordentlichen Linien der Größe nach angeordnet waren. Sich am Baum abschleppend, traten sie durch die Einfahrt. Tilla erblickte einen Stand am Rand des Hofes, an dem Glühwein verkauft wurde. Der würzige Duft von Zimt und Nelken wehte in der kalten Luft zu ihnen herüber. Kinder spielten im Schnee, während ihre Eltern sich die Bäume ansahen oder sich am Glühweinstand aufwärmten.
Doch auch hier wurde jedweder Anflug einer vorweihnachtlichen Stimmung zunichtegemacht, weil aus den Boxen Musik dröhnte, die so gar nicht in diese winterliche Atmosphäre passen wollte. Es waren Reggaeklänge.
Ein Mann mit dicker Daunenjacke und Gummistiefeln näherte sich ihnen. Er hatte eine Baumwollmütze tief ins Gesicht gezogen, die er sich nun nach hinten schob und eine hohe Stirn preisgab, als er unmittelbar vor ihnen zum Stehen kam und sie unsicher anlächelte.
»Hallo«, sagte er. »Ich bin Erik Nolden, der Hofbesitzer.« Er rieb sich die Hände, vermutlich der Kälte wegen. Aus dem unsicheren Lächeln wurde ein belustigtes Grinsen. »Bringt ihr euren eigenen Baum zum Weihnachtsbaumverkauf mit?« Er neigte spielerisch den Kopf. »Ich fürchte, ihr habt da etwas falsch verstanden.« Nun lachte er aufrichtig, doch weder Renate noch Joos und schon gar nicht Tilla schlossen sich dem an. Tilla ließ den Baum einfach los, sodass die Spitze im Schnee landete, direkt vor den Füßen des Bauernhofbesitzers.
»Wir sind hier«, übernahm Renate die Wortführung, »weil wir diesen Baum umtauschen wollen.« Mit dem Wollhandschuh zeigte sie auf den Baum und nickte Joos zu, der ihn ächzend in die Höhe wuchtete.
»Umtauschen?«, wiederholte der Bauer und hörte endlich mit seinem Gegrinse auf.
»Ganz genau!«, beharrte Renate.
»Aber … warum?« Er fuhr sich mit der Hand unter die Mütze und kratzte sich am arg nach hinten gerutschten Haaransatz.
»Weil ich mich eben umentschieden habe. Er passt so gar nicht in die Feng-Shui-Ausrichtung meines Wohnzimmers.«
Deines Wohnzimmers?! Tilla horchte auf und bekam mit, dass auch Joos Kopf überrascht in ihre Richtung zuckte.
»Feng-Shui«, wiederholte der Mann leise und betrachtete den Baum zum ersten Mal ausgiebig, als versuchte er diesen Begriff damit in Einklang zu bekommen. Den verkrampften Zügen nach zu urteilen, schien es ihm nicht so recht zu gelingen.
Renate jedoch zeigte sich gänzlich unbeeindruckt von seinem offensichtlichen Unbehagen und sprach von Harmonie und perfekter Ausrichtung, während Tilla sich die Superkraft herbeiwünschte, sich in Luft auflösen zu können. Warum hatte sie sich darauf eingelassen, bei dieser Umtauschaktion zu helfen?
Als Renate mit ihrer Ausführung fertig war, sah sie den Mann ernst an. »Es gibt doch wohl auch bei Bäumen ein zweiwöchiges Umtauschrecht?«
Mit dieser Frage schien er nun vollkommen überfordert.
»Ich glaube nicht, dass es das gibt«, flüsterte Tilla ihr hinter vorgehaltener Hand zu, aber dennoch so laut, dass auch der Mann sie hörte. »Soweit ich weiß, sind Naturprodukte wie Pflanzen und Bäume von jeglichem Umtausch ausgeschlossen.«
Der Bauer nickte dankbar. »Ganz genau!«
Renate hingegen befeuerte ihre Tochter mit Todesblicken.
Erik trat einen Schritt auf den Baum zu und betrachtete ihn genau. »Nun, in Ihrem Fall würde ich gerne eine Ausnahme machen und den Baum dennoch zurücknehmen.« Er sah Renate und Joos abwechselnd an. »Bloß stammt dieser Baum nicht von meiner Schonung. Und deshalb kann ich ihn auch nicht zurücknehmen.«
»Bitte was?« Renates Brauen schossen nach oben – so hoch, dass sie beinahe gänzlich unter ihrer Nepalmütze verschwanden.
»Sie müssen den Baum woanders gekauft haben«, wurde Erik deutlicher. »Er stammt nicht von meiner Plantage.«
»Das kann nicht sein!« Renate verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe ihn vor zwei Tagen an Ihrem Stand auf dem Marktplatz in Elzbach gekauft. Klar ist der von Ihnen.« Joos nickte zustimmend.
Der Verkäufer lächelte unerbittlich. »Ist er nicht. Ich habe zwar einen Stand in Elzbach, aber direkt daneben ist auch der Stand eines anderen Weihnachtsbaumverkäufers.« Wieder kratzte er sich am Kopf. »Es sieht so aus, als ob dieser Baum von ihm stammt. Und ehrlich gesagt hätte ich Ihnen niemals einen Baum von solch einer miserablen Qualität verkauft.« Er beugte sich vor und zog an einem der Tannenäste, streckte ihn Renate entgegen. »Sehen Sie, der ganze Baum ist schon ziemlich trocken. Meine Bäume hingegen sind absolut frisch.«
»Tja, und jetzt?« Mit einem Mal sah Renate ziemlich ratlos aus.
»Ich würde Ihnen vorschlagen, Sie bringen den Baum zu Günni, der hat seinen Hof auf der anderen Seite des Tals. Er wird Ihnen dieses kümmerliche Gewächs angedreht haben. Dann soll er ihn auch wieder zurücknehmen.«
Auch Joos ließ den Baum nun los, woraufhin dieser, vom schweren Stamm nach unten gedrückt, an Tillas Ende in die Höhe federte und sie mit einem Nebel aus Schneestaub und Matsch bestäubte. »Ich schleppe das Gestrüpp ganz bestimmt nicht mehr zurück in den Wagen«, verkündete er.
»Und ich auch nicht!«, schoss Tilla hastig hinterher.
»Aber … wir brauchen doch einen schönen Baum für unser Weihnachtsfest!« Renates Unterlippe schob sich nach vorn, und Tilla befürchtete das Schlimmste. Aber ihre Mutter riss sich zusammen. »Es ist doch unser erstes gemeinsames Weihnachten in der Mühle. Das ist etwas ganz Besonderes.«
Tilla konnte sich ihrer Euphorie nicht anschließen. Was jedoch nicht an der Aussicht lag, dass sie nach all den Jahren Weihnachten wieder mit ihrer Mutter feierte. Nein, es war sogar ihre Idee gewesen, in der Mühle eine Weihnachtsparty an Heiligabend auszurichten. Und dazu hatte sie alle eingeladen, die ihr am Herzen lagen. Nur die Person, auf die sie sich besonders gefreut hatte, hatte ihr einen Korb gegeben.
Zumindest der Verkäufer strahlte. »Na, dann sind Sie hier doch goldrichtig. Ich habe jede Menge wundervolle Weihnachtsbäume. In allen Größen und Formen. Ich habe kleine Bäume und große Bäume, buschige und schlanke, knubbelige und erhabene …« Er zwinkerte Renate mit einem spitzbübischen Lächeln zu. »Und allesamt sind sie garantiert Feng-Shui-tauglich!«
Tilla musste grinsen, doch Joos brummte genervt vor sich hin. »Also kaufen wir jetzt noch einen Baum, oder was?«, fragte er übellaunig.
»Ich mache Ihnen auch einen guten Preis«, versprach der Bauer. »Und im nächsten Jahr kommen Sie dann direkt zu mir.«
Also ließen sie sich die besten Bäume zeigen, die der Hof zu bieten hatte. Bloß war keiner dabei, der Renates Ansprüchen genügte.
»Die sind ja alle nicht schlecht«, sagte sie, als Erik ihr den gefühlt dreiundzwanzigsten Baum präsentierte. »Aber irgendwie fehlt ihnen das gewisse Etwas.«
»Sie müssen sich die Bäume natürlich geschmückt vorstellen«, erwiderte er ein wenig bissig, setzte aber sofort wieder sein professionelles Verkaufslächeln auf. »Morgen Vormittag werde ich neue Bäume von meiner Schonung mitbringen. Kommen Sie doch einfach am Nachmittag wieder vorbei, dann habe ich eine größere Auswahl.«
Ein guter Plan, wie Tilla fand. Doch Renate war anderer Meinung. »Ich will aber jetzt meinen Baum!«
»Deinen?«, fragte Joos überrascht, doch Renate ging überhaupt nicht darauf ein.
»Dann nimm dir halt einen Baum«, sagte Tilla, deren ohnehin schon mittelprächtige Laune sich endgültig im Schneegestöber verabschiedete. Ihr war kalt, und allmählich ging ihr die Happy-Sunshine-Reggae-Musik gehörig auf den Wecker.
Der Verkäufer bemerkte wohl, dass die Stimmung zu kippen schien.
»Okay, okay.« Er hob die Hände. »Einen Vorschlag zur Güte. Ich nehme euch jetzt mit zu meiner Schonung, und ihr sucht euch einen Baum aus, den ich dann für euch reserviere, morgen schlage und zur Abholung für euch vorbereite. Einverstanden?«
Renate strahlte. Joos grummelte. Tilla seufzte. Nicht nur, dass sie nicht aus der Kälte kam, nun musste sie auch noch in den Wald.
Der Mann sah sich aufmerksam auf seinem Hof um. Tilla folgte seinem Blick, sah mehrere Dutzend Menschen, die die Baumreihen entlangschlenderten, sich an den Feuerkörben wärmten oder sich Glühwein am Stand einschenken ließen.
»Was soll’s«, sagte er schließlich. »Tanja wird wohl eine Weile allein klarkommen.« Er hob die Hand, winkte. »Tanja!«, rief er. Dann lauter: »Taaaaanja!!«
Hinter dem Glühweinstand hob eine Frau den Kopf, die Tilla auf Mitte vierzig schätzte.
Erik winkte sie heran, was der Frau so gar nicht zu gefallen schien. Sie schüttelte den Kopf und deutete auf den vor ihr stehenden Glühweinbottich, in den sie gerade eine Schöpfkelle tauchte, um Glühwein auszuschenken.
Erik winkte energischer, woraufhin sie widerwillig die Schöpfkelle aus der Hand legte und hinter dem Stand vortrat.
»Das ist meine Frau«, erklärte Erik, während diese durch den Schnee auf sie zugestapft kam und noch mieser gelaunt wirkte, als Tilla es war.
»Tanja«, fügte Erik hinzu. Völlig unnötig, wie Tilla fand. Ihren Namen hatte er laut genug geschrien.
Erst beim genaueren Hinsehen erkannte Tilla, dass sie diese Frau kannte, zumindest vom Sehen her. Sie lieferte für die Vulkanapotheke die Medikamente aus. Hin und wieder sah Tilla sie mit ihrem Apothekenlieferwagen an den Seniorenheimen, die auch sie ansteuerte. Für ein Gespräch hatte ihnen allerdings bislang immer die Zeit gefehlt.
Tanja stand nun vor ihnen, die eine Hand tief in den Taschen eines Plüschmantels versteckt, die andere umfasste ein Smartphone. Unter ihrer schwarz-grün-gelben Baumwollmütze lugten rotbraune geflochtene Strähnen heraus. Tilla vermutete ein hübsches Gesicht hinter den mürrischen Zügen.
»Was ist denn?«, fragte die Frau entsprechend genervt.
»Ich fahre jetzt in die Schonung«, sagte Erik, »und nehme die Herrschaften mit. Kommst du eine Weile ohne mich klar?«
»Und dass du zu mir kommst, um mir das mitzuteilen«, fragte sie barsch zurück, »auf die Idee bist du nicht gekommen?« Doch dann warf sie einen kurzen Blick zurück auf den Glühweinstand und nickte genervt. »Dass du immer so umständlich sein musst. Aber ja, ich komme klar.«
»The Frog eats the Fly«, tönte es aus ihrem Handy.
Erik gab ein genervtes Stöhnen von sich. »Tanja ist gerade dabei, ihr Englisch aufzubessern.« Sein Kinn schob sich in Richtung des Smartphones in der Hand seiner Frau. »Sie nutzt ständig diese Sprach-App.«
Tanja lächelte knapp. »So geht’s eben am besten. Es ist die beste Ergänzung zum VHS-Kurs.«
Ein Ruck ging durch Renates Körper. »Sie besuchen den VHS-Kurs bei Anni? Ich habe auch schon überlegt, daran teilzunehmen, aber leider beißt er sich mit den Terminen meiner Yogastunden.« Sie nickte der Frau zu. »Heutzutage kann man ja gar nicht gut genug Englisch sprechen.«
»Man kann es aber auch übertreiben.« Mit einem Brummen strich Erik über die Haare seiner Frau. »Seit sie einen Urlaub auf Jamaika gemacht hat, ist sie völlig fasziniert von der Kultur dort. Sie hat sich sogar diese Rastalocken dort einflechten lassen.« Er schüttelte leicht den Kopf. »Alles dreht sich nur noch um Jamaika.«
»Weil es eben ein aufregendes Land ist«, pflichtete Tanja bei.
Tilla lächelte. »Das erklärt natürlich die Musik.«
»Gefällt sie Ihnen?«, fragte Tanja hastig, und ehe Tilla antworten konnte, fuhr sie fort: »Für mich ist das die beste Möglichkeit, diesem kalten Wetter zu entkommen.« Sie vollführte ein künstliches Schaudern. »Dieser gottverdammte Schnee«, stieß sie voller Verachtung aus.
Sie ließ das Smartphone in der Manteltasche verschwinden, und Tilla fiel auf, dass sogar ihre Fingernägel extravagant angemalt waren: schwarz, gelb und grün. Die Farben der jamaikanischen Flagge.
Renate schmunzelte. »Gegen die Karibik hätte ich jetzt auch nichts einzuwenden.« Das sah Tilla anders. Für sie konnten Winter gar nicht kalt und verschneit genug sein.
»Und weil sie den Winter so hasst«, sprach Erik weiter, »wollte sie dieses Jahr unbedingt noch in den Süden, ans Meer.«
»Aber du hattest ja keine Zeit, um mitzukommen«, gab sie ein wenig schnippisch zurück.
Erik streckte die Arme von sich, als wollte er den gesamten Hof umarmen. »Natürlich habe ich keine Zeit«, hielt er entgegen. »Es ist Hochsaison. Du weißt doch selbst, wie wichtig die Vorweihnachtszeit für unser Baumgeschäft ist.«
»Na, dann!« Tanja schien da anderer Meinung zu sein, wie ihr missbilligendes Schnauben verriet. »Fahr halt zu deiner Schonung. Ich halte hier derweil die Stellung.« Dann drehte sie sich um und stapfte ohne ein Abschiedswort davon.
»Dieses doofe Jamaika«, grummelte Erik.
Ein schmaler Weg führte sie durch die dicht stehenden Baumreihen, die kaum noch das ohnehin schon spärliche Tageslicht hindurchließen. Erik schaltete die Scheinwerfer seines alten Geländewagens an und versuchte, der aufwirbelnden Schneeflocken mit den Scheibenwischern Herr zu werden.
Während er den Wagen durch den Wald lenkte, erzählte er ihnen von den Bäumen, die er züchtete. »Die meisten hier sind Nordmanntannen und Blaufichten.« Geschickt manövrierte er den Wagen eine Böschung entlang. »Sie sind bei den Leuten besonders beliebt, weil sie ihre Nadeln lange halten und einen schönen Duft verströmen.« Ein Schlagloch schüttelte sie ordentlich durch, wovon sich Erik aber nicht beirren ließ und schon gar nicht vom Gas ging. »Es steckt viel Arbeit darin, bis sie die perfekte Größe und Form erreichen«, fuhr er fort, während er gelegentlich den Rückspiegel überprüfte. »Jedes Jahr schneiden wir sie zurecht, um sicherzustellen, dass sie gleichmäßig wachsen. Es ist eine Kunst für sich, die richtige Balance zu finden, damit jeder Baum sein volles Potenzial entfalten kann. Gleich sind wir übrigens da.« Er zeigte aus dem Fenster, doch aufgrund der immer dichter werdenden Schneeverwehungen konnte Tilla überhaupt nichts erkennen.
»Es kann übrigens gut und gerne acht bis zehn Jahre dauern, bis ein Baum eine passable Größe erreicht hat, um als Weihnachtsbaum verkauft zu werden.« Zum Glück halbwegs vorsichtig nahm er eine enge Kurve. »Das ist ein langer Prozess, aber wenn ich dann sehe, wie Menschen sich über meine Bäume freuen, weiß man, dass die Mühe sich gelohnt hat.« Wieder blickte er in den Rückspiegel und grinste. Dann hielt er an. »So, da sind wir auch schon!«