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Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen. Unterrichten Sie in der beruflichen oder persönlichen Weiterbildung? Möchten Sie Ihre Lehrtätigkeit verbessern und lustvoller gestalten? Suchen Sie nach sofort umsetzbaren didaktischen und methodischen Hinweisen? Möchten Sie genauer wissen, wie Erwachsene beim Lernen unterstützt werden können? Dieses Buch enthält Grundlagen und praktische Anregungen, die sich in vielen Unterrichtssituationen mit Erwachsenen sowie in der Ausbildung von Ausbildenden bewährt haben. Themenfelder sind Unterrichtsplanung, das Verständnis von Lernzielen und Kompetenzen, Stoffanalyse und didaktische Reduktion, methodische Gestaltung des Theorieunterrichts, das Individualisieren und Lernstile, das Lernen Erwachsener, Rollen und Aufgaben von Lehrpersonen, die Steuerung von Lerngruppen.
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Seitenzahl: 260
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Ruth Meyer, Flavia Stocker
Lehren kompakt I
Von der Fachperson zur Lehrperson
ISBN Print: 978-3-0355-2678-3
ISBN E-Book: 978-3-0355-2680-6
ISBN Edubase: 978-3-0355-2679-0
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
7., unveränderte Auflage 2024
Alle Rechte vorbehalten
© 2024 hep Verlag AG, Bern
hep-verlag.ch
Zusatzmaterialien und -angebote zu diesem Buch:
http://mehr.hep-verlag.ch/lehren-kompakt-1
Vorwort
Einleitung
Kapitel 1: Ganz einfach unterrichten?
Worum es in diesem Kapitel geht
Erwartungen an die berufliche Weiterbildung
Die Realität
Anforderungen an die Lehrpersonen
Spannungsfeld Unterricht
Ein Selbsttest: Wie gut gelingt Ihnen die konkrete Unterrichtsgestaltung?
Fazit
Kapitel 2: Wenn Erwachsene lernen
Worum es in diesem Kapitel geht
Die Weiterbildungslandschaft Schweiz
Lernbedürfnisse Erwachsener
Die Beziehungsebene im Unterricht gestalten
Fazit
Kapitel 3: Was hat das Lernen mit der Biografie zu tun?
Worum es in diesem Kapitel geht
Gedächtnis: Etwas Neuropsychologie
Eingangskanäle: Hören und sehen, lesen und handeln
Eigene Lernerfahrungen
Optimales Lernen
Optimales Lehren: Den Lernstoff aufbereiten
Fazit
Kapitel 4: Das Abenteuer Kursplanung
Worum es in diesem Kapitel geht
Zeitliche Abfolge planen: AITUS
Abwechslung planen: Sandwich
Kooperation und Interaktion planen: Das didaktische Dreieck
Transfer in die Praxis planen
Wie viel planen?
Wie planen?
Fazit
Kapitel 5: Ziele – Achtung, fertig, wohin?
Worum es in diesem Kapitel geht
Lernziele: Taxonomiestufen
Lernzielebenen
Lernzielaspekte
Feinzielformulierungen
Der Kompetenzbegriff
Schlüsselkompetenzen und Soft Skills
Ziele vereinbaren
Lernziele sind nicht alles!
Fazit
Kapitel 6: Didaktische Reduktion – Viel Stoff in wenig Zeit
Worum es in diesem Kapitel geht
Die thematische Konstruktion eines Kurses
Gruppenarbeiten – Kein Zeitverlust, sondern Effizienzgewinn
Fazit
Kapitel 7: Nachhaltig statt vortragend
Worum es in diesem Kapitel geht
Raumgestaltung und Sitzordnung
Bewegung im Unterricht
Darbietend: Lehrerzentrierte Gesprächsformen im Unterricht
15 aktivierende Methoden für den Theorieunterricht
Fazit
Kapitel 8: Fürs Leben lehren
Worum es in diesem Kapitel geht
Lernen lernen: Lern- und Arbeitstechnik
Reflektieren lernen
Vorgehensweisen für lernungewohnte Teilnehmende
Vorgehensweisen im Informatikunterricht
Fazit
Kapitel 9: Medien und Materialien – Unterhaltung oder lernen?
Worum es in diesem Kapitel geht
Anschaulich unterrichten: Visualisieren
Verständlich unterrichten: Die Unterlagen als Fundament
Begreifbar unterrichten: Materialien und Körpereinsatz
Erlebbar unterrichten: Miteinander mit allen Sinnen
Lernen mit elektronischen Medien/Blended Learning
Einsatz von Medien: Weniger ist mehr! 156
Fazit
Kapitel 10: Individualisieren oder: Jedem Menschen recht getan
Worum es in diesem Kapitel geht
Lernstile berücksichtigen
Kommunikation im Unterricht
Abholen und motivieren
Und wie sag ich’s? Feedback und Kritik
Fazit
Kapitel 11: Rollen und Gruppenverhalten oder: Was wollen Sie hier eigentlich?
Worum es in diesem Kapitel geht
Die Rolle der Lehrperson
Entwicklung von Gruppen
Umgang mit heterogenen Gruppen
Fazit
Kapitel 12: Konfliktprävention oder: Wenn es nicht rundläuft ..
Worum es in diesem Kapitel geht
Normen und Kontrakte – verbindlich werden
Interventionen
Wenn Widerstand auftaucht
Konflikte bearbeiten
Fazit
Kapitel 13: Kontrolle und Qualität – Top oder Flop?
Worum es in diesem Kapitel geht
Erfolgskontrolle Bildungseinrichtungen
Merkmale guter Schulen
Verhaltensweisen lernerfolgsorientierter Lehrpersonen
Lernerfolge messen
Qualitätssicherung für Lehrpersonen
Fazit
Stichwortverzeichnis/Index
Verzeichnis der Abbildungen
Verzeichnis der Materialien im Internet
Literaturverzeichnis
Liebe Leserin, lieber Leser
«Jetzt habe ich die didaktische Reduktion wirklich verstanden und kann sie anwenden.» – «So wie hier hat mir noch niemand die Lernstile nach Kolb verständlich gemacht.»
Das sind Zitate von begeisterten Ausbilderinnen und Ausbildern, die die früheren Auflagen des vorliegenden Buches für sich entdeckt hatten. Nun liegt hier die neue, fünfte Auflage vor uns, die nur kleinere Anpassungen gegenüber der letzten, vierten Auflage, dafür aber ein komplett neues Layout erfahren hat. Die Aspekte des erwachsenen Lernens bleiben aktuell und anforderungsreich; ein griffiger Kompetenzbegriff, differenzierte Reflexion und Umgang mit Störungen im Unterricht sind nach wie vor Themen, an denen sich Diskussionen entzünden und die unsere Aufmerksamkeit erfordern. Jedes Kapitel beginnt mit einem Advance Organizer, der einem auf einen Blick das folgende Themenspektrum eröffnet. Das Buch enthält viermal je drei Kapitel zu den Themen «Lernen», «Didaktik», «Methodik» und «Gruppen steuern». Ich freue mich über diese neue Auflage von Lehren kompakt I und werde das Buch gerne immer wieder einsetzen und empfehlen.
Hier die fünf wichtigsten Gründe, warum es sich lohnt, dieses Buch zu besitzen:
1.Weil es auf wenige Seiten konzentriert und präzis die Fakten weitergibt, die man sonst aus unzähligen Büchern zusammentragen müsste.
2.Weil es für Leute wie Sie geschrieben ist, die in der Praxis stehen. Wenn Ihr Unterricht abwechslungsreicher, nachhaltiger und besser ausgerichtet auf das Zielpublikum ist, wird die Freude am Lehren und Lernen wachsen – bei Ihnen wie auch bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
3.Weil es die Basiskompetenzen einer Dozentin/eines Dozenten in der Weiterbildung/Erwachsenenbildung/Berufsbildung beschreibt und im Detail erklärt, wie erwachsenengerechter Unterricht aussehen kann.
4.Auch Kursleiterinnen und Kursleiter, die mit zusätzlichen Herausforderungen umgehen müssen (z. B. weil sie Informatikunterricht leiten oder lernungewohnte Personen unterrichten), finden in diesem Buch konkrete Hilfestellungen für einen guten, nachhaltigen Unterricht.
5.Weil dieses Buch eine Vielzahl von Hinweisen auf weitere Materialien enthält, die man sich über das Internet holen kann.
Bremgarten, im März 2018Heidi Ehrensperger
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Sie unterrichten in der beruflichen Weiterbildung oder haben vor, dies zu tun?
Dieses Buch enthält Tipps und Materialien zur Gestaltung von Lernveranstaltungen für Erwachsene. Die Frage, die uns umtrieb und immer noch antreibt, ist: Was macht es aus, dass Unterricht auch unter Stoff-, Zeit- und Prüfungsdruck gut ankommt und dass die Lernenden optimal lernenkönnen?
Die vorliegende aktualisierte Auflage greift die Digitalisierung des Unterrichts auf und korrigiert ein paar Fehler, die wir aus früheren Auflagen mitgenommen hatten. Nach wie vor wird dieses Buch sehr positiv aufgenommen und dient vielen Anbietern als Pflichtlektüre beim Lehrgang zum SVEB-Zertifikat Kursleiter/in. Die Texte sind von Ruth Meyer, die Illustrationen sind nach Vorlagen von Flavia Stocker gestaltet. Wir bedanken uns bei unseren Lesenden für ihr zahlreich geäussertes Lob, das uns darin bestärkt hat, eine aktualisierte und erweiterte Auflage vorzulegen.
Wir erheben keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit oder Allgemeingültigkeit. Wir stützen uns auf die neuere Literatur, zitieren aber möglichst wenig, um lesbar zu bleiben. Wir haben aus der methodisch-didaktischen Fachliteratur überzeugende, umsetzbare und attraktive Elemente zusammengetragen, weiterentwickelt und mit unserer eigenen Erfahrung angereichert. Das kommentierte Literaturverzeichnis im Anhang enthält Werke von vielen Autorinnen und Autoren, die aus der Theorie der Erwachsenenbildung nicht wegzudenken sind. Ebenfalls im Anhang finden Sie das Stichwortverzeichnis mit den Erklärungen der Fachausdrücke.
Materialien zum Buch, die an Beispielen und vertiefenden Texten aufzeigen, wie Theorieunterricht unter Stoff-, Prüfungs- und Zeitdruck teilnehmerzentrierter, handlungsorientierter und nachhaltiger gestaltet werden kann, finden Sie im Internet unter http://mehr.hep-verlag.ch/lehren-kompakt-1 bei den Materialien zum Buch; ein Verzeichnis dieser Materialien finden Sie am Schluss des Buches. Und noch viel mehr didaktisches Material finden Sie auf der Website von Ruth Meyer: www.arbowis.ch.
Kapitel 1
Ganz einfach unterrichten?
«Schulversager sind eine Konstruktion der Lehrperson.»
Rolf Arnold
Worum es in diesem Kapitel geht
In diesem Kapitel geht es darum, die Erwartungen an die Lehrpersonen in der Erwachsenenbildung (berufliche und persönliche Weiterbildung) zu identifizieren und darzulegen, welchen Widersprüchen und Entscheidungsmöglichkeiten Lehrpersonen ausgesetzt sind. Ein paar Fragen ermöglichen es dem Leser/der Leserin, den eigenen Unterrichtsstil einzuschätzen.
Überblick zu Kapitel 1: Ganz einfach unterrichten?
Erwartungen an die berufliche Weiterbildung
Aktualität
Der Inhalt soll sich nach der bevorstehenden Prüfung und nach dem, was gerade in Beruf und Wirtschaft aktuell ist, richten. Die Schulung soll in modernen Unterrichtsräumen mit neuester Infrastruktur stattfinden und aktuellen Lernstoff bieten. Also braucht es Räume, in denen sowohl an Computern als auch in Diskussionsrunden und Kleingruppen gearbeitet werden kann, mit Internetanschluss und Multimedia. Die Lerngruppen sollten Möglichkeiten vorfinden, um die Räume nach den aktuellen Bedürfnissen gestalten zu können für Ateliers, Werkstätten und kreative Sitzordnungen.
Effizienz
Es wird zwar ständig und überall lebenslanges Lernen gefordert, und die berufliche Weiterbildung ist eine Pflicht geworden. Aber die Zeit, die dafür zur Verfügung steht, wird kürzer, während die Informationsmenge immer weiter zunimmt. In möglichst kurzen Intervallen soll das Wesentliche gelernt werden, damit die Weiterbildung nicht zu viel Zeit und Geld kostet. Alles Gelernte soll sich sofort in der Praxis auszahlen und nachhaltig wirken.
Qualität
Berufliche Weiterbildung wird daran gemessen, ob die Prüfungen bestanden werden und ob das erworbene Wissen in der Praxis umgesetzt werden kann. Die Lernenden sollen zu Selbstständigkeit und Zusammenarbeit befähigt werden. Die Schulung soll nach neuesten Erkenntnissen der Lernpsychologie und Didaktik stattfinden und die Erwachsenen als bereits Wissende und Erfahrene ernst nehmen.
Solche und ähnliche Erwartungen halten Schulen in Leitbildern und pädagogischen Leitsätzen fest:
•Wir sorgen für ein entspanntes Lernklima.
•Wir verstehen Bildung als erkenntnisorientierten Prozess.
•Die Lernenden sollen befähigt werden, die beruflichen Herausforderungen erfolgreich selbst zu meistern.
•Unser Unterricht ist teilnehmerzentriert.
•Unsere Kursgestaltung orientiert sich an den individuellen Lernprozessen der Lernenden.
•Unsere Lernziele sind an der Praxis orientiert.
•Unsere Lehrmittel sind nach modernen erwachsenenbildnerischen Grundsätzen gestaltet.
•Wir bieten Möglichkeiten zur Übung und zu selbstverantwortlichem Lernen.
Für die Lehrpersonen in der Praxis ist die Umsetzung nicht ganz einfach, wie ein kritischer Blick auf die Unterrichtsrealität zeigt.
Die Realität
Beispiel 1: Frontal und trocken
Ob es um Buchhaltung, Marketing oder Projektmanagement, juristische Feinheiten oder Business Process Engineering geht: Viele Lehrpersonen reden von ihrem Unterricht als Theorieunterricht und gehen davon aus, dass dieser Unterricht frontal und trocken sein muss. Berufliche Weiterbildung findet mehrheitlich in Schulzimmern mit fix nach vorne ausgerichteten Bankreihen statt. Da in kürzester Zeit möglichst viel Stoff vermittelt werden muss, werden Folienschlachten geschlagen, und das Sprechtempo der Vorlesung wird erhöht. Lernende, die nicht mitkommen, werden unter diesen Umständen schnell als unmotiviert oder dumm wahrgenommen oder als unfähig, selbstverantwortlich zu lernen: Wenn jemand die Prüfung nicht besteht, dann hat er halt nicht zugehört und nicht richtig gelernt.
Beispiel 2: Lehrerzentriert und praxisfern
Unterricht mit und am PC hat meistens klare, eindeutige Zielsetzungen. Allen Lernenden wird am Ende der gleiche Wissensstand versprochen. Wenn Wissen heisst, es gehört zu haben, dann wird dieses Versprechen mehrheitlich eingehalten. Der Unterricht findet lehrerzentriert statt: Der EDV-Kursleiter projiziert seinen eigenen Bildschirm auf die Leinwand, und alle können sehen, was auf seinem Bildschirm passiert. Der Einsatz des Beamers bedingt eine Sitzordnung nach traditionellem Muster: Alle Lernenden blicken aufmerksam nach vorne. Kontakte unter den Lernenden sind erschwert, Gruppenarbeit ist unmöglich. Diese Unterrichtsform lässt es nicht zu, dass der Stoff auf die eigene Praxis übertragen wird und die Anwendung geübt werden kann.
Anforderungen an die Lehrpersonen
Lehrpersonen sind meistens ausgewiesene Fachleute aus der Praxis oder Wissenschaft und haben häufig keine pädagogische oder didaktische Ausbildung. Es ist einleuchtend, dass sie aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen auf herkömmliche Unterrichtsmittel wie Referat oder Präsentation zurückgreifen. Damit genügen sie zwar vordergründig den Ansprüchen an Zeit und Stoff; die modernen Erkenntnisse der Erwachsenenbildung (Andragogik) belegen allerdings deutlich, dass so nicht nachhaltig gelernt wird.
Konkrete Anforderungen an die Lehrpersonen
(in Klammern die Angabe, wo das Thema behandelt wird)
Das Lernen Erwachsener kennen (Kapitel 2)
Die eigenen Vorlieben und Abneigungen beim Lernen kennen (Kapitel 3)
Die Lernumgebung vorbereiten und gestalten (Kapitel 4)
Kompetenzen und Lernziele formulieren (Kapitel 5)
Den Stoff auswählen, reduzieren (evtl. komprimieren) und aufbereiten (Kapitel 6)
Lehren methodisch abwechslungsreich gestalten (Kapitel 7)
Lern- und Arbeitstechniken vorleben und vermitteln (Kapitel 8)
Informationsmanagement vorleben und vermitteln (Kapitel 8)
Einsatz von Medien und Lernmaterialien (Kapitel 9)
Aktuelle lernpsychologische Erkenntnisse umsetzen (Kapitel 10)
Rückmeldungen geben (Kapitel 10)
Soziale Prozesse aufgreifen und steuern (Kapitel 11)
Intervenieren und Konflikte vermeiden (Kapitel 12)
Lernfortschritte kontrollieren (Kapitel 13)
Unterrichtsqualität überwachen (Kapitel 13)
Vertiefende Materialien und Anwendungsbeispiele zum Buch finden Sie im Internet unter http://mehr.hep-verlag.ch/lehren-kompakt-1. Im Buch wird an den entsprechenden Stellen jeweils darauf verwiesen, im Anhang finden Sie ein Verzeichnis dieser Materialien.
Spannungsfeld Unterricht
Abbildung 1.1 zeigt die Rahmenbedingungen von Unterricht und damit die Komplexität des Spannungsfeldes, in dem sich Lehrpersonen bewegen.
Abbildung 1.1: Spannungsfeld Unterricht
Ich greife zuerst aus diesen voneinander abhängigen Themen ein paar typische Problemzonen heraus (in Klammer das Kapitel, in dem das Thema vertieft dargestellt wird).
Spannung zwischen Thema/Sache und Mensch
In der Weiterbildung geht es neben dem Inhalt (sachlicher Aspekt) immer auch um Werthaltungen, Einstellungen und Begegnung (menschlicher Aspekt). Diese beiden Aspekte widerspiegeln sich in den wissensorientierten (kognitiven) und gefühlsbezogenen (affektiven) Lernzielen bzw. Werthaltungen (Kapitel 5). Die Kursplanung muss beide Aspekte berücksichtigen, um die Lern- und Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten (Kapitel 4). Wenn während eines Kurses Konflikte oder Motivationsprobleme auftauchen (Kapitel 12), stehen dahinter häufig Widersprüche zwischen sachlichen und menschlichen Aspekten.
Spannung zwischen Teilnehmererwartungen und Lehrpersonenleistung
Lernende und Lehrperson haben unterschiedliche Vorstellungen, wer welche Rolle einnehmen sollte. Äusserungen wie «Das haben Sie uns aber im Unterricht nicht erklärt!» oder «Dafür sind Sie doch da!» zeigen diese Erwartungsunterschiede (Kapitel 11).
Unterschiedliche Lehr- und Lernstile
Die Art und Weise, wie gelernt wird, ist individuell sehr verschieden. Der eigene Lernstil und die subjektiven Lernerfahrungen prägen auch den Unterrichtsstil der Lehrpersonen stark. Kapitel 2 und 3 zeigen auf, wie Erwachsene lernen und was es mit der Lernbiografie auf sich hat. In Kapitel 10 finden Sie konkrete Anregungen, wie Sie Lernende mit unterschiedlichen Lernstilen am besten fördern können, sowie Tipps zum überlegten Umgang mit Ihrem eigenen Lehrstil.
Spannung zwischen Vollständigkeit und exemplarischem Lernen
Es gibt immer zu viel Stoff und zu wenig Zeit. Im schlimmsten Fall wird der Stoff reduziert, indem am Ende der Unterrichtsstunde einfach aufgehört wird. Der Rest, der nun umständehalber keinen Platz mehr hat, fällt unter den Tisch oder wird als Hausaufgabe in die Eigenverantwortung der Lernenden übergeben. Besser wäre es, bereits bei der Planung zu reduzieren (Kapitel 6).
Spannung zwischen Wissensvermittlung und aktivem Lernen
Da Wissen nicht wie ein Paket dem Empfänger übergeben werden kann, ist der Prozess der Wissensaneignung viel wichtiger, als den Lehrpersonen bewusst ist. Es wäre zugegebenermassen einfacher, wenn mittels Referat und Vormachen den Lernenden das Wissen auf ihre Festplatte (= Gehirn) kopiert werden könnte. Um den Prozess der Wissensaneignung zu erleichtern und Nachhaltigkeit zu ermöglichen, braucht es eine erweiterte Methodik zur Unterstützung des Lernens (Fehler nutzbar machen, Lerntipps vermitteln), des Reflektierens und zum Informationsmanagement (Kapitel 8). Der Einsatz von Medien und geeigneten Unterrichtsmaterialien unterstützt das nachhaltige Lernen und dient nicht nur der Unterhaltung (Kapitel 9).
Spannung zwischen Konsumverhalten und Eigenverantwortung
Berufliche Weiterbildung findet oft abends und in der Freizeit statt. Die Motivation, aktiv zu werden und im Unterricht mitzumachen, ist häufig gering.
Und doch ist aus der Lernpsychologie bekannt, dass einzig aktives Lernen zum Lernerfolg führt. Mit methodischer Abwechslung ist es möglich, Lernende optimal zu aktivieren. Welche Methoden sich im theorielastigen Unterricht besonders bewährt haben, lesen Sie in Kapitel 7.
Spannung zwischen Theorie und Praxis
Oft äussert sich die Spannung zwischen Theorie und Praxis so, dass die Lernenden für die Prüfung (die Theorie!) etwas anderes lernen müssen, als die Lehrperson bei Fallbeispielen oder Erfahrungen erklärt («In der Praxis machen wir es so …»). Die Aufgabe der Lehrperson ist es, Brücken und Analogien zwischen Wissenschaft, Praxis und Prüfungsstoff aufzuzeigen (Kapitel 5) und die Lernenden auf die Grenzen einer Theorie aufmerksam zu machen: dass es immer verschiedene Sichtweisen gibt (Kapitel 13) und dass in Alltagssituationen oft zusätzliche Einflussfaktoren wirken, die ein angepasstes Handeln verlangen.
Gehört haben heisst nicht wissen, wissen heisst nicht verstehen, verstehen heisst nicht können, können heisst nicht einordnen, einordnen heisst nicht beurteilen können.
Dieser Lehrspruch weist auf ein weiteres Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis hin, das unmittelbar mit dem Auf bau des Unterrichts zu tun hat. Sollen die Teilnehmenden kompetent ihr Wissen und Können in den Alltag übertragen, dann wird das mit Vorträgen, Referaten, Präsentationen nicht funktionieren. Die Lernenden müssen Gelegenheit erhalten, das Wissen anzuwenden, zu üben, in die Praxis zu übertragen, Zusammenhänge und Strukturen zu erkennen und das Neue mit dem bereits Bekannten zu verbinden. Als Lehrperson legen Sie daher fest, was die Teilnehmenden mit Ihrem Unterricht erreichen sollen, sie definieren in den Zielen, ob es um Wissen, um Anwendung, um Begründung und Beurteilung geht (Kapitel 5). Entsprechend wählen Sie Unterrichtsformen, in denen die Lernenden die vorgegebenen Ziele erreichen können.
Zu jedem Thema gibt es allerdings auch Informationen oder Theorien, die – vielleicht sogar auswendig – gelernt werden müssen. Dies kann die Lehrperson nicht für die Lernenden erledigen – Lernen findet immer bei den Lernenden statt. Und selbst wenn gut gelernt wurde: Das meiste davon wird sofort wieder vergessen. Um Gelerntes nachhaltig zu speichern, muss es regelmässig repetiert werden (nach wenigen Stunden, nach wenigen Tagen, nach wenigen Wochen) (Kapitel 8).
Spannung zwischen Unterrichtsmaterialien und Unterrichtsgestaltung
Laptop, Tablet und Smartphone
Wenn Sie im Unterricht mit elektronischen Geräten arbeiten, hat das einen direkten Einfluss auf die Stimmung und die Interaktionen unter den Lernenden. Sie sollten dem Praxisbezug, der Anschaulichkeit und dem Arbeitsklima hierbei besondere Beachtung schenken, damit sich die Lernenden mit allen ihren Sinnen einbringen können. Probehandeln, Fehler machen, Anschaulichkeit, Rhythmus und Erfahrungsaustausch sind menschliche Bedürfnisse, die beim Unterrichten und Lernen zentral sind.
Probehandeln: Menschen probieren zwar sehr gerne aus, aber zielloses Ausprobieren führt in die Sackgasse. Sowohl bei einer Internet-Recherche als auch beim Erstellen einer Präsentation oder beim Schreiben eines Wiki-Beitrags sollten Sie einen klaren Rahmen abstecken und Hilfestellungen geben.
Fehler: Meistens funktionieren die Geräte und Anwendungen genau dann nicht, wenn man sie dringend braucht. Als Lehrperson sind Sie das Vorbild im Umgang mit Fehlern und Nicht-Funktionieren. Palavern Sie nicht über Schuld und Dummheit, sondern zeigen Sie Lösungswege auf.
Anschaulichkeit: Innere und äussere Bilder stimmen selten überein. Was der Lernende in seinem Kopf sieht, ist oft nicht das, was er am Bildschirm bekommt und auch nicht das, was er eigentlich wollte. Eine Präsentation mit dem Beamer sorgt dafür, dass der Stoff noch weniger anschaulich wird – die Gelegenheit, selbst zu handeln und eigene Vorstellungen zu entwickeln, wird daher im elektronisch unterstützten Unterricht noch wichtiger.
Rhythmus: Ein PC erledigt Aufgaben, für die wir viel Zeit brauchen (z. B. hundert Adressen nach Wohnort und Strassennamen sortieren), in Sekundenbruchteilen. Damit diktiert er uns Menschen seinen Rhythmus – es besteht die Gefahr, dass wir unsere Sinnlichkeit, unsere Körperempfindungen und unsere Gefühle während der Arbeit am Computer unterdrücken und die rechte Hirnhälfte ausschalten. Diese bräuchten wir aber dringend, um Probleme kreativ lösen zu können und Informationen zu vernetzen. Im Unterricht sollte die Lehrperson also dafür sorgen, dass die Lernenden so oft wie möglich in ihrem eigenen Rhythmus, kreativ und vernetzt arbeiten und lernen können.
Erfahrungsaustausch: Erkenntnisse und Erfahrungen müssen in Worte gefasst werden, Menschen lernen beim Miteinander-Reden. Die Maschine steht den Menschen bei dieser Interaktion eher im Weg. Eine methodische Idee zur Unterrichtsgestaltung, die genau diese Interaktion fördert, ist der Flipped Classroom. Davon ausgehend, dass mittlerweile fast alle Teilnehmenden Zugang zu digitalen Inhalten haben, wird bei dieser Methode die Erarbeitung der theoretischen Inhalte den Teilnehmenden übergeben: Sie erledigen diese eigenverantwortlich zu Hause, bevor im Unterricht dann Erkenntnisse diskutiert und praktische Anwendungen untersucht oder Ideen umgesetzt und konkret geübt werden. Natürlich ist auch das Umgekehrte immer noch möglich: Nach der theoretischen Auseinandersetzung im Unterricht erproben die Teilnehmenden die Inhalte konkret in der Praxis, an eigenen Situationen, durch Beobachtungsaufgaben usw. und bringen die Erkenntnisse wieder zurück in den Präsenzunterricht. Diese Vorgehensweise ist bei weniger lerngewohnten Teilnehmenden angezeigt.
Beamer, Visualizer und Smartboards
Der gewohnheitsmässige Einsatz von (Folien-)Präsentationen birgt die Gefahr, dass die Lernenden überwiegend zum passiven Aufnehmen gezwungen werden. Die Einflussnahme der Lernenden ist eingeschränkt, Blickrichtung und Tempo sind vorgegeben. Visualizer bieten die Möglichkeit, aufzulockern und Lernende eigene Skizzen usw. auf schnelle Art und Weise in den Unterricht einbringen zu lassen. Dank der dazugehörigen Software können solche spontan erzielten Unterrichtsbeiträge sofort gespeichert und auf Lernplattformen geteilt werden.
Pinnwände, Flipcharts und Plakate
Je grösser die Räume und die Anzahl der Lernenden, desto schwieriger wird bei diesen Medien die Lesbarkeit für alle. Grosse Räume mit viel freiem Platz bieten dafür die Chance, in kleineren Gruppen verteilt zu arbeiten und das Material wie in einer Ausstellung hängen zu lassen. Für das Protokoll muss es dann nur noch fotografiert und auf die Lernplattform gestellt werden.
Ein Selbsttest: Wie gut gelingt Ihnen die konkrete Unterrichtsgestaltung?
Testen Sie hier Ihre Unterrichtspraxis. Je mehr Fragen Sie mit «eher nicht» beantworten, desto eher sollten Sie eine methodisch-didaktische Weiterbildung ins Auge fassen. In diesem Buch finden Sie Hinweise, wie Sie Ihre Unterrichtspraxis verbessern können.
Den Test finden Sie auch bei den Materialien zum Buch unter http://mehr.hep-verlag.ch/lehren-kompakt-1, auch in einer Variante für Lehrpersonen, die vorwiegend am PC schulen. Der Test basiert auf den Grundsätzen von Norbert Landwehr (2008) und auf methodischen Anregungen von Gerbig/Gerbig-Calcagni.
1.Vermittlung von Kenntnissen und Umsetzungsmöglichkeiten
Im Theorieunterricht geht es vorwiegend um Kenntnisse und die Fähigkeit zur Umsetzung/Übertragung auf neue Situationen. Die Lehrperson richtet ihr Augenmerk deshalb mit Vorteil darauf, wie sie die Theorie/die Kenntnisse in lerngerechter Dosis und Form darbringt. Reines Wissen sollte schriftlich vorliegen. Die Theorie soll in Form von Überblick, Zusammenhängen und Strukturierung vermittelt/erarbeitet und die Umsetzung mit ausreichend komplexen Fallbeispielen und Übungsaufgaben mit anschliessender Präsentation geübt werden.
2.Abwechslung von darbieten/erarbeiten lassen
Die Informationsaufnahmephasen wechseln mit aktiven Verarbeitungsphasen ab. Eine Informationsaufnahmephase dauert nicht länger als fünfzehn Minuten. Die aktiven Verarbeitungsphasen werden im Kursverlauf immer länger. Der Ablauf einer Unterrichtseinheit besteht somit aus einer Anfangssituation (Problemkonfrontation), einer Experimentier- oder Ausprobierphase, abwechselnden Informationsaufnahmephasen und aktiven Verarbeitungsphasen (Umsetzung) und einer Schlusssituation (Rekapitulation, Zusammenfassung).
3.Problemfindung/Problemformulierung
Fallbeispiele werden zugeschnitten auf Problemstellungen aus der Lebens- und Arbeitswelt der Lernenden gestaltet, benötigte Techniken und Theoriemodelle werden in zunehmendem Schwierigkeitsgrad eingebaut.
4.Problemlösen lehren
Statt die Lehrperson nach der Lösung eines Problems zu fragen, suchen die Lernenden immer wieder selbst Lösungswege, damit sie sich im Verlaufe des Kurses von der Lehrperson unabhängig machen können. Die Lehrperson weist auf Informationsquellen hin, die zur Lösung beitragen.
5.Bei den Lernenden ansetzen
Die Lernenden bringen ihre Alltagserfahrung und ihre Berufswelt in den Kurs mit, diese Bilder/Analogien der Lernenden werden im Unterricht so oft wie möglich verwendet. Die Lehrperson macht es sich zur Aufgabe, so schnell wie möglich herauszufinden, in welcher Vorstellungswelt die Lernenden leben. Sie fragt nach vorhandenem Wissen und vorhandenen Ideen, hält diese fest und knüpft daran an.
6.Fragehaltung aktiv aufbauen
Die Lernenden bringen ihre Fragen mit, können sie aber meistens nicht spontan formulieren oder getrauen sich nicht. Die Lehrperson fördert Fragen und sammelt sie in einem Fragenspeicher. Theorie wird so wenig wie möglich im Voraus vermittelt, um die Fragen der Lernenden nicht abzuwürgen. Fragen werden beantwortet, wenn sie beim Umsetzen auftauchen; Fallbeispiele werden so konstruiert, dass die Lernenden automatisch auf gewisse Fragen stossen.
7.Fehlermanagement
Fehler sind gut! Aus Fehlern kann ich lernen. Nur wer nichts macht, macht keine Fehler. Diese Einstellung gegenüber Fehlern (auch denjenigen der Lehrperson!) muss im Kursalltag vorherrschen und durch die Lehrperson vorgelebt werden.
8.Lernkontrolle
Die Lernkontrollen gehen von praxisnahen Problemstellungen aus. Sie können anhand einer Musterlösung durch die Lernenden selbst kontrolliert werden und sind ziemlich komplex. Sie sind ähnlich schwierig und gleich aufgebaut wie die Prüfungsfragen.
Fazit
Lehren in der Erwachsenenbildung verlangt von den Lehrpersonen mehr und anderes als Wissensvermittlung. Der erhöhte Stoff-, Zeit- und Prüfungsdruck macht es unumgänglich, dass sich auch ausgewiesene Fachspezialisten mit methodisch-didaktischen Themen beschäftigen.
Die neuen, unverzichtbaren Anforderungen an die Lehrpersonen beinhalten:
•Beschäftigung mit der Korrelation von Lehren und Lernen,
•Vorbereitung und Gestaltung der Lernumgebung,
•Aufbereitung und methodisch abwechslungsreiche Darbietung des Stoffs,
•Planung und Einsatz visueller Medien,
•Bereitstellen von Lehr- und Lernmaterialien,
•Steuerung der Zusammenarbeit in Gruppen,
•Kontrolle der Lernfortschritte,
•Überwachung der Unterrichtsqualität.
Deshalb genügen Präsentationen und Referate oder Vormachen/Nachmachen über zusammengeschaltete Bildschirme dem heutigen Anspruch an professionelle berufliche Weiterbildung nicht. Der Selbsttest in diesem Kapitel gibt der Lehrperson Anhaltspunkte, wo Verbesserungsmöglichkeiten liegen.
Weiterführende Literatur
Arnold R.: Wie man lehrt, ohne zu belehren.
Dollinger M.: Wissen wirksam weitergeben.
Kapitel 2
Wenn Erwachsene lernen
«Der Kluge lernt aus allem und jedem, der Normale aus seinen Erfahrungen, und der Dumme weiss schon alles besser.»
Sokrates
Worum es in diesem Kapitel geht
In diesem Kapitel geht es um das Lernen Erwachsener in der Weiterbildung. In welchem Bildungssystem sich Erwachsenenbildung abspielt und wie Erwachsene lernen, welche Bedürfnisse und Erwartungen sie haben – all dies hat einen Einfluss auf die Art und Weise, wie eine Lehrperson im Kursraum die Beziehungsebene gestalten kann.
Überblick zu Kapitel 2: Wenn Erwachsene lernen
Die Weiterbildungslandschaft Schweiz
Das schweizerische Bildungssystem mit seiner intensiven Verzahnung zwischen der betrieblichen Praxis und der schulischen Bildung ist einzigartig. Was sich als duales Berufsbildungssystem bewährt hat, ist in der beruflichen und persönlichen Weiterbildung nicht einfach weiterzuführen. Hochschulen, Fachhochschulen, höhere Fachschulen und Privatschulen bzw. innerbetriebliche Bildungsabteilungen verstricken sich seit ein paar Jahren verstärkt in Konkurrenzkämpfe. Dieses Positionierungsgerangel ist unter anderem auf die Bestrebungen nach internationaler Vereinheitlichung (Bologna-Reform, Kopenhagen-Prozess) und die Verknappung der finanziellen Mittel zurückzuführen. Beide Entwicklungen werden weiterhin wirksam sein. Dazu kommen noch weitere Trends, die die Positionierung stark beeinflussen.
Trends
Neuer Bildungsbegriff
Bildung verschiebt sich zunehmend von der Schule in die Praxis hinüber, also muss Bildung in einer dynamischen Wissensgesellschaft zunehmend berufliche Kompetenz vermitteln. Das neue Bildungsideal heisst Employability, also Einsetzbarkeit, Verwertbarkeit (statt klassisches Bildungsideal).
Arbeitsprozess als Weiterbildungsprozess
Arbeiten und Lernen sowie Beruf und Freizeit überlappen sich. Deshalb gelten Persönlichkeitsbildung, Metakommunikation und emotionale Intelligenz als neue Basisqualifikationen. Vermehrt werden Skills und Fähigkeiten am Arbeitsplatz gelernt (training on the job). Berufliche Weiterbildung gewinnt an Bedeutung – sie soll aber effizient sein und sich wirtschaftlich auszahlen.
Neue Lernkultur
Die Vorstellungen vom Lehren und Lernen haben sich gewandelt. Im Mittelpunkt stehen neben den fachlichen Kompetenzen vermehrt berufsübergreifende Schlüsselkompetenzen (auch Soft Skills genannt). Aufgabe der Lehrperson wird es zunehmend, eine aktive und aktivierende Lernkultur zu schaffen und dadurch Lernfreude und Lust am Lernen zu wecken. Die Wissensvermittlung rückt in den Hintergrund, selbstverantwortliches Lernen und Selbstlernkompetenz werden wichtiger.
Neue Rolle für Lehrpersonen
Von den Lehrpersonen wird zusätzlich erwartet, dass sie in die Rolle des Lerncoachs und des Organisators von Selbstlernumgebungen schlüpft. Der Einbezug von neuen Medien und Lernplattformen in den Unterricht wird selbstverständlich erwartet.
Weiterbildungsorganisationen wandeln sich
Auch öffentliche Schulen müssen sich dem Markt stellen; damit gewinnt das Marketing an Bedeutung. Zur Profilierung und zur Professionalisierung einer Bildungsinstitution und ihrer Lehrpersonen gehören Zertifizierungen und Qualitätslabels. Eidgenössisch oder gar international anerkannte Lehrgänge sind wichtiger geworden als Kurse ohne Abschluss. Um die Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit zu gewährleisten, müssen Angebote zertifiziert und mit international vergleichbaren Credit Points (ECTS-Punkte) bewertet werden können. Eine Auswirkung davon ist die Aufteilung längerer Ausbildungen in beliebig kombinierbare Module, die einzeln besucht werden können und als Ganzes zu einem höheren Abschluss führen. Damit eine Bildungsinstitution diese Professionalisierung mitmachen kann, wird sie häufig in eine Art Profitcenter umstrukturiert und richtet sich danach bei der Gestaltung ihres Angebotes überwiegend nach der Rentabilität.
Abbildung 2.1: Bildungslandschaft Schweiz
Bildungssystem
Auf www.berufsbildung.ch finden Sie viele Informationen rund ums (Berufs-) Bildungssystem Schweiz. Auf https://bildungssystem.educa.ch finden Sie die Übersicht zum Schweizer Bildungssystem (Abbildung 2.1) in Form einer Image Map. Die einzelnen Begriffe sind Links, die zu weiteren Informationen führen.
Lernbedürfnisse Erwachsener
Erfahrene Erwachsenenbildner/innen wissen, dass Erwachsene anders lernen und anderes vom Unterricht erwarten als Kinder und Jugendliche. Heidi Ehrensperger hat 2002 die wichtigsten Punkte zusammengefasst – basierend auf der Erkenntnis, dass Erwachsene primär Sinnvolles lernen und das Neue in ihren vorhandenen Erfahrungsschatz integrieren wollen.
Erwachsene wollen deshalb beim Lernen …
•Hintergründe erkennen
•reale Probleme lösen (Nutzen im Arbeitsalltag sehen)
•Überlegungen in Bezug auf die Geschäftsstrategie anstellen
•am Arbeitsplatz mit dem Team, in Zusammenhang mit der Praxis nachdenken
•eigene Erfahrungen einbringen
•konkrete Bezüge und damit den Transfer schaffen
•handelnd lernen (Thema selbst erarbeiten)
•individualisierend lernen (auf die eigene Art lernen)
•selbstgesteuert lernen (Thema oder Themenschwerpunkt selbst wählen)
•entdeckend lernen (Lösungswege, Lösungen und Nebenergebnisse selbst finden)
•an das bereits Gelernte anknüpfen können
•Erfolgserlebnisse haben
•über den Lernstoff nachdenken (reflektieren) können
•effizient lernen (Leistung und Lernen in einem guten Team verbinden)
Erwartungen an den Unterricht
Erwachsene sind nicht wie Kinder bereit, sich einfach auf das einzulassen, was kommt. Sie brauchen von Anfang an die Sicherheit, dass sich die in die Fortbildung investierte Zeit auch lohnt.
Erwachsene wollen deshalb ein Design, einen Unterrichtsaufbau antreffen, der …
•eine klare Ausschreibung beinhaltet
•den roten Faden sichtbar macht
•Lern- und Arbeitstechniken einbezieht
•die Lernenden auf ihrem Wissens- und Erfahrungsstand abholt
•praxisorientiertes Arbeiten ermöglicht
•thematisch anregend und herausfordernd ist
•Transparenz bezüglich Anforderungen und Leistungen gewährleistet
Erwartungen an die Lehrperson
Erwachsene suchen in den Lehrpersonen nicht eine Autoritätsperson, sondern neben den fachkompetenten Expertinnen und Experten vor allem die Wegbereiterin im Dienste des Lernens. Eine Lehrperson, die die Teilnehmenden nicht wahr- und ernst nimmt, wirkt unglaubwürdig und wird auch fachlich nicht überzeugen.
Erwachsene wollen eine Lehrperson erleben, die …
•ein partnerschaftliches Verhältnis lebt und zulässt (zwischen Lehrperson und Teilnehmenden ebenso wie unter den Teilnehmenden)
•Feedbacks gibt und ermöglicht
•aufbauend kritisiert und fördert
•engagiert, echt und glaubwürdig auftritt
•weiss, wovon sie spricht, und ihr Thema liebt
Lernklima gestalten
Erwachsene brauchen ein förderliches Lernklima. Sie lernen leichter und lieber, wenn sie ermutigt werden, Freiraum erleben und mitgestalten können.
Erwachsene wollen mit Methoden (inkl. Unterrichtsformen und Sozialformen) unterstützt werden, die …
•auf den eigenen Lerntyp zugeschnitten sind (individualisierend)
•mit Bildern, Vergleichen, Geschichten operieren (visualisierend)
•Abwechslung bringen (rhythmisierend)
•angstfreies und spielerisches Lernen begünstigen
•humorvolles Arbeiten ermöglichen
•Spass am Lernen bringen
•aktivierend wirken
•alle Sinne ansprechen
•kreativitätsfördernd sind
•auch das körperliche Wohlbefinden beachten
•besprechbar sind in der Lernveranstaltung
•das Gleichgewicht wahren zwischen Thema, Individuen und Gruppe
•für die Praxis relevant und glaubwürdig sind
Die Beziehungsebene im Unterricht gestalten
Lehrpersonen mit grossem Fachwissen und wenig Erfahrung im Unterrichten sind zuweilen stark auf ihre eigenen Notizen, sich selbst und das einzusetzende Medium (Laptop, Tafel usw.) fokussiert. Sie nehmen selten Kontakt mit den Teilnehmenden auf und empfinden Fragen oder kritische Anmerkungen als Angriff oder Störung. Solange dies so ist, kann kaum ein lernförderliches Klima entstehen.
Die Beziehungsebene
Die Beziehungsebene im Unterricht ist im didaktischen Dreieck (siehe Kapitel 4) als Verbindung der Lehrperson zur Gruppe eingezeichnet. Dies ist die dritte Aktionsebene, ergänzend zur Verbindung zwischen Gruppe und Thema (didaktische Ebene) und zwischen Lehrperson und Thema (thematische Ebene). Wenn es der Lehrperson gelingt, zu den einzelnen Personen eine Beziehung herzustellen und die Gruppe als Ganzes in einem lernförderlichen Klima zu halten, dann ist die Beziehungsebene intakt. Herrscht ausschliesslich Wettbewerbs- oder Konkurrenzdenken vor, produziert sich die Lehrperson als alleinwissend und stellt Lernende bloss, werden Einzelne ausgeschlossen oder bevorzugt, geht die Führung ausschliesslich von der Lehrperson aus, stimmt die Distanz nicht (zu nah oder zu fern) – in allen diesen Fällen ist die Beziehungsebene gestört, und früher oder später werden Einzelne oder die ganze Gruppe aus dem Lernen aussteigen.
Faktoren für ein lernförderliches Klima im Unterricht
•Es wird genügend Zeit fürs gegenseitige Kennenlernen eingeplant (siehe auch Kapitel 4 und 11).
•Es werden Lernvereinbarungen und Kontrakte geschlossen (siehe auch Kapitel 12).
•Unterschiedlichkeiten werden tolerant und mit Akzeptanz integriert (siehe auch Kapitel 10 und 11).
•Abschätzige oder aggressive Verhaltensweisen der Lernenden untereinander werden thematisiert und diskutiert (siehe auch Kapitel 11 und 12).
•Es werden mehr Fragen gestellt als Antworten gegeben (siehe auch Kapitel 5 und 7).
•Gemachte Fehler werden wohlwollend aufgegriffen, und es werden daraus lernförderliche Überlegungen und richtige Lösungen abgeleitet (siehe auch Kapitel 8).
•Die Lehrperson wechselt flexibel zwischen ihren Rollen als Wissensvermittlerin, Lerncoach, Beraterin, Ermunternde, Fördernde, Kontrollierende usw., je nach Lernsituation (siehe auch Kapitel 10 und 11).
Fazit
Wenn Erwachsene in Weiterbildungen kommen, um zu lernen, dann haben sie hohe Erwartungen. Diese Erwartungen treffen auf die Erwartungen der Lehrperson, was in dieser Weiterbildung passieren soll. Abhängig von Institution und Bildungssystem, hat die Lehrperson unterschiedliche Möglichkeiten, das Lernklima zu gestalten.