Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie -  - E-Book

Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie E-Book

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Beschreibung

Sport und Bewegung in der Prävention und Therapie psychischer Erkrankungen Die Wirksamkeit von Sport und Bewegung konnte in der Behandlung von Depressionen, Angsterkrankungen und weiteren psychischen Erkrankungen mittlerweile hinreichend nachgewiesen werden. Dementsprechend sind in vielen psychiatrischen Kliniken sport- und bewegungstherapeutische Angebote integrale Bestandteile der Behandlung. Dieser Band im Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie nimmt die Grundlagen von Sport und Bewegung in der Prävention und Therapie psychischer Erkrankungen aus Perspektive der Psychiatrie und Psychotherapie auf, d. h.: • umfassendes Basiswissen inklusive sportmedizinischer Aspekte • die Kombination von Sport und Bewegung mit den etablierten Behandlungsverfahren in der Psychiatrie und Psychotherapie • Sport und Bewegung bei den wichtigsten psychischen Erkrankungen und über die Lebensspanne • einen Exkurs zu sportspezifischen psychischen Erkrankungen im Freizeitsport. In der psychiatrisch-psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung wird Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen weiter und zunehmend an Bedeutung gewinnen. Dieser Band ist in sich geschlossen, kann aber auch optimal in Ergänzung zum ersten Band im Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie "Psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport" genutzt werden. Beide Lehrbücher bilden zusammen das gesamte Spektrum der Sportpsychiatrie und -psychotherapie ab.

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Malte Christian Claussen

Erich Seifritz

(Hrsg.)

Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie

Band 2: Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen

Unter Mitarbeit von

M. Allroggen

A. Bendau

A. B. Brühl

I. Butzke

M. C. Claussen

F. Colledge

S. Detert

S. Fröhlich

M. Gerber

R. Gupta

C.-B. Gonzalez Hofmann

U. Habel

R. Halioua

A. Hasan

U. M. Hemmeter

K. Henkel

S. Heuss

S. Iff

C. Imboden

P. Jungen

A. Kaiser

A. Karunaharamoorthy

Y. Karrer

N. Kiselev

U. Kohlhaas

L. K. Kühl

R. Krähenmann

M. Langer

C. Mikutta

T. J. Müller

S. Munsch

T. Ngamsri

L. Obexer

M. B. Petzold

E.-M. Pichler

J. Plag

M. I. Raas

A. Röh

J. Rohde

R. Santelli

J. Scherr

G. Schiepek

R. E. Schmidt

A. R. Schneeberger

A. Schorb

D. Sinsel

S. Steiger

A. Ströhle

R. von Känel

K. von Siebenthal

M. Walter

L. M. Wild

P.-M. Wippert

A. Wyssen

Empfohlen/Unterstützt durch die Schweizerische Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie SGSPP

Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie

Malte Christian Claussen, Erich Seifritz (Hrsg.)

Programmbereich Psychiatrie

PD Dr. med. Malte Christian Claussen

PZM Psychiatriezentrum Münsingen AG

Klinik für Depression und Angst

Hunzigenallee 1

3110 Münsingen

E-Mail: [email protected]

Beitragsnachweis: Inhaltliche Konzeption und Bearbeitung des Gesamtmanuskriptes sowie Koordination und Leitung aller mitwirkenden Autor:innen als federführender Herausgeber.

Prof. Dr. med. Erich Seifritz

Psychiatrische Universitätsklinik Zürich

Klinik Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik

Lenggstrasse 31

8032 Zürich

Schweiz

E-Mail: [email protected]

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Copyright-Hinweis:

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Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Anregungen und Zuschriften bitte an:

Hogrefe AG

Lektorat Psychiatrie/Psychotherapie

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Susanne Ristea, Wiebke Erchinger

Redaktionelle Bearbeitung: Susanne Hahn, Meckenheim

Herstellung: René Tschirren

Umschlagabbildung: Getty Images/skynesher

Umschlaggestaltung: Claude Borer, Riehen

Satz: Claudia Wild, Konstanz

Format: EPUB

1. Auflage 2024

© 2024 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96069-2)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76069-8)

ISBN 978-3-456-86069-5

https://doi.org/10.1024/86069-000

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Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I Einführung in die Sportpsychiatrie und -psychotherapie

1 Sportpsychiatrie und -psychotherapieMalte Christian Claussen

1.1 Entwicklung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie

1.2 Fachgesellschaften und Netzwerke

1.3 Aus-, Weiter- und Fortbildung

1.4 Ausblick

2 Sport und Bewegung bei psychischen ErkrankungenMalte Christian Claussen, Ulrich Michael Hemmeter, Carlos-Bernhard Gonzalez Hofmann

2.1 Sport, Bewegung und körperliche Aktivität

2.2 Geschichte der Sport- und Bewegungstherapie

2.3 Sport und Bewegung bei körperlichen Erkrankungen

2.4 Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen

2.5 Voraussetzungen, Limitationen und Kontraindikationen für den Einsatz von Sport und Bewegung

2.6 Wirkfaktoren von Sport und Bewegung

2.7 Psychische Erkrankungen im Kontext von Sport und Bewegung

2.8 Sport und Bewegung in der Prävention

2.9 Fachpersonen in der Organisation und Durchführung von Sport und Bewegung

2.10 Ausblick

3 Sport und Bewegung, Ethik und RechtCarlos-Bernhard Gonzalez Hofmann, Ulrich Michael Hemmeter, Malte Christian Claussen

3.1 Rechtliche Grundlagen ärztlichen Handelns

3.2 Ethische und rechtliche Spannungsfelder

3.3 Besondere Aspekte bei Kindern und Jugendlichen

3.4 Zwangsmaßnahmen

II Wirkfaktoren von Sport und Bewegung

4 Biologische WirkfaktorenAndres Ricardo Schneeberger, Urs Kohlhaas, Karsten Henkel

4.1 Parameter und Kenngrößen von Bewegungsabläufen

4.2 Effekte auf das Gehirn

4.3 Effekte auf Neurotransmitter

4.4 Effekte auf die Energieversorgung des Gehirns

4.5 Effekte auf die zerebrale Durchblutung und das Gefäßsystem

4.6 Effekte auf zerebrale Wachstums- und Entzündungsfaktoren

4.7 Zusammenfassung

5 Psychische und soziale WirkfaktorenSabina Heuss, Andres Ricardo Schneeberger, Ulrich Michael Hemmeter

5.1 Psychische Wirkfaktoren

5.2 Soziale Wirkfaktoren

5.3 Zusammenfassung

III Grundlagen der Therapie psychischer Erkrankungen

6 Therapie psychischer Erkrankungen [Auswahl]Rahul Gupta, Andres Ricardo Schneeberger

6.1 Substanzgebrauchsstörungen

6.2 Schizophrenie und andere Psychosen

6.3 Depressionen

6.4 Bipolar-affektive Störungen

6.5 Angststörungen

6.6 Traumafolgestörungen

6.7 Essstörungen

6.8 Persönlichkeitsstörungen

6.9 Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

IV Sport und Bewegung sowie weitere Behandlungsverfahren in der Therapie psychischer Erkrankungen

7 Grundlagen und Praxis der Sportmedizin: Voraussetzungen und Kontraindikationen für Sport und BewegungStefan Fröhlich, Johannes Scherr

7.1 Kardiovaskuläre Aspekte

7.2 Pulmonale Aspekte

7.3 Infektiologische Aspekte

7.4 Anthropometrische und metabolische Aspekte

7.5 Aspekte des Bewegungsapparats

7.6 Neurologische Aspekte

7.7 Pharmakotherapie

7.8 Weitere Kontraindikationen

7.9 Zusammenfassung

8 Sport- und BewegungsverfahrenAnnette Beatrix Brühl

8.1 „Lifestyle-Psychiatrie“

8.2 Definitionen

8.3 Formen von Sport und Bewegung

8.4 Wirksamkeit

8.5 Zusammenfassung

9 Physikalische VerfahrenAnnette Beatrix Brühl

9.1 Lichttherapie

9.2 Physikalische Therapien

9.3 Massagetherapien

9.4 Zusammenfassung

10 Sport, Bewegung und PsychotherapieMoritz Bruno Petzold, Antonia Bendau, Jens Plag, Andreas Ströhle

10.1 Allgemeine Gesundheitsförderung

10.2 Umgang mit unerwünschten Wirkungen der Pharmakotherapie

10.3 Sport und Bewegung als Behandlungsverfahren

10.4 Spezifische Intervention im Rahmen der Gesamtbehandlung

10.5 Sport und Bewegung als Augmentationsverfahren

10.6 Integration von Sport und Bewegung in die psychotherapeutische Behandlung

10.7 Psychoedukation

10.8 Unterstützung bei der Aufnahme von Sport und Bewegung

10.9 Zusammenfassung

11 Sport, Bewegung und PsychopharmakotherapieAstrid Röh, Alkomiet Hasan

11.1 Verschreibung

11.2 Leistungssteigerung und Doping

11.3 Sicherheitsrisiken

11.4 Zusammenfassung

V Entspannungs- und Imaginationsverfahren

12 EntspannungsverfahrenRalph Erich Schmidt, Rainer Krähenmann

12.1 Progressive Muskelrelaxation

12.2 Autogenes Training

12.3 Achtsamkeitstraining

12.4 Hypnose

12.5 Biofeedback

12.6 Zusammenfassung

13 ImaginationsverfahrenStephan Detert, Rainer Krähenmann, Ralph Erich Schmidt

13.1 Therapeutische Imaginationsverfahren

13.2 Imaginationsverfahren im Sport

13.3 Therapeutische Anwendung von Imaginationsverfahren

13.4 Zusammenfassung

VI Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen [Auswahl]

14 Altersdepressionen, leichte kognitive Störungen und DemenzenUlrich Michael Hemmeter, Theofanis Ngamsri, Karsten Henkel

14.1 Epidemiologie

14.2 Ätiopathogenese

14.3 Symptomatologie

14.4 Diagnose und Differenzialdiagnostik

14.5 Komorbiditäten

14.6 Therapie

14.7 Sport und Bewegung in der Therapie

14.8 Sport und Bewegung in der Prävention

14.9 Zusammenfassung

15 KopfverletzungenKarsten Henkel, Laura Obexer

15.1 Symptomatologie

15.2 Ätiopathogenese

15.3 Differenzialdiagnostik

15.4 Affektive Störungen und Angststörungen

15.5 Kognitive Störungen

15.6 Kopfschmerzen und Schwindel

15.7 Sport und Bewegung in der Therapie

15.8 Sport und Bewegung in der klinischen Praxis

16 SubstanzgebrauchsstörungenTheofanis Ngamsri, Seraina Steiger, Ulrich Michael Hemmeter

16.1 Epidemiologie

16.2 Ätiopathogenese

16.3 Diagnose

16.4 Komorbiditäten

16.5 Therapie

16.6 Sport und Bewegung in der Therapie

16.7 Nicht substanzgebundene Süchte und pathologisches Spielen

16.8 Sport- und Bewegungssucht

16.9 Zusammenfassung

17 Schizophrenie und andere PsychosenAstrid Röh, Alkomiet Hasan

17.1 Epidemiologie

17.2 Ätiopathogenese

17.3 Symptomatologie

17.4 Diagnose und Differenzialdiagnostik

17.5 Komorbiditäten

17.6 Therapie

17.7 Sport und Bewegung in der Therapie

17.8 Verlauf und Prävention

17.9 Sport und Bewegung in der Prävention

17.10 Zusammenfassung

18 Depressionen und bipolar-affektive StörungenChristian Imboden, Markus Gerber

18.1 Epidemiologie

18.2 Symptomatologie

18.3 Diagnose und Differenzialdiagnostik

18.4 Therapie

18.5 Sport und Bewegung in der Therapie

18.6 Verlauf und Prävention

18.7 Sport und Bewegung in der Prävention

18.8 Zusammenfassung

19 AngststörungenJens Plag, Moritz Bruno Petzold, Antonia Bendau, Andreas Ströhle

19.1 Diagnose, Symptomatologie und Epidemiologie

19.2 Therapie

19.3 Sport und Bewegung in der Therapie

19.4 Sport und Bewegung in der klinischen Praxis

19.5 Zusammenfassung

20 ZwangsstörungenJens Plag, Antonia Bendau, Moritz Bruno Petzold, Andreas Ströhle

20.1 Epidemiologie

20.2 Ätiopathogenese

20.3 Therapie

20.4 Sport und Bewegung in der Therapie und Prävention

20.5 Sport und Bewegung in der klinischen Praxis

20.6 Zusammenfassung

21 TraumafolgestörungenJudith Rohde

21.1 Differenzialdiagnostik und Epidemiologie

21.2 Symptomatologie und Komorbiditäten

21.3 Diagnostik

21.4 Therapie

21.5 Sport und Bewegung in der Therapie

21.6 Zusammenfassung

22 SchmerzstörungenPia-Maria Wippert, Linn Kristina Kühl, Roland von Känel

22.1 Klassifikation

22.2 Epidemiologie

22.3 Ätiopathogenese und Bewegungsmangel

22.4 Symptomatologie

22.5 Diagnose und Differenzialdiagnostik

22.6 Komorbiditäten

22.7 Therapie

22.8 Sport und Bewegung in der Therapie

22.9 Prävention

22.10 Sport und Bewegung in der Prävention

23 EssstörungenAndrea Wyssen, Robin Halioua, Simone Munsch

23.1 Epidemiologie

23.2 Diagnose und Symptomatologie

23.3 Ätiopathogenese

23.4 Diagnostik

23.5 Differenzialdiagnostik und Komorbiditäten

23.6 Sport und Bewegung in der Therapie

23.7 Sport und Bewegung in der Prävention

23.8 Zusammenfassung

24 SchlafstörungenUlrich Michael Hemmeter, Theofanis Ngamsri

24.1 Epidemiologie

24.2 Ätiopathogenese

24.3 Symptomatologie

24.4 Diagnose und Differenzialdiagnostik

24.5 Komorbiditäten

24.6 Therapie

24.7 Sport und Bewegung in der Therapie und Prävention

24.8 Zusammenfassung

25 Persönlichkeits- und VerhaltensstörungenTheofanis Ngamsri, Achudhan Karunaharamoorthy, Daniela Sinsel, Ulrich Michael Hemmeter

25.1 Epidemiologie

25.2 Ätiopathogenese

25.3 Symptomatologie und Diagnose

25.4 Komorbiditäten

25.5 Therapie

25.6 Sport und Bewegung in der Therapie und Prävention

Entwicklungsstörungen

26 AutismusspektrumstörungenMarc Allroggen

26.1 Ätiopathogenese und Symptomatologie

26.2 Diagnostik

26.3 Therapie

26.4 Sport und Bewegung in der Therapie

27 Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS)Carlos-Bernhard Gonzalez Hofmann, Marcel Ivan Raas, Kurt von Siebenthal

27.1 Epidemiologie

27.2 Ätiopathogenese

27.3 Diagnostik und Diagnose

27.4 Komorbiditäten

27.5 Symptomatologie

27.6 Therapie

27.7 Sport und Bewegung in der Therapie

28 Störung des Sozialverhaltens (SSV), Störung mit oppositionellem Trotzverhalten (SOT) und intermittierende explosible Störung (IES)Carlos-Bernhard Gonzalez Hofmann, Marcel Ivan Raas, Kurt von Siebenthal

28.1 Epidemiologie

28.2 Ätiopathogenese

28.3 Diagnose und Diagnostik

28.4 Komorbiditäten

28.5 Symptomatologie

28.6 Therapie

28.7 Sport und Bewegung in der Therapie

VII Sport und Bewegung und psychische Gesundheit über die Lebenszeit

29 Grundlagen der Prävention psychischer ErkrankungenEva-Maria Pichler

29.1 Epidemiologie und Ätiopathogenese

29.2 Bewegungsmangel

29.3 Lebensqualität

29.4 Soziale und volkswirtschaftliche Aspekte

29.5 Initiativen und Definitionen

29.6 Konzepte

29.7 Ansätze

29.8 Zusammenfassung

30 Geschlechtsspezifische AspekteLaura Marianne Wild, Ute Habel

30.1 Gesundheitsverhalten

30.2 Sport- und Bewegungsstatistik

30.3 Sportartenpräferenz

30.4 Zusammenfassung

31 Kinder und JugendlicheMarc Allroggen

31.1 Grundlagen und Versorgungssituation

31.2 Sport und Bewegung in der Prävention

31.3 Sport und Bewegung in der Therapie

31.4 Motorische Fertigkeiten

31.5 Zusammenfassung

32 Alter und AlternUlrich Michael Hemmeter, Theofanis Ngamsri, Karsten Henkel

32.1 Demografischer Wandel

32.2 Sport- und Bewegungsstatistik

32.3 Pathophysiologie

32.4 Sport und Bewegung in der Praxis

32.5 Empfehlungen

32.6 Zusammenfassung

33 Menschen mit körperlichen und psychischen BeeinträchtigungenMartina Langer, Nikolai Kiselev, Phil Jungen

33.1 Sport, Bewegung und psychische Gesundheit

33.2 Behindertensport in der Schweiz

33.3 Sport und Bewegung im Alltag

33.4 Bottom-up und Top-down

33.5 Sportmotorisches Konzept

33.6 Sport- und Bewegungsangebote

33.7 Komorbiditäten

33.8 Weitere Aspekte von Sport und Bewegung im Alltag

33.9 Weitere Entwicklungen

34 Kognition, Sport und BewegungAlexander Schorb, Andreas Kaiser, Ralf Santelli, Günter Schiepek

34.1 Teilbereiche der Kognition

34.2 Biopsychologische Korrelate

34.3 Effekte von Sport und Bewegung

34.4 Zusammenfassung

VIII BergsportChristian Mikutta, Thomas Jörg Müller

35 Therapeutisches KletternChristian Mikutta, Thomas Jörg Müller

35.1 Grundlagen

35.2 Klettern in der Therapie psychischer Erkrankungen

35.3 Zusammenfassung

IX Sportspezifische psychische Erkrankungen im Freizeitsport

36 Gestörtes Essverhalten und EssstörungenAndrea Wyssen, Robin Halioua, Simone Munsch

36.1 Epidemiologie

36.2 Symptomatologie und Diagnose

36.3 Ätiopathogenese

36.4 Sport und Bewegung als ätiologischer Faktor

36.5 Diagnostik

36.6 Differenzialdiagnostik und Komorbiditäten

36.7 Therapie

36.8 Sport und Bewegung in der Therapie

36.9 Prävention

36.10 Zusammenfassung

37 MuskeldysmorphieRobin Halioua, Yannis Karrer, Andrea Wyssen, Simone Munsch

37.1 Epidemiologie

37.2 Diagnose und Symptomatologie

37.3 Ätiopathogenese

37.4 Abgrenzung zum Bodybildung

37.5 Diagnostik

37.6 Differenzialdiagnostik

37.7 Komorbiditäten

37.8 Therapie

37.9 Zusammenfassung

38 Image and Performance Enhancing Drugs (IPED)Samuel I ff, Ingo Butzke

38.1 Epidemiologie

38.2 Ätiopathogenese

38.3 Diagnose und Differenzialdiagnostik

38.4 Symptomatologie

38.5 Therapie

38.6 Prävention

38.7 Zusammenfassung

39 Sport- und BewegungssuchtFlora Colledge, Marc Walter

39.1 Sport, Bewegung und psychische Gesundheit

39.2 Diagnose

39.3 Symptomatologie

39.4 Differenzialdiagnostik und Komorbiditäten

39.5 Therapie

39.6 Übertraining

39.7 Sport und Bewegung in der Therapie

39.8 Prävention

39.9 Zusammenfassung

Anhang

Sportpsychiatrie und -psychotherapie: Fachgesellschaften und Netzwerke

Abkürzungsverzeichnis

Autorinnen und Autoren

Sachwortverzeichnis

|17|Vorwort

Der zweite Band im Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie nimmt Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen auf. Hierzu ist es nötig, und auch um das Verständnis zu wahren, die Grundlagen des Fachs Psychiatrie und Psychotherapie teilweise mit aufzunehmen – ohne dabei den Anspruch an eine systematische und vollständige Abhandlung des psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachwissens zu haben. Zusammen mit dem ersten Band „Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie: Psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport“, der im Sommer 2022 im Buchhandel erschienen ist, konnten erstmals in einem Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie und in zwei Bänden die Tätigkeitsfelder von Sportpsychiater:innen und -psychotherapeut:innen aufgenommen und umfänglich herausgearbeitet werden.

Der Weiterentwicklung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie soll in diesem Band ebenfalls Rechnung getragen werden. So wird im letzten Teil und in vier Kapiteln das jüngste und dritte Tätigkeitsfeld der Sportpsychiatrie und -psychotherapie aufgenommen: sportspezifische psychische Erkrankungen im Freizeitsport.

Bestimmte Aspekte gestörten Essverhaltens und der Essstörungen, die Muskeldysmorphie, der Gebrauch leistungs- und körperbildfördernder Substanzen (sog. Image and Performance Enhancing Drugs, IPED) sowie die Sport- und Bewegungssucht werden den Tätigkeitsfeldern von Sportpsychiater:innen und -psychotherapeut:innen oft zugerechnet, lassen sich aber nicht hinreichend in den bisherigen und etablierten Tätigkeitsfeldern der Sportpsychiatrie und -psychotherapie einfügen, sodass die Einführung eines dritten Tätigkeitsfeldes nötig ist. Die sportpsychiatrische und -psychotherapeutische Expertise kann bei diesen Erkrankungen eine wertvolle Expertise und zusätzliche Unterstützung in der Behandlung sein.

Dieses jüngste Tätigkeitsfeld der Sportpsychiatrie und -psychotherapie und sportspezifische psychische Erkrankungen im Freizeitsport weisen Überschneidungen mit den beiden etablierten Tätigkeitsfeldern Psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport sowie dem Gesundheitssport und Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen auf.

Zurück aber zum vorliegenden Hauptinhalt und Titel des vorliegenden Bandes im Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie „Sport und Bewegung und bei psychischen Erkrankungen“.

Sport und Bewegung in der Therapie und Prävention psychischer Erkrankungen kommen in unserer von einem zunehmenden Bewegungsmangel geprägten Gesellschaft eine immer größer werdende Bedeutung zu: dies gilt gleichermaßen für die Prävention und Therapie psychischer Erkrankungen und die psychische Gesundheit wie für körperliche Erkrankungen und die körperliche Gesundheit.

Die Inhalte des vorliegenden Lehrbuchs zeugen von der beachtlichen Evidenz, die Sport und Bewegung mittlerweile bei verschiedensten psychischen Erkrankungen sowohl in der Prävention als auch in der Therapie aufweist. Sie zeigt zudem wie hilfreich die Kombination von Sport |18|und Bewegung mit etablierten psychiatrischen Behandlungsverfahren, wie beispielsweise der Psychotherapie, sein kann. Auch verdeutlicht dieser Band im Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie die Bedeutung von körperlicher Aktivität und erneut der Sportpsychiatrie und -psychotherapie über die Lebensspanne und richtet sich dementsprechend an alle: Junge, Erwachsene und Ältere.

Es sind aber nicht „nur“ die Effekte auf die psychische Gesundheit und in der Behandlung psychischer Erkrankungen, die die Bedeutung von Sport und Bewegung in der Psychiatrie und Psychotherapie unterstreichen. Die Effekte von Sport und Bewegung auf die körperliche Gesundheit und in der Behandlung körperlicher Erkrankungen müssen hierbei genauso Berücksichtigung finden und unterstreichen die notwendige Integration von Sport und Bewegung in die Behandlungskonzepte psychischer Erkrankungen und in der Psychiatrie und Psychotherapie.

So weisen beispielsweise Patient:innen mit schweren psychischen Erkrankungen eine deutlich reduzierte Lebenserwartung auf, die nicht allein durch die jeweilige psychische Erkrankung erklärt werden kann. Es sind insbesondere die körperlichen Komorbiditäten, die hier von Bedeutung sind und Beachtung finden müssen. So gesehen kommt der Integration von Sport und Bewegung in die Behandlungskonzepte von psychischen Erkrankungen und in der Psychiatrie und Psychotherapie immer auch eine große Bedeutung für die körperliche Gesundheit der Patient:innen zu. „Exersise is Medicine“: Dies gilt gleichermaßen für Körper und Psyche und ebenso natürlich auch in der Psychiatrie und Psychotherapie.

Der Aufbau des vorliegenden Lehrbuchs orientiert sich am ersten Band im Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie. Nach einer Einführung in die Sportpsychiatrie und -psychotherapie werden in den darauffolgenden Teilen und Kapiteln zunächst die Grundlagen von Sport und Bewegung inkl. der Wirkfaktoren bei psychischen Erkrankungen sowie die Kombination mit psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlungsverfahren aufgenommen. Hierauf aufbauend wird dann auf Sport und Bewegung bei verschiedensten psychischen Erkrankungen eingegangen und spezifische Aspekte, wie über die Lebenszeit und in der Prävention, diskutiert. Im letzten Teil werden die sportspezifischen psychischen Erkrankungen im Freizeitsport behandelt.

Wir sind zuversichtlich, dass der zweite Band im Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie ebenfalls großen Anklang finden und einen wertvollen Beitrag für die Weiterentwicklung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie leisten kann.

In der Gesamtbetrachtung des zweiten Bandes wird aber auch wieder deutlich, dass es Bereiche und Erkrankungen gibt, die bereits viel Wissen und Evidenz, hier zu Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen, aufweisen, während es andere gibt, in denen das notwendige Wissen noch fehlt. Diese Wissenslücken gilt es ebenfalls in den nächsten Jahren zu schließen.

Bedanken möchten wir uns bei allen Autor:innen (viele von Ihnen waren bereits im ersten Band im Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie beteiligt) für ihre Mitarbeit und ihren wertvollen Beitrag am Zustandekommen des Lehrbuchs der Sportpsychiatrie und -psychotherapie.

Unser ebenso großer Dank gilt wiederum nicht zuletzt dem Hogrefe Verlag für die Möglichkeit zur Realisierung dieses Lehbuchs und die Unterstützung. Namentlich hervorheben möchten wir hier erneut Frau Ristea und Frau Erchinger, Hogrefe Verlag, sowie Frau Hahn für das hervorragende Lektorat.

Wir wünschen Ihnen erneut viel Freude und eine anregende und bewegende Lektüre!

Malte Christian Claussen und Erich Seifritz

Münsingen und Zürich, Dezember 2023

|19|I  Einführung in die Sportpsychiatrie und -psychotherapie

|20|Einführung in die Sportpsychiatrie und -psychotherapie

Die Sportpsychiatrie und -psychotherapie ist eine medizinische Fachrichtung und Disziplin der Psychiatrie und Psychotherapie1, die sich zudem in den Themenfeldern des Querschnittsfachs Sportmedizin2 bewegt (Abbildung 1).

Abbildung 1:  Sportpsychiatrie und -psychotherapie: Medizinische Fachrichtung und Disziplin der Psychiatrie und Psychotherapie

Psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport sowie Sport und Bewegung in der Prävention und Therapie psychischer Erkrankungen sind etablierte Tätigkeitsfelder der Sportpsychiatrie und -psychotherapie. Diese Tätigkeitsfelder werden im ersten Band im „Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie: Psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport“ (LBSP1) und im vorliegenden zweiten Band im Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie aufgenommen.

|21|Sportspezifische psychische Erkrankungen im Freizeitsport. Sportspezifische psychische Erkrankungen im Freizeitsport werden häufig ebenso als Tätigkeitsfelder von Sportpsychiatern und -psychotherapeuten3 angesehen. Beispiele hierfür sind die Muskeldysmorphie, der Gebrauch von sogenannten Image and Performance Enhancing Drugs (IPED) oder auch die Sport- und Bewegungssucht. Gestörtes Essverhalten und Essstörungen können oftmals nicht unabhängig von dem Sport- und Bewegungsverhalten der Patienten betrachtet werden und müssen in diesem Kontext ebenso genannt werden (s. Teil IX).

Wenngleich es gewisse Überschneidungen des Tätigkeitsfeldes der Sportpsychiatrie und -psychotherapie im Freizeitsport mit den beiden oben genannten und etablierten Tätigkeitsfeldern gibt, lassen sich die sportspezifischen psychischen Erkrankungen im Freizeitsport in diesen Tätigkeitsfeldern nicht zufriedenstellend abbilden. Der Autor und die Schweizerische Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie (SGSPP) begann daher im Jahr 2021 systematisch, das Tätigkeitsfeld der Sportpsychiatrie und -psychotherapie im Freizeitsport mit aufzunehmen und einzuführen und ihre Aktivitäten in dann drei Tätigkeitsfeldern von Sportpsychiatern und -psychotherapeuten herauszustellen.

Die Überschneidungen der Tätigkeitsfelder gebieten es, die sportspezifischen psychischen Erkrankungen im Freizeitsport sowohl im LBSP1 als auch im vorliegenden Band im Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie zu thematisieren. Im LBSP1 ist dies in Teil V „Psychische Erkrankungen im Leistungssport“ mit den Kapiteln „Muskeldysmorphie“ (Kapitel 29 LBSP1) und „Suchthaftes Sportverhalten und Sportsucht“ (Kapitel 30 LBSP1) erfolgt. Im vorliegenden Lehrbuch sind dem gestörten Essverhalten und Essstörungen, der Muskeldysmorphie, dem IPED-Gebrauch und der Sport- und Bewegungssucht eigene Kapitel gewidmet. Hiermit soll auch der Weiterentwicklung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie Rechnung getragen werden.

In Abbildung 2 sind die drei Tätigkeitsfelder der Sportpsychiatrie und -psychotherapie aufgeführt.

Abbildung 2:  Sportpsychiatrie und -psychotherapie: Tätigkeitsfelder

1

Die Bezeichnung „Psychiatrie und Psychotherapie“ bezieht sich im Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie auf die Fächer Psychiatrie und Psychotherapie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Mit „Psychiater und Psychotherapeuten“ sind Fachärzte und Fachärztinnen für Psychiatrie und Psychotherapie und Fachärzte und Fachärztinnen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie gemeint.

2

Die Bezeichnung „Sportmedizin“ bezieht sich auf Ärzte und Ärztinnen, die nach Abschluss einer Facharztweiterbildung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung (ausgenommen: Psychiatrie und Psychotherapie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie) eine sportmedizinische Weiterbildung absolviert haben. Die Verwendung dieser Definition nimmt den Umstand auf, dass bisher nur sehr vereinzelt Fachärzte und -ärztinnen der beiden psychiatrischen und psychotherapeutischen Fächer sich als Sportärzte und -ärztinnen weitergebildet haben und soll eine Unterscheidung von Sportärzten und -ärztinnen sowie Sportpsychiatern und -psychotherapeuten und Sportpsychiaterinnen und -psychotherapeutinnen in diesem Lehrbuch ermöglichen, aber sehr wohl können natürlich Psychiater und Psychotherapeuten sowie Psychiaterinnen und Psychotherapeutinnen auch eine sportmedizinische Weiterbildung absolvieren.

3

Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

Weiterführende Literatur

Claussen MC, Seifritz E. Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie. Psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport. Bern: Hogrefe; 2022. Crossref

Claussen MC. Sportpsychiatrie und -psychotherapie: Fachdisziplin und Tätigkeitsfelder. Dtsch Z Sportmed. 2021; 72(6): 259–60.

|23|1  Sportpsychiatrie und -psychotherapie

Malte Christian Claussen

Die Sportpsychiatrie und -psychotherapie hat sich aus der Psychiatrie und Psychotherapie heraus entwickelt und sich in den letzten Jahren mehr und mehr als psychiatrisch-psychotherapeutisches Teilgebiet etablieren können. Auch darüber hinaus und innerhalb der Sportmedizin, die als ein Querschnittsfach das sportmedizinische Wissen zahlreicher medizinischer Fachrichtungen und Disziplinen bündelt, ist eine zusätzliche Verortung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie denkbar.

Eine systematische und gezielte Integration der Sportpsychiatrie und -psychotherapie innerhalb der Sportmedizin ist bisher aber nicht erfolgt. Zudem weisen die wenigsten Psychiater und Psychotherapeuten respektive Sportpsychiater und -psychotherapeuten eine sportmedizinische Weiterbildung auf, sodass die Diskussion der Sportpsychiatrie und -psychotherapie innerhalb der Sportmedizin mit gebotener Vorsicht erfolgen muss. Im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie als medizinische und psychiatrisch-psychotherapeutische Fachdisziplin ist diese Diskussion wichtig und soll an dieser Stelle aufgenommen und weiter angestoßen werden.

Die Einordnung der Sportmedizin in Fort- und Weiterbildung durch die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention – Deutscher Sportärztebund ist in Box 1-1 wiedergegeben [1]. Dieses Verständnis zeigt in weiten Teilen eine Überschneidung mit den Tätigkeitsfeldern der Sportpsychiatrie und -psychotherapie. In dieser Hinsicht erscheint es logisch und sinnvoll, dass sich die Sportpsychiatrie und -psychotherapie, ohne ihre Identität als psychiatrisch-psychotherapeutisches Fachgebiet aufzugeben, in Zukunft auch und mehr (noch) in die Sportmedizin einbringen sollte und natürlich wünschenswert auch umgekehrt die Sportmedizin in die Sportpsychiatrie und -psychotherapie.

Box 1-1: Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention – Deutscher Sportärztebund: Einordnung der Sportmedizin in Fort- und Weiterbildung [1]

Sportmedizin ist der Teil der theoretischen und praktischen Medizin, der den Einfluss von Bewegung, Training und Sport sowie des Bewegungsmangels auf den gesunden und kranken Menschen jeder Altersstufe mit dem Ziel untersucht, die gewonnenen Erkenntnisse sowohl in der Diagnostik und Therapie als auch in der Prävention und Rehabilitation sowie zum Wohle des Sports einzusetzen.

Sportler aller Leistungsklassen, vom Freizeitsportler bis zum Hochleistungssportler, stehen traditionell im Fokus der Sportmedizin, doch erlangt in unserer von Bewegungsmangel geprägten Gesellschaft die gesundheitlich relevante „Erhaltungsdosis an Bewegung“ unter präventiven Gesichtspunkten zunehmend Bedeutung.

Die Sportmedizin beschäftigt sich ebenso mit den therapeutischen und rehabilitativen Möglichkeiten von Sport sowie der Vorbeugung, Erkennung, Behandlung und Rehabilitation von Sportverletzungen und Sportschäden. Dabei bündelt die Sportmedizin das sportmedizinische Wissen zahlreicher medizinischer Fachrichtungen und Disziplinen im Sinne eines Querschnittsfachs.

|24|Sportpsychiatrische und -psychotherapeutische Sektionen, Arbeitsgruppen und Referate innerhalb der Gesellschaften der Sportmedizin und die systematische Einbringung sportpsychiatrischer und -psychotherapeutischer Inhalte in die Weiterbildungsprogramme der Sportmedizin stünden am Ende einer solchen Entwicklung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie in der Sportmedizin.

1.1  Entwicklung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie

Im Gegensatz zur Psychiatrie und Psychotherapie sowie zur Sportmedizin ist die Sportpsychiatrie und -psychotherapie eine noch sehr junge medizinische und psychiatrische Fachrichtung und Disziplin. Regelmäßige und systematische Veröffentlichungen von Psychiatern und Psychotherapeuten in den Tätigkeitsfeldern der Sportpsychiatrie und -psychotherapie sind erst in den letzten Jahren erfolgt. Hiervor sowie vor der Entwicklung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie beschäftigten sich jedoch bereits verschiedene Fachleute, Sportärzte, Neurologen, aber auch Psychiater und Psychotherapeuten sowie andere medizinische und nichtmedizinische Fachleute wie Psychologen, psychologische Psychotherapeuten, Sportpsychologen und Sportwissenschaftler mit psychischer Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport, Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen sowie sportspezifischen psychischen Erkrankungen im Freizeitsport und veröffentlichten hierzu Untersuchungen und Studien.

Eine systematische Einordnung dieser Themen in der Psychiatrie und Psychotherapie oder der Sportmedizin respektive der Sportpsychiatrie und -psychotherapie erfolgte aber (lange) nicht. Heute kann die Sportpsychiatrie und -psychotherapie zudem in Hinblick auf die Wirksamkeit von Sport und Bewegung in der Prävention und Therapie psychischer Erkrankungen eine bereits bemerkenswerte wissenschaftliche Basis aufweisen, deren empirische Grundlagen – wie die auch in den zwei anderen Tätigkeitsfeldern, psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport sowie sportspezifische psychische Erkrankungen im Freizeitsport – in den nächsten Jahren weiter zunehmen werden. Diese Basis ermöglicht es erstmals, in diesem Umfang die Sportpsychiatrie und -psychotherapie in einem Lehrbuch abzubilden: Mit dem ersten Band im „Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie: Psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport“ (LBSP1), der im Juli 2022 erschien, und mit dem vorliegenden Werk.

Ihren Ursprung in der medizinischen Literatur hat die Sportpsychiatrie und -psychotherapie Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre. Massimino [2], Glick und Marcotte [3] sowie Begel [4, 5] sind hier besonders zu nennen. Die Autoren beschrieben zunächst verschiedene Perspektiven und Tätigkeitsfelder der Sportpsychiatrie und -psychotherapie. Erstmals Eingang in die Literatur fand die „Sportpsychiatrie“ aber bereits 1967 durch Beisser [6].

Tatsächlich muss man aber – wie bereits angesprochen – deutlich weiter zurückgehen, denn die ersten Auseinandersetzungen mit und die Beobachtung von eigentlich sportpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Themen in der Medizin liegen weit vor dem skizzierten Ursprung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie. Der von Martland 1928 beschriebene Punch Drunk und die in der Folge weiter von Jokl und Guttmann 1932 beschriebenen neuropsychiatrischen Symptome eines Boxers zeigen psychiatrisch-neurologische Beispiele aus der sportärztlichen Praxis und sind im Grunde auch Themen der Sportpsychiatrie und -psychotherapie [7, 8] (s. Kap. 13 LBSP1). Ebenso verhält es sich mit dem Eröffnungsvortrag des 1. Deutschen Sportärztekongresses in Oberhof im Jahr 1912 über „Sportübertreibungen“ von Geheimrat Prof. Dr. med. Friedrich Kraus (1858–1936), Leiter der II. Medizinischen Klinik der Berliner Charité von 1905 bis 1927 [9], der an suchthaftes Sport- und Bewegungsverhalten denken lässt (s. Kap. 39).

|25|In den USA und international – außerhalb des deutschen Sprachraums – entwickelte sich die Sportpsychiatrie und -psychotherapie in den letzten 30 Jahren einerseits als Fachgebiet der Psychiatrie und Psychotherapie und andererseits psychische Gesundheit und Erkrankungen insbesondere im Leistungssport als Tätigkeitsfeld von Sportpsychiatern und -psychotherapeuten [5, 10].

Die Verschreibung von Bewegung bei psychischen Gesundheitsproblemen als Aufgabe der Sportpsychiatrie wurde Ende der 1980er Jahre zunächst von Massimino diskutiert [2]. Die Anwendung des psychischen Wissens in der Welt des Sports dagegen wurde von Begel als Aufgabe der Sportpsychiatrie hervorgehoben [4]. Die Meinung von Begel sowie die allgemein vorherrschende Meinung zu Beginn der Entwicklung, dass der Sportpsychiatrie und -psychotherapie im Wesentlichen Aufgaben im Leistungssport zukommen, muss auch im Kontext des fehlenden empirischen Wissens zur Bedeutung von Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen in der Zeit betrachtet werden (s. Kap. 2).

Im deutschen Sprachraum wurden neben dem Leistungssport in den 2010er Jahren und von Beginn an auch Sport und Bewegung in der Prävention und Therapie psychischer Erkrankungen als Tätigkeitsfeld der Sportpsychiatrie und -psychotherapie aufgenommen. Hier sind insbesondere das Referat Sportpsychiatrie und -psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) e. V. sowie Markser und Bär zu nennen, die die Entwicklung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie im deutschen Sprachraum in den ersten Jahren prägten [11, 12].

Die notwendige Einführung eines dritten Tätigkeitsfeldes – sportspezifische psychische Erkrankungen im Freizeitsport – erfolgte wie bereits oben dargelegt im Jahr 2021 (s. Teil IX).

1.2  Fachgesellschaften und Netzwerke

Als erste sportpsychische Fachgesellschaft wurde 1994 die International Society for Sports Psychiatry (ISSP) gegründet; s. Box 1-2.

Box 1-2: International Society for Sports Psychiatry (ISSP): Zweck der ISSP

The purpose of the Corporation is to advance the science and practice of sports psychiatry and to carry the science and practice of sports psychiatry to the athletic community, so that all people may enjoy the benefits of healthy participation in sports. In furtherance of this purpose, the Corporation will conduct activities that include but are not limited to advocating for mental health and wellness in sports, holding an annual meeting at which scientific presentations will be made; encouraging publication by members of scholarly manuscripts related to sports psychiatry; and other activities appropriate to the Corporation’s purposes.

Eine Sektion „Exercise & Sports Psychiatry“ gibt es überdies in der World Psychiatric Association (WPA). Hinzu kommen nationale Sektionen, Arbeitsgruppen und Referate innerhalb der psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachgesellschaften, die sich im Laufe der Zeit gebildet haben, z. B. in Großbritannien, Deutschland und Österreich. In Deutschland wurde 2010 das Referat „Sportpsychiatrie und -psychotherapie“ der DGPPN gegründet. Die genannten Sektionen und Arbeitsgruppen adressieren dabei die beiden etablierten Tätigkeitsfelder der Sportpsychiatrie und -psychotherapie ebenso wie die jüngst im deutschsprachigen Raum, in der Schweiz, Deutschland und Österreich gegründeten nationalen Gesellschaften.

Die SGSPP wurde am 29.03.2019 als dritte sportpsychiatrische und -psychotherapeutische |26|Gesellschaft und erste europäische Gesellschaft gegründet (s. Box 1-3).

Box 1-3: Zweck der Schweizerischen Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie (SGSPP):

Die Schweizerische Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie bezweckt die Förderung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie über die Lebensspanne in der Schweiz, im Leistungssport und in der Allgemeinbevölkerung.

Im LBSP1 wurden die in Deutschland, der Schweiz und Österreich bestehenden Fachgesellschaften, Referate, Arbeitsgemeinschaften und Netzwerke der Sportpsychiatrie und -psychotherapie vorgestellt (s. Kap. 48–50 LBSP1). Im Anhang werden zudem die Fachgesellschaften und Netzwerke mit ihren Leitern und Kontaktangaben und Websites aufgeführt.

1.3  Aus-, Weiter- und Fortbildung

Die Vermittlung sportpsychiatrischer und -psychotherapeutischer Inhalte bereits in der medizinischen Ausbildung (Studium der Medizin), und dann v. a. in der Weiterbildung in den beiden psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachgebieten und auch der Sportmedizin sowie regelmäßige Fortbildungen in der Sportpsychiatrie und -psychotherapie sind für einen fundierten Wissenstransfer wichtig. Die Vermittlung sportpsychiatrischer und -psychotherapeutischer Inhalte ist aber nicht nur innerhalb der Medizin, sondern auch in den nichtmedizinischen Nachbardisziplinen von Bedeutung. Umgekehrt sind z. B. sportwissenschaftliche und sportpsychologische Themen in die sportpsychiatrische und -psychotherapeutische Weiter- und Fortbildung zu integrieren.

Zentral für eine Fachdisziplin ist eine systematische Wissensvermittlung. Das SGSPP-Curriculum Sportpsychiatrie und -psychotherapie, deren Stufe 1 gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie (DGSPP) entwickelt und von beiden Fachgesellschaften (in abgeänderter Form) umgesetzt wird, ist hier als Beispiel zu nennen (s. Kap. 2 im LBSP1 sowie [13]). Durch die ISSP wird das „ISSP Certificate of Additional Training in Sports Psychiatry“ angeboten [14]. Die Medical and Scientific Commission des International Olympic Committee (IOC; Internationales Olympisches Komitee, IOK) bietet zudem das „IOC Program in Mental Health in Elite Sport“ an [15]. Erst die systematische Wissensvermittlung lässt die Etablierung eines Schwerpunktes in der Schweiz, einer Zusatzbezeichnung in Deutschland oder eines Diploms „Sportpsychiatrie und -psychotherapie“ in Österreich einmal möglich erscheinen.

Ein anderes Modell wäre – sofern sich die Sportpsychiatrie und -psychotherapie innerhalb der Sportmedizin etablieren kann – die sportpsychiatrische und -psychotherapeutische Weiter- und Fortbildung in die Sportmedizin zu integrieren. Auf eine Basisweiterbildung Sportmedizin mit sportpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Inhalten könnte z. B. eine spezifische sportmedizinische Weiterbildung entsprechend der fachärztlichen Kompetenz z. B. in internistischer Sportmedizin, orthopädischer Sportmedizin oder eben psychiatrisch-psychotherapeutischer Sportmedizin folgen. Es obliegt jedoch nicht der Sportpsychiatrie und -psychotherapie, ein solches Modell zu fordern; dies soll an dieser Stelle betont werden.

1.4  Ausblick

Aufbauend auf den bisherigen Arbeiten und Überlegungen zur Sportpsychiatrie und -psychotherapie ist es wichtig, das Fachgebiet weiter zu charakterisieren und zu entwickeln. In der Schweiz, Deutschland und Österreich wurden |27|hierzu erstmals 2022 Fachleute innerhalb der Sportpsychiatrie und -psychotherapie und der Nachbardisziplinen befragt [16]. Die Ergebnisse dieser Befragung sind in das vorliegende Lehrbuch eingeflossen. Hierzu gehört u. a.:

die Einführung eines dritten Tätigkeitsfeldes der Sportpsychiatrie und -psychotherapie: sportspezifische psychische Erkrankungen im Freizeitsport,

die Diskussion der Sportpsychiatrie und -psychotherapie als Teilgebiet der Psychiatrie und Psychotherapie auch im Querschnittsfach Sportmedizin sowie

die zukünftige sportpsychiatrisch-psychotherapeutische Weiter- und Fortbildung, innerhalb der psychiatrisch-psychotherapeutischen und sportmedizinischen Weiterbildung oder als eigenständige Weiterbildung, wie sie z. B. durch die ISSP etabliert und in der Schweiz mit dem Curriculum Sportpsychiatrie und -psychotherapie vorgeschlagen wurde.

Anmerkung

Dieses Kapitel ist in weiten Teilen identisch mit dem gleichnamigen Kapitel 1 im LBSP1, das am 25.07.2022 im Buchhandel erschienen ist.

Literatur

Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention DGSP - Deutscher Sportärztebund [Internet]. Einordnung der Sportmedizin in Fort- und Weiterbildung. Frankfurt am Main: Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention e. V.; 2023. Verfügbar unter: https://www.dgsp.de/seite/375164/zusatzbezeichnung-sportmedizin.html

Massimino JHR. Sport psychiatry. Ann Sports Med. 1987;3(2): 55–8.

Glick ID, Marcotte DB. Psychiatric aspects of basketball. J Sports Med Phys Fitness. 1989;29(1):104–12.

Begel D. An overview of sport psychiatry. The American journal of psychiatry. 1992;149(5):606–14. Crossref

Begel D. Sport psychiatry twenty-four years later. Int Rev Psychiatry. 2016;28:547–550. Crossref

Beisser A. The madness in sports. New York: Appleton-Century-Crofts; 1967.

Martland HS. Punch Drunk. JAMA. 1928;91(15):1103–7. Crossref

Jokl E, Guttmann E. Psychiatrisch-neurologische Kasuistik aus der sportärztlichen Praxis. Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie. 1932;141(1):343–50. Crossref

Greiner E, Arndt K-H. Der erste deutsche Sportärztekongress 1912 – Programm für ein Jahrhundert. Dtsch Z Sportmed. 2004;55(12):310-4.

Glick I, Stull T, Currie A. Development of Sports Psychiatry in the United States and Internationally. Sports Psychiatry. 2022;1:3–5. Crossref

Markser VZ, Bär K-J. Sport- und Bewegungstherapie bei seelischen Erkrankungen. Forschungsstand und Praxisempfehlungen. 1. Aufl. Stuttgart: Schattauer Verlag; 2015.

Markser VZ, Bär K-J. Seelische Gesundheit im Leistungssport. Grundlagen und Praxis der Sportpsychiatrie. Stuttgart: Schattauer Verlag; 2019.

Gonzalez Hofmann C, Claussen MC. Das dreistufige Curriculum Sportpsychiatrie und -psychotherapie. Schw Z Psychiatr Neurol. 2021;18(3):14–17.

sportpsychiatry.org [Internet]. ISSP Certificate of Additional Training in Sports Psychiatry. State of Wisconsin: International Society of Sports Psychiatry; 2023. Verfügbar unter: https://www.sportspsychiatry.org/page-18106

sportsoracle.com [Internet]. IOC Programs in Mental Health in Elite Sports. Aberdeen: sportsoracle; 2021. Verfügbar unter: https://sportsoracle.com

Claussen MC, Imboden C, Hemmeter UM, I ff S. Sports Psychiatry: Discipline, Fields of Activity, Corporation, and Training. Sports Psychiatry. 2022;1(3):90–99. Crossref

|29|2  Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen

Malte Christian Claussen, Ulrich Michael Hemmeter, Carlos-Bernhard Gonzalez Hofmann

Körperliche Aktivität ist eine Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Organismus. Sport und Bewegung wirken sich positiv auf das psychische Wohlbefinden und die geistige Leistungsfähigkeit aus und weisen präventive und therapeutische Wirkungen bei einer Vielzahl körperlicher sowie psychischer Erkrankungen auf (s. Teil VI). Bei vielen psychischen Erkrankungen werden Sport und Bewegung mittlerweile als Therapieelemente eingesetzt.

Körperliche Inaktivität ist mit einer schlechteren körperlichen und psychischen Gesundheit verbunden und stellt einen Risikofaktor für die Entwicklung von körperlichen sowie psychischen Erkrankungen über die Lebenszeit dar (s. Teil VII).

Aus diesem Grund wurden von der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) Richtlinien herausgegeben, die Empfehlungen zur Förderung von Sport und Bewegung geben [1]. Inaktivität und zu wenig Sport und Bewegung sind bereits für Kinder und Jugendliche von großer Relevanz, und wirken sich negativ auf die spätere Gesundheit aus (s. Kap. 31).

Mit dem Ziel, sowohl die Inaktivität von Kindern und Jugendlichen als auch von Erwachsenen und Älteren um 15 % bis zum Jahr 2030 zu verringern, wurde von der WHO auch ein Aktionsplan herausgegeben und zudem die Richtlinien zur empfohlenen körperlichen Aktivität angepasst [1]. Diese Aktivitätsempfehlungen sind in Tabelle 2-1 aufgeführt.

Tabelle 2-1:  Aktivitätsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) nach [2]

Kinder und Jugendliche (5–17 Jahre)

Empfohlen werden täglich 60 Minuten moderate bis intensive Bewegung

Der Sport sollte an mindestens 3 Tagen in der Woche intensiv sein und zur Stärkung von Muskulatur und Knochen beitragen

Zeiten sitzend – im Besonderen vor einem Bildschirm – sollten minimiert werden

Wichtig ist eine Auswahl verschiedener, dem Alter und Können angepasster Betätigungsmöglichkeiten

|30|Erwachsene und Senioren

Empfohlen werden mindestens 150 bis 300 Minuten Bewegung mit moderater Intensität oder alternativ 75 bis 150 Minuten intensiven Sports pro Woche

Zusätzlicher Nutzen ergibt sich für/aus:

Erwachsene: Längerem aerobem Training (> 300 bzw. > 150 Minuten) sowie Krafttraining für alle Hauptmuskelgruppen an mindestens 2 Tagen pro Woche

Senioren: Krafttraining an mindestens 2 Tagen sowie Koordinations- und Gleichgewichtstraining an mindestens 3 Tagen pro Woche

Schwangere Frauen nach der Entbindung (ohne medizinische Kontraindikationen)

Empfohlen werden 150 Minuten Sport mit moderater Intensität

Frauen, die vor der Schwangerschaft viel Sport getrieben haben, können meist ihr Aktivitätsniveau auch während der Schwangerschaft und nach der Entbindung beibehalten

Zur Reduktion einer Urininkontinenz wird tägliches Training der Beckenbodenmuskulatur empfohlen

Chronisch Kranke und Menschen mit Behinderung

Die Empfehlungen sind vergleichbar den Empfehlungen für Gesunde der jeweiligen Altersgruppe

Der Rat eines Spezialisten kann zudem mögliche Risiken minimieren und helfen, die bestmöglichen Aktivitäten zu finden

Die Empfehlungen der WHO betonen, dass wenig Bewegung besser sei als keine und dass ein Einstieg in regelmäßige körperliche Aktivität sanft beginnen und allmählich gesteigert werden sollte. Die Richtlinien sind sowohl für die körperliche als auch die psychische Gesundheit relevant, weshalb sie hier am Anfang genannt werden.

„Exercise is Medicine“ – dies gilt genauso für die psychische wie die körperliche Gesundheit und genauso für psychische wie für körperliche Erkrankungen. Auf die Initiative des American College of Sports Medicine (ACSM) zu dieser Thematik sei an dieser Stelle auch verwiesen [3].

2.1  Sport, Bewegung und körperliche Aktivität

Im Sprachgebrauch finden sich verschiedene Begriffe, wie körperliche Aktivität, Sport und Bewegung, Sport- und Bewegungstherapie oder Training, die sich teilweise überschneiden, sich aber auch unterscheiden und hier zunächst definiert werden sollen:

Definition „Körperliche Aktivität“

Der Begriff „Körperliche Aktivität“ bezeichnet allgemein jede durch die Skelettmuskulatur ausgelöste Bewegung, die den Energieumsatz über den Grundumsatz anhebt [4]. Oft wird auch nur vereinfacht von „Bewegung“ gesprochen.

Unterteilen kann man körperliche Aktivität in sportliche Aktivität („Sport“) und in Lebensstilaktivitäten [5].

Sportliche Aktivitäten sind strukturierte körperliche Aktivitäten, die häufig mit einer höheren Intensität durchgeführt werden und die die typischen, historisch-kulturell definierten Bewegungsinszenierungen des Sports übernehmen [6]. Im Gegensatz dazu bezeichnet Lebensstilaktivität die verschiedensten Formen von körperlich aktiven, nicht sportlichen Alltagshandlungen, also sämtliche berufliche, Alltags- und Freizeitaktivitäten [5].

Sport und Bewegung werden nachfolgend vereinfacht und weitgehend synonym benutzt mit körperlicher Aktivität. Im klinischen Kontext wird Sport und Bewegung meist im Zusammenhang mit der Sport- und Bewegungstherapie gesehen.

Definition „Sport- und Bewegungstherapie“

Die „Bewegungstherapie ist ärztlich indizierte und verordnete Bewegung, die vom Fachtherapeuten geplant und dosiert, gemeinsam mit dem Arzt kontrolliert und mit dem Patienten allein oder in der Gruppe durchgeführt wird [7].“ Sie erfolgt „auf Grundlage einer au|31|tonomen Methodik (inklusive Emotionalität, soziale und motivationale Aspekte) und einer therapeutischen Methodik (systembezogen und verhaltensoptimiert oder personenbezogen und einsichtsorientiert) [8].“ Nach Hölter und Deimel verbinden bewegungstherapeutische Interventionen Körper- und Bewegungserfahrung mit mittlerer aerober Aktivierung, wohingegen Sporttherapie aerobe Aktivierungsprogramme bezeichnet, die soziale und qualitative Bewegungsaspekte vernachlässigen [8]. Eine umfassendere Definition von Sporttherapie findet man bei Schüle und Deimel [7]:

„Sporttherapie ist eine bewegungstherapeutische Maßnahme, die mit geeigneten Mitteln des Sports gestörte körperliche, psychische und soziale Funktionen kompensiert, regeneriert, Sekundärschäden vorbeugt und gesundheitlich orientiertes Verhalten fördert. Sie beruht auf biologischen Gesetzmäßigkeiten und bezieht besonders Elemente pädagogischer, psychologischer und soziotherapeutischer Verfahren ein und versucht, eine überdauernde Gesundheitskompetenz zu erzielen.“

Zu den Mitteln des Sports gehört auch Training, wobei Sport grundsätzlich auch ohne Training praktiziert werden kann.

Definition „Training“

„Der Begriff ‚Training‘ lässt sich im allgemeinen Sprachgebrauch für die verschiedensten Bereiche (körperlich, psychisch, motorisch, kognitiv, affektiv etc.) verwenden und beinhaltet dabei meist einen Übungsprozess, der eine Verbesserung im jeweiligen Zielbereich anstrebt.“ [9]. Training verfolgt planvoll definierte Ziele, wie z. B. die Aufrechterhaltung oder Verbesserung der körperlichen Fitness, der Gesundheit oder der sportlichen Leistungsfähigkeit [10].

Untersportlichem Training werden die freiwilligen und systematischen Wiederholungen von Bewegungen verstanden, die planvoll definierte Ziele verfolgen, z. B. die Aufrechterhaltung oder Verbesserung der körperlichen Fitness, der Gesundheit oder der sportlichen Leistungsfähigkeit [11].

Beim gesundheitsstärkenden sportlichen Training wiederum steht nicht der Wettkampf im Vordergrund, sondern die Stärkung der Gesundheitsfaktoren, nämlich die körperlichen Fitnessfaktoren (Ausdauer, Kraft etc.) und die psychosozialen Gesundheitsfaktoren (z. B. Stimmung, soziale Einbindung) sowie die längerfristige Bindung an sportliche Aktivität [11].

2.2  Geschichte der Sport- und Bewegungstherapie

Der Begriff Sport leitet sich vom lateinischen disportare ab, was „sich zerstreuen“ meint. Unter Sport verstand man im 18. und 19. Jahrhundert eine spezifische Form von Leibesübungen. Sowohl der Sport an sich als auch gezielte Körperaktivität zum Zweck des Erhalts oder der Wiederherstellung der Gesundheit können auf lange Traditionen zurückblicken. Bereits Hippokrates von Kos (460–377 v. Chr.) wusste um die Bedeutung von Bewegung und körperlichen Übungen für die Gesundheit. Die Ursprünge der Meditations- und Bewegungsform Qigong in China datieren auf das 5. Jahrhundert v. Chr. Während sportliche Aktivitäten seit der Renaissance eine exklusive Beschäftigung reicher Bürger und Adeliger waren, ist Schulsport für alle in Form körperlicher Übungen ab den 1770er Jahren erstmals in Dessau nachweisbar [12]. 1841 eröffnete Johann Jakob Guggenbühl bei Interlaken eine Heilanstalt, die Bewegungstherapie zur Behandlung von Kindern mit geistiger Behinderung in das Behandlungskonzept integrierte [13]. In Lehrbüchern wurde Bewegung zunächst als Präventionsmaßnahme für psychische Erkrankungen genannt [14]. In der 1857 eröffneten Klinik Bellevue in Kreuzlingen war unter Robert Binswanger auch Gymnastik |32|Bestandteil der Therapie psychischer Erkrankungen [15]. Auch in Deutschland gehörte zunehmend eine geeignete Infrastruktur für Bewegung bzw. sportliche Aktivität zu den psychiatrischen Kliniken, wie z. B. ab 1864 unter Heinrich Hoffmann in Frankfurt am Main. 1925 erfolgte der psychotherapeutische Einsatz von Bewegung durch Heyer, Steger und Heyer-Grote in München [16]. Dabei ist zu erwähnen, dass bereits 1912 im Eröffnungsvortrag des 1. Deutschen Sportärztekongresses in Oberhof von Geheimrat Prof. Dr. med. Friedrich Kraus (1858–1936), dem Leiter der II. medizinischen Klinik der Berliner Charité von 1905–1927, die Ausübung von Sport im Zusammenhang mit der Psyche unter dem Thema „Sportübertreibungen“ Erwähnung fand. Letzteres lässt aber weniger an Sport und Bewegung in der Prävention und Therapie psychischer Erkrankungen denken, sondern mehr an Schwierigkeiten, die aus übermäßigem Sport und Bewegung resultieren können und in diesem Band im Lehrbuch im Teil IX „Sportspezifische psychische Erkrankungen im Freizeitsport“ und im Kapitel 39 „Sport- und Bewegungssucht“ aufgenommen werden. Erst rund 100 Jahre später und im Jahr 2010 wurde im deutschsprachigen Raum mit der Gründung des Referats Sportpsychiatrie und -psychotherapie innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) eine themenspezifische Plattform eingerichtet, in der Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen neben psychischer Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport als Tätigkeitsfelder von Beginn an aufgenommen wurden (s. Kap. 1).

In der Schweiz begannen sich bewegungstherapeutische Ansätze der Psychotherapie, meist in der Gruppentherapie, Mitte der 1950er Jahre zu etablieren [17]. Fast zeitgleich entwickelte sich auch in Deutschland eine psychotherapeutische Bewegungstherapie [18]. Auch zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen begann man nun, bewegungstherapeutische Behandlungsmodelle einzusetzen, die neben Elementen des Turnens auch musikalische Elemente beinhalten [19]. Sport findet 1960 explizit erstmals unter Rieder Eingang in die Behandlung von Kindern mit psychischen Erkrankungen [20]. Bis dahin fand in der Praxis keine Differenzierung zwischen Sport- und Bewegungstherapie statt, wobei die Übergänge – insbesondere aufgrund unterschiedlicher konzeptioneller Ausgangslagen – fließend waren und sind. Trotz dieser schon länger zurückliegenden Entwicklungen gibt es sowohl für Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene noch vergleichbar wenig spezifische Literatur zu Sport und Bewegungstherapie bei psychischen Erkrankungen [21].

Der Begriff der Sportpsychiatrie taucht erstmals Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre durch Massimino, Glick und Marcotte sowie Begel in der medizinischen Fachliteratur auf, wobei v. a. Massimino und Begel den Begriff der Sportpsychiatrie prägten [22, 23, 24]. Es folgte die zunehmende Entwicklung der Sportpsychiatrie und -psychotherapie sowohl als medizinisches Teilgebiet der Psychiatrie und Psychotherapie als auch mit dem Fokus auf die psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und schrittweise auch international (s. Kap. 1). Als ursächlich für die Ausrichtung hin zum Leistungssport und die Vernachlässigung der Bedeutung von Sport und Bewegung für die psychische Gesundheit und bei psychischen Erkrankungen können die damalige schwache Datenlage sowie die damals wegweisende Arbeit von Begel angesehen werden [24]. Begel verstand unter der Sportpsychiatrie die Anwendung psychiatrischen Wissens und psychiatrischer Behandlungsmethoden in der Welt des Sports. Dabei soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass Massimino bereits auf die Bedeutung von Sport und Bewegung in der Psychiatrie hingewiesen hatte [22]. Dass beide Aspekte wesentliche Grundpfeiler der (modernen) Sportpsychiatrie und -psychotherapie und v. a. der Sportpsychiatrie und -psychotherapie im deutschen Sprachraum sind, ist v. a. auf Entwicklun|33|gen in den 2010er-Jahren, die eng mit der Gründung des DGPPN-Referats zusammenhängen, zurückzuführen [25]. Anders als in Nordamerika und in mehreren anderen Ländern sowie innerhalb der International Society of Sports Psychiatry (ISSP) entwickelte sich die Sportpsychiatrie und -psychotherapie in den deutschsprachigen Ländern demnach zweigleisig (s. Teil XI LBSP1). Aber auch außerhalb des deutschen Sprachraums wird Sport und Bewegung als therapeutisches Element bei psychischen Erkrankungen beispielsweise durch die Sport and Exercise Psychiatry Special Interest Group (SEPSIG) im Royal Collegede of Psychiatrists sowie durch die World Psychiatric Association (WPA) Section Sport and Exercise aufgenommen (s. Kap. 1). In Nordamerika wird dem Thema zunehmend mehr Bedeutung in der Sportpsychiatrie und -psychotherapie eingeräumt und es ist denkbar, dass Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen das bestehende Tätigkeitsfeld im Leistungssport von Sportpsychiatern in Nordamerika und international in den nächsten Jahren erweitern werden.

2.3  Sport und Bewegung bei körperlichen Erkrankungen

In der Rehabilitations- und Sportmedizin sind Sport und Bewegung längst etablierte Behandlungsmethoden zur Verbesserung der Gesundheit (s. Kap. 7). Das 1912 im Nachklang des weltweit ersten sportmedizinischen Kongresses in Oberhof (Thüringen) gegründete „Deutsche Reichskomitee für die wissenschaftliche Erforschung des Sports und der Leibesübungen“ ist der Vorläufer der heutigen Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP). Es folgten 1913 der erste französische, internationale Kongress für Leibeserziehung in Paris und der Olympische Kongress der Physiologie und Psychologie des Sports in Lausanne (Schweiz). Im Jahr 1928 wurde in St. Moritz und der Schweiz der Weltverband für Sportmedizin als „Association Internationale Medico Sportive (AIMS)“ gegründet, die seit 1998 unter „Fédération Internationale de Médecine du Sport (FIMS)“ firmiert. Die Sportmedizin hat sich seitdem sowohl hinsichtlich des Wissens als auch der Vielseitigkeit deutlich weiterentwickelt, sodass vom Kleinkindalter bis ins hohe Lebensalter für zahlreiche körperliche Krankheitsbilder verschiedenste bewegungsbasierte Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. So ist Ausdauertraining als routinemäßiger Teil der kardiologischen Rehabilitation nach Herzinfarkt oder bei chronischen Herzerkrankungen ebenso etabliert wie Wassergymnastik bei Erkrankungen des Bewegungsapparates [26, 27]. Gleiches gilt für die Behandlung von Übergewicht [28]. In der Onkologie sind Sport und Bewegung in Therapie und Prävention eingebundene, adjuvante Behandlungsansätze [29]. Auch in der Behandlung neurologischer Erkrankungen wird Sport und Bewegung als effektive Behandlungsansätzen zunehmend Bedeutung beigemessen [30]. Darüber hinaus gibt es noch zahllose weitere Beispiele, wie die Sturzprävention bei älteren Menschen, Beckenbodengymnastik bei gynäkologischen bzw. urologischen Beschwerden, medizinische Trainingstherapie nach Verletzungen des Bewegungsapparates etc. Bei dem interdisziplinären Feld der Behandlung chronischer Schmerzen sind Sport und Bewegung aus dem therapeutischen Setting heute nicht mehr wegzudenken (s. Kap. 22). Auf die Grundlagen und Praxis der Sportmedizin und dann insbesondere die Voraussetzungen und Kontraindikationen für Sport und Bewegung geht Kapitel 7 genauer ein.

Wie sich die Sportpsychiatrie und -psychotherapie in das Fachgebiet der Sportmedizin einbringen kann, ist Gegenstand der aktuellen Diskussion und wurde in Kapitel 1 aufgenommen. Im Verständnis der Sportmedizin als Querschnittsfach, das das theoretische und praktische Wissen der Medizin im Bereich Sport und Bewegung bündelt, bewegt sich die Psychiatrie und Psychotherapie mit ihrem „sportmedizinisch-psychiatrischen“ Wissen innerhalb des Fachgebiets der Sportmedizin.

|34|2.4  Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen

Während Sport und Bewegung zur Prävention, Behandlung und Nachsorge körperlicher Erkrankungen etabliert sind, ist der Einsatz von körperlicher Aktivität als Therapiebaustein in der Behandlung psychischer Erkrankungen noch nicht immer die Regel. Dabei weisen Patienten mit psychischen Erkrankungen ein höheres Risiko auf, körperlich inaktiv zu sein. Dies trägt zu einer erhöhten Morbidität und Mortalität bei dieser Population bei [31]. Es ist bereits an dieser Stelle zu betonen, dass schwere psychische Erkrankungen mit einer deutlich reduzierten Lebenserwartung einhergehen. Es sind aber nicht die psychische Morbidität und Mortalität allein dafür verantwortlich, sondern auch und insbesondere die (mit der psychischen Erkrankung assoziierte) körperliche Morbidität und Mortalität der Patienten, die hierfür als Gründe genannt und anerkannt sind [32].

Umgekehrt verbessern Sport und Bewegung das psychische Wohlbefinden und senkt das Risiko für die Entwicklung verschiedener psychischer Erkrankungen [33] (s. Kap. 29).

Entsprechende Effekte konnten u. a. bei Substanzgebrauch, Schizophrenie, Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen oder Schlafstörungen aufgezeigt werden (s. Teil VI). Gleiches gilt beispielsweise für Altersdepressionen und Demenzerkrankungen (s. Kap. 14). Ein günstiger Einfluss auf die Symptomentwicklung ist auch bei der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung bekannt (s. Kap. 27). Bei manchen Beschwerdebildern kann die Förderung von Bewegung oder von strukturiertem und angeleitetem körperlichem Training eine wichtige, ergänzende Behandlungsoption und gegebenenfalls auch eine Behandlungsalternative darstellen, wie beispielsweise bei Depressionen, Angststörungen, posttraumatischen Belastungsstörungen, Substanzgebrauch, Schizophrenie oder Demenz. Auch bei psychosomatischen Beschwerden insgesamt kann sich sportliche Aktivität positiv auf das psychische Befinden auswirken [34]. Gleiches gilt für psychische Risikozustände wie dem Burnout-Syndrom, bei dem körperliche Aktivität sowohl beschwerdelindernd als auch präventiv wirksam ist [35].

Somit kommt Sport und Bewegung in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung sowohl die Bedeutung zur Förderung der psychischen als auch körperlichen Gesundheit zu. Dies soll aufgrund der Bedeutung an dieser Stelle nochmals hervorgehoben werden. Das Sport- und Bewegungsverhalten sollte Teil der psychiatrischen Anamnese sein und es sollte zum Standard gehören, dies zu erfassen.

Von besonderer Bedeutung sind Sport und Bewegung in der gesunden Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Der natürliche Bewegungsdrang kann in der Therapie genutzt werden, um sowohl die körperliche Entwicklung, v. a. aber die psychische und soziale Reifung zu fördern. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie spielen Sport und Bewegung traditionell eine größere Rolle als in der Erwachsenenpsychiatrie und -psychotherapie. Auch bei Beschwerdebildern, die auf Psychopharmaka und teils auch auf Psychotherapie weniger gut ansprechen, wird zunehmend auf Sport und Bewegung als eine alternative oder ergänzende Therapieoption geachtet. Auf die Besonderheiten des Einsatzes von Sport und Bewegung in der Behandlung psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen wird in Kapitel 31 genauer eingegangen.

Auch bei älteren Menschen hat sich über die letzten Jahrzehnte eine gewisse Tradition entwickelt, Sport und Bewegung in die Prävention und Therapie psychischer Erkrankungen einzubetten. Viele Stationen mit gerontopsychiatrischem Schwerpunkt verfügen über Seniorengymnastik, Spaziergänge und Tanztherapie als Bestandteil ihres Behandlungsangebots. In den Kapiteln 14 und 33 wird hierauf näher eingegangen.

Ungeachtet dieser Erkenntnisse partizipieren aber oft nur deutlich weniger als die Hälfte der stationär behandelten Patienten an sol|35|chen Therapieprogrammen [36]. Die regelmäßige Teilnahme an entsprechenden Therapieprogrammen ist jedoch Grundvoraussetzung für einen nachhaltigen Therapieerfolg, da die erzielten Effekte wieder nachlassen oder verschwinden können [37]. Der Umgang mit den Patienten sollte wertschätzend und motivierend sein, da das Verhalten der Übungsleiter bzw. Trainer einen großen Einfluss auf die Entwicklung von Resilienz hat, aber auch auf die Entwicklung oder Verstärkung psychischer Beschwerden [38]. Anders als im stationären Bereich ist die Verordnung von körperlichen bzw. sportlichen Therapien in der ambulanten psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung noch weniger die Regel. Gründe hierfür sind u. a., dass entsprechende Angebote häufig fehlen und auch die Frage der Kostenübernahme und Finanzierung nicht geregelt ist.

Zu der Einbettung von Sport und Bewegung in die Behandlung psychischer Erkrankungen gehört nicht nur die Abstimmung mit einer leitlinienkonformen Psychopharmakotherapie, sondern auch mit den bei den Patienten eingesetzten entsprechenden psychotherapeutischen Behandlungsverfahren. Die wichtigen Aspekte zu dieser Thematik werden in den Kapitel 10 und 11 aufgegriffen. Während das Wissen um die Psychopharmakotherapie im Kontext von Sport und Bewegung noch sehr begrenzt ist und es notwendigerweise einer Schließung der Wissenslücke bedarf, trifft dies auf Sport und Bewegung und Psychotherapie deutlich weniger zu, wie sich auch am Umfang der jeweiligen Kapitel in diesem Lehrbuch zeigt.

Physikalische Verfahren wie auch Entspannungs- und Imaginationsverfahren sind zusätzliche Therapieelemente, die sowohl bei körperlichen wie auch psychischen und psychosomatischen Erkrankungen häufig angewendet werden. Die Anwendung dieser Verfahren im Kontext der Sportpsychiatrie und -psychotherapie wird in den Kapiteln 9 und Teil V erfolgen.

Bei der Rehabilitation von Leistungssportlern mit psychischen Erkrankungen ist zudem auf die besonderen Bedingungen und Stressfaktoren des Leistungssports Rücksicht zu nehmen, um eine Erfolg bringende Reintegration in den Trainings- und Wettkampfbetrieb nicht zu behindern (s. LBSP1). Zu diesen Faktoren gehören u. a. Wettkampfängstlichkeit, die Kommunikation mit Trainern, erhöhte Mobilität oder soziale Isolation [39]. Welchen genauen Stellenwert Sport und Bewegung in der Förderung der psychischen Gesundheit und bei der Behandlung psychischer Erkrankungen bei Leistungssportlern einnimmt, ist eine interessante Frage, die es in den nächsten Jahren auch empirisch (weiter) zu beantworten gilt.

Im Kapitel 30 wird auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede von Frauen und Männern im Kontext von Sport und Bewegung eingegangen. Im vorletzten Kapitel des Teils „Sport und Bewegung und psychische Gesundheit über die Lebenszeit“ wird zudem die Bedeutung von Sport und Bewegung bei Menschen mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen diskutiert(s. Kap. 33). Die Empfehlungen zu Sport und Bewegung für Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen sind vergleichbar den Empfehlungen für Gesunde der jeweiligen Altersgruppe. Der Inhalt dieses Bandes im Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie richtet sich – und das soll betont werden – wieder an alle Menschen, mit und ohne Behinderungen und Beeinträchtigungen. Da die jeweils individuell vorliegenden Behinderungen, die von der WHO vorgeschlagene Intensität und Frequenz der körperlichen Aktivität limitieren können, ist es aber wichtig, auf die besondere Situation von Menschen mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen in einem Kapitel gesondert einzugehen.

Im „Positionspapier – Körperliche Aktivität und psychische Gesundheit“ der Schweizerischen Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie (SGSPP) werden die derzeitigen Problemfelder in Bezug auf Sport und Bewegung in der Prävention und Therapie psychischer Erkrankungen (weiter) beschrieben und zusammengefasst, weshalb diese hier noch wiedergegeben werden sollen [40] (Box 2-1).

|36|Box 2-1: Körperliche Aktivität in der Prävention und Therapie psychischer Erkrankungen: Problemfelder (nach/aus [40])

Die regelmäßige Evaluation von körperlicher Aktivität und körperlicher Fitness bei Patienten mit psychischen Erkrankungen ist in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Praxis noch nicht etabliert.

Standardverfahren zur Verbesserung der körperlichen Aktivität und der körperlichen Fitness, wie etwa die Verschreibung von Sport für die psychische Gesundheit oder Coaching-Programme, die auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit psychischer Erkrankung zugeschnitten sind, sind nicht integraler Teil der Behandlungspläne.

Trotz der robusten Evidenz für ihre Wirksamkeit spielt die Verschreibung von Sport und Bewegung in Behandlungsrichtlinien für psychische Erkrankungen immer noch eine untergeordnete Rolle.

Noch immer ist zu wenig über die am besten geeigneten körperlichen Aktivitäten und Bewegungsabläufe in Bezug auf Art, Dauer, Intensität und Häufigkeit bekannt.

Obwohl viele Kliniken irgendeine Form von körperlicher Aktivität in ihren Therapieprogrammen anbieten, fehlt es immer noch an evidenzbasierten Sporttherapie-Programmen, die während der Akutphase einer psychischen Erkrankung über mehrere Wochen eingesetzt werden, obwohl diesbezüglich klare Empfehlungen vorliegen.

Der Transfer der erlernten Bewegungsroutinen in den Alltag birgt viele Hürden, die im Zuge der stationären Behandlung noch nicht ausreichend thematisiert werden.

Obwohl Therapien, welche Elemente von körperlicher Aktivität beinhalten, in psychiatrischen Kliniken gut etabliert sind, wird das Thema im ambulanten Bereich noch nicht ausreichend angegangen. Es gibt wenig bis gar keine Möglichkeiten für ambulante psychiatrisch-psychotherapeutischen Patienten, antherapeutisch strukturierten Bewegungsprogrammen wie Sporttherapie, Körpertherapie oder therapeutischem Yoga teilzunehmen. Da diese Programme ambulant von den Krankenkassen i. d. R. nicht übernommen werden, ist eine Finanzierung für diese Behandlungsprogramme nur sehr schwer zu erhalten. Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass körperliche Aktivität als Bestandteil des Lebensstils in dieser speziellen Gruppe durch systematische Beratung erleichtert werden kann.

Für Personen mit psychischen Erkrankungen kann es eine Herausforderung sein, eine regelmäßige Bewegungsroutine innerhalb eines unterstützenden sozialen Umfelds zu erreichen. Insgesamt ist über die Hindernisse für körperliche Aktivität sowie über die impliziten Einstellungen gegenüber körperlicher Aktivität und strukturierten Bewegungsprogrammen in dieser speziellen Population noch wenig bekannt. Vereine, die Breitensport betreiben, sind noch nicht genug auf die besonderen Umstände und Herausforderungen, die sich für Menschen mit psychischen Problemen ergeben, vorbereitet.

Finanzielle Unterstützung für sportliche Aktivitäten ist schwer zu erhalten. Dies gibt auch deshalb Anlass zur Sorge, da Menschen mit psychischen Erkrankungen aufgrund höherer Arbeitslosigkeit, der Abhängigkeit von Sozialhilfe und/oder Erwerbsunfähigkeitsrenten meist über geringere finanzielle Möglichkeiten verfügen.

Während die allgemeinen gesundheitsfördernden Effekte von Bewegung in der Öffentlichkeit gut bekannt sind, gibt es immer noch einen ungedeckten Bedarf an öffentlicher Information über die Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf die psychische Gesundheit. Dies spiegelt sich in der Tatsache wider, dass verschiedene Organisationen Positionspapiere und Erklärungen veröffentlicht haben, welche die Rolle von körperlicher Aktivität für die psychische Gesundheit betonen.

|37|2.5  Voraussetzungen, Limitationen und Kontraindikationen für den Einsatz von Sport und Bewegung

Wie bei jeder anderen Therapie sind auch beim Einsatz von Sport und Bewegung in der Prävention, Behandlung und Nachsorge körperlicher und psychischer Erkrankungen Voraussetzungen und Kontraindikationen zu beachten (s. auch Kap. 7). Vor der Verordnung von Sport und Bewegung sollte eine körperliche Untersuchung erfolgen. Bei Kindern und Jugendlichen erfolgt diese meist durch Pädiater, bei Erwachsenen durch die Hausärzte, wobei grundsätzlich die Abklärung der Sporttauglichkeit durch Sportärzte im Rahmen einer sportmedizinischen Untersuchung (SMU, in der Schweiz SPU) erfolgen sollte. Als absolute Kontraindikationen sind in der Regel schwere Herz- und Gefäßerkrankungen (z. B. schwere Arteriosklerose, Herzrhythmusstörungen oder Herzinsuffizienz), schwere Atemwegserkrankungen (z. B. eine schwere chronisch obstruktive Lungenerkrankung (chronic obstructive pulmonary disease, COPD)), schwere Stoffwechselerkrankungen (z. B. schlecht eingestellter Diabetes mellitus), akute Erkrankungen oder Verletzungen des Stütz- und Bewegungsapparats sowie akute, insbesondere fiebrige Infektionen und akute allergische Beschwerden anzusehen [41]. Als relative Kontraindikationen können u. a. degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates betrachtet werden, wobei auch Art und Umfang der sportlichen Aktivität bei der Beurteilung eine Rolle spielt. So ist von Freiklettern („Free-climbing“) bei Epilepsie abzuraten, wohingegen mit Seilen gesichertes Klettern oder Bouldern als wenig risikobehaftet betrachtet werden kann (s. Teil VIII, Kap. 35). Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen wird man nicht ohne Weiteres hochintensives Training empfehlen, wohingegen moderates Ausdauertraining bei vielen dieser Erkrankungen je nach Umfang möglich und sinnvoll ist. Man spricht diesbezüglich auch von der sogenannten „Dosis oder adäquaten Dosierung“ an Sport und Bewegung. Bei Kindern und Jugendlichen ist zudem der besonderen Vulnerabilität des in Reifung und Wachstum befindlichen Organismus Rechnung zu tragen (s. Kap. 31). Auch die Einnahme von Medikamenten kann eine Kontraindikation für Sport und Bewegung darstellen, wie z. B. die Einnahme stark blutverdünnender Medikamente oder von Substanzen, die die Motorik oder Reaktionsfähigkeit und Vigilanz stark beeinträchtigen können (z. B. Opioide, Benzodiazepine), aber auch etwaige Risiken und Vorsichtsmaßnahmen im Zusammenhang mit einer Psychopharmakotherapie im Allgemeinen sind zu beachten – wenngleich das Wissen hierüber wie bereits ausgeführt und auch im Kontext des Leistungssports bisher sehr gering und nicht ausreichend ist (s. Kap. 11, s. LBSP1). Es wird daher für Sportpsychiater und -psychotherapeuten empfohlen, sich ein solides Grundwissen zu den körperlichen Voraussetzungen und Kontraindikationen, aber eben auch Vorsichtsmaßnahmen bei der „Verschreibung“ von Sport und Bewegung anzueignen; und es ist ebenso eine Aufgabe von Psychiatern und Psychotherapeuten, zusammen mit anderen Fachdisziplinen die beschriebenen Wissenslücken zu schließen, für einen sicheren Einsatz von Sport und Bewegung als Therapieelement in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Patientenversorgung.

Aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht sollte weiter bei fehlender oder stark eingeschränkter Steuerungsfähigkeit und Impulskontrolle sowie Absprachefähigkeit von der Verordnung von Sport und Bewegung abgesehen werden. Dies betrifft u. a. akute Suizidalität, floride Psychosen, fremdgefährdendes Verhalten, Delir und Prädelir, Intoxikationen oder Rauschzustände sowie schwere Störungen der Impulskontrolle (z. B. instabile Störungen vom Borderline-Typ) oder des Sozialverhaltens (s. Teil VI). So sind ähnlich wie bei den körperlichen Voraussetzungen und relativen Kontraindikationen auch die entsprechenden psychischen Aspekte |38|zu berücksichtigen, beispielsweise in Art und Umfang der Sportart. Eine Sportart wie Judo, mit engem Körperkontakt und Techniken zum Festhalten und Fixieren, kann bei manchen Traumapatienten mit Missbrauchserfahrung die Erinnerung an ein Trauma reaktivieren, während bei anderen Traumapatienten die Selbstsicherheit und Selbstwirksamkeit gestärkt werden kann (s. Kap. 21). Mehr noch als in der sportmedizinischen Betrachtung der relativen Kontraindikationen kommt es bei der sportpsychiatrisch-psychotherapeutischen Betrachtung auf die individuelle Situation der Patienten und auch das jeweilige Setting an.

2.6  Wirkfaktoren von Sport und Bewegung

Als Theorien wichtiger Wirkfaktoren von Sport und Bewegung gelten die Selbstwirksamkeitshypothese und die Dual-Mode-Theorie [42, 43]. Die Dual-Mode-Theorie von Ekkekakis geht davon aus, dass bei aeroben Belastungen positive Befindlichkeitszustände und homogene Veränderungen auftreten, während im aerob-anaeroben Übergangsbereich heterogene Befindlichkeitszustände und -veränderungen auftreten und bei Belastungen über der anaeroben Schwelle negative Befindlichkeitszustände und homogene Veränderungen beobachtet werden können.

Die Wirkfaktoren von Sport und Bewegung in Hinblick auf die psychische Gesundheit und bei psychischen Erkrankungen werden in Teil II ausführlich in jeweils einem Kapitel zu den biologischen Wirkfaktoren (s. Kap. 4; dort auch Klärung der Begriffe aerob/anaerob) sowie zu den psychischen und sozialen Wirkfaktoren (s. Kap. 5) vorgestellt und diskutiert.

Die Selbstwirksamkeitshypothese geht auf Albert Bandura zurück, der 1977 die Selbstwirksamkeitserwartung als eine kognitive Quelle der Motivation beschrieb, die zwischen der Person und der Handlung steht und es der Person ermöglicht, aufgrund einer positiven Haltung heraus schwierige Situationen und Herausforderungen durch das eigene Handeln erfolgreich zu bewältigen.

Neben körperlichen und kognitiven Prozessen sind auch emotionale und motivationale Prozesse für den Einsatz von Sport und Bewegung von Bedeutung. Bei der Aktivierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen lässt die affektive (emotionale) Reaktion während der körperlichen Aktivität eine Vorhersage über das Ausmaß künftiger Sport- und Bewegungsaktivitäten zu [44]. Während der sportlichen Aktivität spielen auch kognitive Prozesse eine Rolle, wie z. B. die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten oder Kontrollüberzeugungen, die wiederum Auswirkungen auf den Affekt haben [45]. Neben kognitiven Prozessen bzw. emotionalen und motivationalen Mechanismen spielen zudem interpersonelle Mechanismen eine Rolle, wie z. B. das Verhalten von Trainern und Übungsleitern oder Stigmatisierungserfahrungen [46, 47]. Stigmatisierung erfahren im Kontext von Sport und Bewegung häufig Menschen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität (Gender) oder ihrer sexuellen Orientierung von der sozialen Umwelt oft nicht akzeptiert oder gar angefeindet werden (s. Kap. 30).

2.7  Psychische Erkrankungen im Kontext von Sport und Bewegung

Die körperlichen, psychischen und sozialen Belastungen im Leistungssport können – mit Ausnahmen – als Belastungen und Risken für die psychische Gesundheit von Leistungssportlern betrachtet werden. Im ersten Band „Lehrbuch der Sportpsychiatrie und -psychotherapie: Psychische Gesundheit und Erkrankungen im Leistungssport“ (LBSP1) wird hierauf ausführlich eingegangen.

Auch im Freizeitsport können bestimmte sportliche Aktivitäten mit einem erhöhten Auftreten spezifischer Erkrankungen (oder Krankheitsbilder) einhergehen oder verbunden sein |39|(s. Teil IX). Inwieweit die ausgeübte Aktivität selbst dazu beiträgt oder Katalysator einer vorbestehenden psychischen Erkrankung ist, lässt sich häufig nicht sicher klären. Es gibt allerdings eine robuste Datenlage zu dem gehäuften Auftreten spezifischer psychischer Erkrankungen bei verschiedenen Sportarten, und zwar nicht nur im Kontext des Leistungssports, sondern auch des Breiten- oder Freizeitsports.

Wie in Kapitel 1 vorgeschlagen, sollten diese sportspezifischen psychischen Erkrankungen im Freizeitsport als ein weiteres und drittes Tätigkeitsfeld der Sportpsychiatrie und -psychotherapie aufgenommen werden, auch wenn teilweise Überschneidungen und fließende Übergänge zu Themen im Leistungssport (s. LBSP1) und Sport und Bewegung bei psychischen Erkrankungen bzw. im Gesundheitssport bestehen.

Im Bereich der Ausdauersportarten sind beispielsweise nicht nur meist sehr schlanke Sportlertypen zu beobachten, sondern auch Sportler, die entweder die Kriterien für eine Essstörung (beispielsweise einer Anorexie) erfüllen oder die aufgrund des Gewichts der Muskelmasse zwar formal zwar nicht untergewichtig sind, aber die Kriterien eines relativen Energiedefizits im Sport (RED-S) erfüllen (s. Kap. 36, Kap. 28