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Lehrbuch Stationsleitung E-Book

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Beschreibung

Die Herausgeber_innen und die Autor_innen des praxisorientierten Lehrbuchs für professionelle Leitungs- und Führungskräfte im mittleren Management der Pflege verdeutlichen, wie Pflegende pflegetheoretisch fundiert handeln, mithilfe von Pflegeprozess, ethischer Entscheidungsfindung, Patientenedukation und Entlassungsmanagement zeigen auf, wie Leitende ihre Mitarbeiter fordern, fördern und wertschätzen können, durch systemische Führung, Organisations- und Personalentwicklung sowie einen klugen Qualifikationsmix skizzieren aktuelle Entwicklungen und gesundheitsökonomische Hintergründe zeigen, wie Leitungskräfte wirtschaftlich rentabel arbeiten können, mithilfe von Arbeitszeitmanagement, Controlling, Digitalisierung, gesundheitsökonomischem Denken und IT-gestützter Pflegedokumentation beschreiben, wie Führungspersonen gesundheitsfördernde Strukturen schaffen, indem sie Werte einer Organisation leben, Vielfalt integrieren und betriebliche Gesundheitsförderung unterstützen helfen leitenden Pflegekräften, Qualität zu entwickeln und zu sichern durch Prozessmanagement, Behandlungspfade, Qualitätszirkel, Risikomanagement sowie der Umsetzung von Expertenstandards bieten ein anschaulich illustriertes, gut strukturiertes und übersichtlich gegliedertes Lehrbuch für Stationsleitungen bündeln die Expertise eines "Who is Who?" ausgewiesener Pflegemanagement-Expert_innen aus Deutschland und der Schweiz geben leitenden Pflegenden das zurzeit umfassendste Management-Lehrbuch für die mittlere Führungsebene im Krankenhaus an die Hand.

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Märle Poser

Markus Fecke

(Hrsg.)

Lehrbuch Stationsleitung

Pflegemanagement für die mittlere Führungsebene im Krankenhaus

2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

unter Mitarbeit von

Dirk Ashauer

Judith Babapirali

Gudrun Faller

Paul Jan Fischer

Odette Haefeli

Manfred Haubrock

Ansgar Hermes

Eva Herrmann

Dirk Hunstein

Sandra Kätker

Iris Ludwig

Anne Meißner

Maria Müller Staub

Christopher Niehues

Katharina Oleksiw

Annette Riedel

Martin Schieron

Wilfried Schlüter

Thomas Stricker

Christiane Volpers

Pia Wieteck

Klaus Wingenfeld

Angelika Zegelin

Andrea Zielke-Nadkarni

Lehrbuch Stationsleitung

Märle Poser, Markus Fecke

Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Pflege:

André Fringer, Winterthur; Jürgen Osterbrink, Salzburg; Doris Schaeffer, Bielefeld; Christine Sowinski, Köln; Angelika Zegelin, Dortmund

Prof. Dr. Märle Poser (Hrsg.)

Professorin für Personalwirtschaft an der Fachhochschule Münster im Fachbereich Pflege und Gesundheit. Emeritiert

Hochhauser Straße 25, D-26121 Oldenburg

E-Mail: [email protected]

Markus Fecke (Hrsg.)

Pflegemanager (MA)

Zur Burgwiese 5b, D-57635 Mehren

E-Mail: [email protected]

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

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Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Anregungen und Zuschriften bitte an:

Hogrefe AG

Lektorat Pflege

z.Hd. Jürgen Georg

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Jürgen Georg, Martina Kasper, Brigitte Frey-von Matt, Rita Madathipurath

Bearbeitung: Thomas Sonntag

Herstellung: René Tschirren

Umschlagabbildung: Getty Images/Hinterhaus Productions

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Illustration/Cartoons (Innenteil): Illustration: Hans Winkler, Frankfurt/Oder

Satz: punktgenau GmbH, Bühl

Format: EPUB

1. Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag, Bern

© 2012 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96167-5)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76167-1)

ISBN 978-3-456-86167-8

https://doi.org/10.1024/86167-000

Nutzungsbedingungen:

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Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Teil I Pflegetheoretisch fundiert handeln

1 „Der Körper rächt sich!“ Subjektive Theorien versus PflegetheorienAndrea Zielke-Nadkarni

1.1 Einführung in die Thematik

1.2 Subjektive Theorien und Pflegetheorien

1.2.1 Subjektive Theorien im Kontext von Wissen und Handeln

1.2.2 Konzept der subjektiven Theorien

1.2.3 Die Konzepte „illness“ und „disease“

1.2.4 Pflegetheorien – Diskussionsstand

1.2.5 Zusammenfassung

1.3 Theorie-Praxis-Transfer

1.3.1 Subjektive Theorien von Pflegenden

1.3.2 Subjektive Theorien von Patienten

1.3.3 Maßnahmen für die berufliche Weiterbildung und Pflegepraxis

1.3.4 Arbeit mit einem Fallbeispiel

Literatur

2 Zur Anwendung des PflegeprozessesMaria Müller Staub

2.1 Einführung in die Thematik

2.2 Der Pflegeprozess

2.2.1 Pflegeassessment

2.2.2 Pflegediagnose

2.2.3 Outcomes/Planung

2.2.4 Implementierung

2.2.5 Evaluation

2.2.6 Zusammenfassung

2.3 Theorie-Praxis-Transfer

Literatur

3 Ethischen Themen im Krankenhaus Raum und Form gebenAnnette Riedel

3.1 Einführung in die Thematik

3.2 Den ethischen Themen Raum geben – Bedeutung

3.2.1 Perspektive der Pflege- und Versorgungsqualität

3.2.2 Perspektive der Pflegefachpersonen

3.2.3 Zusammenfassung

3.3 Den ethischen Themen Form geben – Auftrag

3.3.1 Als Stationsleitung organisationsethische Angebote einfordern

3.3.2 Als Stationsleitung den Fürsorgeauftrag wahrnehmen

Literatur

4 Informieren, Beraten, Schulen und Moderieren als PflegeaufgabeAngelika Zegelin und Martin Schieron

4.1 Einführung in die Thematik

4.2 Grundlagen der Patientenedukation

4.2.1 Definition

4.2.2 Merkmale der pflegerischen Edukation

4.2.3 Situation in der Pflege

4.2.4 Theoretische Grundlagen der Patientenedukation

4.2.5 Pädagogische und psychologische Aspekte der Patientenedukation

4.2.6 Prozessualer Ablauf der Information und Schulung

4.2.7 Zusammenfassung

4.3 Theorie-Praxis-Transfer: Beispiele für Patientenedukation

4.3.1 Bereich Information

4.3.2 Bereich Schulung

4.3.3 Bereich Beratung

4.3.4 Bereich Moderation

4.3.5 Implementierung

Literatur

5 Entlassungsmanagement in der PflegeKlaus Wingenfeld

5.1 Einführung in die Thematik

5.2 Inhalte und Formen

5.2.1 Grundverständnis

5.2.2 Das Transitionskonzept als theoretischer Bezugsrahmen

5.2.3 Expertenstandard „Entlassungsmanagement in der Pflege“

5.2.4 Organisationsformen

5.2.5 Bausteine des Entlassungsmanagements

5.2.6 Zusammenfassung

5.3 Theorie-Praxis-Transfer: Ausgewählte Fragen der Umsetzung

5.3.1 Qualifikationsanforderungen

5.3.2 Entwicklung einer Konzeption

5.3.3 Arbeitsmittel

5.3.4 Kooperation

Literatur

Teil II Personal führen und Organisationen gestalten

6 Systemische Führung und InterventionsmethodenMarkus Fecke und Märle Poser

6.1 Einführung in die Thematik

6.2 Der systemische Führungsansatz

6.2.1 Klassische versus neuere Führungsansätze

6.2.2 Grundlagen des systemischen Denkens

6.2.3 Systemtheorie nach Niklas Luhmann

6.2.4 Theorie der lernenden Organisation von Peter Senge

6.2.5 Systemische Führung

6.2.6 Systemische Interventionen

6.2.7 Zusammenfassung

6.3 Theorie Praxis-Transfer: Systemische Interventionstechniken in Führungssituationen

6.3.1 Systemisches Fragen

6.3.2 Reframing

Literatur

7 PersonalmarketingMärle Poser und Markus Fecke

7.1 Einführung in die Thematik

7.2 Personalmarketing in der Pflege

7.2.1 Bedeutung und Begriffsbestimmung

7.2.2 Personalgewinnung

7.2.3 Personalauswahl

7.2.4 Personaleinarbeitung

7.2.5 Zusammenfassung

7.3 Theorie-Praxis-Transfer: Instrumente des Personalmarketings

Literatur

8 Integrierte Personal- und OrganisationsentwicklungMärle Poser und Markus Fecke

8.1 Einführung in die Thematik

8.2 Personalentwicklung in der Pflege

8.2.1 Konzeptionelle Ansätze und Ziele

8.2.2 Personal- und Organisationsentwicklung als integriertes Modell

8.2.3 Kritische Reflexion

8.2.4 Gestaltungsfelder und Maßnahmen der OE und PE

8.2.5 Zusammenfassung

8.3 Theorie-Praxis-Transfer: Praxishilfen

Literatur

9 Skill- und Grade-Mix – gemischtqualifizierte Teams in der PflegeOdette Haefeli und Iris Ludwig

9.1 Einführung in die Thematik

9.2 Grundlagen, Modelle und Instrumente

9.2.1 Der Begriff Skill- und Grade-Mix

9.2.2 Definition des Begriffs

9.2.3 Case-Mix, Generationenmix und Kompetenzverständnis

9.2.4 Einführung eines Skill- und Grade-Mix als Veränderungsprozess

9.2.5 Skill- und Grade-Mix festlegen

9.3 Theorie-Praxis-Transfer

9.3.1 Skill- und Grade-Mix im schweizerischen Gesundheitswesen

9.3.2 Die Bezugspflege als Pflegemodell in der Langzeitpflege

9.3.3 Skill- und Grade-Mix in der Stellenbeschreibung

9.3.4 Bildungs- und Karrierewege

9.3.5 Skill- und Grade-Mix in der Berufsbildung

Literatur

10 KonfliktmanagementMärle Poser und Markus Fecke

10.1 Einführung in die Thematik

10.2 Konfliktlösung durch Mediation

10.2.1 Ziele und Anwendungsfelder der Mediation

10.2.2 Konfliktarten und -klassifikationen

10.2.3 Vergleich verschiedener Konfliktlösungsansätze

10.2.4 Handlungsmodell der Mediation

10.2.5 Zusammenfassung

10.3 Theorie-Praxis-Transfer: Die Konfliktmoderation

Literatur

11 OrganisationskulturMarkus Fecke

11.1 Einführung in die Thematik

11.2 Organisationskultur

11.2.1 Konzeptionelle Ansätze zur Organisationskultur

11.2.2 Das Kulturmodell von Schein

11.2.3 Organisationskultur in der systemtheoretischen Literatur

11.2.4 Organisations- und Pflegeleitbilder

11.2.5 Organisationen

11.2.6 Drei Seiten von Organisationen nach Kühl

11.2.7 Zusammenfassung

11.3 Theorie-Praxis-Transfer

11.3.1 Kulturwandel in Organisationen

11.3.2 Wandel und Widerstände

Literatur

12 Vielfalt aktiv integrieren – Diversity ManagementEva Herrmann und Sandra Kätker

12.1 Einführung in die Thematik

12.2 Umgang mit menschlicher Vielfalt in Organisationen

12.2.1 Grundlagen

12.2.2 DiM als ganzheitlicher Managementansatz im Krankenhaus

12.2.3 Implementierung von Diversity Management

12.2.4 Zusammenfassung

12.3 Theorie-Praxis-Transfer: Integration in den Organisations- und Führungsalltag

Literatur

13 Betriebliche GesundheitsförderungGudrun Faller

13.1 Einführung in die Thematik

13.2 Grundlagen der Gesundheitsförderung

13.2.1 Zum Verständnis von Gesundheit

13.2.2 Gesundheitsförderndes Krankenhaus

13.2.3 Gesundheit von Pflegepersonal

13.2.4 GfOE im Krankenhaus

13.3 Theorie-Praxis-Transfer

13.3.1 Praxis der Gesundheitsförderung

13.3.2 Gesundheitsfördernde Führung

13.3.3 Fazit

Literatur

Teil III Wirtschaftlich rentabel arbeiten

14 Gesundheitsökonomische EntwicklungenManfred Haubrock

14.1 Sozioökonomische Rahmenbedingungen

14.1.1 Vorbemerkungen

14.1.2 Wirtschaftlicher Wandel und sozialer Schutz

14.1.3 Soziale Marktwirtschaft als Ordnungsprinzip

14.2 Interdependenzen zwischen Gesundheits- und Gesamtsystem

14.2.1 Wirtschaftswachstum als Finanzierungsgrundlage

14.2.2 Grundlohnsummenorientierte Ausgabenpolitik

14.2.3 Volkswirtschaftliche Relevanz der Gesundheitswirtschaft

14.2.4 Steuerungsalternativen

14.3 Auswirkungen von Reformen im Gesundheitswesen

14.3.1 Gesundheitsreformen im Überblick

14.3.2 Perspektiven für die Versorgungslandschaft

Literatur

15 Digitalisierung in der PflegeAnne Meißner, Dirk Hunstein und Pia Wieteck

15.1 Einführung in die Thematik

15.2 Pflege digital organisieren

15.2.1 Die digitale Pflegeakte

15.2.2 Klinische Entscheidungsfindung im digitalen Zeitalter

15.3 Theorie-Praxis-Transfer

15.3.1 Ausrichtung der Regeln an pflegefachlichen Argumenten

15.3.2 Transparenz von Anforderungen und Regeln

15.3.3 Wertschätzung

15.3.4 Einarbeitung von neuen Mitarbeitenden

15.3.5 Einsicht in die Patientenakte

15.3.6 Notfallplan

15.3.7 Digitale Kompetenzen

15.3.8 Schlussbemerkung

Literatur

16 Arbeitszeitmanagement und DienstplangestaltungAnsgar Hermes

16.1 Einführung in die Thematik

16.2 Bedarfsorientiertes Arbeitszeitmanagement in der Pflege

16.2.1 Rückblick, Ist-Stand und Ausblick

16.2.2 Ökonomische Zwänge versus Mitarbeiterorientierung

16.2.3 Arbeitsrechtliche Grundlagen

16.2.4 Praxis der Dienstplangestaltung

16.2.5 Schichtarbeit und Gesundheit

16.2.6 Ausfallmanagement

16.2.7 Zwischenfazit

16.3 Theorie-Praxis-Transfer

16.3.1 Fallvignette

16.3.2 Definition der Schichtbesetzung

16.3.3 Implementierung eines nachhaltigen Arbeitszeitmanagements

16.3.4 Tipps und Hinweise

Literatur

17 Krankenhausfinanzierung und PflegecontrollingChristopher Niehues, Judith Babapirali und Paul Jan Fischer

17.1 Einführung in die Thematik

17.2 Grundlagen der Krankenhausfinanzierung

17.2.1 Entwicklung und wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser

17.2.2 Grundsatz der sektoralen Trennung

17.2.3 Duale Finanzierung

17.2.4 Einfluss des Gemeinsamen Bundesausschusses

17.3 Zur Vergütung von DRG-Fallpauschalen

17.3.1 Ermittlung der DRG-Fallpauschalen

17.3.2 Einheitliche Kalkulation und Darstellung

17.3.3 Fehlanreize und Einsparungen beim Pflegepersonal

17.4 Pflegepersonaluntergrenzen und Ausgliederung der Pflege aus dem DRG-System

17.4.1 Erfassung der Pflege im Rahmen der KHBV

17.4.2 Abgrenzung der PpUG von der Ausgliederung der Pflege aus dem DRG-System

17.4.3 Vergütung der Pflege außerhalb der DRG-Fallpauschalen

17.4.4 Abgrenzungs- und Umsetzungsprobleme in der Praxis

17.5 Pflegecontrolling

17.5.1 Betriebswirtschaftliches, Medizin- und Pflegecontrolling

17.5.2 Kennzahlen für die Stations- und Pflegedienstleitung

17.5.3 Pflege-Dashboard

17.6 Zusammenfassung

Literatur

18 Pflege und DRGMaria Müller Staub

18.1 Einführung in die Thematik

18.2 Pflegediagnostik im Kontext des DRG-Systems

18.2.1 Pflege benennen, sichtbar machen und einbeziehen

18.2.2 Pflegediagnostik und Pflegedokumentation

18.2.3 Diagnosis Related Groups

18.2.4 Zusammenfassung

18.3 Theorie-Praxis-Transfer: Elektronische Pflegedokumentation und DRGs

18.3.1 Ein Erfolgsbeispiel

18.3.2 Intelligentes Expertensystem und Pflegeprozesskomponenten

18.3.3 Evaluation der elektronischen Pflegedokumentation

18.3.4 Pflegebedarf identifizieren, Pflegeleistungen begründen und DRGs erfassen

Literatur

Teil IV Qualität entwickeln und sichern

19 Prozessmanagement im KrankenhausDirk Ashauer

19.1 Einführung in die Thematik

19.2 Theoretische Grundlagen des Prozessmanagements

19.2.1 Zentrale Begriffe und Inhalte

19.2.2 Prozesskostenrechnung und Kennzahlen

19.2.3 Prozess- und Qualitätsmanagement

19.2.4 Integrierte Behandlungspfade

19.2.5 Zusammenfassung

19.3 Theorie-Praxis-Vernetzung: Vorgehen bei der Erstellung eines Behandlungspfades

Literatur

20 Qualitätszirkel im Rahmen von QualitätsmanagementThomas Stricker und Christiane Volpers

20.1 Einführung in die Thematik

20.2 Qualitätsmanagement

20.2.1 Zur Geschichte des Qualitätsmanagements

20.2.2 Begriffe und Sichtweisen

20.2.3 Wichtige Qualitätsmanagementsysteme im Überblick

20.2.4 Change Management

20.2.5 Qualitätszirkelarbeit im Krankenhaus

20.2.6 Zusammenfassung

20.3 Theorie-Praxis-Transfer: Voraussetzungen für Qualitätszirkel und Arbeitsmethoden

20.3.1 Voraussetzungen für Qualitätszirkel

20.3.2 Die Arbeit in Qualitätszirkeln

Literatur

21 Fehler- und RisikomanagementWilfried Schlüter

21.1 Einführung in die Thematik

21.2 Grundlagen und theoretische Ansätze

21.2.1 Zur Geschichte der Fehlerforschung

21.2.2 Fehlerdefinition und -klassifikation

21.2.3 Risiko- und Fehlermanagement im Krankenhaus

21.2.4 Zusammenfassung

21.3 Theorie-Praxis-Transfer: Einführung eines Critical-Incident-Reporting-Systems

Literatur

22 Umsetzung von Expertenstandards in der PflegeKatharina Oleksiw

22.1 Einführung in die Thematik

22.2 Aufbau und Entwicklung von Expertenstandards

22.2.1 Der Begriff Standard

22.2.2 Aufbau des Expertenstandards

22.2.3 Entwicklung und Einführung von Expertenstandards

22.2.4 Evidence-based Nursing (EBN)

22.2.5 Zusammenfassung

22.3 Theorie-Praxis-Transfer: Implementierung eines Expertenstandards am Beispiel „Dekubitusprophylaxe in der Pflege“

Literatur

Anhang

Herausgeber- und Autorenverzeichnis

Sachwortverzeichnis

|15|Vorwort

Für die vorliegende zweite, völlig neu überarbeitete Auflage des Lehrbuches für Stationsleitungen wurde im Wesentlichen wieder die Konzeption zugrunde gelegt, wie sie für die 1. Auflage entwickelt und dort im Vorwort ausgeführt worden ist. Im Mittelpunkt steht das Bemühen, die berufliche Handlungsorientierung bei der Darstellung fachwissenschaftlicher Inhalte zu berücksichtigen. Überwiegend folgen die einzelnen Beiträge damit wieder einer dreigliedrigen didaktischen Struktur, nach der zum Abschluss die theoretischen Ausführungen zu den einzelnen Themenschwerpunkten auf einen Theorie-Praxis-Transfer fokussieren. Inhaltlich sind die Beiträge nach inzwischen über zehn Jahren seit Erscheinen der 1. Auflage gründlich überarbeitet worden, um den schnell voranschreitenden Veränderungen und Neuerungen Rechnung zu tragen. Diese zeigen sich insbesondere im Bereich der Digitalisierung der Pflege und bei dem sich zuspitzenden Personalmangel. Entsprechend sind in diesen Themenbereichen drei neue Kapitel eingefügt worden: Abschnitt II Kapitel 9, Abschnitt III Kapitel 15 und 16. Bei einigen weiteren Kapiteln ist der Themenschwerpunkt gleichgeblieben, sie sind aber von neu hinzugewonnenen Experten und Expertinnen vollständig neu verfasst worden (Abschnitt I Kapitel 3, Abschnitt II Kapitel 13 und Abschnitt III Kapitel 17).

Die Arbeit an dem Buch hat uns erneut eindrücklich vor Augen geführt, wie umfangreich und theoretisch anspruchsvoll die Wissensbestände sind, über die Leitungskräfte der mittleren Führungsebene in der Pflege im Krankenhaus idealerweise verfügen sollten. Ein Blick auf die Praxis zeigt indessen – und dies gilt insbesondere in Zeiten der Pandemie – dass die Voraussetzungen zur Entfaltung eines solcherart wissensbasierten Handelns denkbar schlecht sind. Leitungskräften in der Pflege fehlt zunächst einmal oft die Zeit, um ihre Führungsaufgaben umfänglich wahrzunehmen. Aber selbst, wenn diese Zeit vorhanden wäre, sind Leitungskräfte mit strukturellen Problemen – insbesondere mit der Verknappung von Pflegepersonal – konfrontiert, auf die sie nur sehr begrenzt Einfluss haben. Durch die Coronakrise ist dieses Problem in das öffentliche Bewusstsein gerückt: So ist die hohe Systemrelevanz der Pflege deutlich geworden, die in starkem Kontrast zu der bisher fehlenden gesellschaftlichen Wertschätzung sowie einer auch vergleichsweise geringen Bezahlung bei sehr hohen Arbeitsbelastungen und ungünstigen Arbeitszeiten steht. Entsprechend nimmt das Interesse an dem Ausbildungsberuf Pflege ab, und im Pflegeberuf mehren sich Kündigungen und lauter werdende Kündigungsabsichten. Die Politik versucht gegenzusteuern durch die Zahlung eines Coronabonus, einzelne Kliniken entscheiden sich für freiwillige Gehaltserhöhungen ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Pflege – auch um auf diesem Wege Druck auf die Politik auszuüben. Aber ist das der richtige – oder besser: ausreichende Weg?

|16|Studien über die Berufszufriedenheit von Pflegenden zeigen über die Zeit, dass die Arbeit mit und an den Patienten und Patientinnen die zentrale Motivation für die Berufswahl ist. Pflegende wünschen sich zwar auch mehr gesellschaftliche Anerkennung und eine höhere Bezahlung, aber in erster Linie geht es ihnen um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, weg von der zunehmenden Arbeitsverdichtung, hin zu mehr Zeit für genuin pflegerische Tätigkeiten. Und sie wünschen sich in ihren Einrichtungen eine wertschätzende Organisations- und Führungskultur (Kuhn et al., 2021). Für deren engagierte Ausgestaltung finden angehende ebenso wie langjährig erfahrene Führungskräfte in der Pflege in dem vorliegenden Buch viele Anregungen. Der Ab- und Rückbau der durch Rationalisierungsprozesse erfolgten Arbeitsverdichtung liegt hingegen in der Verantwortung von Politik und Unternehmensleitungen. Zu wünschen ist, dass aus der Krise Neues erwächst und Lernprozesse für alle beteiligten Akteure und Akteurinnen möglich werden.

Oldenburg und Mehren im Mai 2022

Märle Poser, Markus Fecke

Literatur

Kuhn, A., Mack, C. & Weinert, S. (2021). Berufsverbleib und Wiedereinstieg von Pflegefachpersonen in Schleswig-Holstein. Befragung zur Arbeitszufriedenheit im Rahmen des Projektes „Beruflicher Wiedereinstieg von Pflegefachpersonen in Schleswig-Holstein“ angesiedelt bei der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein (Abschlussbericht). Ludwigshafen: Forschungsnetzwerk Gesundheit, Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen.

|17|Teil I Pflegetheoretisch fundiert handeln

|19|1  „Der Körper rächt sich!“ Subjektive Theorien versus Pflegetheorien

Andrea Zielke-Nadkarni

1.1  Einführung in die Thematik

Pflegefehler sind teuer. Der Pflegealltag ist hektisch. Entscheidungen müssen häufig aufgrund des hohen Arbeitstempos und unvorhergesehener Herausforderungen schnell und damit nicht selten intuitiv getroffen werden. Während Berufsanfänger und -anfängerinnen bei intuitiven Entscheidungen auf wenig professionelle Pflegeerfahrung zurückgreifen können und folglich oft falsch liegen, wenn sie situationsbedingt kein Regelwissen zur Verfügung haben, zeichnen sich Pflegeexperten und -expertinnen mit langjähriger Berufserfahrung gerade dadurch aus, dass ihr Regelwissen von untergeordneter Bedeutung ist, wenn es gilt, eine komplexe Situation mit (unmittelbarem) Handlungsbedarf intuitiv zu erfassen (Benner, 2017). Zwischen den beiden Polen „Berufsanfänger“ und „Pflegeexperte“ liegt die Großgruppe der professionell Pflegenden mit langjähriger Routine bei bedingter Expertise (nach Benner die kompetent Pflegenden), die aber dennoch auf ungewohnte Herausforderungen im Berufsalltag und Krisen von Patienten und Patientinnen reagieren müssen.

Pflegefehler sind – wie alle Fehler – menschlich. Eine Antwort auf die Frage, warum sie passieren, liefert die Betrachtung subjektiver Theorien. Welche subjektiven Vorstellungen haben Menschen von Gesundheit und Krankheit? Worin unterscheiden sich diese Vorstellungen von wissenschaftlichen Definitionen? Welchen Einfluss haben subjektive Vorstellungen auf den Einsatz und den Erfolg pflegerischer Interventionen? Diese Art Fragen ist in den Fokus des pflegewissenschaftlichen Erkenntnisinteresses gerückt, denn das Verstehen des subjektiven Erlebens von Krankheit und Gesundheit ist mittlerweile zu einer zentralen Perspektive der Pflegeforschung und über den Begriff der Patienten- bzw. Personenorientierung zu einem weitverbreiteten Konzept in der Praxis geworden. In diesem Zusammenhang werden Krankheit und Gesundheit als sozial geformte Prozesse verstanden, die vom Erfahrungswissen des Einzelnen individuell geprägt sind.

„Der Körper rächt sich!“ ist die Aussage einer professionellen Pflegeperson mit langjähriger Berufserfahrung und Hochschulqualifikation, bezogen auf ihr eigenes Krankheitserleben. Sie wird zum Ausgangspunkt dieses Kapitels, in dem es um die Betrachtung von subjektiven Theorien und Pflegetheorien geht. Ziel ist, die Bedeutung und den Einfluss der subjektiven Theorien auf das Denken und Handeln von Pflegepersonen sowie Patienten und Patientinnen im Kontext von Krankheit und Gesundheit zu beleuchten und diesen Zusammenhang mit Blick auf den Einsatz von Pflegetheorien zu diskutieren. Damit soll die mittlere Führungsebene für die Notwendigkeit von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für ihre Pflegeteams sensibilisiert werden, welche die Reflexionsfähigkeit und das |20|selbstkritische Hinterfragen von Pflegeinterventionen schulen.

Im Folgenden wird zunächst der Zusammenhang zwischen subjektiven Theorien und den Begriffen „Wissen“ und „Handeln“ dargestellt. Zur Erläuterung der Laienperspektive im Verhältnis zur biomedizinischen werden die Konzepte „illness“ und „disease“ eingeführt. Es folgt eine Aufarbeitung des Diskussionsstandes zu den Pflegetheorien (Kap. 1.2). Daran schließt die Darstellung des Verhältnisses von subjektiven Theorien und Pflegetheorien in der beruflichen Praxis an. Die Ausführungen münden in Maßnahmen zur Integration beider Theorieformen im Rahmen der beruflichen Fort- und Weiterbildung und der Pflegepraxis, gefolgt von der Arbeit mit einem Fallbeispiel, wobei abschließend auch die Rahmenbedingungen kritisch in den Blick genommen werden (Kap. 1.3).

1.2  Subjektive Theorien und Pflegetheorien

1.2.1  Subjektive Theorien im Kontext von Wissen und Handeln

Ausgangspunkt für die folgende Argumentation ist das Erfahrungswissen des Einzelnen, wissenschaftlich gefasst im Konzept der subjektiven Theorien. Dieses Konzept entwickelte sich ab den 1960er-Jahren mit einem neuen Interesse der Soziologie am Alltag. Ausgehend von der Prämisse, dass Individuen in Form von Konzepten über Alltagswissen verfügen, das sie im Alltagshandeln nutzen, beschrieb Alfred Schütz in wichtigen Vorarbeiten für die weitere Theorieentwicklung als „erste Aufgabe der Methodologie der Sozialwissenschaften, die allgemeinen Prinzipien zu erforschen, nach denen der Mensch im Alltag seine Erfahrungen und insbesondere die der Sozialwelt ordnet“ (Schütz, 1972, S. 68). Inzwischen weiß man, dass Menschen Wissensbestände und Erklärungsmuster über sich und die Welt entwickeln, die im Alltag Orientierungs- und Handlungshilfen darstellen.

Eine weitere sozialwissenschaftliche Perspektive betrachtet die verschiedenen Formen des Wissens (vom Alltagswissen bis hin zur Wissenschaft) aus sozialphänomenologischer Sicht als unterschiedliche Wege der Welterzeugung, die im Handeln deutlich werden. Dieser Zusammenhang soll im Folgenden in knapper Form dargestellt werden, bevor in Kapitel 1.2.2 das Konzept der subjektiven Theorien näher erläutert wird.

In der Psychologie besteht eine Art „Grundkonsens“ (Gerstenmaier & Mandl, 2000, S. 293) darüber, was unter dem Begriff „Wissen“ zu verstehen ist. In Abgrenzung zum Wissen beinhaltet „Information“ Daten, die bezüglich eines Sachverhaltes aufklären. Damit aus Information Wissen entsteht, muss der Mensch sie in seine Erfahrungswelt, in sein Denken, Fühlen, Handeln und Wollen aufnehmen (Wiater, 2007). Neues Wissen entsteht, wenn ein Individuum situationsabhängig relevante Informationen aussucht, sie mit bereits gespeicherten vergleicht, sie mit seinen bisherigen Erfahrungen vernetzt und abschließend bewertet. Wissen wird also erst dann kreiert, wenn neue Informationen mit bestehenden Strukturen verknüpft werden und damit auch für künftiges Handeln zur Verfügung stehen (Keller, 2008).

In unserem Zusammenhang von besonderer Bedeutung ist das sogenannte implizite Wissen, da subjektive Theorien Bestandteil dieses Wissenstypus sind. Implizites Wissen ist kontextspezifisches, personenbezogenes Erfahrungswissen, das in Handlungen sichtbar wird. Es wird jedoch kaum als solches reflektiert und kann daher nur schwer bewusst verbalisiert werden (Ernst & Paul, 2013; Wiater, 2007). Es kann aber prinzipiell ins Bewusstsein rücken, ist somit „bewusstseinsfähig“ (Wahl, 2013, S. 41). Nach Büssing et al. (2004) enthält implizites Wissen sowohl deklarative (im Pflegekontext in erster Linie als Fachwissen zum Tragen kommende) wie auch prozedurale (im Pflegekon|21|text z. B. in Leitfäden oder Pflegestandards als Handlungsanweisung vorkommende) Anteile, es wird jedoch nicht durch bewusstes Lernen erworben.

„Handeln“ wird als Form menschlichen Verhaltens verstanden, deren spezifisches Merkmal die Zielgerichtetheit ist (Aebli, 2019; Huber & Mandl, 1994; von Cranach & Bangerter, 2000). „Handlung ist motiviertes, gezieltes, geplantes, gewolltes, kontrolliertes und bewertetes Verhalten“ (von Cranach & Bangerter, 2000, S. 228). Die Gründe für Handlungen sind in den Motiven des Einzelnen verankert (Keller, 2008). „Die Handlung wird dabei als Produkt eines kognitiven Informationsverarbeitungsprozesses verstanden“ (Keller, 2008, S. 61). Dieser Prozess läuft jedoch nicht vollständig bewusst ab; die unbewussten Entscheidungen, die Handlungen zugrunde liegen, fußen auf subjektiven Theorien, die allgemein wie auch im Pflegebereich (Büssing et al., 2004; Schwarz-Govaers, 2005) Interventionen entscheidend mitbestimmen.

Handeln und implizites Wissen stehen demnach miteinander in Wechselwirkung, wobei auch situative Einflüsse und soziokulturelle Faktoren wirksam werden. Wissen ist darüber hinaus jedoch auch das Ergebnis von Kommunikation zwischen Individuen (Flick, 1987; König, 1995; Schründer-Lenzen, 2013).

1.2.2  Konzept der subjektiven Theorien

Subjektive Theorien werden als Schlüssel zum Verständnis von (gesundheitsbezogenem) Verhalten betrachtet, da sie Wahrnehmungen und Werthaltungen strukturieren. Folglich wirken sie direkt wie indirekt verhaltenssteuernd. Sie werden zur Befürwortung bzw. Ablehnung von Normen, Werten, Zielsetzungen etc. herangezogen (Dann, 1998). Der Einfluss subjektiver Theorien betrifft alle gleichermaßen: Pflegende wie Patienten und Patientinnen und hier auch und insbesondere Menschen mit einer Migrationsgeschichte, die kulturell bedingt eine andere Sichtweise in Bezug auf Krankheit und Gesundheit entwickelt haben, die bei der Begleitung im Pflegeprozess nicht immer angemessen berücksichtigt wird – etwa durch Unwissenheit, negative Stereotype, ein hohes Maß an Routine bei den Arbeitsabläufen oder die Hektik des Pflegealltags.

Subjektive Theorien sind im Alltag einerseits als solche überwiegend nicht bewusst und werden auch nicht reflektiert. Andererseits wird in alltäglichen Kommunikationssituationen Alltagswissen und -handeln im Nachhinein in Form von Erzählungen vermittelt, auf diese Weise mit Bedeutung versehen und (vor allem) damit ins Bewusstsein gehoben. Erzählungen sind somit ein wichtiger Zugangsweg zu subjektiven Theorien – und wie das folgende Beispiel zeigt, gerade auch in der Pflegepraxis. Frau N. versorgt seit Jahren ihren schwerstpflegebedürftigen Mann.

Interviewausschnitt

Frau N.: Ich muss Ihnen sagen, ich glaube an Gott, aber ich geh nit in die Kirche. Erstens mal hab ich keine Zeit, das hab ich auch’n Pfarrer gesagt. […] Ich hab schon so viel Gutes durch en Gebet erlebt, selber, an mir, dass ich einfach da dran glauben muss, und da steh ich auch zu. […] Da krieg ich auch wahnsinnige Kraft, ja, wahnsinnige. Ich hab schon zum Pfarrer gesagt: „Wissen Se, wenn ich gar nit mehr kann, geh ich abends um siebene oder achte mal uf’n Friedhof, und dann denk ich mir, was die und die und die – man kennt sich ja hier auf’m Dorf – alle erlebt han und alle mitgemacht han, dann schaff ich’s auch.“ Ob ich’s schaffe, weiß ich nit (Zielke-Nadkarni, 2003, S. 458).

Die Erzählung ist eine natürliche, im Rahmen eines Sozialisationsprozesses eingeübte Gesprächsform, mit der sich Menschen untereinander der Bedeutung von Geschehnissen versichern. Sie macht übergreifende Handlungszusammenhänge sichtbar und dient der Verarbeitung, Bilanzierung und Evaluierung von Erfahrungen. Spannend ist, dass sie bestimmten |22|Zugzwängen unterliegt, die zur Enthüllung auch unbewusster Haltungen und Motive führen (Schütze, 1984). Zu diesen Zugzwängen gehört,

dass eine Erzählung zu Ende gebracht werden muss (Gestalterschließungszwang);

dass im Rahmen der jeweils verfügbaren Zeitbudgets das für das Verständnis Notwendige in der Erzählung enthalten sein und so verdichtet (zusammengefasst) werden muss, dass Zuhörende es verstehen können (Kondensierungszwang);

dass die zum Verständnis notwendigen Hintergrundinformationen und Zusammenhänge geschildert werden müssen (Detaillierungszwang).

Die Erzählung fungiert in der Alltagswelt als die wichtigste Form der Kommunikation. Was wem wie erzählt wird und auch, was verschwiegen oder als selbstverständlich bzw. bekannt vorausgesetzt wird, ist schicht-, kultur- und familien- bzw. personenabhängig. Pflegenden erschließen sich in den Erzählungen die Erfahrungen, Erwartungen, Hoffnungen und Ängste ihrer Patienten und Patientinnen. Erzählungen sind damit ein wichtiger Schlüssel zu subjektiven Theorien.

Subjektive Theorien umfassen neben Wissens- und Erfahrungsbeständen sowie Emotionen auch innere Vorstellungen von Fertigkeiten, Einstellungen und Überzeugungen. Sie haben stets einen Situationsbezug und sind vernetzt. Zu den subjektiven Theorien gehören beispielsweise Erklärungen, Begründungen, Rechtfertigungen, Konkretisierungen etc. Ein Beispiel bieten die Ausführungen von Frau G. in dem Interviewausschnitt. Sie stammt aus der Türkei und beschreibt ihre Sichtweise des sogenannten „bösen Blicks“ (türkisch nazar). Der Glaube an den bösen Blick ist im gesamten Mittelmeerraum sowie in Asien und Lateinamerika weit verbreitet. Er ist einer Person entweder angeboren oder er entsteht aus einer momentanen Stimmung der Abneigung, des Neides o. Ä. heraus, verursacht Erkrankungen und gilt in der Schwangerschaft als besonders gefährlich.

Interviewausschnitt

Frau G.: Das gibt’s – z. B. nazar is, wenn ich irgendein Kind sehe und sage: „Och, das is aber ein hübsches Kind!“, ne? Morgens sag ich’s und dann abends wird’s dann krank, dann is das nazar.

I: Obwohl Sie etwas Gutes gesagt haben?

Frau G.: Ja, aber dazu muss man Masallah sagen, das gehört auch noch dazu, weil, ich hab … von meiner Tante die Tochter, von meinem Onkel besser gesagt, von der hat man gesagt, das war ein bildhübsches Mädchen, dunkelblond, weiß, ein bildhübsches Mädchen, und mein Onkel hat erzählt, da kam ’ne Frau und hat gesagt: „Oh, wie ist sie hübsch und schön und groß für ihr Alter.“ Und in der Nacht ist sie dann gestorben. Ich glaub’ auch da dran, nazar, glaub’ ich total dran. Meine Schwester z. B. is – die hatte so’n Kettchen an mit so’m Auge, das ist ja gegen nazar –, und die war mal bei jemand und hat mir erzählt: „Die hat mich andauernd angeguckt.“ Andauernd hätte se se angeguckt, die Frau. Und dann war das Auge entzwei, richtig geplatzt. Das is der böse Blick. Meine Schwester hatte Glück, weil sie das Auge dran hatte (Zielke-Nadkarni, 2003, S. 354).

Subjektive Theorien sind im Langzeitgedächtnis gespeicherte, relativ widerstandsfähige mentale Strukturen, deren konkreter Entstehungskontext in der Lebenswirklichkeit dem Individuum nicht notwendigerweise präsent ist (van der Meer, 2006). Zu wissenschaftlichen Theorien weisen subjektive Theorien eine strukturelle Parallelität auf, da sie neben inhaltlichen Aussagen auch z. B. Bedingungs-, Begründungs- und Argumentationsstrukturen einschließen (Keller, 2008). Dementsprechend liegen sie Handlungen zugrunde (Dann, 1998). Als Beispiel sei die Erzählung der Alevitin Frau G. angeführt, deren Tochter an Osteogenesis imperfecta (Glasknochen) leidet.

|23|Interviewausschnitt

Frau G.: Zum Beispiel voriges Jahr war ich mal, ich hab in sechs Siarits [Heilige Stätten der Aleviten; Anm. d. Verf.] drin. Und da hab ich echt Sachen erlebt, die ich noch nie gesehen hab. Zum Beispiel ich bin da mit meiner Tochter, da sind z. B. so Fliesen – hier war dann das Grab, das ist ja in dem Häuschen drin, ne? Und die Fliesen unten, da ist, also wirklich, das würden mir manche hier nicht glauben, da ist richtig Wasser rausgekommen aus den Fliesen. Und mit dem Wasser ham wir dann meine Tochter eingerieben. Wir, ich – ham dann geglaubt, dass sie davon geheilt wird, weil, ich meine, das ist ja nit normal, dass jetzt aus ’ner Fliese Wasser rauskommt, ne? Und, ja, gebetet ham wir dann und so, z. B. – das muss ich Ihnen erzählen, ich weiß nicht, ob Sie’s mir jetzt glauben (Zielke-Nadkarni, 2003, S. 458).

Darüber hinaus haben wissenschaftliche und subjektive Theorien ähnliche Funktionen, so z. B. ihren Beschreibungs-, (auch nachträglichen) Erklärungs-, Prognose- oder Anwendungscharakter (Dann, 1998; Keller, 2008). Hier ein weiteres Beispiel zum bösen Blick mit Beschreibungs- und Erklärungscharakter.

Interviewausschnitt

Frau E.: Das passiert kleinen Kindern sehr oft, dass sie diesen Blick abkriegen. Und dann gibt es bestimmte Verse, die wir aus dem Koran dem Kind vorlesen, und dann ist das wieder okay. Man kann eigentlich nur vermuten, wann ein Kind so einen Blick abbekommen hat. Wenn man die Verse liest, vorsichtshalber, kann man eigentlich nichts falsch machen, das hat ja keinen negativen Einfluss auf das Kind. […] Aber diese blauen Augen, die man trägt, das hilft nichts. Das ist Humbug, Aberglaube (Zielke-Nadkarni, 2003, S. 355).

Im Unterschied zu wissenschaftlichen Theorien, die eine klare Argumentationsstruktur aufweisen, sind subjektive Theorien von geringerer Präzision. Sie beziehen sich auf Alltagsaktivitäten und betreffen stets eine Einzelperson (im Gegensatz zu Forschergruppen im Wissenschaftsbetrieb). Sie sind Bewältigungstheorien, die nur für das jeweilige Individuum gültig sein müssen, während für wissenschaftliche Theorien eine intersubjektive Gültigkeit entscheidend ist.

Frau N. über die Folge ihrer Gebete für ihren durch einen Apoplex schwerstpflegebedürftigen Mann:

Interviewausschnitt

Frau N.: Es sind eigenartige Sachen. Seh’n Se mal, ich hab immer gebetet: „Lieber, guter Gott im Himmel, lass doch den Mann ruhig sein, dass er nit immer so gakelt und so schreit, wie soll denn das enden?“ Dann war er ruhig. Ich hab’n behalten, aber er war ruhig. Das is für mich ’ne ganz, eigentlich ’ne wunderbare Sache (Zielke-Nadkarni, 2003, S. 458).

Wissenschaft agiert in den geschützten Räumen der Hochschulen. Demgegenüber sind die subjektiven Theorien im Alltag in Gefüge von Machtstrukturen und Abhängigkeitsverhältnissen gebunden, und ihre Entwicklung geschieht – in der Pflege häufig – unter Handlungsdruck (Keller, 2008). Verres (1991, S. 312) nennt weitere Unterscheidungsmerkmale von subjektiven Theorien im Vergleich zu wissenschaftlichen Theorien, die besonders bei belastenden Vorstellungsinhalten wie Krankheit eine Rolle spielen:

„Auch logisch unvereinbare Vorstellungen können widersprüchlich und unverbunden nebeneinander bestehen“ (z. B. das sogenannte healer-shopping: der Besuch eines Hoças und eines naturwissenschaftlich gebildeten Arztes – mögliche Inkonsistenz).

„Sie können sich je nach dem aktuellen Erfahrungskontext ändern“ (z. B. Aufkündigung des Glaubens, wenn Gott, Allah oder |24|Jahwe nicht Gesundheit schenkt – mögliche Instabilität über die Zeit).

„Die einzelnen Krankheitsvorstellungen sind durchsetzt von Konnotationen, Symbolik, Metaphorik und Wahrnehmungsabwehr“ (z. B. der weltweit verbreitete Einsatz von Amuletten zur Krankheitsprävention oder zu Heilungszwecken – mögliche Bedeutung von Affekten und Affektdynamik).

Besonders bei emotional belastenden Themen wie Krankheit spiegeln die kognitiven Vorstellungen von Menschen häufig Anpassungsprozesse wider, z. B. zur Angstbewältigung. Oft ist unklar, ob sie Rationalität oder Rationalisierung bedeuten (prozessualer Charakter) (Hervorhebungen im Original, Beispiele von der Verfasserin).

Eine solche Umwertung, die als eine Bewältigungsstrategie zur Entlastung von psychischen Belastungen im Alltag und zur Herstellung von Normalität zu sehen ist, nimmt Frau T. in Bezug auf ihren Sohn vor, der an Spina bifida und Hydrozephalus leidet.

Interviewausschnitt

Frau T.: [Mein Sohn] ist in gewisser Weise gesund, wenig Infektionen, munter und fit. Seine Behinderung sehe ich nicht als Krankheit, und es gibt wirklich Schlimmeres. Es gibt zwar einige Probleme mit dem Rollstuhl, aber schlimmer ist, wenn ich ihm alle paar Minuten Medikamente einflößen müsste (Zielke-Nadkarni, 2003, S. 461).

Ähnlich beschreiben Frau P. und Frau R. die Lage ihrer Mütter nach einem Apoplex:

Interviewausschnitt

Frau P.: Krank is sie ja nich, sie is alt und gebrechlich. Ihr geht’s ja gesundheitlich gut. Das hat der Arzt ja gesagt. Nur halt, dass sie jetzt die Sprache nich mehr so hat und nich mehr so beweglich is.

Frau R.: Sie lebt jetzt ungefähr so wie vorher, nur dass se sich nich bewegen kann (Zielke-Nadkarni, 2003, S. 456).

Subjektive Theorien rechtfertigen und steuern als Annahmen über die eigene Person und die Welt menschliches Handeln. Sie haben Orientierungsfunktion für eine rasche, situativ angepasste Informationsverarbeitung in der alltäglichen Lebenswirklichkeit und dienen übergeordnet auch der Selbstwerterhaltung und -optimierung (Dann, 1998). In Erzählungen erscheinen sie in verdichteter Form. Das dahinterliegende Bedingungsgefüge wird nicht unbedingt spontan deutlich. So lösen situative Faktoren z. B. die subjektive Theorie „böser Blick“ aus. Die damit verbundenen assoziativen, emotionalen und wertenden Begleitvorstellungen bleiben aber überwiegend unausgesprochen: Was genau ist der böse Blick, warum gibt es ihn, warum tritt er genau jetzt auf etc. Ähnliche Verdichtungen lassen sich auch für die übrigen hier aufgeführten Beispiele formulieren: „Gebete helfen“, „Wunder sind möglich“, „Behinderung heißt nicht, krank zu sein“, „der Körper rächt sich“.

Subjektive Theorien können wie wissenschaftliche (Pflege-)Theorien von geringer, mittlerer und großer Reichweite sein. Subjektive Theorien geringer Reichweite beziehen sich auf konkrete, unmittelbar erlebte Handlungssituationen, während subjektive Theorien mittlerer Reichweite Handlungskategorien erfassen, d. h. Sequenzen aufeinander bezogener Einzelhandlungen, die für mehrere Situationen Gültigkeit beanspruchen (Scheele & Groeben, 2012), beispielsweise komplexe Pflegehandlungen. Damit liegt der Unterschied zwischen subjektiven Theorien geringer und mittlerer Reichweite 1. im Handlungsbezug (eine Handlung versus Handlungssequenzen) und 2. im Situationsbezug (eine versus mehrere Situationen).

Da subjektive Theorien im Rahmen der Sozialisation entwickelt werden, basieren sie immer auf kollektiven Deutungsstrukturen und Handlungsmustern, die sie variieren. Diese so|25|zial oder kulturell geteilten Formen alltagspraktischen Wissens wurden von Durkheim (1967) mit dem Begriff der sozialen Repräsentationen erfasst. Moscovici, der später diesen Begriff überarbeitete, versteht darunter „ein System von Werten, Ideen und Handlungsweisen mit zweifacher Funktion; erstens eine Ordnung zu schaffen, die Individuen in die Lage versetzt, sich in ihrer materiellen und sozialen Welt zu orientieren und sie zu meistern; und zweitens Kommunikation unter den Mitgliedern einer Gemeinschaft zu ermöglichen, indem es diesen einen Kode für sozialen Austausch und einen Kode zur Benennung und zur eindeutigen Klassifikation der verschiedenen Aspekte ihrer Welt und ihrer individuellen Geschichte und der ihrer Gruppe liefert“ (Moscovici, 1973, S. XVII, zitiert nach Flick, 1996, S. 38).

Der Begriff der sozialen Repräsentationen bezieht sich somit auf den alltäglich ablaufenden gesellschaftlichen Prozess der gemeinsamen Konstruktion von Wirklichkeit. Dieser Prozess basiert auf sprachlicher Verständigung und einem geteilten Vorrat an Deutungen der Lebenswelt. Er ermöglicht u. a. auch, dass Erfahrungswerte wie Krankheit diskutiert werden. Die Frauengesundheitsforschung zeigt beispielsweise, dass Frauen und Männer ihren Körper unterschiedlich wahrnehmen und verschiedene Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit haben. Das liegt einerseits an physischen und psychischen Unterschieden, andererseits entwickeln sich Gesundheit und Krankheit in der Alltagswelt, die von familiären, beruflichen, gesellschaftlichen und persönlichen, aber auch von geschlechterspezifischen Faktoren bestimmt wird, die zu entsprechenden sozialen Repräsentationen führen (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2021).

1.2.3  Die Konzepte „illness“ und „disease“

Um die (laienhafte) Sichtweise subjektiver Theorien auf Krankheit und Gesundheit von der biomedizinischen Perspektive abzugrenzen, sei an dieser Stelle noch ein weiteres Begriffspaar eingeführt. Die medizinische Anthropologie unterscheidet zwischen zwei Aspekten einer Erkrankung: illness (Kranksein) und disease (Krankheit) (Kleinman, 1980). Diese Differenzierung gelangte über die angloamerikanische Pflegeforschung in die Pflegewissenschaft (Binder-Fritz, 1997; Domenig, 2007; Sich, 1993; Zielke-Nadkarni, 2003, 2007). Das Äquivalent bilden healthiness (Gesundsein) und health (Gesundheit).

Disease ist eine Kategorie der modernen Medizin und bezeichnet im Allgemeinen einen typischen Verlauf mit bestimmten charakteristischen Symptomen, während illness das subjektive Erleben des Kranken beschreibt und daher mehr oder weniger einmalig ist. In der Tendenz orientieren sich professionelle Praktiker und Praktikerinnen an disease, der Laiensektor und die Volksmedizin bzw. alternative Versorgungsformen (z. B. die Homöopathie oder naturmedizinische Heilverfahren hierzulande, Hoças [türkische Geistliche], Schamanen oder Medizinmänner in anderen Kulturen) dagegen am Modell illness.

Die Begriffe illness und disease haben Erklärungsfunktion; sie stehen miteinander in Wechselwirkung und bilden somit zwei Teile eines Gesamtbildes („zwei Seiten einer Medaille“) von Mustern von Erkrankungen, wie sie in der sozialen Realität verschiedener Gesellschaften verankert sind (Kleinman, 1980). Die Unterscheidung zwischen beiden Begriffen macht deutlich, dass eine Erkrankung neben den physischen Komponenten (Ebene von disease) immer auch psychische, soziale und kulturelle Reaktionen (Ebene von illness) beinhaltet: „Ohne den Aspekt des Krankseins (illness) wird einer Gesundheitsstörung keine Bedeutung zugeordnet. Daher ist Kranksein immer eine kulturelle Konstruktion. Wenn Krankheit nicht in einen Bedeutungskontext gebettet wird, gibt es keine Basis für Verhaltensoptionen, nichts, wodurch das Streben nach Gesundheit und die Anwendung einer spezifischen Therapie gesteuert wird“ (Kleinman, 1980, S. 78).

|26|Kleinmans Recherchen ergaben fünf Funktionen der Gesundheitsversorgung, die er als universal bezeichnet und mit denen Kulturen entsprechend der Wertung von Erkrankungen im Einzelfall reagieren (Kleinman, 1980, S. 71):

die kulturelle Konstruktion von illness, (häufig) als persönliche und soziale Anpassungsreaktion

die Etablierung von Kriterien, um den Prozess der Suche nach gesundheitlicher Versorgung zu steuern und Behandlungsansätze zu evaluieren, die vor oder unabhängig von individuellen Erkrankungsepisoden existiert haben

der sprachliche Umgang mit spezifischen „Illness-Episoden“ durch kommunikative Operationen wie „benennen“ und „erklären“

Heilungsaktivitäten, die alle Arten von therapeutischen Interventionen umfassen – von der Arzneimittelgabe und Chirurgie bis zu Psychotherapie, Trance, Meditation, Heilungsritualen und supportiver Pflege

der Umgang mit therapeutischen Resultaten: mit Heilung, Behandlungsmisserfolgen, dem Wiederauftreten der Erkrankung, mit chronischen Krankheiten und Beeinträchtigungen sowie dem Tod.

Die inhaltliche Ausgestaltung dieser universalen Funktionen der Gesundheitsversorgung geschieht kulturspezifisch mit Variationen innerhalb jeder Gesellschaft (Kleinman, 1980). Kleinman beschreibt zwei kulturelle Wirkmechanismen in Bezug auf „Disease-Illness-Muster“: Die subjektiven Interpretationen und Wertungen von Reizen seitens des Individuums werden von seiner kulturellen Prägung beeinflusst und als Stressoren oder aber als stressfreie Impulse interpretiert. Entsprechend werden körperliche und emotionale Zustände als krankhaft oder nicht krankhaft gewertet. Kleinman betont die große Bedeutung der subjektiven Wertung von Krankheit (illness) als Bedrohung, als Verlust bzw. als Gewinn oder als bedeutungslos. Die verschiedenen Wertungen wirken entscheidend in jedem Krankheitsfall zusammen: Das Individuum bewertet Erkrankungen und stellt mittels dieser Wertungen einen Zusammenhang zwischen dem Kontext der Entstehung einer Krankheit, ihrem Verlauf, ihrer Prognose und der eigenen Person her. Damit steht illness als subjektives Krankheitserleben in enger Verbindung mit subjektiven Theorien über Kranksein und mit sozialen Repräsentationen, da hier auch sozial erlernte und geteilte Deutungen miteinfließen.

1.2.4  Pflegetheorien – Diskussionsstand

Nach den Ausführungen zur Unterscheidung von subjektiven und wissenschaftlichen Theorien stehen im Folgenden nicht mehr wissenschaftliche Theorien im Allgemeinen, sondern ausschließlich die Pflegetheorien im Fokus. Hier zunächst eine Definition:

Eine (Pflege-)Theorie lässt sich grundsätzlich als erdachtes System definieren, das aus einer Gruppe von zusammenhängenden Konzepten besteht und der Beschreibung, einheitlichen Erklärung oder Voraussage spezifischer Abläufe oder eines Phänomenbereichs und der ihnen zugrunde liegenden Beziehungen mittels wissenschaftlich begründeter Aussagen, Definitionen und Grundannahmen dient, mit dem Ziel, eine systematische Ordnung zu begründen (Zielke-Nadkarni, 2005, S. 66).

Zentrale Funktionen von Pflegetheorien sind:

die Beschreibung und damit verbundene Zielsetzungen des Gegenstandsbereichs der Pflegewissenschaft (also pflegerischer Interventionen und Prozesse) in seinen verschiedenen konzeptionellen, strukturellen, personalen, zeitlichen und räumlichen Dimensionen und Bedingungsgefügen

die Begründung, Erklärung oder Prognose von Interventionen der Pflege

die Orientierungsfunktion, da Pflegetheorien Wissensbestände systematisieren und fachsprachliche Mittel bereitstellen, mittels |27|derer Pflegeleistungen beschrieben und Effektivitätsnachweise erbracht werden sowie ein Austausch über grundlegende Annahmen, Verfahren, Werte und Ziele initiiert wird

die Förderung selbstreflexiver Diskurse und damit der Autonomie, Identität und Weiterentwicklung der Profession (Zielke-Nadkarni, 2005, S. 85).

Pflegetheorien umspannen geringe bis große Reichweiten und haben überwiegend einen vorschreibenden (und nicht nur beschreibenden) Charakter. Theorien mit großer Reichweite, z. B. die Pflegetheorien von Newman (Newman & Jones, 2007) und Rizzo Parse (1987), haben ihre Funktion in erster Linie als Rahmentheorien. Sie sind grundsätzlich nicht unumstritten – allerdings soll die Diskussion über die Nützlichkeit von Pflegetheorien im Allgemeinen und solcher mit großer Reichweite im Besonderen an dieser Stelle nicht weiter aufgegriffen werden, dazu publizierten bereits grundlegend Schnepp (1997), Schröck (1998), Moers (2000) und neuerdings Fitzpatrick und McCarthy (2014) und Utley et al. (2018) sowie im deutschen Sprachraum Moers et al. (2011), Brandenburg (2019) oder Schnell und Dunger (2019).

In den 1990er-Jahren war hierzulande eine Phase der Desillusionierung in der fachwissenschaftlichen Diskussion zu den vorliegenden Pflegetheorien zu beobachten, weil ihr Abstraktionsgrad und ihr Anspruch auf Allgemeingültigkeit eine unmittelbare Übertragung auf individuelle Pflegesituationen verhinderte. Diese Skepsis bestand jedoch im anglofonen Raum nicht. Pflegetheorien sind international bis heute ein Thema. Die mittlerweile klassischen Pflegetheorien aus den 1950er- bis 1980er-Jahren wurden, wie z. B. Chen (2010), Garcia-Willix und Sferrazza (2010), Lesniak (2010), Waller-Wise (2013) und Weiland (2010), und werden weiterhin eingesetzt und beforscht, z. B. Dahnke und Dreher (2016), Fitzpatrick und McCarthy (2014), Snowden et al. (2014) und Utley et al. (2018). Andererseits werden auch neue Pflegetheorien mit kleiner Reichweite entwickelt (engl. practice theories), wie z. B. das Gezeiten-Modell (Gordon et al., 2005), das Trauma-Outcomes-Modell (Richmond & Aitken, 2011) oder die SPIRIT-Intervention (Song & Ward, 2015), und, es wird generell die handlungsleitende Funktion von Pflegetheorien für konkrete Praxisprobleme diskutiert, z. B. bei Im und Meleis (2021), McCrae (2012) und Peate (2010). Des Weiteren sind beispielsweise Fragen über das Verhältnis zur Praxis und den Stellenwert von Pflegetheorien für die Ausbildung Gegenstand von Publikationen, z. B. bei Bunkers (2010), Mudd et al. (2020), Oliveira Pitta Lopes et al. (2020) und Sellman (2010).

Wellenförmig zeigen sich auch in der deutschsprachigen Fachliteratur Ansätze einer zaghaften Reorientierung an einer pflegetheoretischen Fundierung, so bei Brandenburg (2019), Friesacher (2008), Hülsken-Giesler (2008), Kirkevold (2002), Schnell und Dunger (2019) und Zielke-Nadkarni (2005). Dies zum einen, weil eine Wissenschaft der Pflege ohne ein theoretisch motiviertes Erkenntnisinteresse nicht existenzfähig ist, zum anderen, weil die Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber der Gesundheitspolitik an eine wissenschaftliche Legitimation und damit auch an eine theoretische Argumentationsführung geknüpft ist.

Die meisten Pflegetheorien sind von mittlerer Reichweite. Ihre handlungsleitende Bedeutung wird z. B. von Schröck unterstrichen: „Zur Fundierung der Pflegepraxis braucht es Theorien geringer oder mittlerer Reichweite und einen theoretischen Pluralismus“ (Schröck, 1998, S. 32). Und: „Leitkriterium der so entstehenden Erklärungsansätze ist ihre Fähigkeit, das jeweils vorliegende Praxisproblem zu lösen“ (Schröck, 1998, S. 31). Die Vorgaben von Pflegetheorien mittlerer Reichweite umfassen die Pflegesituation (Interaktionssituation zwischen professionell Pflegenden und Patient/Familie) wie auch die Umgebung, so etwa die organisatorische Ebene der Pflege (zumindest in Teilaspekten), das soziale Milieu oder den Arbeitsbereich des Patienten. Beispiele für Pflegetheorien mittle|28|rer Reichweite sind die systemischen Theorien von Betty Neuman (1998) oder Imogene M. King (1988), die Theorie transkultureller Pflege von Leininger (1991), die familien- und umweltbezogene Pflege von Marie-Luise Friedemann (Friedemann & Köhlen, 2018) oder das System der fördernden Prozesspflege von Monika Krohwinkel (2013). Pflegetheorien geringer Reichweite fokussieren die Pflegesituation als solche. Ein Beispiel hierfür ist die Theorie von Hildegard Peplau (2009). Insbesondere Pflegetheorien geringer Reichweite können gerade wegen ihrer Begrenzung von Themen, Zielgruppen und Pflegesituationen leichter durch Forschung gestützt und so empirisch verankert werden (Moers & Schaeffer, 2006; Schröck, 1998).

Pflegetheorien mittlerer und geringer Reichweite ermöglichen zwar kompetente Handlungsentscheidungen, sie sind aber prinzipiell (und notwendigerweise) allgemeiner als der Einzelfall und können daher nie alle Dimensionen eines individuellen Falles umfassen. Moers und Schaeffer (2006) argumentieren deshalb im Anschluss an Schröck (1998) für die Entwicklung neuer Theorien geringer Reichweite, die pflegerelevante Phänomene klären, ohne zugleich pflegerische Interventionen vorzuschreiben und damit Individualpflege gegebenenfalls sogar zu blockieren.

In der folgenden Tabelle wird ein zusammenfassender Überblick über die wichtigsten Leistungen bzw. Merkmale und Einschränkungen von subjektiven Theorien und Pflegetheorien gegeben (Tab. 1-1).

1.2.5  Zusammenfassung

Auf sozialer, kultureller und pflegerischer Ebene besteht eine Differenz zwischen der Laiensicht und den professionellen Vorstellungen von Pflege, Gesundheit und Krankheit, die erkannt und thematisiert werden muss. Subjektive Theorien bestimmen implizit unser Handeln im persönlichen und beruflichen Alltag. Pflegefehler aufgrund subjektiver Theorien kommen folglich im Pflegealltag – in noch weitgehend unerforschter Quantität und Qualität – vor. Daher besteht im Rahmen der Ausbildung wie auch der innerbetrieblichen Fort- und Weiterbildung Handlungsbedarf auf zwei Ebenen: Zum einen müssen subjektive Theorien ins Bewusstsein gehoben und dem theoretischen Wissen kritisch gegenübergestellt werden. Dies geschieht bislang selten oder nur verkürzt und nur, wenn die Betroffenen hinreichend motiviert sind. Zum anderen müssen Pflegetheorien Anschluss an subjektive Theorien gewinnen, um im Pflegealltag handlungsleitend zu werden. Denn wissenschaftliche Theorien sind – im Gegensatz zu subjektiven – im Alltag nicht handlungsleitend! Daher müssen sie mithilfe eines gezielten Lernprozesses internalisiert, also zu subjektiven Theorien modifiziert werden. Überlegungen dazu folgen in Kapitel 1.3.

1.3  Theorie-Praxis-Transfer

Subjektive Theorien und Pflegetheorien in der beruflichen Praxis

In der Pflegepraxis treffen das fachpraktische und das pflegewissenschaftliche Wissen der Pflegepersonen auf ihre subjektiven Theorien zu Kranksein/Gesundsein und zur Einordnung von Patienten und Patientinnen. Bei der Durchführung pflegerischer Interventionen sehen sich Pflegende darüber hinaus mit dem objektiven theoretischen Wissen ihrer Patienten und Patientinnen, ihren subjektiven Theorien über Krank- bzw. Gesundsein und ihrer Einordnung von Pflegepersonen konfrontiert (Abb. 1-1).

|29|Tabelle 1-1:  Überblick über die wichtigsten Leistungen bzw. Merkmale und Einschränkungen von subjektiven Theorien und Pflegetheorien (Quelle: Eigene Darstellung)

Subjektive Theorien

Pflegetheorien

Leistungen und Merkmale

ordnen Alltagserfahrungen

ordnen wissenschaftliches Wissen systematisch

sind handlungssteuernde Aggregate der Lebenserfahrung des Einzelnen

stellen Handlungshilfen/Entscheidungshilfen dar

gelten als Schlüssel zum Verständnis von (gesundheitsbezogenem) Verhalten

sollen handlungsleitend für die Pflegepraxis sein

wirken direkt wie indirekt verhaltenssteuernd

fördern selbstreflexive Diskurse

können mittels Narrativa ins Bewusstsein gehoben werden

umfassen neben Wissensbeständen auch mentale Repräsentationen von Fertigkeiten, Einstellungen und Überzeugungen

stellen fachsprachliche Mittel bereit

haben stets einen Situationsbezug

sind überwiegend abstrakter Natur

ihre einzelnen Konzepte sind vernetzt

ihre einzelnen Konzepte sind vernetzt

sind im Langzeitgedächtnis gespeichert

gehören zum body of knowledge der Pflegewissenschaft

besitzen formal-strukturelle Informationen und eine Argumentationsstruktur

besitzen formal-strukturelle Informationen und eine Argumentationsstruktur

haben Beschreibungs-, Erklärungs-, Begründungs- und Prognosecharakter

haben beschreibende, erklärende, begründende oder prognostizierende Funktion

sind zunächst nur für ein Individuum gültig, können jedoch als „soziale Repräsentationen“ auch für Gruppen gelten

sind intersubjektiv gültig (impliziter Allgemeingültigkeitsanspruch)

sind innerhalb der Machtstrukturen des Alltags gebunden

werden in geschützten Räumen entwickelt

Stabilität/Instabilität abhängig vom Erfahrungskontext

Stabilität/Instabilität abhängig vom wissenschaftlichen Fortschritt

enthalten eine Affektdynamik, ggf. mit Umwertungen

haben eine rationale Struktur und eine konsistente innere Logik

haben Orientierungsfunktion

haben Orientierungsfunktion

Einschränkungen

sind überwiegend nicht bewusst

Allgemeingültigkeit behindert Anwendung im Individualfall

werden nicht aus theoretischer Perspektive reflektiert

Abstraktionsgrad stellt (sprachliche) Hürden für Praktiker*innen dar

haben geringe Explizität und Präzision, evtl. logische Inkonsistenz

Umfang beschränkt Praktikabilität

Plakativität fördert Stereotypien

Komplexität erschwert Übernahme als subjektive Theorie

Abbildung 1-1 zeigt, welche subjektiven und wissenschaftlichen Theorien sowohl bei Pflegepersonen wie bei Patienten und Patientinnen sicher oder möglicherweise vorhanden sind und auf das Pflegegeschehen einwirken, und verdeutlicht damit, wie viele Interpretati|30|onsspielräume für Missverständnisse und Pflegefehler latent vorhanden sind. Welche Auswirkungen die subjektiven Theorien von Pflegenden auf ihre Pflegeinterventionen haben und was subjektive Theorien von Patienten und Patientinnen für deren Erkrankungssituation bedeuten, soll im Folgenden beleuchtet werden. Ebenso werden mögliche Maßnahmen zur Integration von subjektiven Theorien und Pflegetheorien beim Pflegepersonal sowie zur Erhebung subjektiver Theorien von Patienten und Patientinnen als Voraussetzung für erfolgreiches pflegerisches Handeln dargestellt.

Abbildung 1-1:  Theoretisches Wissen von Pflegepersonen und von Patienten und Patientinnen (Quelle: Eigene Darstellung)

1.3.1  Subjektive Theorien von Pflegenden

Die Auswirkungen subjektiver Theorien im Pflegealltag belegt eine spannende Studie von Büssing et al. (2004), in der das Verhalten von unerfahrenen Pflegepersonen (Berufsanfänger*innen) und von erfahrenen Pflegenden (jedoch keine Pflegeexperten [Benner, 2017]), die in zwei mithilfe von Schauspielern simulierten kritischen Pflegesituationen handeln mussten, beobachtet wurde. Anschließend wurde ihr implizites Wissen verdeutlicht und für jede Gruppe getrennt auf die Angemessenheit des objek|31|tiven Wissens und der subjektiven Theorien hin untersucht. Beide Gruppen besaßen subjektive Theorien, die sich in erster Linie auf die Wahrnehmung der einzelnen Patienten und Patientinnen bezogen und, die häufig zu unangemessenen Pflegehandlungen führten, obwohl zugleich situativ angemessenes objektives Wissen vorhanden war. So übersahen 3 von 5 erfahrenen und alle unerfahrenen Pflegenden das Thrombose-Alarmzeichen (zunehmende Schmerzen im Bein) bei einem Patienten mit südländischem Aussehen, da sie seine Schmerzäußerungen als „Wehleidigkeit“ interpretierten. Sie setzten eine begonnene Mobilisierung fort, sodass er in dem Experiment eine Lungenembolie erleiden musste. Ähnlich dramatisch aufgrund unangemessener subjektiver Theorien verlief ein zweites Experiment, bei dem nur 1 von 5 unerfahrenen und 1 von 4 erfahrenen Pflegepersonen einen hypoglykämischen Schock durch die rechtzeitige Gabe von Zucker verhinderte. Die Berufserfahrung wurde in dieser Studie an die Anzahl der Berufsjahre gebunden, obgleich die Autorengruppe selbst einräumte, dass auch Aspekte wie die Komplexität der im Berufsalltag zu bewältigenden Aufgaben und Herausforderungen berücksichtigt werden müssten. Interessant für die Fragestellung dieses Beitrags ist neben dem schockierenden Ergebnis, dass sich die subjektiven Theorien der unerfahrenen von denen der erfahrenen Pflegepersonen unterschieden: Während bei unerfahrenen Pflegenden in kritischen Situationen unter Zeit- und Entscheidungsdruck subjektive Theorien unabhängig von der persönlichen Berufserfahrung aktiviert wurden, stammten die der erfahrenen Pflegenden aus der Krankenpflege selbst. Dazu der Autor und die Autorinnen der Studie: „Gerade in kritischen Situationen, in denen eine Reihe von diffusen Informationen zu verarbeiten ist, besteht das Risiko, dass durch Erfahrung aufgebaute implizite Theorien wie ein Wahrnehmungsfilter fungieren und somit die Wahrnehmung und/oder angemessene Verarbeitung nicht theoriekonformer Information verhindern“ (Büssing et al., 2004, S. 120).

Schwarz-Govaers (2005) führte mit Pflegeschülerinnen einer Gesundheits- und Krankenpflegeschule während ihrer Praxiseinsätze eine ebenfalls aufschlussreiche Studie durch. Dabei verglich sie das Handeln von Anfängerinnen und Examensschülerinnen, um zu beforschen, ob und wie sich deren subjektive Theorien während der Ausbildung veränderten. Im Ergebnis fand Schwarz-Govaers, dass die Examensschülerinnen die „Theorien“ der Praxis verinnerlicht hatten. So wurden z. B. Patienten und Patientinnen bei Selbstpflegetätigkeiten unterstützt, die sie eigentlich eigenständig hätten durchführen können. Dies entspricht zuallererst der subjektiven Theorie des Helfen-Wollens, die ein entscheidendes Motiv bei der Berufswahl darstellt. Zugleich kostet es weniger Zeit, als Patienten und Patientinnen allein benötigen, und es trifft deren Erwartung an Pflegende, dass diese ihnen helfen. Schließlich werden die Schülerinnen so auch dem Handlungsdruck in der Praxis gerecht. Schwarz-Govaers spricht hier von „Praxistheorie“ (in diesem Fall verdichtet zu „Beeilen“). Diese Intervention widerspricht jedoch pflegetheoretischen Zielen wie der Förderung der „größtmöglichen Unabhängigkeit“ (Roper et al., 2009) oder der „Selbstpflegekompetenz“ (Orem, 1997), ist also de facto ein Pflegefehler.

Schwarz-Govaers glaubt aufgrund ihrer Studie vorsichtig sagen zu können, dass die Examensschülerinnen im Rahmen der Ausbildung „Praxistheorien“ als ihre subjektiven Theorien übernommen haben. Im Widerspruch dazu führt sie an, dass bei (Pflege-)Lehrenden nachgewiesenermaßen subjektive Theorien ein Studium ungefiltert überleben würden, und auch Benner (2017) zeigt in ihren Untersuchungen, dass es viele Jahre Berufserfahrung braucht, bis Pflegeexperten und -expertinnen intuitiv richtig handeln, oder wissenschaftstheoretisch gesprochen: bis ihre subjektiven Theorien mit ihren Praxiserfahrungen und ihrem theoretischen Wissen in Einklang stehen.

In die gleiche Richtung wie bei Schwarz-Govaers weisen die Ergebnisse von |32|Büssing et al. (2004), nach denen berufserfahrene Pflegepersonen in ihrem Handeln von Praxistheorien geleitet werden. Die von Schwarz-Govaers aufgeführten Beispiele legen jedoch nahe, dass im konkreten Handeln nur dort Praxistheorien umgesetzt wurden, wo diese mit den subjektiven Theorien der Examensschülerinnen übereinstimmten. Hier bedarf es weiterer Forschung, was Schwarz-Govaers auch einräumt. Ihre wie auch die Studien von Büssing et al. zeigen jedenfalls, dass pflegetheoretische Ansätze nicht handlungsleitend waren.

1.3.2  Subjektive Theorien von Patienten

In einer inzwischen als klassisch zu bezeichnenden Studie, die immer noch als eine der aufschlussreichsten Untersuchungen über die soziale Konstruktion von Krankheit gilt, fand Herzlich (1973) unter 80 befragten Personen aus Paris und aus einem Dorf in der Normandie drei Typen von sozialer Repräsentation von Krankheit.

Krankheit als Destruktion

Krankheit ist aus dieser Perspektive von Rollenverlust und Isolation bei gleichzeitiger Abhängigkeit von anderen geprägt. Krankheit wird als etwas erlebt, das dem Betroffenen zugefügt wird, wodurch ihm Gewalt angetan wird; dieses Erleben führt zu Inaktivität.

Krankheit als Aufgabe

In dieser Perspektive ist Kranksein durch den aktiven Kampf gegen die Krankheit, durch die Angst vor ihr, aber auch durch Akzeptanz geprägt. Patient und Patientin sehen hier Möglichkeiten der Teilhabe am Prozess der Heilung und die Beziehung zum Arzt oder zur Ärztin als Austausch und Kooperation. Dabei wird der soziale Wert „Gesundheit“ auch in der Krankheit aufrechterhalten. Krankheit wird als Lernsituation aufgefasst und Heilung als deren normales Ergebnis; chronische Krankheiten werden als Möglichkeit der Bewältigung durch Anpassung verstanden.

Krankheit als Befreiung

Krankheit wird als Ruhepause und Chance für den Ausstieg aus belastenden Situationen erlebt, wodurch sich neue Möglichkeiten eröffnen. Krankheit wird dabei zu einem Mittel der Verteidigung gegen Anforderungen der Gesellschaft und ist mit einer Wiederentdeckung des eigenen Selbst und der Möglichkeit persönlicher Reifung verbunden.

Unter diese drei Formen sozialer Repräsentationen lassen sich auch einige der in Kapitel 1.1.2 dargestellten subjektiven Theorien einordnen, wie im Folgenden gezeigt wird.

Krankheit als Destruktion

Dazu zählen subjektive Theorien wie „der böse Blick“, „der Körper rächt sich“, aber auch die in vielen Religionen verbreitete Vorstellung von Krankheit als Strafe.

Interviewausschnitt

Frau L.: Ich bin Moslem. Und ja, ich bin religiös. Ich würde gerne auch meinen Kopf bedecken, aber psychisch kann ich das nicht ertragen. Also dann krieg ich so ein Fieber oder Hitze, dass ich nicht atmen kann. Manchmal denke ich, weil ich mich nicht bedeckt hab, vielleicht deswegen hat Allah mich bestraft. Ehrlich, denk ich manchmal so. Also, das ist ja bei unserem Glauben so, ne, wenn man gläubig ist und religiös ist, dann soll man die Voraussetzungen tun (Zielke-Nadkarni, 2003, S. 351).

Für Frau L. ist die Einhaltung der Gebets- und Kleidungsvorschriften Ausdruck religiöser Lebensführung, die ihr jedoch aufgrund der Alltagsbelastungen nicht möglich ist. Dass sie als einzige Frau in ihrer Familie ihren Kopf nicht bedeckt, bestärkt sie in ihrem Gefühl, Allah nicht gerecht zu werden. Da sie in einer zu kleinen Wohnung mit insgesamt vier Kindern, von denen eins behindert ist, an der Armutsgrenze lebt, ist ihre Belastung so groß, dass ihre somatische Reaktion auf das Kopftuch (Fieber, Hitze|33|gefühle, Atembeschwerden) auch als Antwort auf weitere Anforderungen (durch die Religion) interpretiert werden kann. Während die Bewältigung des Alltags unumgänglich ist und die gesamte Familie allein von ihr abhängt, da der Ehemann sie nicht nennenswert unterstützt, kann Frau L. nur dort Energie sparen, wo ausschließlich sie selbst betroffen ist. Da Religion aber ein sinngebender Bereich ist, wirkt sich ihre Ausblendung aus dem Alltag somatisch aus.

Magisch-religiöse Kausalitätstheorien sind für viele Muslime ein lebendiger Teil ihres Alltagslebens. Daher werden Krankheiten, z. B. beim Übertreten eines Tabus oder bei Missachtung religiöser Vorschriften, unter Umständen als Strafe Allahs verstanden. In der Situation des Krankseins bedeutet dies, ausgeliefert zu sein, keinen Einfluss mehr zu haben, was sich auch auf die Adhärenz und die Reaktionen von Patienten und Patientinnen auf Ansätze aktivierender Pflege auswirken kann. Befragt danach, was sie glaube, warum gerade sie ein Kind mit einer Behinderung habe, antwortet z. B. eine Türkin, sie fühle sich aufgrund einer Abtreibung, die sie vor der Geburt ihrer Tochter habe vornehmen lassen, schuldig und schlösse die Möglichkeit nicht aus, dass die Behinderung ihres Kindes letztlich eine Strafe Allahs dafür sei. Dieser Meinung sei auch ihre Schwiegerfamilie, die ihr keine weiterführende Diagnosestellung bei ihrem behinderten Kind gestattet (Zielke-Nadkarni, 2003).

Ein weiteres Beispiel:

Interviewausschnitt

Frau A.: Aber wenn einer durch Angst […] oder durch ungewisse Weise erkrankt ist oder, dass wenn jemand verhext ist, dann kann ein Hoça vielleicht helfen, wenn diejenige an Hoça glaubt. Es gibt gute büyü (Zauber; Anm. d. Verf.), auch schlechte büyü und Verschiede nes zum …, zum …, zum Heiraten, zum Krankmachen, ja, es ist unterschiedlich und viel büyü gibt (Zielke-Nadkarni, 2003, S. 354).

Die Annahme, einem Schadenszauber ausgesetzt zu sein, kann lähmen und folglich Pflegemaßnahmen ihrer Wirkung berauben.

Krankheit als Aufgabe

Darunter kann in einem weiten Sinne die subjektive Theorie „Gebete helfen“ gefasst werden oder auch die Überzeugung von der Notwendigkeit zur Selbsthilfe.

Interviewausschnitt

Frau P.: Wenn ich jetzt irgendwo Schmerzen hab, das kann ja auch seelisch bedingt sein, das kann ja kein Arzt heilen, das kann ja nur ich heilen (Zielke-Nadkarni, 2003, S. 370).

Krankheit kann in diesem Kontext auch als Bewährungsprobe oder Prüfung verstanden werden, durch die der Mensch ausgezeichnet wird. In diesem Sinne antwortete Frau V., als sie von ihrem Sohn gefragt wurde, warum gerade ihre Familie ein behindertes Geschwisterkind habe: „An dem Tag, wo P. geboren wurde, hatte der liebe Gott halt ein krankes Kind, das er irgendwie unterbringen musste, und da hat er halt uns ausgesucht, weil er meinte, dass es bei uns am besten aufgehoben ist“ (Zielke-Nadkarni, 2003, S. 349). Patienten und Patientinnen mit subjektiven Theorien dieser Art ergreifen die Initiative, kooperieren und kämpfen für ihre Gesundung.

Krankheit als Befreiung

Die subjektive Theorie „Behinderung heißt nicht, krank zu sein“ lässt sich zwar nicht direkt unter die soziale Repräsentation „Krankheit als Befreiung“ subsumieren, aber unter einen Aspekt davon, nämlich Krankheit als Mittel der Verteidigung gegen Anforderungen der Gesellschaft. Als Form der Befreiung wurde die Tumorerkrankung ihres Mannes von einer anderen Probandin betrachtet, da die Partner aufgrund der mit der Erkrankung verbundenen Ängste und Sorgen zu einer erneut sehr engen ehelichen Beziehung gefunden hatten. Für die |34|Pflege kann eine solche Einstellung einerseits Kooperation bedeuten und ein Ringen des Patienten um Lebensqualität, andererseits kann der Krankheitsgewinn die Belastungen übersteigen und eine Veränderung als nicht wünschenswert erscheinen lassen.

Nicht alle subjektiven Theorien passen in die drei Kategorien von Herzlich (1991). Die subjektive Theorie „Wunder sind möglich“ vertraut auf Hoffnung. So setzt Frau A. auf die Kraft des positiven Denkens:

Interviewausschnitt

Frau A.: Man darf nicht alles ernst nehmen, und wenn man nur nach vorne schaut, sich nicht über alles Sorgen macht, wird man nicht schnell krank. Ich hab das auch so probiert (Zielke-Nadkarni, 2003, S. 338).

Herzlich verdanken wir jedoch wichtige Erkenntnisse. Sie interpretiert die sozialen Repräsentationen von Krankheit und Gesundheit als Schema einer doppelten Gegensätzlichkeit: nämlich als Gegensatz zwischen Gesundheit und Krankheit, der den Gegensatz zwischen Individuum (krank) und Gesellschaft (leistungsorientiert) verstärke und vergegenständliche (Herzlich, 1991, S. 294), was auch durch die oben geschilderten Beispiele verdeutlicht wird. Herzlichs Interpretation wirft damit einen neuen Blick auf die Bedeutung subjektiver Theorien für die Pflege: Sie ist ein gesellschaftskonform strukturierter Beruf, der es sich gezielt zur Aufgabe machen muss, gerade auch sehr abweichende subjektive Theorien zu würdigen, um Heilungschancen nicht zu vergeben.

1.3.3  Maßnahmen für die berufliche Weiterbildung und Pflegepraxis

Während einerseits die Integration von subjektiven Theorien und Pflegetheorien bereits in der Pflegeausbildung zum Lerngegenstand werden sollte, sollten Stations- und Pflegedienstleitungen (PDL) prinzipiell auch Fort- und Weiterbildungen der Mitglieder ihrer Pflegeteams in diesem Bereich fördern. Die Gefahr besteht, dass subjektive Theorien (und zu subjektiven Theorien gewordene Praxistheorien, die einer Patientenorientierung entgegenwirken) die Effizienz und Effektivität von Pflegeleistungen mittelfristig einschränken und Pflegefehler begünstigen. Aus Kostengründen ist sicher zu überlegen, ob und wie Prioritäten zu setzen sind, beispielsweise, indem zunächst weniger erfahrene (kompetente) Pflegende aus dem Intensivbereich und auf den Aufnahmestationen gefördert werden, die unter einem besonders großen Handlungsdruck stehen.

Nun stellt sich natürlich die Frage, wie eine solche Integration von subjektiven Theorien und Pflegetheorien zu leisten ist. Büssing et al. (2004) beantworten die Frage nach einer möglichen Korrektur subjektiver Theorien unter Rückgriff auf Ericsson, Krampe und Tesch-Römer (1993), die davon ausgehen, dass dafür eine bewusste und durchaus schwierige Reorganisation von Wissen und Fertigkeiten notwendig ist. Dieser Prozess umfasst fünf Schritte:

die Bewusstmachung des impliziten Wissens

eine Reflexion dieses Wissens

Feedback über die gezeigte Leistung

eine hohe Motivation, eine solch anstrengende Bewusstseinsveränderung erfolgreich zu durchlaufen

eine Übungsphase zur Reintegration der neuen Wissensbestandteile.

Ein detaillierteres Konzept entwickelte Schwarz-Govaers (2005) unter Rückgriff auf Wahl (1991, 1995) und Wahl et al. (1983). Wahl et al. (1983, zitiert nach Schwarz-Govaers, 2005) entwickelten die Methode des strukturierten Dialogs, mit der Lehrpersonen im Anschluss an eine Handlungssituation mit offenen ungerichteten und offenen gerichteten Fragen zu den Dimensionen der Situations-, Handlungs- und Ergebnisauffassung befragt werden. Damit wird ein Prozess der Selbstreflexion und Konfrontation in Gang gesetzt, der die situativ |35|handlungsleitenden subjektiven Theorien aufdeckt. Die drei Dimensionen werden durch jeweils vier Unterkategorien genauer aufgeschlüsselt (Tab. 1-2).

Tabelle 1-2:  Modifiziertes Handlungsmodell zur Erfassung von subjektiven Theorien im Handeln (Quelle: Wahl, 1991, zitiert nach Schwarz-Govaers, 2005, S. 40)

Situationsauffassung (SA)

Handlungsauffassung (HA)

Ergebnisauffassung (EA)

SB

Situationsbeschreibung

HB

Handlungsbeschreibung

HF

Handlungsfolge

EB

Emotionale Beteiligung

EB

Emotionale Beteiligung

EB

(eventuell)

UE

Ursachenklärung

HZ

Handlungsziele

HFE

Handlungs-Folge-Erwartung

SE

Situationseinschätzung

HE

Handlungseinschätzung

EE

Ergebniseinschätzung

Weitere Methoden zur Bewusstmachung subjektiver Theorien sind:

das szenische Spiel mit konfrontativem Nachfrageteil

Simulationen, bei denen einige Teilnehmende vorab informiert werden (als „Patient/Patientin“, „Angehörige“), während andere (als „Pflegepersonen“) spontan auf die Anforderungen dieser gestellten Pflegesituationen reagieren müssen

Beobachtungsaufgaben für den Pflegealltag (Selbst- und Fremdbeobachtung), wobei im Anschluss an die Beobachtungssituation sofort notiert werden muss, was beobachtet wurde, wie die Beobachtenden das Gesehene interpretieren (Fremdbeobachtung) und wie die beobachteten Pflegenden ihr Handeln beschreiben sowie im Rahmen von Selbstbeobachtungen, welche Gefühle und Handlungsmotive sie bestimmt haben.

Bei all diesen Methoden können die Dimensionen aus Tabelle 1-2 bei der Auswertung genutzt werden. Sie können in Form von Lernpartnerschaften (Kollegen/Kolleginnen einer Station) wie auch in Lerngruppen im Rahmen einer Fort- oder Weiterbildungsmaßnahme durchgeführt werden. Entscheidend für den Erfolg ist natürlich, dass ein vertrauensvolles Klima herrscht, in dem Fehler als Lernchance begriffen werden und nicht zu Diffamierungen führen. Daher sollten sich Lernpartnerschaften und Lerngruppen auch nach Sympathie und hierarchiefrei (Personen auf gleicher beruflicher Ebene) bilden können.

Um das Wissen anwenden zu können, greift Schwarz-Govaers folgende Vorschläge von Wahl auf (1995, zitiert nach Schwarz-Govaers, 2005):

Bewusstmachung und Außerkraftsetzung der subjektiven Theorien z. B. durch die oben genannten Maßnahmen im Anschluss an konkrete oder simulierte Pflegesituationen

(Um-)Lernen durch die gezielte Verknüpfung der bewusst gewordenen subjektiven Theorien mit explizitem Wissen, also den verdichteten pflegetheoretischen Leitprinzipien

Sicherung des neuen Wissens durch zahlreiche Wiederholungen in den verschiedensten Pflegesituationen.

Um das neue Wissen auch in stressvollen Situationen anwenden zu können, verknüpft Schwarz-Govaers die Vorschläge von Wahl mit Konzepten wie dem problembasierten Lernen (PBL), Skills Labs und dem Lernfeldkonzept, die sie in ihrer Unterrichtspraxis einsetzt.

Neben der Aufdeckung oder Bewusstmachung der subjektiven Theorien als erstem Schritt ist jedoch eine neue Handhabung der Pflegetheorien entscheidend für einen neuen Blick der Pflegenden auf ihre Praxis. Das Stichwort in diesem Zusammenhang lautet „Ver|36|dichtung“. Die Komplexität von Theorien muss auf- und heruntergebrochen werden auf Leitprinzipien, die in Praxissituationen mit Handlungsdruck einfach und prägnant in den Vordergrund treten können. So tritt „Fördern“ an die Stelle von „Beeilen“. Damit wird zum einen schnelles, theoriegeleitetes Handeln möglich, zum anderen ein der Situation angemessener Theorie-Mix. Dies sollte jedoch am Ende des theoretischen Unterrichts stehen; zunächst muss die komplexe Theorie vermittelt werden und durchdrungen sein, bevor sie zu Leitprinzipien verdichtet oder heruntergebrochen werden kann. Die dahinterstehenden komplexen Theoriekonstrukte sind weiterhin Lerngegenstand, aber nur im Theorieunterricht. In Fallbearbeitungen sowie im fachpraktischen Unterricht müssen subjektive Theorien und theoretische Leitprinzipien mithilfe der oben genannten Methoden gegeneinander abgewogen und durch Übung verschränkt werden. Damit können Gegensätze deutlich gemacht, diskutiert und schließlich aufgehoben werden. Tabelle 1-3 zeigt Beispiele von Leitprinzipien.

Tabelle 1-3:  Beispiele für Verdichtungen von geläufigen Pflegetheorien (Quelle: Eigene Darstellung)

Pflegetheorie

Verdichtungen

Roper et al. (2009)

Unabhängigkeit fördern

Individualität der Patientin/des Patienten berücksichtigen

Umweltbedingungen der Patientin/des Patienten beachten

kulturelle Aspekte beachten

Orem (1997)

Selbstpflegekompetenz entwickeln

krankheits- und entwicklungsbedingte Selbstpflegeerfordernisse im Blick haben

persönliche Weiterentwicklung ermöglichen

Krohwinkel (2013)

kommunikativ-förderndes Verhalten praktizieren

aktivierend pflegen

fähigkeitsfördernd pflegen

ressourcenorientiert pflegen

Peplau (2009)

physisches, emotionales und soziales Wohlbefinden fördern

Pflege edukativ einsetzen, Reifung fördern

Pflegesituation als Lernerfahrung betrachten

auf die Gefühle der Patientin/des Patienten eingehen

individuelle Bedürfnisse der Patientin/des Patienten beachten

Leider wird der implizite Allgemeingültigkeitsanspruch der vorliegenden Pflegetheorien noch immer im Sinne eines Konkurrenzverhältnisses und Entweder-Oder der einzelnen Pflegetheorien begriffen und weniger als ein einander ergänzendes Angebot (Zielke-Nadkarni, 2005). Die Komplexität und Diversität von Pflegesituationen muss ihr Pendant in einer Kombination verschiedener Ansätze finden (Theorie-Mix), so wie sie individuell angemessen ist. Dies bedarf einer Variabilität im Denkansatz, die die bislang übliche Entscheidung für nur eine Pflegetheorie, auf der öfter auch die Pflegedokumentation basiert, ablöst. Das multidi|37|mensionale Bedingungsgefüge der Patientensituation muss sich in der Theorieanwendung spiegeln. Eine Reduktion komplexer Theoriegebäude auf Leitprinzipien für den aktuellen Handlungsbedarf unterstützt die notwendige Flexibilität in der Praxis.