Lehrerprofessionalität - Albert Bremerich-Vos - E-Book

Lehrerprofessionalität E-Book

Albert Bremerich-Vos

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Beschreibung

Für einen strukturierten, die Schülerinnen und Schüler kognitiv aktivierenden und konstruktiv unterstützenden Fachunterricht ist nicht nur fachliches, fachdidaktisches und pädagogisch-psychologisches Wissen nötig. Auch Überzeugungen im Hinblick auf die eigene Wirksamkeit, die "Natur" des Fachs und das Lernen, Freude am Fach und am Unterrichten sowie der umsichtige Umgang mit den eigenen Ressourcen spielen eine Rolle. In diesem Buch kommen neben groß angelegten Tests und Befragungen zu diesen Aspekten von Lehrerprofessionalität auch Fallstudien zur Sprache, vor allem zur Praxis des Deutsch- und Mathematikunterrichts. Es wird ein Bogen geschlagen vom Beginn des Lehramtsstudiums über das Referendariat bis hin zur Lehrerfortbildung.

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Der Autor

Prof. Dr. Albert Bremerich-Vos ist Professor i. R. für Linguistik und Sprachdidaktik, zuletzt an der Universität Duisburg-Essen. Er war u. a. als Partner des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) beteiligt an der Konstruktion von Vergleichsarbeiten (Vera 3 und Vera 8) und von Kompetenzstufenmodellen für das Fach Deutsch. Er war Mitglied der nationalen Konsortien, die für die Internationalen Grundschul-Lese- Untersuchungen (IGLU) 2011 und 2016 zuständig waren, und ist Autor bzw. Ko-Autor zahlreicher Beiträge zur Lehrerprofessionsforschung.

Albert Bremerich-Vos

Lehrerprofessionalität

Ansätze und Erkenntnisse für die Fächer Deutsch und Mathematik

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2021

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-035645-0

E-Book-Formate:

pdf:           ISBN 978-3-17-035646-7

epub:        ISBN 978-3-17- 035647-4

Geleitwort

 

 

 

Die großen internationalen Vergleichsstudien zu Schul- und Schülerleistungen vom Beginn des Jahrhunderts haben spürbare Innovationen im gesamten Bildungssystem bis hinein in die konkreten unterrichtlichen Praktiken mit sich gebracht. Auch die Forschungslandschaft rund um das Lehren und das Lernen wurde durch diese Impulse nachhaltig beeinflusst und wirkt ihrerseits weiter auf die Entwicklung von Schule und Unterricht ein.

Eine der Lehren aus diesen Studien war die Anerkennung der Notwendigkeit von Interdisziplinarität: Lehren und Lernen, wissenschaftlich betrieben, kann nur durch das Zusammenspiel pädagogischer, psychologischer, fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Theorien und Befunde befriedigend erklärt und gesteuert werden. In der pädagogischen Praxis kann keine Lerntheorie ohne Bezug auf eine konkrete Inhaltsdomäne und keine Lehrmethode ohne Curriculumsbezug und ohne Beachtung der individuellen Lernvoraussetzungen erfolgreich sein. Die je eigenen Perspektiven und Erkenntnisse der Psychologie, der Pädagogik und der beiden schulisch zentralen Fachdidaktiken Mathematik und Deutsch, vertreten in den Disziplinen der Herausgebenden, sollen in den einzelnen Bänden dieser Reihe jeweils zu einem kohärente Gesamtbild zusammengeführt werden. Neben der Interdisziplinarität liegt besonderer Wert auf einer – weit verstandenen – Empirie: Erfahrungswissenschaftlich gewonnene Erkenntnisse zum Lehren und Lernen stehen jeweils im Mittelpunkt der Darstellung. Schließlich fokussieren alle Bände der Reihe den Anwendungsbezug: Die entfalteten Themen, Diskurse und Fachgebiete sind jeweils unmittelbar bedeutend für Schule und Unterricht. Insgesamt präsentieren die Bände die wichtigsten unterrichtlich relevanten Forschungsthemen und -ergebnisse aus den unterschiedlichen Disziplinen.

Die vorliegende Reihe umfasst thematisch den Vorschul-, Grundschul- und weiterführenden Schulbereich bis etwa zur zehnten Klassenstufe. Konzipiert ist sie für (zukünftige) Lehrende, auch für PädagogInnen und PsychologInnen in weiteren Anwendungsfeldern im Bildungssystem. Mit dem »Lehren und Lernen« werden die oben angesprochenen politisch-praktischen Veränderungen im pädagogischen und fachlichen Feld und in der Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern aufgegriffen, indem die Ergebnisse der empirischen Forschung in den zentralen Bereichen des Lehrens und Lernens aus interdisziplinärer Perspektive für professionelle Anwender verständlich und kompakt dargestellt werden.

Andreas Gold, Cornelia Rosebrock, Renate Valtin & Rose Vogel

Inhalt

 

 

 

Geleitwort

1   Einleitung

2   Wer will Lehrkraft werden und warum?

2.1   Kognitive Voraussetzungen zu Studienbeginn und ihr Einfluss auf Testergebnisse und Abschlussnoten

2.2   Interessen und Berufswahlmotive von Lehramtsstudierenden allgemein und fachspezifisch

2.3   Zum Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen auf die Wahl eines Lehramtsstudiums, auf berufliches Befinden und auf den Erfolg von Lehrkräften

3   Was Lehrkräfte wissen und können sollen: Vorgaben der KMK

4   Lehrerprofessionalität: Zum strukturtheoretischen Ansatz

4.1   Die Lehrer-Schüler-Beziehung in der Perspektive Ulrich Oevermanns

4.2   Weiterentwicklungen des Oevermann’schen Ansatzes

4.3   Methodisch-Methodologisches: Objektive Hermeneutik

5   Weitere qualitative, rekonstruktive Ansätze

6   Eine Kontroverse

7   Dimensionen der Qualität von Unterricht aus primär quantitativer Perspektive

8   Lehrerprofessionalität: ein kompetenztheoretischer Ansatz

8.1   Ein Modell professioneller Kompetenz

8.2   Überzeugungen, Motivation und Selbstregulation

8.3   Zum Wissen von Lehrkräften

8.4   Fachliches und fachdidaktisches Wissen: Mathematik

8.5   Fachliches und fachdidaktisches Wissen: Deutsch

8.6   Pädagogisch-psychologisches Wissen

8.7   Kompetenzen – »kontextualisiert«, »situationsbezogen« erfasst: Vignettentests

9   Lerngelegenheiten im Studium und Referendariat und ihr Einfluss auf Wissen und die Fähigkeit, Unterricht zu planen

10 Markante Übergänge: Referendariat und Berufseinstieg

11 Entwicklung im Beruf und Lehrerfortbildung

12 Ausblick

Literatur

Stichwortverzeichnis

1          Einleitung

 

 

 

Lehrkräfte in der Schule sind in erster Linie Fachleute für das Lehren und Lernen. Sie haben in der Regel mindestens zwei Fächer und Bildungswissenschaften studiert und das Referendariat erfolgreich abgeschlossen. Was macht ihre Professionalität aus? Wie die Antworten auch immer ausfallen: Auszugehen ist von den mit dem Beruf verbundenen Anforderungen. Deren Festlegung ist zum einen eine Aufgabe der Bildungspolitik. Ihr kommt die Kultusministerkonferenz nach, indem sie »Standards für die Lehrerbildung in den Bildungswissenschaften« und »Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung« bestimmt und von Zeit zu Zeit aktualisiert. Zum anderen sind die mit der Lehrertätigkeit verbundenen Anforderungen Gegenstand der Diskussion in einer Reihe von wissenschaftlichen Disziplinen, z. B. in der Schulpädagogik, der Bildungssoziologie, der Pädagogischen Psychologie und in den mit den Schulfächern korrespondierenden Fachwissenschaften und -didaktiken.

Ewald Terhart (2011) hat vorgeschlagen, drei Ansätze zur Bestimmung von Professionalität im Lehrerberuf zu unterscheiden:

•  Im Kontext des berufsbiographischen Ansatzes wird Professionalität in erster Linie als Entwicklungsproblem aufgefasst. Hier werden etwa Studien- und Berufswahlmotive thematisiert, die Übernahme eines beruflichen Habitus nach dem Referendariat und Fragen, die mit der Verknüpfung von privatem Lebenslauf und beruflichem Werdegang bis zum Ende der Berufstätigkeit zu tun haben.

•  Gemeinsam ist Varianten des strukturtheoretischen Ansatzes, dass die beruflichen Anforderungen an Lehrkräfte als in sich widersprüchlich dargestellt werden. Diese Widersprüche können nicht aufgehoben werden. Professionalität zeigt sich in der Fähigkeit, reflektiert mit ihnen umzugehen und dabei jederzeit ein Scheitern vor Augen zu haben.

•  Vertreter eines kompetenztheoretischen Ansatzes bemühen sich um die Bestimmung des fachlichen, fachdidaktischen und pädagogischen Wissens und Könnens von Lehrkräften, ihrer Überzeugungen und weiterer ihrer Merkmale mit dem Ziel, deren Beitrag zu Effekten auf Schülerseite nachzuweisen, u. a. zum Lernerfolg.

Wie mit jedem Versuch, ein Forschungsfeld überschaubar zu machen, sind mit Terharts Vorschlag Vor- und Nachteile verbunden. Für ihn spricht z. B., dass sich Beiträge zum struktur- und zum kompetenztheoretischen Ansatz auch in methodischer Hinsicht deutlich unterscheiden.

Alle Arbeiten, die sich dem strukturtheoretischen Ansatz zuordnen lassen, sind qualitativ, hermeneutisch bzw. rekonstruktiv ausgerichtet und primär soziologisch zu verorten. Nachteilig wäre es aber, würde man nur sie berücksichtigen. Denn es gibt auch andere qualitative Studien zu Aspekten von Lehrerprofessionalität, die nicht strukturtheoretisch, sondern z. B. gesprächsanalytisch oder ethnographisch ausgerichtet sind.

Der kompetenztheoretische Ansatz hat seine Wurzeln in der Psychologie, u. a. in der Expertiseforschung. In den einschlägigen Arbeiten werden in der Regel nicht wenige »Fälle« interpretiert, sondern große Gruppen getestet bzw. befragt und die Befunde werden quantitativ-statistisch ausgewertet.

Anders als die Publikationen zu diesen beiden Ansätzen sind diejenigen, die man nach Terhart dem berufsbiographischen Ansatz zuordnen könnte, in methodischer Hinsicht disparat, d. h. einmal quantitativ, einmal qualitativ ausgerichtet. Deshalb folge ich in diesem Punkt seinem Vorschlag nicht, greife aber Fragestellungen, um die es hier geht, an verschiedenen Stellen auf. Auch im von Terhart, Bennewitz & Rothland herausgegebenen »Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf« (2014) wird nicht von einem berufsbiographischen Ansatz gesprochen. Es enthält aber u. a. einen Beitrag zum sogenannten Persönlichkeitsansatz. Persönlichkeit wird hier als »Ensemble relativ stabiler Dispositionen« (Mayr, 2014, S. 191) verstanden und es wird u. a. gefragt, ob Personenmerkmale zu finden sind, die zur Erklärung des Erfolgs von Lehrkräften beitragen. In Kapitel 2.3 dieses Buchs wird auf diesen Ansatz eingegangen.

Die Forschung zur Lehrerprofessionalität ist ein weites, für einen Einzelnen m. E. mittlerweile zu weites Feld, um mit dem alten Briest aus Fontanes Roman zu sprechen. Deshalb waren in mehrfacher Hinsicht Beschränkungen angezeigt:

•  Von Ausnahmen abgesehen, kommen hier Studien aus den letzten 15 Jahren zur Sprache.

•  Zwar ist die internationale Diskussion lebhaft und verzweigt, ich konzentriere mich aber auf Texte in deutscher und englischer Sprache, die von deutschsprachigen Autorinnen und Autoren verfasst wurden. Deren Auswahl ist subjektiv – aber nur zum Teil. Es gibt nämlich einige »Meilensteine«, d. h. Publikationen, die für die Debatte über Lehrerprofessionalität besonders anregend waren und sind.   Wenn die Studien zur Lehrerprofessionalität nicht wie häufig bildungswissenschaftlich orientiert sind, sondern einen Fachbezug haben, dann dominiert die Mathematik. Wollte man eine Rangliste aufstellen, dann kämen an zweiter Stelle die naturwissenschaftlichen und erst dann geisteswissenschaftliche Fächer. Mir als Deutschdidaktiker liegt das Fach Deutsch besonders am Herzen. Deshalb konzentriere ich mich im Folgenden im Wesentlichen auf Arbeiten zu (zukünftigen) Mathematik- und Deutschlehrkräften.

•  Ausgespart sind Arbeiten zu Lehrkräften, die Mathematik oder Deutsch in der Grundschule unterrichten. Im Zentrum stehen Studien zu Sekundarstufenlehrerinnen und -lehrern.

•  Lehrkräfte haben nicht nur zu unterrichten, sondern z. B. auch Eltern zu beraten und sich an der Entwicklung ihrer Schule zu beteiligen. Hier steht das Unterrichten im Zentrum, aber einige seiner Aspekte bleiben ausgespart. So bleibt z. B. ausgeklammert, was professionelles Handeln im Zeichen von Inklusion und Digitalisierung ausmachen könnte. Für eine mehr als oberflächliche Erörterung dieser Fragen fehlte der Platz.

Klaus-Jürgen Tillmann (2014, S. 314) resümierte, nachdem er mehrere Beiträge zum Stand der Forschung zum Lehrerberuf knapp referiert und kommentiert hatte, ernüchtert, dass sich die Verfechter eines qualitativen Ansatzes auf der einen und diejenigen, die einen primär quantitativen Zugang bevorzugen, auf der anderen Seite wenig zu sagen hätten. »Dies bestätigt die These, dass es hier offensichtlich zwei klar voneinander getrennte wissenschaftliche Arenen mit deutlich anderen Akteuren gibt, die sich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit kaum aufeinander beziehen.« Es gibt zwar einige Versuche, Brücken zu bauen, aber Tillmanns Fazit hat im Großen und Ganzen auch heute noch Bestand. Ich habe mich bemüht, beiden »Richtungen« gerecht zu werden, mich von Fall zu Fall aber auch nicht vor Wertungen gescheut.

2          Wer will Lehrkraft werden und warum?

 

 

 

Handelt es sich bei Lehramtsstudierenden um eine Negativauswahl, um eine Gruppe also, die durchschnittlich schlechtere Abiturnoten hat als andere Studierende? Was lässt sich über ihre kognitiven Eingangsvoraussetzungen sagen und welchen Einfluss haben sie auf ihre Leistungen in späteren Phasen der Ausbildung? Welche Interessen und Berufswahlmotive lassen sich ausmachen? Welche Bedeutung haben Persönlichkeitsmerkmale für die Wahl eines Lehramtsstudiums, aber auch für berufliches Befinden? Auf diese Fragen wird im Folgenden eingegangen. Studien, in denen es um die soziale Herkunft von Lehramtsstudierenden und Lehrkräften und darum geht, in welchem Ausmaß der Lehrerberuf sozial »vererbt« ist, bleiben hier außer Betracht (s. dazu Rothland, 2014, S. 321–329).

2.1       Kognitive Voraussetzungen zu Studienbeginn und ihr Einfluss auf Testergebnisse und Abschlussnoten

Blömeke (2009) berichtete über eine längsschnittlich angelegte Studie, in deren Rahmen u. a. die Abiturdurchschnittsnoten von 609 Absolventinnen und Absolventen eines Diplom-Studiums in Mathematik und 483 Mathematik-Gymnasiallehrkräften erhoben wurden. Unterschiede waren hier nicht auszumachen.

Damit wurden ältere Befunde von Gold & Giesen (1993) weitgehend bestätigt, die ebenfalls zunächst Schülerinnen und Schüler im Hinblick auf fachliches Wissen und Intelligenz getestet, die Abiturnote erfragt und in der Folge Teilstichproben dieser Schülerinnen und Schüler untersucht hatten, die nun Studierende waren. Die »Gymnasialen« hatten bessere Testergebnisse und Abiturnoten vorzuweisen als Studierende der Sekundarstufe I, der Haupt-, Grund- und Sonderschule. Auch hier ergaben sich für die Gymnasialen und Diplom- und Magisterstudierende der gleichen Fachrichtung (Mathematik und Naturwissenschaften, Sprachen und andere Geisteswissenschaften) keine bedeutsamen Unterschiede.

Gold & Giesen (1993) und Klusmann et al. (2009) unterschieden nur gymnasiale und nicht-gymnasiale Lehramtsstudierende. Spinath, van Ophuysen & Heise (2005) differenzierten anhand einer Stichprobe Dortmunder Studierender bei den Nicht-Gymnasialen und berichteten u. a. separate Ergebnisse für Studierende der Lehrämter für die Primarstufe, der Sekundarstufe I und der Sonderpädagogik. Sie setzten den Grundintelligenztest CFT 3 (Weiss, 1971) ein und fanden heraus, dass sich Primarstufen- und Sekundarstufen-II-Studierende nicht unterschieden. Sekundarstufen-I-Studierende schnitten deutlich, wenn auch nicht signifikant schlechter ab, Studierende der Sonderpädagogik markant besser (ebd., S. 191).

Im Rahmen des interdisziplinären Projekts TEDS-LT (Blömeke et al., 2011) wurden u. a. die Abiturdurchschnittsnoten von 588 Deutsch- und 453 Mathematikstudierenden erhoben und nach Schulformen differenziert. In Mathematik unterschieden sich die Noten der Studierenden für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen um eine halbe Notenstufe von denen der Haupt- und Realschul-Studierenden, in Deutsch um 0,3 Notenpunkte. Bei den fachspezifischen Tests im dritten bis fünften Semester schnitten Gymnasiale in Literaturwissenschaft und Linguistik um etwa eine halbe Standardabweichung besser ab als die Nicht-Gymnasialen, die Differenzen bei Arithmetik und Algebra waren noch markanter und betrugen fast eine Standardabweichung. Wurden weitere Hintergrundmerkmale kontrolliert, ging in beiden Fächern ein um eine Note besseres Abiturergebnis mit einer um eine halbe Standardabweichung besseren Testleistung einher (Blömeke & Buchholtz, 2011, S. 189, S. 192).

Für einen Teil der COACTIV-R-Stichprobe wurden nicht nur kognitive Grundfähigkeit und Abiturnoten erhoben, sondern auch die Studienabschlussnoten in Mathematik und die Abschlussnoten des Vorbereitungsdienstes. Darüber hinaus schätzten Schülerinnen und Schüler von 190 (von insgesamt 242) Lehramtsanwärterinnen und -anwärtern die Qualität ihres Unterrichts in den drei Dimensionen kognitive Aktivierung, Klassenführung und Unterstützung ein (Kap. 7). Hinzu kam eine Stichprobe von 668 Referendarinnen und Referendaren aus NRW, deren Fächerspektrum breit war. Auch bei ihnen wurden Abiturnoten und Abschlussnoten nach der ersten und zweiten Phase erfragt. Schülerinnen und Schüler von 60 Lehrkräften beurteilten darüber hinaus die Qualität ihres Unterrichts. Bei beiden Stichproben ergab sich, dass die Noten am Ende des Studiums und auch noch am Ende des Referendariats von der Abiturnote vorhergesagt wurden (Wolf, Kunina-Habenicht, Maurer & Kunter, 2018, S. 109). »Gute Schülerinnen und Schüler werden demnach auch eher gute Lehramtsstudierende und erreichen auch eher gute Noten im Vorbereitungsdienst.« (Ebd.) Die Qualität des Unterrichts in der Perspektive der Schülerinnen und Schüler, also ein wesentlicher Aspekt beruflichen Erfolgs, konnte mithilfe der Abiturnote aber nicht vorhergesagt werden.

2.2       Interessen und Berufswahlmotive von Lehramtsstudierenden allgemein und fachspezifisch

Nach Holland (1997) lassen sich mehrere grundlegende und bei Erwachsenen weitgehend stabile berufliche Orientierungen und damit korrespondierende Umwelten unterscheiden: eine praktisch-technische, eine intellektuell-forschende, eine künstlerisch-sprachliche, eine soziale und eine ordnend-verwaltende Orientierung. Je nachdem, wie die Konstellation dieser Orientierungen bei ihnen beschaffen ist, suchen sich Menschen Umwelten, in denen ihre Interessen möglichst gut zur Entfaltung kommen. Holland (1997, S. 270) ging davon aus, dass bei Lehrkräften die soziale Orientierung dominant ist. Klusmann et al. (2009) befragten zunächst Schülerinnen und Schüler in 12. Klassen und verglichen zwei Jahre später die Befunde für diejenigen, die ein Lehramtsstudium gewählt hatten, mit den Ergebnissen der Studierenden, die an einer Universität studierten und kein Lehramt anstrebten (314 vs. 913 Studierende). Die Nicht-Lehramtsstudierenden hatten zwei Jahre früher u. a. ein deutlich höheres praktisch-technisches (z. B. untersuchen, wie etwas funktioniert) und intellektuell-forschendes (z. B. wissenschaftliche Artikel lesen) Interesse als die Gymnasialen gezeigt (ddddd

Kaub et al. (2012) untersuchten die beruflichen Orientierungen von Lehramtsstudierenden differenziert nach Fächerkombinationen. Für insgesamt 227 Studierende der Universität Saarbrücken wurden zu Studienbeginn fünf Fächerkombinationen ausgemacht. Der Vergleich zwischen Studierenden der Naturwissenschaften (Mathematik, Biologie, Chemie, Physik und Ingenieurwissenschaften) und von Sprachen (Kombination aus zwei Sprachen) ergab ein auffällig größeres intellektuell-forschendes Interesse bei den Naturwissenschaftlern, während die »Sprachler«, nicht verwunderlich, deutlich künstlerisch-sprachlich, aber auch in sozialer Hinsicht interessierter waren (ebd., S. 240ff.).

Holland (1997) legte eine allgemeine Berufswahl-Theorie vor, auf deren Basis er ein umfassendes Register der Berufe entwickelte. Watt & Richardson (2007) konzentrierten sich mit dem Fit-Choice-Modell dagegen auf die Berufswahlmotive angehender Lehrkräfte, die deshalb mit einem Instrument wie diesem differenzierter erfasst werden können. Für die Wahl des Lehrerberufs sind dem Modell zufolge die selbst eingeschätzten Fähigkeiten, individuelle Werte wie das intrinsische Interesse am Lehrerberuf und soziale Motive, die Einschätzung der beruflichen Anforderungen und der mit dem Beruf verbundenen Vorteile wesentlich. Bedacht wird auch, dass die Wahl eines Lehramtsstudiums durch frühere eigene Lehrerfahrungen und Einflüsse anderer motiviert sein kann.

Einige Beispiele für Teilskalen und Items zu Berufswahlmotiven:

•  Wahrgenommene Lehrbefähigung: Ich habe die Qualitäten eines guten Lehrers/einer guten Lehrerin.

•  Intrinsische Motivation: Mich interessiert der Lehrerberuf.

•  Verlegenheitslösung: Ich war mir nicht sicher, welchen Beruf ich wählen sollte.

•  Berufliche Sicherheit: Als Lehrer/in hat man eine sichere Stelle.

•  Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Als Lehrer/in mit reduzierter Stundenzahl hätte man mehr Zeit für die Familie.

•  Arbeit mit Kindern und Jugendlichen: Ich arbeite gerne mit Kindern/Jugendlichen.

•  Einfluss Dritter: Meine Familie findet, ich sollte Lehrerin werden.

Weitere Skalen beziehen sich auf Überzeugungen, z. B. im Hinblick auf Arbeitsbelastung und emotionale Beanspruchung, auf die Einschätzung des für die Berufsausübung notwendigen Wissens, der Bezahlung und des öffentlichen Ansehens des Lehrerberufs.

Neugebauer (2013) fand, dass Studierende der nicht-gymnasialen Lehrämter das größte soziale Interesse artikulieren, gefolgt von Gymnasialen, die ihrerseits deutlich sozialer interessiert sind als sonstige Universitätsstudierende und erst recht als FH-Studierende. Interesse an wissenschaftlichem Arbeiten ist bei Lehramtsstudierenden dagegen weniger ausgeprägt als bei Universitätsstudierenden, am seltensten wird es von Nicht-Gymnasialen genannt. Sie machen auch in geringerem Maß fachliches Interesse geltend, anders als die Gymnasialen, die sich hier statistisch von den sonstigen Universitätsstudierenden nicht unterscheiden. Schließlich: »Lehramtsstudierende insgesamt wählen ihr Studium erwartungsgemäß häufiger aus ›familiären Gründen‹ und aus ›Gründen der beruflichen Sicherheit‹. Der Vergleichsgruppe FH ist die berufliche Sicherheit allerdings noch wichtiger als den Lehramtsstudierenden.« (Ebd., S. 171f.)

Soll untersucht werden, wie Studienwahlmotive fachbezogen beschaffen sind, stellt sich das Problem, dass die Lehramtsstudierenden mindestens zwei Fächer studieren. Glutsch, König & Rothland (2018) unterschieden deshalb bei einem Teil der deutschen Stichprobe aus dem Drei-Länder-Vergleich (1365 Studienanfängerinnen und -anfänger, die ein Lehramt in der Sekundarstufe I oder in I/II anstrebten) insgesamt sechs Fächergruppen: Geistes- und Sozialwissenschaften (z. B. Geschichte und Politik); Sprachwissenschaften (z. B. Deutsch und Englisch); Mathematik/Naturwissenschaften; Geistes- bzw. Sozialwissenschaften und Sprachwissenschaften; Geistes- bzw. Sozialwissenschaften und Mathematik bzw. Naturwissenschaften; Sprachwissenschaften und Mathematik/Naturwissenschaften. Der Vergleich der Mittelwerte auf den Fit-Choice-Skalen ergab zwar einige statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Studierenden mit den verschiedenen Fächerkombinationen. So zeigten sich die Studierenden der Sprachwissenschaften intrinsisch motivierter als die anderen fünf Gruppen. Für sie – in der großen Mehrheit Frauen – waren auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die berufliche Sicherheit relevanter. Auf der Skala »Arbeit mit Kindern und Jugendlichen« hatten die Studierenden der Mathematik/Naturwissenschaften die niedrigsten Mittelwerte. Die Effektstärken waren aber jeweils gering und praktisch bedeutsame, systematische Unterschiede über alle Fächergruppen hinweg ließen sich nicht nachweisen. »Allgemein dominiert bei allen sechs Gruppen der intrinsische Wert [d. h. das Interesse am Lehrerberuf, A. B.-V.], gefolgt von dem Wunsch, mit Kindern und Jugendlichen arbeiten zu wollen.« (Ebd., S. 475) Wurde nach Studiengängen (SI vs. SI/SII) differenziert, zeigte sich u. a. bei SI-Studierenden von Mathematik/Naturwissenschaften und der Geistes-/Sozial- und Sprachwissenschaften ein deutlich ausgeprägterer Wunsch, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten.

Eine Studie, in der 468 in München und Passau Studierende mit dem Erstfach Deutsch mit 880 anderen Studierenden verglichen wurden, legten Saalfrank, Weiß, Braune & Kiel (2011) vor. Sie fanden u. a., dass bei den Deutsch-Studierenden das fachliche Interesse stärker ausgeprägt war als bei den Studierenden mit anderem Erstfach. Die Differenzen waren zwar signifikant, aber offensichtlich praktisch unbedeutend (ebd., S. 46).

Über die Ergebnisse einer Befragung von 856 Referendarinnen und Referendaren, die überwiegend Mathematik studiert hatten, berichtete Klusmann (2011b). Deren Motive wurden nicht mit dem Fit-Choice-Instrument, sondern mit dem in wesentlichen Teilen vergleichbaren Fragebogen FEMOLA (Pohlmann & Möller, 2010) erhoben. Auch hier ergab sich im Durchschnitt eine hohe Motivation auf der Grundlage sozialen und pädagogischen Interesses, des fachbezogenen Interesses und der Selbsteinschätzung, als Lehrkraft erfolgreich zu sein. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die berufliche Sicherheit spielten ebenfalls eine, allerdings weniger bedeutende Rolle. Nicht-Gymnasiale zeigten ein höheres Interesse an pädagogisch-sozialen Aspekten als Gymnasiale (0.30), bei ihnen war auch die vermutete Leichtigkeit des Studiums ein stärkeres Motiv (0.60).

2.3       Zum Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen auf die Wahl eines Lehramtsstudiums, auf berufliches Befinden und auf den Erfolg von Lehrkräften

Inwieweit hängen das Handeln von Lehramtsstudierenden und Lehrkräften, ihr beruflicher Erfolg und ihr Befinden von persönlichen Eigenschaften ab, die als weitgehend stabil anzusehen sind? Für eine Antwort auf diese Fragen wird gegenwärtig vor allem auf eine Theorie zurückgegriffen, wonach sich Persönlichkeit allgemein mithilfe von fünf Dimensionen, den sogenannten Big Five, beschreiben lässt: Neurotizismus (u. a. innere Unruhe, Ängstlichkeit, Reizbarkeit); Extraversion (Geselligkeit, Durchsetzbarkeit, Herzlichkeit); Offenheit (für Ideen, kreative Ansätze, durch Kunst evozierte Erfahrungen); Verträglichkeit (Wärme, Hilfsbereitschaft, Vertrauen); Gewissenhaftigkeit (Ordnungsliebe, Beharrlichkeit, Leistungsstreben). Es gibt eine Reihe von sehr umfangreichen, aber auch kurzen Fragebögen, die der Erfassung der Big Five und ihrer Facetten dienen (vgl. Rammstedt & Danner, 2016). Am bekanntesten ist das NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI), die deutschsprachige Fassung einer ursprünglich englischsprachigen Version (Borkenau & Ostendorf, 2008). Hier sind 60 Items zu beantworten, und zwar jeweils auf einer fünfstufigen Antwortskala von »starke Ablehnung« bis starke Zustimmung«. Einige Beispiele:

•  Extraversion: Ich habe gern viele Leute um mich herum. – Ich ziehe es gewöhnlich vor, Dinge allein zu tun.

•  Verträglichkeit: Ich versuche zu jedem, dem ich begegne, freundlich zu sein. – Wenn ich Menschen nicht mag, so zeige ich ihnen das auch offen.

•  Gewissenhaftigkeit: Ich versuche, alle mir übertragenen Aufgaben sehr gewissenhaft zu erledigen. – Ich werde wohl niemals fähig sein, Ordnung in mein Leben zu bringen.

•  Neurotizismus (bzw. als Gegenpol: emotionale Stabilität): Ich empfinde selten Furcht oder Angst. – Wenn ich unter starkem Stress stehe, fühle ich mich manchmal, als ob ich zusammenbräche.

•  Offenheit für Erfahrungen: Mich begeistern die Motive, die ich in der Kunst und in der Natur finde. – Ich finde philosophische Diskussionen langweilig.

Allein auf Studierende zielte eine Metaanalyse von Trapmann, Hell, Hirn & Schuler (2007). Sie werteten 58 englisch- und deutschsprachige Studien aus und fanden heraus, dass nur der Faktor Gewissenhaftigkeit zur Aufklärung von Unterschieden bei den Studiennoten beitrug, wenn auch nur in geringem Maß (7 %) (ebd., S. 145).

Klusmann et al. (2009) befragten in Baden-Württemberg zunächst (»prospektiv«) Gymnasiastinnen und Gymnasiasten im letzten Schuljahr mit dem NEO-FFI und zwei Jahre später ermittelten sie diejenigen aus dieser Stichprobe, die nun an Pädagogischen Hochschulen und Universitäten ein Lehramts- oder ein anderes Studium aufgenommen hatten. Bei keinem Persönlichkeitsmerkmal waren Unterschiede zwischen Studierenden, die ein Lehramt an Gymnasien anstrebten, und anderen an Universitäten Studierenden auszumachen. Differenzen zeigten sich allerdings zwischen den »Fraktionen« der Lehramtsstudierenden. Die an Pädagogischen Hochschulen Studierenden, die Lehrämter an Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen anstrebten, schrieben sich selbst weniger Offenheit für neue Erfahrungen zu als die Gymnasialen (0.62), aber mehr soziale Verträglichkeit (0.3) (ebd., S. 273).

Auf das Fach Mathematik war eine Untersuchung von Klusmann, Kunter, Voss & Baumert (2012) bezogen. Im Rahmen der Studie COACTIV-Referendariat befragten sie mit dem NEO-FFI insgesamt 551 Personen – und zwar zwei Kohorten von angehenden Mathematik-Lehrkräften jeweils zeitgleich zweimal, die eine Kohorte zu Beginn (Zeitraum 1) und am Ende des ersten Ausbildungsjahres (Zeitraum 2), die zweite am Anfang (Zeitraum 1) und am Ende des zweiten Jahres (Zeitraum 2). Untersucht wurde u. a., ob bzw. wie sich die Big Five auf die emotionale Erschöpfung und die berufliche Zufriedenheit auswirkten. Es zeigte sich, dass zu beiden Messzeitpunkten vor allem geringerer Neurotizismus, also erhöhte emotionale Stabilität, in geringerem Maß auch Gewissenhaftigkeit und Extraversion mit weniger emotionaler Erschöpfung und höherer beruflicher Zufriedenheit einhergingen (ebd., S. 283). Zum ersten Messzeitpunkt trugen nur höherer Neurotizismus und geringere Gewissenhaftigkeit statistisch signifikant zur Erklärung von emotionaler Erschöpfung bei und die berufliche Zufriedenheit konnte – analog – durch niedrigere emotionale Stabilität und größere Gewissenhaftigkeit vorhergesagt werden. Längsschnittliche Analysen ergaben, dass Unterschiede bei der emotionalen Erschöpfung und bei der Berufszufriedenheit zum zweiten Messzeitpunkt wiederum durch eine Tendenz zu negativen Emotionen und Labilität (Neurotizismus) vorhergesagt werden konnten, in geringerem Maß aber auch durch das Persönlichkeitsmerkmal Offenheit für neue Erfahrungen. »Lehramtskandidaten mit einer höheren Offenheit für neue Erfahrungen berichten am Ende des Schuljahres sowohl höhere emotionale Erschöpfung als auch geringere Berufszufriedenheit.« (ebd., S. 286) Dieser Befund lädt zu Spekulationen ein. Womöglich spielt hier die Enttäuschung darüber eine Rolle, dass in der Institution Schule der Spielraum für die Erprobung von »Neuem« sehr begrenzt ist.

Mayr (2014, S. 205) resümierte die Ergebnisse einiger u. a. von ihm selbst verantworteter Studien, an denen in Österreich (angehende) Grundschul-, Hauptschul- und Sonderschulpädagoginnen und -pädagogen teilgenommen hatten. Es zeigte sich, dass Gewissenhaftigkeit die Aneignung von Theorien im Studium begünstigte, allerdings nicht das später erhobene pädagogische Können.

Zusammenfassung

Als Fazit lässt sich festhalten, »dass einerseits von einer Negativselektion in das Lehramtsstudium generell nicht gesprochen werden kann.« (Rothland, 2014, S. 341) Andererseits ist nicht zu verkennen, dass bei kognitiven Fähigkeitstests und Abiturdurchschnittsnoten (zumindest) Studierende für ein Lehramt in der Sekundarstufe I erheblich schlechter abschneiden als Studierende für ein Lehramt am Gymnasium. Die Abiturnote ist nicht nur ein starker Prädiktor von Studienleistungen, sondern auch noch von Noten am Ende des Vorbereitungsdienstes. Zur Vorhersage der Qualität des Unterrichts dagegen trägt sie nicht bei.

Die Befunde deuten darauf hin, dass Lehramtsstudierende primär intrinsisch motiviert sind. Das fachliche Interesse, der Umgang mit Kindern und Jugendlichen und das Motiv, soziale Verantwortung zu übernehmen, sind bei ihnen deutlicher ausgeprägt als bei anderen Studierenden und bei SI-Studierenden wiederum stärker als bei Gymnasialen. Extrinsische Motive wie die Länge der Schulferien, der Beamtenstatus und das Gehalt spielen zwar auch eine Rolle, sind aber nachrangig. Im Vergleich mit anderen Studierenden sind Lehramtsstudierende weniger an intellektuell-forschenden Tätigkeiten interessiert, wobei nach Fächern und Lehrämtern zu differenzieren ist.

Im Hinblick auf Persönlichkeitsmerkmale wie die sogenannten Big Five unterscheiden sich Lehramtsstudierende nicht von anderen Studierenden. Fachunabhängig begünstigt insbesondere Gewissenhaftigkeit den Studienerfolg. Vor allem emotionale Stabilität (negativ: Neurotizismus) und auch noch Gewissenhaftigkeit und Extraversion bewahren vor emotionaler Erschöpfung und tragen zu beruflicher Zufriedenheit bei. Offenheit für neue Ideen und (ästhetische) Erfahrungen dürfte bei Gymnasialen ausgeprägter sein als bei Nicht-Gymnasialen. Belege für einen Zusammenhang zwischen einzelnen oder mehreren der Big Five und der Unterrichtsqualität oder dem Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler sind im deutschsprachigen Raum dagegen noch nicht erbracht worden.

1     Cohens d als ein Maß für die Stärke eines Effekts bezeichnet die Differenz der Mittelwerte zweier Gruppen, geteilt durch die gemittelte Standardabweichung. Die Standardabweichung ist eine Maßzahl für die durchschnittliche Abweichung der Einzelwerte vom Mittelwert einer Verteilung. Wenn die Werte normalverteilt sind, dann bedeutet eine Effektstärke von dd-Werte ab 0.20 können als kleiner, ab 0.50 als mittlerer und ab 0.80 als großer Effekt angesehen werden. Die Berechnung von d oder eines anderen Maßes für die Effektstärke ist wichtig, weil bei großen Stichproben auch sehr kleine Effekte statistisch signifikant sein können. Wird zusätzlich die Effektstärke angegeben, kann beurteilt werden, inwiefern ein signifikanter Befund auch praktisch bedeutsam ist.

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