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Lehren und Lernen in den Gesundheitswissenschaften E-Book

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Beschreibung

Im Bereich der Gesundwissenschaften werden nach aktuellen Schätzungen mehr als 500 unterschiedliche Studiengänge angeboten, Tendenz steigend. Sowohl für Lehrende wie auch für Studierende wird es zunehmend schwierig, sich hier zu orientieren und verlässliche Kriterien für gesicherte Qualitätsstandards zu erkennen. Erstmalig im deutschen Sprachraum werden nun in diesem Werk dringend geforderte "Leitplanken" für Studieninhalte, Veranstaltungsformate und geeignete Lehr-Methoden dargestellt. Das Buch soll dazu beitragen, ein Mindestmaß der erforderlichen Qualitätsstandards innerhalb der aktuell sehr heterogenen Studiengänge zu erreichen und mit konkreten Beispiele eine zuverlässige Orientierung für eigene Lehrpläne bzw. Lehrdidaktik ermöglichen: • Welche Herausforderungen gibt es für die Lehre in den verschiedenen Studiengängen? • Welche Kompetenzen sollen im Studium vermittelt werden und warum? • Mit didaktischen Methoden zur Bildung von Selbstverständnis und Persönlichkeit • Grundlagen zur Veranstaltungsplanung: Constructive Alignement, Kompetenzorientiertes Prüfen • Problemorientiertes und Forschendes Lernen • Handlungsorientierte und aktivierende Methoden: Planspiel, Praxisprojekt, E-Learning, Blended Learning, Wissenschaftliches Arbeiten, Präsentieren und Vermitteln • Semesterverlauf und Spannungsbogen • Verschiedene Veranstaltungsformate: Vorlesung, Seminar, Tutorien, u.a. • Wie lassen sich Feedback und Evaluation zur Qualitätsverbesserung einsetzen?

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Lehren und Lernen in den Gesundheitswissenschaften

Ansgar Gerhardus, Petra Kolip, Tobias Munko, Imke Schilling und Kerstin Schlingmann (Hrsg.)

Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Gesundheit

Ansgar Gerhardus, Bremen; Klaus Hurrelmann, Berlin; Petra Kolip, Bielefeld; Milo Puhan, Zürich; Doris Schaeffer, Bielefeld

Ansgar GerhardusPetra KolipTobias MunkoImke SchillingKerstin Schlingmann(Hrsg.)

Lehren und Lernen in den Gesundheitswissenschaften

Ein Praxishandbuch

unter Mitarbeit von

Andreas Baumeister

Ole Marten

Marina Böddeker

Miriam Müller

Matthias Buschmeier

Kerrin Riewerts

Michael Dörries

Ayla Satilmis

Andreas Fleischmann

Torsten Strulik

Lena Haslop

Frauke Thieme

Björn Kiehne

Maike Voss

Frieder Kurbjeweit

Professor Dr. Ansgar Gerhardus (Hrsg.)

Universität Bremen

Institut für Public Health und Pflegeforschung

Grazer Straße 4

28359 Bremen

[email protected]

 

Professorin Dr. Petra Kolip (Hrsg.)

Universität Bielefeld

Fakultät für Gesundheitswissenschaften

Universitätsstraße 25

33615 Bielefeld

[email protected]

 

Tobias Munko (Hrsg.)

Universität Bielefeld

Fakultät für Gesundheitswissenschaften

Universitätsstraße 25

33615 Bielefeld

[email protected]

 

Imke Schilling (Hrsg.)

Universität Bremen

Institut für Public Health und Pflegeforschung

Grazer Straße 4

28359 Bremen

[email protected]

 

Dr. Kerstin Schlingmann (Hrsg.)

Universität Bielefeld

Fakultät für Gesundheitswissenschaften

Universitätsstraße 25

33615 Bielefeld

[email protected]

 

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Kopien und Vervielfältigungen zu Lehr- und Unterrichtszwecken, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Anregungen und Zuschriften bitte an:

 

Hogrefe AG

Lektorat Gesundheit

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

 

Lektorat: Susanne Ristea

Bearbeitung: Thomas Koch-Albrecht, Münchwald

Herstellung: René Tschirren

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Satz: Claudia Wild, Konstanz

Druck und buchbinderische Verarbeitung: Finidr s.r.o., Český Těšín

Printed in Czech Republic

 

1. Auflage 2020

© 2020 Hogrefe Verlag, Bern

 

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-95930-6)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-75930-2)

ISBN 978-3-456-85930-9

http://doi.org/10.1024/85930-000

Nutzungsbedingungen

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Diese Bestimmungen gelten gegebenenfalls auch für zum E-Book gehörende Audio­dateien.

Anmerkung

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1 Einführung: Lehren und Lernen in den Gesundheitswissenschaften
1.1 Die Ideen hinter diesem Buch
1.1.1 Orientierung an Kompetenzen und Entwicklung der Persönlichkeit
1.1.2 Lernen im Mittelpunkt
1.1.3 Engagierte Lehrende mit vielfältigen weiteren Aufgaben
1.1.4 Reflexion der Rollen als Lehrende und Lernende
1.1.5 Integration unterschiedlicher Dimensionen
1.2 Gesundheitswissenschaften – Entwicklung und Vielfalt der Studiengänge
1.3 Wer sind die Studierenden und wer sind die Lehrenden?
1.3.1 Wer sind die Studierenden?
1.3.2 Wer sind die Lehrenden?
1.4 Herausforderungen für Lehren und Lernen in den Gesundheitswissenschaften
1.4.1 Gesundheitswissenschaften als Multidisziplin
1.4.2 Anwendungsbezug und Praxisnähe vs. Theorien und Methoden
1.4.3 Wie werden aus Schüler*innen Studierende? Der Übergang von der Schule ins Studium
1.4.4 Heterogenität in der Ausgangsqualifikation für Bachelor-, Master- und Promotionsstudiengänge
1.4.5 Unklare Berufsbilder
1.5 Sicht der Studierenden auf die universitäre Lehre – Erkenntnisse aus der Studierendenbefragung der Fachschaft Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld
1.5.1 Bedarfe und Bedürfnisse der Studierenden
1.5.2 Nutzen der Studierendenbefragung für die Lehrentwicklung an der Fakultät
2 Lehrende und Lernende
2.1 Diversity meets Public Health – Zur Bedeutung von Diversität in Public-Health-Studiengängen
2.1.1 Was bedeutet Diversität im Hochschulkontext?
2.1.2 Diversitätsdimensionen in der Public-Health-Ausbildung
2.1.3 Diversität als Studieninhalt: Determinanten von Gesundheit
2.1.4 Schlussbetrachtungen
2.1.5 Fazit
2.2 Barrierefreiheit in der Lehre
2.2.1 Hintergrund
2.2.2 Kommunikation
2.2.3 Barrierefreie Sprechstunde
2.2.4 Nachteilsausgleiche
2.2.5 Formen der Beeinträchtigung
2.2.6 Digitale Barrierefreiheit
2.2.7 Was Sie direkt tun können
2.3 Wie Rollenvorstellungen zum Lernen und Lehren entstehen – ein Beispiel
2.3.1 Das Wichtigste im Leben und in der Arbeit
2.3.2 Kalighat – Erfahrung von Rollenunschärfe
2.3.3 Pieta – Wissen als Befreiung
2.3.4 Die richtigen Wörter finden
2.3.5 Rollen beim Lernen und Lehren: biografische Eintragungen in meine Lehrüberzeugung
2.3.6 Die eigene Rollengeschichte fortschreiben
2.4 (Un-)vorhersehbare Anforderungen an Lehre
2.4.1 Praktische Ansätze und Lösungsmöglichkeiten
3 Kompetenzen in modularisierten Studiengängen und Studienphasen
3.1 Welche Kompetenzen sollen vermittelt werden und warum?
3.1.1 Selbstkompetenz
3.1.2 Sozialkompetenz
3.1.3 Methodenkompetenz
3.1.4 Fachkompetenz
3.2 Modularisierte Verankerung und Reflexion
3.2.1 Reflexion in Lehr- und Lernkontexten
3.2.2 Reflexive Praxis
3.3 Phasen im Studium
3.3.1 Informations- und Einschreibephase
3.3.2 Studieneingangsphase
3.3.3 Vertiefungs- und Profilierungsphase
3.3.4 Abschlussphase
3.3.5 Übergangs- oder Austrittsphase
3.3.6 Wie kann ich als Lehrende*r auf die beschriebenen Anforderungen und Situation in den Studienphasen reagieren?
4 Lehrveranstaltung planen und didaktisch umsetzen
4.1 Grundlagen der Veranstaltungsplanung – Lehren und Prüfen aufeinander abstimmen
4.1.1 Hintergrund
4.1.2 Planung einer Lehrveranstaltung mit dem Ansatz des Constructive Alignment
4.1.3 Vorteile und weitere Einsatzmöglichkeiten des Konzepts des Constructive Alignment
4.1.4 Mögliche Grenzen des Constructive Alignment
4.1.5 Fazit
4.2 Aktivierende Methoden
4.3 Problemorientiertes Lernen (PoL)
4.3.1 Einleitung
4.3.2 Grundlagen
4.3.3 Gestaltung problemorientierten Lernens
4.3.4 Möglichkeiten und Grenzen problemorientierten Lernens
4.4 Forschendes Lernen
4.4.1 Definition und Abgrenzung Forschenden Lernens
4.4.2 Begründungen für und Potenziale von Forschendem Lernen
4.4.3 Forschendes Lernen in den Gesundheitswissenschaften
4.4.4 Umsetzung in einem Public-Health-Masterstudiengang an der Universität Bremen
4.4.5 Formate des Forschenden Lernens und Prüfens
4.4.6 Forschendes Lernen in der Lehre nutzen
4.5 Planspiel
4.5.1 Einleitung – Theorie
4.5.2 Inhalt des genutzten Planspiels
4.5.3 Nutzen eines Planspiels aus Perspektive der Studierenden
4.5.4 Fazit
4.6 Praxis- und Berufsorientierung in gesundheitswissenschaftlichen Studiengängen
4.6.1 Praxissemester im letzten Studiendrittel des Bachelorstudiengangs
4.6.2 Veranstaltung „Berufsorientierung im gesundheitswissenschaftlichen Bereich“
4.6.3 Bielefelder Kompetenzlogbuch – individueller Navigator für Studium und Karriere
4.7 E-Learning und Blended Learning in Großveranstaltungen. Ein Praxisbericht
4.7.1 Begriffliche Klärungen und Ausgangsthesen
4.7.2 Einsatzszenarien
4.7.3 Fazit
5 Wissenschaftliches Arbeiten
5.1 Aufgabenstellung klären: Themeneingrenzung
5.1.1 Wissenschaftliches Journal
5.1.2 Brainwriting
5.1.3 Formulierung der Fragestellung
5.2 Informationen sammeln und festhalten: Recherchieren und Lesen wissenschaftlicher Texte
5.2.1 Recherche – von der „Google-Welt“ in die wissenschaftliche Datenbank
5.2.2 Lesen – Es gibt keinen Mörder
5.2.3 Informationen/Material ordnen und strukturieren: In welcher Reihenfolge präsentiere ich meine Informationen?
5.3 Textentwürfe verfassen und überarbeiten: Rohfassung schreiben
5.4 Finale Ausarbeitung und Korrektur
5.5 Fazit
6 Veranstaltungsformate in gesundheitswissenschaftlicher Lehre: Vorlesung, Seminar und Tutorium
6.1 Vorlesung
6.1.1 Stärken und Schwächen des Vorlesungsformats
6.1.2 Der gelungene Einstieg
6.1.3 Strukturierung
6.1.4 Aktivierung
6.1.5 Medieneinsatz
6.1.6 Abschluss der Vorlesung
6.1.7 Ausblick: Die Zukunft der Vorlesung
6.2 Seminar
6.2.1 Was ist ein Seminar und welche Ziele werden damit verfolgt?
6.2.2 Seminarformen
6.2.3 Seminarkultur und Rollenverständnisse
6.2.4 Vorbereitung – vor der ersten Seminarsitzung
6.2.5 Durchführung des Seminars
6.2.6 Fazit
6.3 Tutorium
6.3.1 Einsatzmöglichkeiten von Tutorien
6.3.2 Vorbereitung und Planung von Tutorien
6.3.3 Gruppenarbeit als didaktische Methode in Tutorien
6.3.4 Fazit
7 Evaluation und Qualitätsentwicklung in gesundheitswissenschaftlichen Studiengängen
7.1 Evaluation und Qualität: eine Begriffsklärung
7.2 Qualitätsentwicklung auf Studiengangsebene
7.2.1 Ein kleiner historischer Rückblick
7.2.2 Foren zur Qualitätsdiskussion auf Studiengangsebene heute
7.3 Qualitätsentwicklung auf Veranstaltungsebene
7.3.1 Standardisierte schriftliche Lehrveranstaltungsevaluation
7.3.2 Lernzielorientierte Evaluation
7.3.3 Dialogorientierte Evaluation
7.3.4 Mini-Feedbacks von Studierenden
7.4 Fazit
Abkürzungsverzeichnis
Autor*innen
Stichwortverzeichnis
Anmerkungen

Vorwort

Auch wenn wir schon länger in der Lehre und Lehrberatung aktiv sind, viele Bücher gelesen und an Kursen teilgenommen haben, ist der Wunsch nach der „perfekten“ Lehrveranstaltung immer noch lebendig. In der Lehre Impulse zu setzen und zu sehen, wie Studierende diese aufnehmen und im besten Fall ihre Kompetenzen erweitern, ist eine große Motivation, uns in der Lehre zu engagieren. Damit dies gelingt, braucht es Handwerkszeug, das unter den gegebenen Bedingungen funktioniert. Eine heterogene Studierendenschaft – mal mit, mal ohne berufliche Vorerfahrung –, der Anspruch, interdisziplinäres Denken zu vermitteln, häufig große Studiengangskohorten und eine beengte Infrastruktur, hoch strukturierte Studiengänge, die ein effizientes Jagen nach Leistungspunkten begünstigen – dies sind nur einige der vielen Herausforderungen, vor denen wir in unserem Lehralltag stehen.

Mittlerweile gibt es über 600 gesundheitsbezogene Studiengänge in Deutschland, aber ein passendes Buch zur Didaktik stand bisher noch aus. Viele didaktische Elemente, die in den Gesundheitswissenschaften wichtig sind, sind auch in anderen Fächern relevant. Andere Aspekte, wie der hohe Grad an Interdisziplinarität, die Breite der Berufsbilder oder die Komplexität der Problemstellungen, sind nur in wenigen Fächern so prägnant wie in den Gesundheitswissenschaften. Mit diesem Buch wollen wir sowohl einen Überblick über das „ABC“ der Hochschuldidaktik geben als auch spezifisches Wissen zu Lehren und Lernen in den Gesundheitswissenschaften vermitteln. Unser Ausgangspunkt waren dabei die konkreten Möglichkeiten und Herausforderungen in der täglichen Lehre.

Lehrende sind unterschiedlich und repräsentieren eine Vielfalt an Hintergründen und Erfahrungen. Es gibt nicht die eine perfekte Methode, die für alle passt. Lehre trägt immer auch einen individuellen Stil, und die Kunst besteht darin, die Methoden zu finden, die den eigenen Stil unterstützen. In diesem Sinne möchten wir Sie ermuntern, gute Lehre als einen Prozess zu sehen – wenn man sich darauf einlässt, kann es richtig Spaß machen.

Die Herausgeber*innen alleine hätten die Vielfalt von Lehren und Lernen niemals kompetent abbilden können. Daher möchten wir uns an dieser Stelle bei allen Autor*innen ganz herzlich bedanken, die ihre Expertise zur Verfügung gestellt und dieses Buch mit ihren Beiträgen bereichert haben. Ebenso bedanken wir uns bei Alexandra Zemke und Gunnar Plinke für die tatkräftige Unterstützung bei der Formatierung des Buches. Und nicht zuletzt möchten wir uns beim Hogrefe-Verlag bedanken, der dieses Konzept so engagiert mitgetragen hat.

 

Bielefeld und Bremen im Juni 2019

Ansgar Gerhardus, Petra Kolip, Tobias Munko, Imke Schilling und Kerstin Schlingmann

1 Einführung: Lehren und Lernen in den Gesundheitswissenschaften

Ansgar Gerhardus, Tobias Munko, Petra Kolip und Miriam Müller

1.1 Die Ideen hinter diesem Buch

Ansgar Gerhardus und Tobias Munko

Derzeit werden über600 Studiengänge mit Gesundheitsbezug angeboten, mit unterschiedlichen Ausbildungszielen und Profilen. Die Lehre in diesen Studiengängen ist spannend und herausfordernd, nicht zuletzt, weil die Studierendenschaft heterogen ist und eine Vielzahl von Kompetenzen vermittelt werden soll. Das vorliegende Buch fokussiert diese Herausforderungen und will Anregungen für eine gelingende Lehre geben. Es ist an fünf Leitmotiven ausgerichtet: (1) Orientierung an Kompetenzen, die Studierende für ihre späteren Berufstätigkeiten benötigen und an der Unterstützung ihrer persönlichen Entwicklung; (2) Lernen, nicht Lehren, soll im Mittelpunkt stehen; (3) Zielgruppe sind Lehrende, die eine gute Lehre mit vielen anderen Aufgaben zeitlich in Einklang bringen müssen; (4) Lehren und Lernen bedeutet immer auch die Gestaltung von Beziehungen und (5) verschiedene Dimensionen des Lehrens und Lernens (z.B. didaktische Aspekte in Verbindung mit Rollenverständnissen) sollen möglichst integriert präsentiert werden.

1.1.1 Orientierung an Kompetenzen und Entwicklung der Persönlichkeit

Absolvent*innen der Gesundheitswissenschaften haben ein breites Spektrum beruflicher Möglichkeiten vor sich. Ähnlich weit gefächert sind das Wissen und die Kompetenzen, die dafür notwendig sind. Darüber hinaus fordert eine Tätigkeit im Gesundheitsbereich die ganze Persönlichkeit: Eine offene Haltung beim Umgang mit unterschiedlichen Gruppen, den Willen zur Reflexion und ein „ethischer Kompass“ sind wichtige Voraussetzungen, um einen positiven Beitrag leisten zu können.

Trotz der Breite des Faches gibt es einen Kern von Kompetenzen, den alle Gesundheitswissenschaftler*innen benötigen. Um fundierte Analysen durchführen zu können, muss man gute Fragestellungen formulieren, wissen, wo und wie man Informationen recherchieren kann, in der Lage sein, angemessene Methoden auszuwählen, diese einzusetzen und anschließend die Ergebnisse zu interpretieren. Um tragfähige Konzepte zu entwickeln, benötigt man die Fähigkeit, zielorientiert zu denken und unterschiedliche Gruppen einzubeziehen. Fachwissen über die (gesundheitspolitische) Landschaft ist wichtig, um die Bedingungen, innerhalb derer agiert werden kann, zu verstehen. Nach der Analyse werden für die Umsetzung Kompetenzen im Management gebraucht sowie die Fähigkeit, mit den unterschiedlichsten Akteuren umzugehen und zu kommunizieren. Grundlegend für all dieses ist eine Auseinandersetzung mit (ethischen) Werten und die kontinuierliche Reflexion über die eigene Rolle und das eigene Handeln.

1.1.2 Lernen im Mittelpunkt

In der Lehre geht es zunehmend weniger darum, die Inhalte eines Gegenstandkataloges möglichst vollständig zu vermitteln. Der Fokus liegt vielmehr auf den Lernfortschritten, mit Blick auf die zu erwerbenden Kompetenzen. Diese Verschiebung wirkt sich auf vielen Ebenen aus: Aus Dozent*innen werden Begleiter*innen oder Coaches. Prüfungen geben nicht nur eine notenbasierte Rückmeldung, sondern inhaltliches Feedback über die Aspekte, die verbessert werden können. Evaluationen fragen danach, welche Kompetenzen Studierende erworben haben (oder welchen Kompetenzerwerb sie wahrnehmen), und weniger, wie gut sie sich unterhalten fühlen.

1.1.3 Engagierte Lehrende mit vielfältigen weiteren Aufgaben

Lehre wird von Menschen gemacht, die hierfür – oftmals knappe – zeitliche Ressourcen zur Verfügung haben. Einige Lehrende haben ein Lehrdeputat von 18 Stunden pro Woche. Andere unterrichten zum ersten Mal in ihrem Leben und benötigen viel Zeit, um sich einzuarbeiten. Viele haben neben der Lehre noch andere Aufgaben, die sie selber – oder Personen, die darüber entscheiden dürfen – für wichtiger halten. Kurz gesagt: Das Zeitbudget für die Planung, Durchführung, Evaluation und Verbesserung der Lehre ist meist eng begrenzt. Gleichzeitig wollen wir bei unseren Studierenden möglichst große Lernfortschritte erreichen. In diesem Buch liegt der Fokus auf praxisorientierten Hinweisen, die mit überschaubarem Aufwand umgesetzt werden können. Die Rücksicht auf die knappe Zeit kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass das Werk als „One-Stop-Buch“ konzipiert ist, d.h. es soll die Planung der Lehre ermöglichen, ohne dass weitere Bücher hinzugezogen werden müssen. Das geht zum Teil auf Kosten einer vertieften Einführung in didaktische Theorien, für die es geeignetere Werke gibt. Ganz eilige Leser*innen können so vorgehen, dass sie direkt in Kapitel wie „Seminar“, „Vorlesung“ oder „Problemorientiertes Lernen“ springen und dort den Verweisen auf andere, grundlegendere Abschnitte folgen.

1.1.4 Reflexion der Rollen als Lehrende und Lernende

Lehren und Lernen ist mehr als der neutrale Austausch von Fakten. Idealerweise handelt es sich um eine intensive und konstruktive Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Akteuren. Wer dabei welche Rolle hat, muss sorgfältig reflektiert werden: Bin ich allwissende/r Dozent*in, gutmütige/r Begleiter*in mit viel Verständnis für private Probleme oder strenge/r Prüfer*in? Sind die Studierenden Schüler*innen, Kolleg*innen, Wissenskonsument*innen oder Koproduzent*innen? In diesem Buch laden wir zu einer Reflexion über diese Fragen immer wieder ein.

1.1.5 Integration unterschiedlicher Dimensionen

Die größte Herausforderung beim Schreiben dieses Buches war die Integration der vielfältigen Dimensionen des Lehrens und Lernens. Viele Lehrbücher zur Didaktik haben ihren Fokus auf eine der Dimensionen (z.B. Methoden zur Unterrichtsgestaltung oder Rolle der Lehrenden) bzw. handeln die Dimensionen getrennt in unterschiedlichen Kapiteln ab. Für Leser*innen ist es bei der Umsetzung oft schwierig, diese Dimensionen zu integrieren, also z.B. ein kompetenzorientiertes Seminar mit einer optimalen Rollenzuteilung unter Anwendung geeigneter didaktischer Tools zu gestalten. Auch in diesem Buch gibt es Kapitel, die eine einzelne Dimension im Fokus haben. Insbesondere in Kap. 6 (Lehre in verschiedenen Veranstaltungsformaten) ist diese Trennung aber weitgehend aufgehoben, sodass eine Veranstaltung mit all ihren Dimensionen zusammenhängend präsentiert wird.

1.2 Gesundheitswissenschaften – Entwicklung und Vielfalt der Studiengänge

Petra Kolip

Gesundheitswissenschaftliche Studiengänge gibt es in Deutschland seit Beginn der 1990er-Jahre, seinerzeit noch als postgraduale ein- oder zweijährige Studiengänge, die sich an Personen wandten, die einen Hochschulabschluss u.a. in Medizin, Psychologie oder Sozialwissenschaften hatten. Die Zielgruppe waren Personen, die bereits im Gesundheitswesen beschäftigt waren, mehrjährige Berufserfahrung hatten und sich mit einem gesundheitswissenschaftlichen Studiengang einen breiteren Wissensfundus erarbeiten und ggf. neue berufliche Perspektiven erschließen wollten (Räbiger, Thönnessen & Kolip, 1993). Zum Wintersemester 1993/94 nahmen fünf Studiengänge Studierende auf (Kolip & Schott, 1994; Schott & Kolip, 1994). Die Konzepte und die Zielgruppe unterschieden sich, teils wurden nur Mediziner*innen zugelassen, teils Absolvent*innen aus einem breiten Fächerspektrum. Auch die organisatorische Anbindung, teils an medizinischen, teils an sozialwissenschaftlichen Fakultäten bzw. Hochschulen, differierte und war Anlass für Diskussionen über die adäquate Verortung und Ausrichtung der Public-Health-Ausbildung in Deutschland (Dierks, 2012).

Mit der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen im Zuge der Bologna-Reform hat sich die Angebotslandschaft gesundheitsbezogener Studiengänge stark verändert: Postgraduiertenstudiengänge existieren nunmehr lediglich auf der Ebene der Weiterbildungsmaster. An ihre Stelle sind differenzierte und spezialisierte grundständige Studiengänge getreten, die an Universitäten und Fachhochschulen angeboten werden und die durch Weiterbildungsangebote ergänzt werden (Noack, 2012). So kommt eine Recherche aus dem Jahr 2015 auf 465 (!) Studiengänge mit Gesundheitsbezug, darunter 13 Bachelor- und 30 Masterstudiengänge mit inhaltlicher Ausrichtung auf Themenfelder der Gesundheitswissenschaften/Public Health und Gesundheitsförderung (Hartmann, Baumgarten, Dadaczynski & Stolze, 2015). Mittlerweile sind es über 600 Studiengänge, die Studieninteressierten bei einer Recherche auf hochschulkompass.de präsentiert werden, Studiengänge mit pflegewissenschaftlichen oder Sozialarbeitsbezügen noch gar nicht eingerechnet. Bei aller Heterogenität gibt es doch einen Kern ähnlicher Kompetenzen, die in den Studiengängen vermittelt werden, wie es auch eine große Überschneidung zwischen den Fächern gibt. Auf diese Schnittmenge bezieht sich unser Buch und will Anregungen für die Konzeption, Durchführung und Evaluation gesundheitswissenschaftlicher Lehre geben.

1.3 Wer sind die Studierenden und wer sind die Lehrenden?

Tobias Munko

Wozu Public Health respektive Fächer mit gesundheitswissenschaftlichem Bezug studieren? Hinter der individuellen Beantwortung dieser Fragestellung verbergen sich oftmals sehr unterschiedliche Motivationen und Erwartungen der Studierenden und letztlich auch der Lehrenden. Die folgenden Ausführungen sind aus der Sicht der akademischen Studienberatung entstanden.

1.3.1 Wer sind die Studierenden?

Grundsätzlich lassen sich die Studierenden in diejenigen unterteilen, die direkt vom Abitur in das Studium übergehen, und diejenigen, die zuvor schon eine Ausbildung, ein gesundheitsfernes Studium absolviert bzw. zumindest begonnen haben oder bereits als Freiwillige oder gegen Lohn gearbeitet haben. Das geht von der/dem klassischen Abiturient*in, über erste Erfahrungen in einem freiwilligen sozialen Jahr, vielleicht sogar in Kombination mit einem Auslandaufenthalt, über Ausbildungen und bereits lange berufliche Karrierewege, samt der erworbenen Erfahrungen, bis hin zu einer Kombination aus allem Beschriebenen. Die Praxis zeigt, dass Studierende mit einer gewissen Vorerfahrung in der Regel höhere und zumeist spezifischere Erwartungen an das Studium und dessen Inhalte stellen. Die Motivation dieser Studierenden ist häufig schon durch eine mehr oder weniger konkretere Berufsvorstellung gestärkt, die es im Laufe des Studiums weiter zu schärfen gilt. Die zweite Gruppe, die nach dem Abitur ein Studium im Bereich Gesundheit aufnimmt, ist sich der eigenen Motivation und Erwartungen meist weniger bewusst.

Exemplarisch zeigen die studentischen Antworten auf die Frage, zu welchen Inhalten sie gerne mehr Informationen haben würden, wie unscharf die Ausgestaltung der eigenen Berufswünsche zum Studienbeginn tatsächlich noch ist. Die hier vorgestellten Ergebnisse sollen nur als Beispiel dienen und stammen aus vier verschiedenen Befragungen in Bielefeld (n = 324) (Müller, 2015):

96% möchten Informationen und Angebote zu Berufsperspektiven,94% benötigen Informationen zu Studien- und Karriereplanung,93% wünschen sich eine Beratung zu möglichen Praktikumsplätzen,86% erwarten das Erlernen des wissenschaftlichen Arbeitens an sich,73% möchten Schlüsselqualifikationen erlernen, spezifizieren diese jedoch nicht weiter,63% wünschen sich eine Hilfestellung zu Zeit- und Selbstmanagement.

Sicherlich können sich die Bedürfnisse zwischen Hochschulen und Studiengängen in Abhängigkeit von ihrer Spezialisierung und Praxisorientierung unterscheiden. Die Beratungspraxis und die Daten lassen vermuten, dass es wichtig ist, die Studierenden zur eigenen Reflexion ihres Fachwissens und ihrer Kompetenzen anzuregen und sie dabei zu unterstützen, diese in ein potenzielles Berufsfeld und konkrete Berufsbilder zu transferieren.

1.3.2 Wer sind die Lehrenden?

Auch unter Lehrenden gibt es große Unterschiede, weshalb es sich lohnt, miteinander in den Dialog zu treten. Die einen wurden in einer für Public Health relevanten Disziplin sozialisiert und sind dann in die Gesundheitswissenschaften gewechselt. Sie haben detailliertes Wissen und Kompetenzen z.B. in der Soziologie, der Psychologie, der Ökonomie oder der Medizin. Andere haben konsekutive gesundheitswissenschaftliche Studiengänge studiert und sind erprobt im interdisziplinären Zusammenspiel, ohne allzu tiefe Kenntnisse und Kompetenzen aus den Einzeldisziplinen mitzubringen. Und auch hier gibt es Lehrende, die zuvor schon einmal in der Praxis tätig waren und solche, die eine klassische wissenschaftliche Karriere hinter sich haben.

Da Lehre zu den Pflichtaufgaben einer jeden Hochschule zählt, gibt es natürlich auch diejenigen unter uns, die Lehre eher als lästige Pflichtaufgabe sehen, die neben der Forschung zu erledigen ist, für die das eigentliche Herz schlägt. Aber es gibt auch Lehrende, die lieber mit ganzem Herzen lehren und dafür ungerne forschen.

1.4 Herausforderungen für Lehren und Lernen in den Gesundheitswissenschaften

Tobias Munko und Ansgar Gerhardus

Lehren und Lernen in den Gesundheitswissenschaften ist mit verschiedenen Herausforderungen verbunden. Einige davon finden sich auch in vielen anderen Fächern wieder. Andere wiederum sind eher spezifisch für die Gesundheitswissenschaften. Zu den allgemeinen Herausforderungen gehören die Heterogenität der Studierenden, die Begleitung des Übergangs von der Schule in die Hochschule und die Entwicklung des Selbstverständnisses hin zu eigenverantwortlichen Studierenden. Spezifisch für die Gesundheitswissenschaften (der Plural im Namen deutet es bereits an), ist die Vielzahl der Fächer und Disziplinen. Dies hängt damit zusammen, dass auch die Berufsbilder nicht eindeutig disziplinär definiert sind, sondern in der Regel eine gute (bzw. bunte) Mischung aus Kompetenzen und Kenntnissen erfordern. Dazu kommt der kontinuierliche Spagat zwischen einem akademischen, theorie- und methodenorientierten Studium und vielen Berufsbildern, die von den Studierenden – bei aller Unschärfe – als praxis- und anwendungsorientiert vermutet werden.

1.4.1 Gesundheitswissenschaften als Multidisziplin

Zu den Gesundheitswissenschaften gehören so unterschiedliche Fächer wie Statistik, Politikwissenschaften, Ethik und Kommunikationswissenschaften. Wenn man ein ausreichend weites Verständnis von Gesundheit und ihrer Determinanten ansetzt – das z.B. die Luftqualität, die Folgen des Klimawandels, soziale Unterschiede, Arbeitsplätze oder die Wohnumgebung mit einschließt –, dann haben mittel- oder unmittelbar alle denkbaren Fächer und Disziplinen mit den Gesundheitswissenschaften zu tun. Angesichts dieses Spektrums kann sich bei Studierenden und – wenn man ehrlich ist – auch bei Lehrenden ein Gefühl der Überforderung und Hilflosigkeit einstellen. Niemand kann sich mehr als oberflächliche Grundkenntnisse all dieser Fächer aneignen. Woher sollen Studierende wissen, was davon besonders wichtig ist? Viele der Lehrenden haben selber nicht Gesundheitswissenschaften studiert, sondern eine Einzeldisziplin wie Medizin, Soziologie oder Biologie. Kann es ihnen gelingen, interdisziplinäre Brücken zu schlagen? Können sie sich in die Lage von Studierenden einer Multidisziplin versetzen und deren zeitweise Überforderung nachempfinden, wenn unterschiedliche Epistemiologien, Methoden oder so profane Dinge wie Zitationsstile aufeinandertreffen? Auch für die Planer*innen von Studiengängen ist die Multidisziplinarität eine Herausforderung: Sie stehen vor der Frage, ob in der begrenzten Zeit möglichst viele Fachkompetenzen angerissen werden sollen oder lieber einzelne gezielt vertieft werden. Selbst wenn eine ausgewogene Auswahl gelingt, ist noch nicht gesagt, dass die interdisziplinäre Verzahnung gelingt. Oft genug unterrichten die Lehrenden nebeneinander her, ohne zu wissen, was die Kolleg*innen in der Stunde zuvor oder danach behandeln. Unter diesen Bedingungen ist die oft formulierte Erwartung an die Studierenden, interdisziplinär zu denken und zu arbeiten, eine anspruchsvolle Herausforderung.

1.4.2 Anwendungsbezug und Praxisnähe vs. Theorien und Methoden

Den Herausgeber*innen dieses Buches ist keine Umfrage unter Studierenden der Gesundheitswissenschaften bekannt, in der nicht die Forderung nach „mehr Praxis“ erhoben wird. Umgekehrt sind Wünsche nach „mehr Theorie“ weitgehend unbekannt. Gelegentlich findet sich noch von Einzelnen die Bitte nach einer anspruchsvolleren Methodenausbildung. Lehrende dagegen betonen meist die Bedeutung von Theorien und soliden methodischen Grundlagen und denken dabei nicht nur an akademische Karrierewege. Der Wunsch nach Praxisnähe kann zum Teil dadurch erklärt werden, dass einige Studierende vorher einen Gesundheitsberuf erlernt haben oder möglicherweise die Gesundheitswissenschaften mit den Gesundheitsberufen assoziieren. Ein Grund für die Theorie- und teilweise Methodenunlust mag auch in den oben beschriebenen unklaren Bezügen zu den späteren Berufen liegen. Dass Theorien nützlich sind, um konkrete Aufgaben auf angemessenem Niveau gut zu erledigen, merkt man erst, wenn man davorsteht – und nicht im Studium. Da scheint es schlüssiger zu sein, Kenntnisse in Finanzbuchhaltung oder einem Statistikprogramm wie SPSS für die Trümpfe zu halten, die bei einem Bewerbungsgespräch auf den Tisch gelegt werden können. Lehrende sollten daher das Interesse für Theorien, abstraktes Denken und anspruchsvolle Methoden nicht als selbstverständlich voraussetzen. In diesem Buch schlagen wir Verknüpfungen von Theorien, Methoden und der konkreten Anwendung – z.B. im Rahmen von Forschendem Lernen, Problemorientiertem Lernen oder Praxisveranstaltungen – vor.

1.4.3 Wie werden aus Schüler*innen Studierende? Der Übergang von der Schule ins Studium

Der Schritt von der schulischen in die Hochschulwelt ist für junge Menschen häufig verbunden mit dem ersten Schritt in ein selbstständiges Leben und den zugehörigen Höhen und Tiefen. So ist der offensichtliche Teil des Übergangs laut Großmaß und Hofmann (2007) bestimmt durch die Fortsetzung der Lernbiografie an einer zumeist selbst gewählten neuen Institution. Problematischer kann der verdeckte Teil des Übergangs werden, der mit der emotionalen Entwicklung in das Erwachsenalter einhergeht. Dies beinhaltet den Umgang mit unbekannten Situationen und Emotionen, die zuvor meist nur mit Unterstützung der Erziehungsberechtigten bewältigt wurden. Dazu kommen eine Reihe von Veränderungen, wie z.B. ein Ortswechsel, verbunden mit neuen Erfahrungen in Wohngemeinschaften oder der eigenen Wohnung, sein Leben finanziell strukturieren zu müssen, den Einkauf zu bewältigen usw., eben alle Aspekte, die ein selbst organisiertes Leben mit sich bringt. In den letzten Jahren kam das verkürzte Abitur hinzu. Für ohnehin schon junge Menschen wurde somit die erste große Lebensentscheidung noch früher verortet, sodass es durchaus keine Seltenheit ist, dass die Erziehungsberechtigten bei Beratungsgesprächen zu Studiengängen mit anwesend sind und teilweise sogar im Namen ihrer „Kinder“ die Gesprächsführung übernehmen. Dem gegenüber steht die neue Freiheit, das Studium selbstbestimmt und – mehr oder weniger – nach eigenem Belieben zu gestalten, Prüfungen dieses oder erst nächstes Jahr abzulegen, zur Vorlesung zu erscheinen oder lieber einem Nebenjob nachzugehen bzw. die Freizeit zu genießen, usw. An vielen Hochschulen wurde die Anwesenheitspflicht inzwischen abgeschafft. Uns Lehrenden fällt somit ein mehr oder weniger stark ausgeprägter, ungewollter und stillschweigender Erziehungsauftrag zu.

Letztlich gilt es, den Studienanfänger*innen den Übergang mit Hilfestellungen zu erleichtern (Einführungsveranstaltungen, Fachschaftsangebote, Studienberatungen, digitaler Informationspool, usw.) und ihnen somit den Weg von der Fremd- zur Selbstbestimmung zu ebnen. Dies soll Bestandteil des folgenden Abschnitts sein.

1.4.4 Heterogenität in der Ausgangsqualifikation für Bachelor-, Master- und Promotionsstudiengänge

Betrachtet man die Frage „Wer sind die Studierenden?“ noch einmal im Hinblick auf die Ausgangsqualifikationen, wird die Heterogenität noch größer. Für Bachelorstudiengänge wurde weiter vorne schon angedeutet, welche unterschiedlichen Einstiegsvoraussetzungen gegeben sein können. Für Master- und Promotionsstudiengänge gelten dieselben Voraussetzungen, jedoch kann die Grundlage für einen Masterstudiengang in den Gesundheitswissenschaften vielleicht ein Bachelor in Informatik oder Ökonomie sein, sodass hier Studierende mit sehr unterschiedlichen Vorkenntnissen aufeinandertreffen und je nach vorheriger Fachausrichtung auch sehr unterschiedlich sozialisiert sein können.

Aus den verschiedenen Ausgangsqualifikationen der Master- als auch mitunter Promotionsstudierenden ergeben sich naturgemäß verschiedene Erwartungshaltungen gegenüber dem, was einen im Studium erwarten mag. Auch hier spielt die vorherige Sozialisation eine erhebliche Rolle. Die Heterogenität der Studierenden wird in den kommenden Kapiteln immer mal wieder thematisiert werden, explizit in Kap. 2.1. Die Zusammensetzungen der Studiengänge am eigenen Standort im Hinterkopf zu behalten, ist unabdingbar, wenn die Lehr- und Lernkontexte für beide Seiten erfolgreich ausfallen sollen.

1.4.5 Unklare Berufsbilder

Die Gesundheitswissenschaften/Public Health sind ein relativ junges Ausbildungsfeld an den Hochschulen in Deutschland. Wie das Kapitel zur Entwicklung der Studiengänge zeigt, richteten sich die ersten Public-Health-Studiengänge in den 1990er-Jahren ausschließlich an Absolvent*innen anderer Fächer. Diese hatten als Mediziner*innen, Soziolog*innen oder Biolog*innen bereits ein Fach studiert, das enger definiert war. Auf die Frage, was man denn studiert habe, konnte auf dieses Fach als weniger erklärungsbedürftige Antwort zurückgegriffen werden. Besonders in der Medizin, deren Absolvent*innen an einigen Studienstandorten den Großteil der postgraduierten Public-Health-Studierenden ausmachte, entwickelt sich eine berufliche Identität quasi automatisch, da es klare Berufsbilder (z.B. Chirurg*in, Kinderärzt*in), Rollenmodelle (der/die Haus*ärztin oder der/die Not*ärztin) und Karrierewege (Assistenz-, Ober-, Chef*ärztin) gibt. In den Gesundheitswissenschaften gibt es das „eine Berufsbild“ nicht. Gesundheitsberatung, Qualitätsmanagement oder Infektionskontrolle sind nur einige der Tätigkeitsfelder, in denen die Absolvent*innen tätig werden können. Die genauen Aufgaben dieser und anderer Bereiche sind den Studierenden meist nicht vertraut (s.a. Kap. 1.3). Diese unscharfen Berufsbilder erschweren die Motivation beim Lernen: Wenn unklar ist, wofür der Inhalt einer Lerneinheit genutzt werden kann, ist es schwieriger, sich und andere davon zu überzeugen, dass der Zeitaufwand und das Engagement sich lohnen. Aus unserer Sicht ist es auch eine Aufgabe der Lehrenden, diese Bezüge herzustellen und so die Motivation der Lernenden zu steigern.

1.5 Sicht der Studierenden auf die universitäre Lehre – Erkenntnisse aus der Studierendenbefragung der Fachschaft Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld

Miriam Müller

Die Fachschaft Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld setzt sich als Vertretung der Studierenden in den Gremien und in Gesprächen mit den Lehrenden für die Bedarfe und Bedürfnisse der Studierenden ein. Im Rahmen der Reakkreditierung des Bachelorstudienganges „Health Communication“ in Bielefeld wurde die Fachschaft aktiv in den Prozess der Analyse des Verbesserungspotenzials eingebunden. Dabei stellten wir uns die Frage, welche Bedürfnisse und Bedarfe die Studierenden in Bezug auf zentrale Aspekte des wissenschaftlichen Arbeitens haben, um hierüber in den Dialog mit Lehrenden und Studiengangsverantwortlichen eintreten zu können.

In Abstimmung mit allen Mitgliedern der Fachschaft wurde ein Fragebogen erstellt. Es wurden u.a. Fragen zu den Bereichen „Wissenschaftliches Lesen“, „Wissenschaftliches Schreiben“ und „Alternative Lernformen“ entwickelt. Die meisten Fragen wurden anhand einer 4-stufigen Likert-Skala abgefragt. Die Freitextantworten wurden thematisch gebündelt.

Zum Ende des Wintersemesters 2015/2016 wurde der Fragebogen papierbasiert in den Veranstaltungen an alle anwesenden Studierenden des Bachelorstudienganges „Health Communication“ und des Masterstudienganges „Public Health“ verteilt. Die Rücklaufquote betrug 47% im Bachelor- und 38% im Masterstudiengang, mit einer jeweils höheren Beteiligung in den unteren Semestern.

1.5.1 Bedarfe und Bedürfnisse der Studierenden

Im Rahmen der Befragung konnten Bedarfe und Bedürfnisse in fünf Themenblöcken identifiziert werden.

Wissenschaftliches Lesen

Im Block „Wissenschaftliches Lesen“ war uns der Umgang mit Literatur wichtig, die Studierenden zur Verfügung gestellt wird, da es sich in Gesprächen mit Lehrenden und Mitstudierenden andeutete, dass hier unterschiedliche Erwartungen vorherrschten. Auch der Umgang mit der Literatur, das Textverstehen und die Einstellung zu englischsprachigen Texten wurden abgefragt. Zunächst interessierte, ob die Studierenden regelmäßig die von den Lehrenden zur Verfügung gestellte Literatur lesen. Lediglich ein Drittel gab an, die Literatur zu lesen. Ein Großteil der Studierenden kommentierte, keine Zeit für die Lektüre zu haben. Hier deutete sich ein Kommunikationsproblem an, denn in den Modulbeschreibungen ist ausgewiesen, wie viel Stunden für das Selbststudium veranschlagt werden. Einigen Studierenden war dies zu Beginn des Studiums nicht in diesem Umfang bewusst, sodass sie ihre „freie Zeit“ (im Sinne von „keine Veranstaltungen haben“) für außeruniversitäre Termine nutzten und ihnen dementsprechend die Zeit zum Lesen fehlte. Hier war schnell klar, dass eine entsprechende Aufklärung zu Beginn des Studiums, besonders in den Einführungstagen und im ersten Semester, erfolgen muss, um den neuen Studierenden ein realistisches Bild vom Studium und vom studentischen Alltag zu vermitteln.

Auch die Menge bzw. Länge der Literatur ist ein Grund dafür, die Texte nicht zu lesen. Zudem sind Studierende der Ansicht, dass die Relevanz der Literatur unklar ist bzw., dass nur klausurrelevante Literatur gelesen werden müsste. Dem steht die Einschätzung von fast 90% der Befragten gegenüber, dass die Literatur sinnvoll sei, weil „sie hilft, das Thema zu verstehen“ oder zur Klausurvorbereitung als wichtig erachtet wird.

Nach Einschätzung der Studierenden wird auf die Literatur in der Lehrveranstaltung zu selten Bezug genommen. Zwei Drittel der Befragten würden eine solche Bezugnahme sinnvoll finden. Lediglich zwei Drittel gaben an, dass Literatur zumindest gelegentlich in den Veranstaltungen angesprochen werden würde. Die Diskussion und Bearbeitung der angegebenen Literatur wäre aber ein förderlicher Faktor, um sich mit den Texten auseinanderzusetzen. Für Lehrende ist es wichtig zu prüfen, wie die Relevanz der Literatur für die Studierenden klarer kommuniziert und in den Lehrveranstaltungen thematisiert werden kann. Dabei ist es bereits hilfreich, wenn differenziert angegeben wird, welche Funktion die Literatur erfüllen soll (z.B. zur Vertiefung oder relevant für die kommende Veranstaltung) und welche Erwartungen die Lehrenden bezüglich der Literatur an die Studierenden haben. Dies sollte besonders zu Studienbeginn den Studierenden aufgezeigt werden, um ihnen auf diese Weise „ein Gefühl“ für die Literatur und den Umgang damit zu vermitteln.

In Bezug auf den Umgang mit wissenschaftlicher Literatur zeigen sich Herausforderungen, die durch den Übergang von der Schule in die Hochschule und durch den damit einhergehenden Rollenwechsel hervorgerufen werden, wie sie zum Beispiel von Briggs, Clark und Hall (2012) oder Harth und Schöneck (2014) thematisiert werden. Viele Studierende verbinden die Bedeutung der Literatur ausschließlich mit ihrer Klausurrelevanz. Hier müsste mit den Studierenden offen darüber diskutiert werden, ob Lesen und Lehre primär der Erlangung von Leistungspunkten dient oder (auch) der Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen und Persönlichkeit.

Von besonderem Interesse waren Fragen nach englischsprachiger Literatur. Lediglich 30% der Studierenden geben an, keine Probleme im Umgang mit englischsprachiger Literatur zu haben, der Rest von innen räumt hier – zumindest teilweise – mangelnde Kompetenzen ein. Aus Sicht der Befragten könnte ein Kompetenzgewinn durch englischsprachige Workshops und Veranstaltungen erzielt werden. Aber auch mehr fachbezogenes Englisch, das Besprechen englischer Lektüre und Hilfestellungen, wie Vokabelhilfen, wurden vorgeschlagen. Die Fachschaftsvertreter*innen sind sich durchaus bewusst, dass in einem Bereich wie „Public Health“ englische Quellen fester Bestandteil des Studiums sein müssen. Vor dem Hintergrund der Befragung wurde mit den Lehrenden geprüft, wie vor allem zu Beginn des Studiums eine bessere Einführung in englischsprachige Texte erfolgen könnte, um den Studierenden die „Angst“ vor englischen Texten zu nehmen. So wurde einerseits ein neues Modul zum wissenschaftlichen Arbeiten geschaffen, in dem die Lesekompetenz gestärkt wird. Zum anderen wurden arbeitsgruppenübergreifende, extracurriculare Angebote geschaffen (einwöchige Blockveranstaltung), in denen unter anderem der Umgang mit englischer Literatur thematisiert wird.

Wissenschaftliches Schreiben

Im Block „Wissenschaftliches Schreiben“ stand die subjektive Einschätzung der Studierenden im Zentrum, wie sicher sie sich im Umgang mit dem wissenschaftlichen Schreiben fühlen. Aufgrund der interdisziplinären Struktur der Fakultät für Gesundheitswissenschaften werden im Studium verschiedene Textsorten als Hausarbeiten verlangt (z.B. literaturbasierte Hausarbeit, Projektberichte, epidemiologische Berichte), sodass unterschiedliche Vorgaben und Inhalte gerade zu Studienbeginn eine Herausforderung für die Studierenden darstellen. Etwa die Hälfte der Studierenden gab an, nicht gut auf das wissenschaftliche Schreiben vorbereitet zu sein – jüngere Semester fühlen sich dabei schlechter vorbereitet als höhere Semester. Bei der offenen Frage nach Schwierigkeiten mit wissenschaftlichem Schreiben antworteten die Studierenden, dass sie Nachholbedarf beim Formulieren wissenschaftlicher Texte, bei der Literaturrecherche und beim Zitieren hätten. Auch die Eingrenzung des Themas wurde als schwierig empfunden. Überdies wünschten sich die Studierenden Übung im Schreiben von Hausarbeiten. In Bezug auf das wissenschaftliche Arbeiten und Schreiben zeigen die Ergebnisse Handlungsbedarf auf: Die Studierenden wünschten sich gerade zu Beginn des Studiums ein kontinuierlicheres, wissenschaftliches Arbeiten und eine entsprechende Begleitung. Bisher fand die Einführung in wissenschaftliches Arbeiten im ersten Bachelorsemester statt, aber die erste Hausarbeit wurde erst im dritten Semester geschrieben. Um den Umgang mit verschiedenen Textsorten zu üben, wurde die oben bereits erwähnte Blockveranstaltung entwickelt und mittlerweile werden Schreibwerkstätten zum wissenschaftlichen Schreiben angeboten. Darin können Studierende Fragen zu ihren Hausarbeiten stellen und gemeinsam mit anderen Studierenden und Peer-Tutor*innen an ihren Haus- oder Abschlussarbeiten arbeiten und sich im Schreibprozess Unterstützung suchen.

Alternative Lernformen

Im Themenblock „Alternative Lernformen“ wurde zunächst gefragt, ob sich die Studierenden mehr alternative Lernformen wünschen. Als Beispiele für alternative Lernformen wurden Poster-Session, Planspiel, Kurzreferate und kleine Gruppenarbeiten von ca. 10 Minuten mit anschließender Besprechung im Plenum genannt. Mehr als die Hälfte der Studierenden sprach sich gegen eine Ausweitung alternativer Lernformen aus, knapp 30% sprachen sich dafür aus.

Bei den Fragen zu Gruppenarbeiten wurden unbenotete und benotete Gruppenarbeiten getrennt abgefragt, die Einschätzungen gehen hier aber nicht wesentlich auseinander. Etwa die Hälfte findet den Anteil von Gruppenarbeiten „genau richtig“, etwa ein Drittel empfindet sie „zu viel“. Die Gruppenarbeiten sind seit Langem ein Diskussionsthema an der Bielefelder Fakultät. Gerade mit benoteten Gruppenarbeiten sind die Studierenden häufig unzufrieden. Die Unzufriedenheit bezieht sich häufig auf die Benotung, da die prüfungsrechtlich vorgesehene Notwendigkeit, eine Einzelnote zu vergeben, mit Gruppenarbeiten kollidiert und zudem die verschiedenen Teile einer Gruppenhausarbeit unterschiedlich anspruchsvoll sind.

1.5.2 Nutzen der Studierendenbefragung für die Lehrentwicklung an der Fakultät

Die Studierendenbefragung hat uns als Fachschaft geholfen zu erkennen, welche Bedarfe und Bedürfnisse die Studierenden haben und wo wir das Gespräch mit Lehrenden suchen müssen. Wir kamen mit den Verantwortlichen und Lehrenden der Fakultät ins Gespräch, z.B. im Rahmen einer Präsentation der Ergebnisse, zu der alle Lehrenden eingeladen waren. Auch bei der Reakkreditierung des Bachelorstudienganges konnten wir uns als Fachschaft einbringen und durch die Studierendenbefragung Optimierungspotenziale der Studierenden einbringen. Auch in der Gremienarbeit können wir die Studierendeninteressen auf Basis der Ergebnisse besser vertreten und unsere Anliegen konstruktiv einbringen.

Dass die Befragung sowohl bei Lehrenden als auch allgemein in der Fakultät so nachhaltige Auswirkungen hinterlassen hat und nach zwei Jahren noch immer thematisiert wird, zeigt sowohl der Fachschaft als auch der Breite der Studierenden, dass ihre Stimme in der Fakultät gehört wird. Dies motiviert Studierende, in enger Kommunikation mit der Fachschaft zu bleiben und es motiviert die Fachschaft, den Kontakt mit den Lehrenden zu suchen und sich für die Verbesserung der Studienbedingungen einzusetzen.

Uns waren die Authentizität und (sprachliche) Nähe zu den Studierenden wichtiger als methodische Genauigkeit, weshalb die Befragung einige methodische Mängel aufweist. Dennoch zeigte sich, dass die Ergebnisse von den Lehrenden ernst genommen werden. An dieser Stelle sollen die Fachschaften und Studierendenvertretungen ermutigt werden, selbst aktiv zu werden und für die Studierendeninteressen einzustehen, denn ein gemeinsames Engagement der Studierenden und Lehrenden kann die Studiensituation und die Lehre an den Fakultäten verbessern.

Literatur

Briggs, A.R. J., Clark, J. & Hall, I. (2012). Building bridges: understanding student transition to university. Quality in Higher Education, 18(1), 3–21.

Dierks, M.-L. (2012). Public-Health-Ausbildung und Deutschland. In F.W. Schwartz, U. Walter, J. Siegrist, P. Kolip, R. Leidl, M.-L. Dierks et al. (Hrsg.), Public Health. Gesundheit und Gesundheitswesen (3. Aufl., S. 799–804). München: Elsevier Urban & Fischer.

Großmaß, R. & Hofmann, R. (2007). Übergang ins Studium – Entwicklungsaufgabe und Statuspassage im Spiegel von Beratungserfahrungen. Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis, 39(4), 799–805.

Harth, T. & Schöneck, L. (2014). Das Studienlogbuch als Instrument, wirksam das studentische Lernen zu verbessern. In B. Berendt (Hrsg.), Neues Handbuch Hochschullehre (S. 41–61). Berlin: Raabe.

Hartmann, T., Baumgarten, K., Dadaczynski, K. & Stolze, N. (2015). Gesundheitswissenschaften/Public Health und Gesundheitsförderung in Deutschland. Prävention und Gesundheitsförderung, 10(3), 239–246.

Kolip, P. & Schott, T. (1994). Gesundheitswissenschaften in Deutschland: Universitäre Ausbildungsangebote. Zeitschrift für Gesundheitswissenschaften, 2, 81–90.

Müller, M. (2015). Studieneingangsbefragungen der Erstsemesterstudierenden des Bachelor of Science in Health Communication. Ein Vergleich der Befragungsergebnisse aus den Jahren 2012 bis 2014 (Unveröffentlicht).

Noack, H. (2012). Public-Health-Ausbildung in Europa. In F.W. Schwartz, U. Walter, J. Siegrist, P. Kolip, R. Leidl, M.-L. Dierks et al. (Hrsg.), Public Health. Gesundheit und Gesundheitswesen (3. Aufl., S. 795–797). München: Elsevier Urban & Fischer.

Räbiger, J., Thönnessen, J. & Kolip, P. (1993). Gesundheitswissenschaftler/-in – ein Beruf mit vielen Facetten. Zeitschrift für Gesundheitswissenschaften, 1, 85–89.

Schott, T. & Kolip, P. (1994). Qualifizierungsziele der Public-Health-Studiengänge. In D. Schaeffer, M. Moers & R. Rosenbrock (Hrsg.), Public Health und Pflege. Zwei neue gesundheitswissenschaftliche Disziplinen (S. 203–225). Berlin: edition sigma.

2 Lehrende und Lernende

Ayla Satilmis, Maike Voss, Lena Haslop, Frieder Kurbjeweit, Frauke Thieme, Björn Kiehne und Tobias Munko

Das folgende Kapitel widmet sich den Akteur*innen von Lehren und Lernen. Nachdem in Kap. 1 reflektiert wurde, wer die Lehrenden und Studierenden sind, setzt sich Kap. 2 intensiv mit deren Rollen(-vorstellungen) auseinander, beleuchtet die Bedeutung von Diversität und Barrierefreiheit und zeigt auf, wie mit (un-)vorhergesehenen Anforderungen in der Lehre umgegangen werden kann:

In Kap. 2.1 (Diversity meets Public Health) zeigen Ayla Satilmis und Maike Voss die Bedeutung von Diversität im Hochschulkontext auf. Sie betrachten die Studierendenschaft in Public-Health-Studiengängen und geben Anregungen, wie Diversität in der Lehre thematisiert und als Potenzial für Lehren und Lernen genutzt werden kann.In Kap. 2.2 (Barrierefreiheit in der Lehre) erklären Lena Haslop, Frieder Kurbjeweit und Frauke Thieme, was es bedeutet, mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung zu studieren. Durch viele konkrete Empfehlungen geben sie den Leser*innen wertvolle Anregungen, wie barrierefreie Didaktik gestaltet werden kann.In Kap. 2.3 (Wie Rollenvorstellungen zum Lernen und Lehren entstehen) lädt Björn Kiehne die Leser*innen ein, sich mit der Entstehung von Rollen beim Lernen und Lehren auseinanderzusetzen und illustriert seine Ausführungen mit eindrücklichen Beispielen seiner eigenen beruflichen Sozialisation.In Kap. 2.4 ([Un-]vorhersehbare Anforderungen an die Lehre) thematisiert Tobias Munko nicht planbare Anforderungen an die Lehre (z.B. Mobiltelefonnutzung im Seminar, spontan abgesagte Referate, Prüfungsangst, Abwesenheit) und zeigt Möglichkeiten auf, wie Lehrende mit diesen umgehen können.

2.1 Diversity meets Public Health – Zur Bedeutung von Diversität in Public-Health-Studiengängen

Ayla Satilmis und Maike Voss

Die in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich gestiegenen Studierendenquoten und die damit verbundene Mannigfaltigkeit von (Lern-)Biografien stellen Hochschulen vor Herausforderungen bei der Organisation und Gestaltung von Lehr- und Lern-Räumen. Um die Qualität der Lehre zu verbessern – ein zentrales Anliegen der Hochschulen –, fallen vielerorts Schlagworte wie Vielfalt oder Diversity. Oftmals bleibt jedoch unklar, was damit genau gemeint ist.

In unserem Beitrag möchten wir zunächst den Fragen nachgehen, was Diversität im Hochschulkontext bedeutet und inwiefern Diversität sowohl für Lehrende als auch für Studierende relevant ist. Darauf aufbauend konkretisieren wir unsere Überlegungen zu Diversität im Studium und bringen sie in Verbindung mit den Charakteristika der Public-Health-Ausbildung. Abschließend gehen wir kurz auf Potenziale diversitätssensibler Lehr-Lern-Räume ein.

2.1.1 Was bedeutet Diversität im Hochschulkontext?

Seit etwa einem Jahrzehnt geben sich Hochschulen in Deutschland zunehmend diversitätsorientiert. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass vielerorts Diversity-Stabsstellen eingerichtet oder auch hochschulspezifische Diversitätskonzepte verabschiedet werden (Bender & Wolde, 2013; Klein, 2013). Im Bereich Studium und Lehre bewegt sich demgegenüber – ausgenommen einige Leuchtturmprojekte – eher wenig. Überhaupt haben die Themen Diversität und Heterogenität erst in den letzten Jahren Eingang in hochschulpolitische Diskurse und Empfehlungen der zentralen Wissenschaftseinrichtungen gefunden. Die Anerkennung studentischer Heterogenität erfolgt hier zögerlich, wie auch die didaktischen Konsequenzen, die daraus abzuleiten wären, oftmals noch konturlos sind. Wie diversitätsorientierte Lehr-Lern-Räume aussehen können und welche Formate sich für die Bedarfe einer pluralen Studierendenschaft am besten eignen, diese Fragen werden noch (zu) selten diskutiert und bearbeitet.

Wenn Diversität und Heterogenität Gegenstand von Hochschuldebatten sind, werden sie überwiegend problematisierend thematisiert und sind tendenziell negativ besetzt (Wild & Esdar, 2014). Es dominiert im Hochschulbereich ein problemorientierter Zugang zu Diversität bzw. eine defizitorientierte Betrachtungsweise, auch weil Heterogenität und Diversität mit Normalitätsvorstellungen verbunden sind. Paradigmatisch kommt dies zum Ausdruck im Begriff „nicht-traditionell“ mit der Betonung einer Abweichung von sogenannten „Normalstudierenden“. Als „nicht-traditionell“ oder „anders“ werden in aller Regel diejenigen beschrieben, die nicht den Normalitätserwartungen im Wissenschaftsbetrieb entsprechen und/oder weniger vertraut sind mit den Gepflogenheiten der akademischen Lebenswelt. Bezugspunkte sind vorwiegend soziale, herkunftsbezogene Kategorien, die Verschiedenheiten zwischen Studierenden akzentuieren, etwa nach Alter oder ob Studierende einen sogenannten Migrationshintergrund haben oder nicht, und ob sie aus akademischen oder bildungsfernen Familien kommen etc. Während soziale Zuschreibungen gemeinhin als relevante Differenzkategorien verhandelt werden, bleiben andere Aspekte oftmals ausgeblendet, wie beispielsweise Lernerfahrungen und Lernverhalten, Sozial- und Handlungskompetenzen oder die Verfügbarkeit sozialer Netzwerke und zeitlicher Ressourcen, allesamt relevante Aspekte im Studienverlauf und bedeutsam für die Studienerfolgschancen (Dahm, Kamm, Kerst, Otto & Wolter, 2018).

Die Vielschichtigkeit der Herausforderungen im Studium macht es notwendig, verschiedene Diversitätsdimensionen in den Blick zu nehmen und miteinander in Beziehung zu setzen. Dazu gehören

strukturelle Faktoren,kompetenz- und handlungsbezogene Aspekte sowiepersönlichkeitsbezogene Aspekte.

Ihr Zusammenspiel kennzeichnet studienrelevante Diversität (wie in Abbildung 2-1 angedeutet).

Abbildung 2-1: Studienrelevante Diversitätsdimensionen.

Zu den strukturellen Faktoren zählen der bildungsbiografische Hintergrund und die Lebenssituation der Studierenden, die den Studienalltag maßgeblich beeinflussen. Auch die sozioökonomischen Rahmenbedingungen und die Frage, ob eine (Neben-)Erwerbstätigkeit notwendig ist, um das Studium zu finanzieren, sind wichtige Einflussfaktoren im Studienverlauf. Überdies geht es darum, gegebene Betreuungs- oder Pflegeaufgaben der Studierenden mit zu berücksichtigen, schließlich können sie Einfluss auf die Studiengestaltung haben.

Studienrelevante Diversität zeigt sich zudem an kompetenz- und handlungsbezogenen Aspekten. Hier geht es um die Unterschiedlichkeit der Lerntypen: Welche Lernvoraussetzungen bringen Studierende mit, welche Lernstile und Aneignungsstrategien haben sie? Insbesondere die wissenschaftlichen Ausdrucksfähigkeiten, die die Studierenden vorweisen, schlagen sich merklich in den Studienerfolgschancen nieder. Nicht zu vergessen ist hierbei die Frage, inwiefern die Studierenden über unterstützende Netzwerke verfügen, und ob sie sich Rat und Hilfestellungen (in hochschuleigenen Einrichtungen oder darüber hinaus) holen können. Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere First Generation Students (Studierende aus nicht-akademischen Familien, die in erster Generation ein Studium beginnen) seltener solche Netzwerke haben und sich auch weniger trauen, Hilfe anzufragen bzw. entsprechende Angebote nicht kennen oder nutzen (Urbatsch, 2011).

Überdies sind bei der Betrachtung studienrelevanter Diversität persönlichkeitsbezogeneDimensionen zu beachten, etwa die Art, wie Probleme beschrieben und angegangen werden, methodische Präferenzen, aber auch die Motivation und die Zielsetzungen, die Studierende mit ihrem Studium verbinden. Auch das Resilienzvermögen hat Einfluss darauf, wie Studienanforderungen und -krisen bewältigt werden können, und ist deshalb im Kontext von studienrelevanter Diversität zu berücksichtigen.

Der Aspekt Gesundheit