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Der Phantastische Film hat die erfolgreichsten Filme aller Zeiten hervorgebracht - viel wurde über dieses Genre und seine Regisseure, Schauspieler und die Kreativen behind the scenes geschrieben, doch stets blieben ungezählte Fragen offen. Dr. Rolf Giesen - der führende Experte auf diesem Gebiet - hat mit dem Lexikon des Phantastischen Films ein zweibändiges Standardwerk vorgelegt, welches dazu beitragen kann, diese Fragen zu beantworten: in Form komprimierter und ebenso unterhaltsamer wie informativer Fakten, Daten und Analysen. Band 1 enthält Essays und Biographien von A (wie L.B. Abbot) bis K (wie Stanley Kubrick). Der Apex-Verlag veröffentlicht in der Reihe APEX SACHBUCH eine durchgesehene und ergänzte Neuausgabe dieses Standardwerkes, welches erstmals auch zahlreiche Abbildungen enthält.
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ROLF GIESEN
Lexikon des Phantastischen Films, Band 1
Ein Apex-Sachbuch
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
Der Autor
Geleitwort zur Neuauflage von Rolf Giesens Lexikon des phantastischen Films
Einführung zur Neuausgabe 2017
Vorbemerkung (zur Original-Ausgabe aus dem Jahr 1984)
Vorwort von Curt Siodmak
L(enwood) B. Abbott
Aliens
Irwin Allen
Kirk Alyn
Gerry Anderson
Michael Anderson
Jack Arnold
John M. Badham
Ralph Bakshi
Mario Bava
Blade Runner
Blade Runner 2049
Paul Blaisdell
Chesley Bonestell
John Boorman
Les Bowie
Ricou Browning
Tod Browning
Das Cabinet des Dr. Caligari
Richard Carlson
John Carpenter
Lon Chaney
Lon Chaney (jr.)
Roger Corman
Larry »Buster« Crabbe
J. Michael Crichton
David Cronenberg
Peter Cushing
Jim Danforth
Roger Dicken
Ferdinand Diehl
Walt Disney
John Dykstra
Peter Ellenshaw
E.T. The Extra-Terrestrial
Terence Fisher
Richard Fleischer
Forbidden Planet
Frankenstein
Dwight Frye
John P. Fulton (1902 - 1966), amerikanischer Trickspezialist
Gigantismus
Vom Golem zum Computer
Bert I. Gordon
Val Guest
Hammer Films Ltd.
Ray Harryhausen
Byron Haskin
Heroische Fantasy
Charlton Heston
Tobe Hooper
Brian Johnson
Nathan (Hertz) Juran
Boris Karloff
Stephen King
King Kong
Stanley Kubrick
Bildlegenden / Einzelnachweise Bildtafeln
Der Phantastische Film hat die erfolgreichsten Filme aller Zeiten hervorgebracht - viel wurde über dieses Genre und seine Regisseure, Schauspieler und die Kreativen behind the scenes geschrieben, doch stets blieben ungezählte Frage offen. Dr. Rolf Giesen - der führende Experte auf diesem Gebiet - hat mit dem Lexikon des Phantastischen Films ein zweibändiges Standardwerk vorgelegt, welches dazu beitragen kann, diese Fragen zu beantworten: in Form komprimierter und ebenso unterhaltsamer wie informativer Fakten, Daten und Analysen.
Band 1 enthält Essays und Biographien von A (wie L.B. Abbot) bis K (wie Stanley Kubrick).
Der Apex-Verlag veröffentlicht in der Reihe APEX SACHBUCH eine durchgesehene und ergänzte Neuausgabe dieses Standardwerkes, welches erstmals auch zahlreiche Abbildungen enthält.
Rolf Giesen, Jahrgang 1953.
Dr. Rolf Giesen ist ein deutscher Filmwissenschaftler, Filmjournalist, Sachbuch- und Roman-Autor. Er gilt als einer der führenden deutschen Spezialisten für den Phantastischen Film, Trickfilm und Horrorfilm, was ihm zu Beginn der 1980er-Jahre den weitverbreiteten Titel „Dr. Horror“ einbrachte.
Rolf Giesen studierte Soziologie, Psychologie und Alte Geschichte an der Freien Universität Berlin und promovierte 1979 mit einer Dissertation über den Phantastischen Film zum Dr. phil.; dieses Thema wurde ihm zur Lebensaufgabe.
Er veröffentlichte zahlreiche Artikel und Bücher rund um das Kino des Phantastischen: vom Fantasy-, Science-Fiction- und Horror-Film bis hin zu den verschiedenen Techniken des Trickfilms, mit dem er sich besonders intensiv auseinandersetzte: So war er von 1982 bis 1984 Vorsitzender des Deutschen Trickfilmverbands e.V. und organisierte Zeichenfilmfestivals.
In der jüngeren Zeit hat sich Giesen auch mit den Propagandafilmen des Dritten Reiches beschäftigt.
Giesen ist Mitarbeiter des Filmmuseums Berlin - Deutsche Kinemathek - und dort Leiter einer nach ihm benannten Trickfilmsammlung. Die Rolf-Giesen-Sammlung der Stiftung Deutsche Kinemathek Berlin gilt als eine der besten Kollektionen zum Thema Filmfantastik in Europa. Giesen entwarf auch die Dauerausstellung Künstliche Welten im Filmmuseum Berlin, in deren Zentrum das Lebenswerk des Trickfilmers Ray Harryhausen steht. Weitere von Giesen organisierte Ausstellungen waren Asterix, Mickey Mouse & Co. (1986) und Cinefantastic.
Zudem steuerte er die Drehbücher für den Animationsfilm Die Digedags in grauer Vorzeit (1999) und die Fernseh-Zeichentrickserie Die unendliche Geschichte (1996) bei. Für die Filme Lorenz im Land der Lügner (1997) und Lauras Stern (2004) fungierte er als Berater und bei Asterix – Operation Hinkelstein (1989) als Produktionsüberwacher.
Neben Lehraufträgen an verschiedenen Universitäten, Fachhochschulen und Filmakademien lehrte Giesen auch als Honorar-Professor an der German Film School For Digital Production. Er ist Associate-Professor an der Universität Peking, wo er 2007 Vorlesungen hielt.
Als Dr. Horror nahm Rolf Giesen Anfang der 80er-Jahre eine Schallplatte mit der Gruppe Niagara auf. Er ist Mitglied der Visual Effects Society in Los Angeles.
Zu seinen bekanntesten Filmsachbüchern gehören u.a. Hitlerjunge Quex, Jud Süß und Kolberg. Die Propagandafilme des Dritten Reiches. Dokumente und Materialien zum NS-Film (2005, mit Manfred Hobsch), Lexikon des Trick- und Animationsfilms (2003), Die große Welt der animierten Filme (2003), Das neue Lexikon des Horrorfilms (2002, mit Ronald M. Hahn und Volker Jansen), Lexikon der Special Effects (2001), Das neue Lexikon des Fantasy-Films (2001, mit Ronald M. Hahn, Volker Jansen, Norbert Stresau), Die schlechtesten Filme aller Zeiten. Eine Reise durch die größten Peinlichkeiten der Kinogeschichte (2002, mit Ronald M. Hahn) Godzilla – Gamera – Gappa. Die Geschichte der japanischen Monsterfilme. Japans Urwelt-Giganten in deutschen Kinos (1998), Special Effects. King Kong, Orphée und die Reise zum Mond (1985) sowie das in zwei Bänden erschienene Lexikon des phantastischen Films. Horror - Science Fiction - Fantasy (1984).
Darüber hinaus verfasste Rolf Giesen Biographien über die Regisseure John Boorman und Alfred Hitchcock sowie Romane zu den TV-Serien Lexx – The Dark Zone (1997/98), Forsthaus Falkenau (1996), Poltergeist (1997) und Gegen den Wind (1998).
Giesen lebt und arbeitet in Berlin und Peking.
Als ich vor über 30 Jahren die erste Auflage dieses Lexikons las, wurde sie für mich zum Grundstein meiner Filmausbildung. Wer war eigentlich John Carpenter? Was versteckte sich wirklich hinter der Bezeichnung visuelle Effekte, und wie entstand der Film 2001: Odyssee im Weltraum?
Das Lexikon beantwortete diese Fragen und noch viele mehr, die ich mir noch gar nicht gestellt hatte.
Es gab zu dieser Zeit in Deutschland keine auch nur ansatzweise vergleichbare Literatur. So erfuhr ich nicht nur von den Filmschaffenden und Experten für visuelle Effekte aus den USA und England, sondern auch von deutschen Talenten, vor allem aus den 20er und 30er Jahren, die oft mit ihren Erfindungen auch die anglo-amerikanische Filmszene inspirierten.
Nachdem ich schon so viele Filme aus dem phantastischen Genre gesehen hatte, wurden die Zauberer hinter den Kulissen plötzlich zu realen Menschen, und ihre magischen Tricks wurden zu begreifbaren Technologien. Die Tür zum Land »Oz« hatte sich ein klein wenig geöffnet – was ich mit dem erlernten Wissen tun würde, lag jetzt ganz an mir.
Möge diese Neuauflage die Neugier jedes Fans des phantastischen Films wecken und ihn auch, so wie mich vor vielen Jahren, in jene Filmwelten entführen, von denen er vielleicht noch nicht einmal ahnte, dass sie existieren.
- Volker Engel
(Visual Effects Supervisor
und Oscar-Gewinner für die visuellen Effekte von Independence Day.)
Assoziationen und Anmerkungen: 1984 - 2017
Ich habe mich beeilt, diese Einführung noch im Dezember 2016 zu schreiben, ein Jahr, aus dem ich am liebsten gar nicht heraus würde, aber unaufhaltsam, während ich dies schreibe, geht es auf 2017 zu. Anders als in der Science Fiction gibt es keinen Klaatu, der die Zeit auf Erden stillstehen lassen könnte. Die Welt hat derweil zu viele Optionen, sich ins Chaos zu stürzen. Gleich an mehreren Ecken wurde die Lunte angezündet. Im Hinduismus gilt Shiva als Kraft der Zerstörung: Seht in der Zerstörung den Segen und hebt die Illusion auf, es müsse alles, was mit der Erhebung der Welt zu schaffen hat, im scheinbaren Frieden vonstattengehen. Das ist ein Irrtum. Immerhin: Jede Zerstörung hat die Eigenschaft, Platz für das Neue zu schaffen - so fürchtet Euch nicht! Aber auch bei der Vision des ganz Neuen, das notwendigerweise auf die Zerstörung folgt, wird mir nicht wohler.
In der Ferne drohen großflächige Hackerangriffe und die Wirklichkeit des Cyberkriegs, den immerhin John Badham in seinem Film WarGames vor über dreißig Jahren prognostiziert hat. Damals - in Orwells Schicksalsjahr 1984 - erschien auch das vorliegende Buch. Damals ahnten wir nur, was heute möglich sein würde. Das Smartphone war für uns Science Fiction wie Captain Kirks Communicator. Spiele fanden für uns am Geldspielautomaten statt, Computerspiele waren noch sehr simpel. Gerade war Pac-Mac herausgekommen. Tron im Kino gefiel uns nicht.
Nichts ist unmöglich
Mittlerweile scheint den Filmemachern auf digitalem Weg nichts mehr unmöglich. Wir ahnten es 1984, aber wir wollten es nicht wahrhaben.
Dennis Berardi, in Toronto zuständig für die visuellen Effekte des mit deutscher Beteiligung co-produzierten Resident Evil: Retribution (2012): »Wir haben Kreaturen, die so groß sind wie Dinosaurier. Wir haben eine wilde Autoverfolgungsjagd mit einem Rolls-Royce, der komplett platt gemacht wird. Wir haben Flutwellen, die den Roten Platz überschwemmen, und lassen New York zusammenfallen. Bei jeder Szene, jeder Sequenz, die wir machten, überlegen wir uns, wie wir sie noch größer und abgefahrener gestalten könnten. Wir wollten uns immer selbst übertreffen.«
Aber die Bilder sind flüchtig, nicht für die Ewigkeit gemacht.
Was die YouTube-Gründer 2005 als unscheinbare Schneeflocke vom Himmel rieseln ließen, wälzt sich heute wie ein gigantischer Schneeball durchs Netz, der inzwischen sogar das klassische TV-Konzept unter sich zu begraben droht. […]
Laut letzter Google-Statistik werden heute pro Monat weltweit mehr als sechs Milliarden Stunden Videomaterial von einer Milliarde Nutzern über YouTube konsumiert. Herunter gebrochen auf die Zahl der Klicks sind das vier Milliarden Videobetrachtungen pro Tag. […]
Cisco Systems hat in seinem Report von 2012 vorhergesagt, dass der Anteil von Videomaterial am Gesamtdatenvolumen des Internets bis zum Jahr 2017 auf 80 bis 90 Prozent ansteigen wird. Zum gleichen Zeitpunkt würde ein Mensch etwa fünf Millionen Jahre benötigen, um das im Netz gezeigte Videoaufkommen nur eines Monats zu sehen.
Am Anfang der Kinematographie standen die Geisterbilder. Dazu stellt der Filmemacher Helmut Herbst fest: »Die Flucht der Bilder durch die Medien begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts mit Robertsons Projektion von Geisterbildern. Seitdem benutzen diese Geisterbilder auf ihrer Flucht die jeweils neuesten Medien. Das Bild wird zum bewegten Bild, es verlässt die Architektur, die Kathedrale, den bürgerlichen Salon, so wie es demnächst auch das Kino verlassen wird.«
Die Zauberworte heißen nicht mehr TV oder Kino, sondern Cross-Media, IPTV, Mobile Phone, iPad, ADSL. TV usf. Alles und jeder ist digital vernetzt, gelegentlich bis in den hintersten Winkel der bekannten Welt. Die Anfänge waren die einer Schreibmaschine, die vor einem Fernseher platziert war, wie der Zukunftsforscher und SF-Autor Karlheinz Steinmüller einmal sagte. Heute ist es mehr. Heute ist es ein Lebensentwurf, der die Visionen von Religionen wahr werden lässt. Digital lässt sich alles kopieren, alles herbeizaubern, alles mit der Phantasie (oder auch Geschmacklosigkeit), wie wir sie aus der griechischen Götterwelt kennen, kreuzen: sprechende Löwen, Zentauren mit Pferdeschwanz, geflügelte Einhörner, sonstige Chimären. Die Zukunft der Kühe ist entsprechend kindlicher Einfalt lila.
Das Internet, fährt Helmut Herbst fort, sei eine der letzten Stufen auf dem Wege der Verflüchtigung der Bilder: Alle Versuche, es in einen Kramladen mit Schubladen und einer Kasse am Ausgang zu verwandeln, glichen dem sprichwörtlichen Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln.
Die Digitalisierung des Kinos
In Amblin Entertainments Young Sherlock Holmes (Das Geheimnis des verborgenen Tempels) halluzinierte ein unter Drogeneinfluss stehender Priester, dass sich aus einem Kirchenfenster die Figur eines Ritters schält und herausspringt. Es dauerte seinerzeit 16 Stunden, um eine Minute Film einzuscannen.
1989 erlebte man in James Camerons The Abyss die Mimikry eines Wasserwesens, das hinsichtlich Transparenz und Lichtbrechung sehr realistisch wirkte. Eine eigens von diesem Wesen angefertigte Maquette wurde mit 3D-Scannern abgetastet, und daraus entstand im Computer ein dreidimensionales Gittermodell. Die Lichtbrechung wurde mit eigens entwickelten Algorithmen simuliert. James Cameron adaptierte die Technik sogleich in seinem nächsten Film, dem auf ein Budget von 100 Millionen Dollar aufgeblasenen Terminator 2: Judgment Day (1991), für den die Verwandlungsszenen eines Flüssigmetall-Cyborgs (T- 1000), der seine äußere Form nach Belieben verändern kann, mittels CGI gestaltet wurden, erzeugt in fast 8000 3D-Einzelbildern. Die Figur wandert durch Gitterstäbe, als bestünden sie aus weich gewordener Butter, schält sich gummiartig aus dem gekachelten Fliesenmuster des Bodens und lässt die ihr beigebrachten Einschusslöcher, gleich welchen Kalibers, einfach »zufließen«. Morphing nannte man diesen Prozess: die stufenlose Verwandlung eines Objekts oder eines Lebewesens in ein vorgegebenes anderes. Sofort wurde das Verfahren trotz der damals langen Rechenzeiten von der Werbung und in Musikvideos aufgegriffen. Zur selben Zeit trat auch der PC seinen endgültigen Siegeszug an, und mit ihm - das war klar - würden neue Generationen von Computerkids geprägt werden, für die der Umgang mit den digitalen Medien eine Selbstverständlichkeit sein würde. Ein wichtiger Schritt in Richtung Popularisierung virtueller Bilder war Dennis Murens Entscheidung, in Jurassic Park (1993) statt der Stop Motion sechs Minuten Computeranimation einzufügen.
1986 hatte Steve Jobs für zehn Millionen Dollar die unter dem Dach von Lucasfilm gewachsene Computerabteilung übernommen. Das war die Geburtsstunde der Pixar Animation Studios. Künstlerischer Leiter der Gruppe war John Lasseter, der in der Walt Disney Company in Zeichenfilmtechnik geschult worden war. Lasseters auf der Siggraph gefeierter Kurzfilm Luxo Jr. (1986) vermenschlichte zwei Schreibtischlampen. Es dauerte nicht lange, da übten Pixar und Disney den Schulterschluss. 1995 kam Lasseters Toy Story als Joint Venture der beiden Companies in die Kinos, eine konsequente Weiterführung des Oscar-prämierten 3-Minuten-Films Tin Toy aus dem Jahr 1988. Darin tat ein Menschenbaby einem Spielzeugmännchen Gewalt an. Im Gegensatz zum Baby, das nicht sehr natürlich wirkte und tatsächlich wie ein Monster aussah, war die glatte Oberfläche des Blechspielzeugs vom Computer geradezu glänzend getroffen. Wenn schon alles, was bis dahin aus dem Rechner kam, wie Blech und Plastik aussah, dann könnte man doch - so wird Lasseter gedacht haben - aus der Schwäche eine Stärke machen und einen Kinofilm fast ausschließlich mit lebendig gewordenen Spielzeugpuppen produzieren: Ein Typ so hart wie Plastik, warb Disney für Pixars Toy Story. Die Idee war so alt wie die Filmgeschichte: Schon Edwin S. Porter animierte 1907 Teddy Bears.
Die Saga vom Krieg der Sterne
George Lucas ließ in der Fortsetzung seiner Star Wars-Saga: Prequels, digitale Roboter und Androiden aufmarschieren. Aber im Gegensatz zu den Robots (2005) von Chris Wedge waren seine Figuren keine Cartoons. Zwar wusste er, dass das, was er sich ausgedacht hatte, nicht real war, sondern pure Illusion, aber diese Illusion hinterließ den Eindruck absoluten Naturalismus. Lucasfilm erdrückte durch schiere Quantität: nicht ein Roboter, nein, Hunderte mussten es sein.
Star Wars war von Anfang an ein einziger Ride: Der optische Bildeindruck bei einer rasenden Motorradfahrt durch eine nächtliche Stadt unterscheidet sich kaum von den Bildern im Krieg der Sterne.
Die Dreharbeiten zum ersten Star Wars-Film begannen 1975, nach dem US-Debakel von Vietnam. Im Jahr zuvor war Richard Nixon in der Folge der Watergate-Affäre zurückgetreten. Beide Ereignisse wurden, indirekt, von George Lucas thematisiert. Kriegsbilder aus dem Zweiten Weltkrieg wurden in einer simplen, märchenhaften Flash Gordon-Manier, mittels raffinierter Kameratechnologie, auf ein Weltraum-Szenario übertragen. Aus Nixon wurde ein böswilliger galaktischer Imperator, der nicht davor zurückschreckte, Familienbande zu teilen und Vater gegen Sohn aufzuhetzen, um über das Universum zu herrschen. Der Krieg der Sterne war auch ein Krieg der Generationen. Der mythologisch mit Campbell-Suppen hätte ich fast gesagt: nein, mit Gedanken des amerikanischen Mythenforschers Joseph Campbell angereicherte Science-Fiction-Eintopf, der zu einer Zeit serviert wurde, als von der NASA niemand mehr etwas wissen wollte, als der Spruch kursierte, einziger Nutzen der Mondlandung sei die Teflonpfanne gewesen, hat das Kino verändert. Der daraus resultierende, inzwischen voll digitalisierte Krieg der Blockbuster, der mittelständisches Kino mehr und mehr unmöglich machte, hat ein wenig auch zum Siegeszug der Neuen Medien beigetragen. Wenn wir irgendetwas aus diesem Krieg der Sterne »lernen« können (außer der Allgegenwart von Product Placement), dann ist es das unbestimmte Gefühl, von der Macht naiver, dafür aber zukunftsweisend digitalisierter Medieninhalte absorbiert zu werden: Form triumphiert über Inhalt, martialische Schauwerte triumphieren über den Verstand. War Kriegsspielzeug bei den 68ern noch verpönt, traten bald Computerspiele ihren Siegeszug an, unter denen es auch solche gab (Ego-Shooter), die mehr oder minder für WarGames und CyberWars warben. Wenn Lucasfilm wirklich etwas neben dem Verkauf der Merchandising-Produkte gelungen ist, dann war es das: die Anfang der 1970-er Jahre kriegsmüde amerikanische Nation mental aufgemuntert zu haben. George Lucas selbst ist aus der Saga mittlerweile ausgestiegen. Rechtzeitig hat er sein eigenes, an verschiedenen Ecken und Enden bröckelndes Imperium an ein mächtigeres Imperium, Disney, verkauft: für schlappe vier Milliarden Dollar. Der Untertitel der ersten von Disney produzierten Folge der Saga: Das Erwachen der Macht klingt ein wenig nach Deutschland erwache und passt ideologisch durchaus in diesen tragischen Herbst. Disney kennt sich übrigens mit NASA-Promotion fabelhaft aus: Schon 1955 strahlte ABC die erste Folge Man in Space aus, mit der Walt Disney und Wernher von Braun den Schulterschluss probten und gemeinsam für die Ziele der militärischen Raumfahrt warben...
Robert Blalack, ein guter Freund, der heute in Paris lebt, und sein optischer Printer waren vor vierzig Jahren bei er VFX-Herstellung des allerersten Star Wars dabei. Er schreibt:
Es ist schon ein erregendes Gefühl, Zeuge dieser Star Wars-Liebe zu sein, besonders wenn man vor vierzig Jahren dabei war, als die Produktion startete und der erste Star Wars-Film ein Bankert war, für dessen Kosten kein Hollywood-Studio aufkommen mochte.
Hollywood mag Filme, die genauso sind wie die Erfolge, die es gerade hergestellt hat. Und obwohl George Lucas' American Graffiti aus dem Jahr 1973 für Universal einen Profit von 2800 % eingespielt hatte und Universal die exklusive Option hatte, das nächste Projekt des Filmemachers, Star Wars, zu produzieren, fanden sie, dass das Skript nicht so war wie das anderer Filme, die Kasse machten. Universal verzichtete.
Als 20th Century Fox bei Star Wars einstieg, hatten sie keine Idee, wie viel visuelle Effekte, die in dieser Form noch nie gemacht worden waren, kosten würden. Aber Fox hatte einen Vertrag mit den Gewerkschaften in Hollywood, der erforderte, dass jede Arbeitsstunde, die für einen Fox-Film aufgewendet wurde, mit den Unions abgerechnet würde. Nach 40 Arbeitsstunden anderthalb mal so viel Lohn, nach 50 Stunden doppelter Lohn, nach 60 dreimal so viel in der Lohntüte. Und obendrauf für jede Arbeitsstunde ein Aufschlag von 37 % für Pension, Sozialhilfe und Urlaub.
Fox' minimalistisches Budget machte die Gründung einer Strohfirma erforderlich, die Industrial Light & Magic genannt wurde und von Fox als nicht gewerkschaftlicher Arbeitgeber für die Star Wars-VFX-Arbeitnehmer gedacht war. Diese nicht gewerkschaftlichen gebundenen VFX-Arbeitnehmer erhielten eine Wochenpauschale, die einen Bruchteil der 40-Stunden-Klausel ihrer gewerkschaftlich organisierten Kollegen ausmachte.
Auf diese Weise kosteten die Visual Effects 300 % weniger als mit dem abschreckend teuren Union-VFX-Personal, und so entschied sich das Studio, die Würfel rollen zu lassen und das Risiko der Produktion einzugehen, selbst wenn sie über das Budget hinausging (was dann tatsächlich auch passierte).
Da erfahrene, gewerkschaftlich gebundene Spezialisten nicht in Frage kamen, wurde der VFX-Pool aus jungen Künstlern und Vietnam-Veteranen rekrutiert, die filmverrückt waren und nichts zu verlieren hatten. Keiner aus der VFX-Crew hatte jemals an einem Visual-Effects-Film dieser Größe gearbeitet, die meisten noch nie an einem Hollywood-Film.
Gleichzeitig mit den Live-Action-Dreharbeiten in England arbeiteten wir an den fotografischen Tools und Verfahren eines revolutionären VFX-Studios, das in einem leer stehenden Lagergebäude in Van Nuys, Kalifornien untergebracht war.
14 Monate später (und noch 10 Monate bis Produktionsende) funktionierte unser VFX-System immer noch nicht perfekt. Eine von 365 Aufnahmen war fertig, eine Million der im Budget für VFX vorgesehenen 1,6 Millionen Dollar war ausgegeben. Das Verhältnis von Lucas und seinem VFX-Supervisor Dykstra war wie das eines Bibliothekars zu einem Hells Angle. Wie auf ein Stichwort erschien ein Sparkommissar, der Dykstra feuern und die Pseudokünstler disziplinieren sollte. Wir sagten ihm, wenn Dykstra ginge, würden wir auch gehen. Dykstra blieb, und der Sparkommissar spielte den Eheberater und den Consigliere.
Bei der Fox breitete sich angesichts der steigenden Produktionskosten Hysterie, verbunden mit der Furcht, dass Universals ablehnende Haltung richtig gewesen sein könnte. War das der Grund, dass sie die Rechte am Spielzeug und an den Fortsetzungen an Lucas abtraten für die Garantie, die Produktion nicht abzubrechen, aber nur unter der Voraussetzung, dass die Filmemacher aus ihrer Beteiligung an den Einspielergebnissen zwei Dollar für jeden Dollar zahlten, den der Film über Budget ging?
Wäre Star Wars jemals finanziert worden, wenn es diese gewerkschaftlich nicht gebundenen VFX-Kids nicht gegeben hätte, die so begeistert waren, dass sie bereit waren, draufzuzahlen für das Erlebnis, an einem Hollywood-Film zu arbeiten?
Nur Yoda wird Antwort auf diese Fragen geben können.
Avatar
James Cameron und Avatar [=virtuelles Marionettenspiel: Übertragung menschlicher Bewegung und Mimik auf eine synthetische Figur via Motion Capture] stellten einen weiteren Quantensprung dar.
VFX, Action/Stunts sowie digitale Animationen scheinen genau in das Raster des großen Geldes zu passen. Es sind fast ausschließlich US-Produktionen dieser Genres in der Liste der kommerziell erfolgreichsten Filme aller Zeiten.
Douglas Trumbull, der an den Filmeffekten von Kubricks 2001 mitgearbeitet und den ökologisch motivierten Weltraumfilm Silent Running inszeniert hat, ist schon länger skeptisch, was die Inflation der Budgets bei dürftiger Ideenlage angeht, wie wir sie gerade im amerikanisch dominierten Kino feststellen. Es wimmle in den großen Studios von leitenden Angestellten, die nur noch in Megabudgets zu denken vermöchten und kleinere Filme aus machtpolitischen Gründen nur selten zu schätzen wüssten. Aber all dies sei nur noch Selbstbefriedigung einer überlebten Aristokratie: »Was, wenn aus derartiger Gigantomanie am Ende nach Abzug aller Kosten nur ein magerer Profit von fünf Millionen Dollar herausspringt? Ich weiß nicht, wie die Studios mit diesem vermessenen Geschäftsgebaren überleben wollen.« Hollywood, so Trumbull, sei Glücksspiel, nicht mehr. Aber mittlerweile scheint die ganze Welt ein Kasino geworden zu sein.
Die Programme, selbst das Ambiente der Multiplexe weltweit, ob in amerikanischer, chinesischer (Dalian Wanda Gruppe) oder einheimischer Hand, sind insbesondere nach der im Zuge von Avatar und der damit einhergehenden Welle
stereoskopischer Filme standardisiert. Die Quoten werden in den Zentralen in New York vorgegeben. Der deutsche Manager einer großen amerikanischen Filmgesellschaft wurde durch eine andere Person ersetzt, als er beim Start eines VFX-Hits nach deutschen Maßstäben zwar erfolgreich war, aber nach amerikanischen Zahlenvorgaben um anderthalb Millionen Besucher unter den Erwartungen blieb.
Independence Day
Wenigstens einen dieser Blockbuster hat ein deutscher Regisseur geschaffen. 1984 war auch für mich ein aufregendes, sehr arbeitsreiches Jahr: Ein Verlag, für den ich das Pamphlet Kino - wie es keiner mag geschrieben hatte, ließ mich im Regen des Rechtsstreits stehen, der auf mich niederprasselte. »Dieses eine Mal wolltest du zur Vordertür rein«, lächelte der Direktor der Deutschen Kinemathek, mit dem ich 1984 eine große Special-Effects-Ausstellung vorbereitete für die Berlinale im kommenden Jahr: mit Objekten aus Filmen von Georges Méliès, George Pal, Ray Harryhausen, Ferdinand Diehl, Rob Bottin und vielen anderen. Er meinte wohl, dem phantastischen Film gebühre in der seriösen Filmgeschichtsschreibung allenfalls die Hintertür. Er drückte es nicht ganz so aus. In diesem Jahr spielte ich auch den kleinen Spiegeltrick-Part eines Geistes, der nicht realisiert, dass er tot ist und darüber von seiner Unheil stiftenden Bauchredner-Puppe belehrt wird. Die Rede ist von Roland Emmerichs Joey. Fast alle Szenen mit mir wurden herausgeschnitten, und ich wurde durch einen anderen Darsteller ersetzt. Emmerich werte, so wurde in der deutschen Kritik behauptet, allein Kinoerfahrungen und Bilder aus, die er von George Lucas oder Steven Spielberg abgeschaut habe. Nie hätte ich gedacht, dass der Billigfilmer Emmerich eine solche Karriere hinlegen würde. Als er merkte, dass er in Deutschland unter diesen Umständen keine Chance hatte, beteiligte sich sein Vater über die familieneigene Centropolis Filmproduktion an Hollywood-Finanzierungen. Universal Soldier und der astroarchäologisch inspirierte Stargate, dessen Konzept Roland Emmerich seit zehn Jahren mit sich herumtrug unter dem Titel Necropolis, waren so erfolgreich, dass sich Emmerich erstmals an einen wirklichen Big-Budget-Blockbuster wagen konnte: Independence Day war eine Neufassung von Invasionsfilmen aus den 1950er-Jahren, besonders dem von einem deutschen Emigranten, Curt Siodmak, für Charles H. Schneer und VFX-Animator Ray Harryhausen geschriebenen Earth vs. the Flying Saucers (Fliegende Untertassen greifen an). In beiden Filmen greift eine Armada fliegender Untertasse Washington D.C. an. Harryhausen ließ seine UFOs nur vor dem Weißen Haus landen, Emmerich ließ das Gebäude von den Strahlenwaffen kilometerlanger fliegender UFO-Festungen in die Luft blasen.
Independence Day ist kein deutscher Film, aber er ist wie ein Durchhaltefilm mit starker deutscher Beteiligung. Obwohl genremäßig der Science Fiction zuzuordnen, steht er doch in einer Reihe mit Werken wie Veit Harlans Kolberg und Wolfgang Petersens Das Boot.
Führende Special-Effects-Leute hatte Emmerich aus Deutschland geholt: Volker Engel hatte im heimischen Bremerhaven mit Modellbau begonnen und seine Raumschiffe mit einer 16mm-Kamera aufgenommen. Er hatte mit Emmerich in Magstadt an Moon 44 gearbeitet und war ihm nach Hollywood nachgereist in der Hoffnung, dass der einen Job für ihn haben werde. Zuerst wurde er von den Bürokräften nicht vorgelassen, doch wartete er so lange, bis Emmerich das Gebäude verließ, und gehört seitdem zum Team der meisten Emmerich-Blockbuster. Von der Filmakademie Ludwigsburg hatte Engel Anna Förster als Kamerafrau mitgebracht, die heute selbst Regie führt. Während des VFX-Drehs von Independence Day gab es das geflügelte Wort eines Berliner Perry-Rhodan-Schmalfilmers: Wir wissen zwar, wie es geht, aber wir können es nicht.
Der fiktive Alien-Anschlag auf das Weiße Haus wurde dann in ganz anderer Weise furchtbare Realität: 9/11. Der Angriff auf die Twin Towers in Manhattan hat in den Explosiv- und Special-Effects-Medien vor dem 11. September 2001 begonnen: In Jack Golds The Medusa Touch (Die Schrecken der Medusa) von 1978 rammt ein Passagierflugzeug ein Hochhaus ebenso wie in einem perfiden Werbespot eines deutschen Telekommunikationsunternehmens, der kurz vor dem Terroranschlag gesendet und dann zurück- und aus dem Verkehr gezogen wurde, bis er irgendwann wieder auf YouTube auftauchte. Visuell betreut wurde der Spot von Joachim Grüninger, der gelegentlich auch mit Roland Emmerich gearbeitet hat. Der »KulturSpiegel« verwies in seiner Ausgabe 10/2001 auch auf die Die Hard-Reihe: »Zusammengenommen und um die Happy Ends gekürzt, ergeben diese Filme eine gruselige Blaupause für den Terroranschlag vom 11. September.«
»Wir sehen gegenwärtig Bilder, die Geschichte nicht abbilden, sondern sie erzeugen«, kommentierte Horst Bredekamp den rituellen Tötungsakt des Bildermachens. Hier streifen wir Fragen der Ethik.
Den Einfall, in einem Spot ein Flugzeug in ein Hochhaus fliegen zu lassen, hatte der Manager einer Hamburger Werbefirma: Die Idee, etwas Großes zerstören zu müssen, um zu signalisieren, dass man etwas Neues machen muss. Vielleicht haben diese Terroristen drüben in Hamburg-Harburg ja eines Abends in ihren Pluderhosen und Turbanen auf dem Teppich gesessen und einfach nur dasselbe gedacht: Wir müssen mit einem Big Bang etwas Großes, Altes zerstören, um den Platz frei zu machen für unser Neues.
Oculus
Oculus ist kein Monster, sondern ein Hersteller von Spezialbrillen. Aber nicht den 3D-Brillen, wie wir sie aus dem Kino kennen. 2015 berichtete die Presse über das Unternehmen Oculus VR, das eine Brille entwickelt hat, die den Träger in ein virtuelles Universum katapultieren will:
Seit Jahrzehnten wird damit experimentiert, Menschen in virtuelle Welten eintauchen zu lassen, mit Sinnestäuschungen, 3-D-Filmen, Computertechnik, schließlich den ersten Brillen. Richtig gelungen ist es bislang nicht. Die Illusion war nie perfekt. Das soll sich mit dieser neuen Brille ändern. Sie macht mit einem besonders großen Display vor den Augen sogenanntes stereoskopisches Sehen möglich, ihre hochsensiblen Sensoren reagieren sofort auf Rotation, Position und Beschleunigung. Kilometer und Jahrhunderte, der eigene Körper, die Gesetze der Physik - all das spielt so keine Rolle mehr. Alles wird sich simulieren lassen, so wie im Holodeck auf Raumschiff »Enterprise«.
Längst ist aus der Science Fiction Science Fact verloren. Nur wenige SF-Autoren dürfen heute noch als Visionäre bezeichnet werden. Einer von ihnen war Philip K. Dick. Ein anderer hieß Galouye. Die Frage, wie man mit einer digitalen Matrix aus künstlichen Geschöpfen umgeht, hatte der 1976 verstorbene Daniel Francis Galouye in seinem Buch Simulacron-3 aufgeworfen, das von Rainer Werner Fassbinder unter dem deutschen Titel Welt am Draht verfilmt worden war und gewiss auch die Matrix-Trilogie beeinflusst hat.
Befinden wir uns womöglich erst in der Steinzeit des virtuellen Zeitalters, das à la longue mit Entkörperlichung [disembodiment]verbunden ist? (Ein Zwischenschritt auf dem Weg zum synthetischen Menschen, wie ihn die Dystopie eines Finney bereits in den Body Snatchers des Kalten Kriegs vorausahnt, ist die Prothesisierung.)
Raymond Kurzweil, Googles Director of Engineering, erwartet, dass das menschliche Gehirn bis zum Jahr 2039 in allen Einzelheiten erfasst und nachgebildet sein wird.
In der Cyberpunk-Science-Fiction eines William Gibson ist der Mensch direkt mit dem Rechner verbunden. Er muss lediglich ein Kabel in sein zentrales Nervensystem einführen. 1984, in seinem Roman Neuromancer, hatte Gibson dafür den Begriff Virtual Reality übernommen: ein kybernetischer Weltraum, der über eine direkte Schnittstelle zum Gehirn bereist werden kann. Jaron Lanier von der Firma VPL, der in Kalifornien an einer neuen Form »post-symbolischer Kommunikation« arbeitete, übernahm den Terminus technicus für eine von ihm angestrebte Symbiose von Interaktion und Austausch grafischer Simulationen. Zwar scheiterte die VR mit Datenhelm und Handschuh an den hohen Kosten der Systeme und der mangelnden Akzeptanz der teuren Headsets, aber die Grundidee, das Gehirn direkt zu vernetzen, blieb.
Tatsächlich hat die Projektion von Bildern ins menschliche Gehirn schon begonnen, wenn auch nur im medizinischen Bereich: als Sehhilfe für Blinde (Artificial Vision). Auch das Brain-computer interface (BCI) oder Mind-machine interface (MMI) ist Science Fact. Erste Forschungen begannen schon in den 1970er-Jahren an der University of California in Los Angeles, ein Teilgebiet der Neuroprosthetics (auch: neural prostethics).
Neue mediale Ressourcen werden interdisziplinär geortet. Auch George Lucas spekulierte über Virtuelle Realität oder Simulator Rides, die man mit Biotechnik verbinden kann, um Nicht- und Parallel-Welten zu erzeugen. Man würde nichts weiter tun als eine Pille einnehmen und dann schlafen gehen. »Es würde wie ein Traum sein und man hätte die wirklich reale, körperliche Empfindung von etwas völlig Imaginärem. Ich habe keine Idee, was das für die Gesellschaft bedeuten würde, und wie man dahin gelangt, aber ich weiß genug, um mir bewusst zu sein, dass es möglich ist. Weil sie nämlich schon dabei sind, Bilder zu schaffen, ohne sie wirklich aufzunehmen, ganz genauso wie es im Traum geschieht.«
Menschen, die in ihre eigenen Träume eindringen? Das klingt nach Science-Fiction – und erinnert an die Handlung des Action-Thrillers »Inception«, der zu den erfolgreichsten Filmen des Jahres 2010 gehört. Doch tatsächlich beschreibt dieser Film die neuesten Erkenntnisse der Neurowissenschaften.
Postbiologismus
Die Idee von der Loslösung vom materiellen Körper und damit der Unsterblichkeit gehört zum Gedankengut des Postbiologismus und Posthumanismus. Die technikeuphorischen Visionen von der Überwindung des menschlichen Körpers im virtuellen Raum verleihen dem Cyberspace eine geradezu gnostische Dimension. Der mit interaktiven Prothesen ausgerüstete Surrogat-Mensch oder Terminal-Bürger ertrinkt in den Bilderströmen eines globalen Organismus. Virtuelle Reproduktionstechnik überwindet den Tod durch die vermeintliche Unsterblichkeit der Simulation des Menschen. Hitler mag sich im Bunker der Reichskanzlei getötet haben, aber sein Abbild ist wiederauferstanden und in den Medien täglich mitten unter uns.
Sind unsere »Seelen«, poetisch formuliert, schon auf der Reise in das Nirwana des Cyberspace?
Der Tod ist bei der Erzeugung lebendiger Bilder, ob analog oder digital, vor dem Fernseher oder in einer virtuellen Traumebene, geradezu systemimmanent. Wenigstens auf dem Bildschirm will man ihm ein Schnippchen schlagen. Wie schon die ersten Daguerreotypien dazu benutzt wurden, frisch Verblichene, rechtzeitig vor der Bestattung, auf »Festplatte« zu bannen, so wird auch der Computer mit dem Ziel eingesetzt, das vom Christentum seit zwei Jahrtausenden ersehnte »Wunder der Auferstehung von den Toten« zu realisieren: Alien Resurrection.
Bildermachen, formulierte der 2001 verstorbene Berliner Anthropologe Dietmar Kamper, sei zuletzt Körpertöten. Es schwinden die Sinne, und mit ihnen schwindet der Körper.
Die Auflösung traditioneller Innen und Außen-Verhältnisse; die Austreibung alles Analogen aus dem menschlichen Körper; die Auslagerung des Geistes in einem widerstandsfähigeren und weniger störanfälligen Datenträger, um ihm angesichts der zu erwartenden ökologischen Katastrophen zumindest eine Überlebenschance einzuräumen; oder die kanadische Vorstellung, die direkte Einspeisung im Gehirn entstehender Bilder, Töne und Vibrationen in die Matrix der künftigen Infobahn könnte zu einer »planetarischen Kommunikation« und einem ebenso »spirituellen« wie »ökologischen Bewusstsein« führen: all diese Phantasmen verwischen ihre geschichtlichen Spuren. Solche Allmachtsphantasien sind Selbstvergöttlichungsprogramme. Sie sind gerade nicht Teil jener »kalifornischen Ideologie«, dem seltsamen Gebräu aus liberalen, neokonservativen Ideologien und Haight Ashbury Träumen, sondern alteuropäischer Ab- und Herkunft. Sie wurzeln in alten Religionssystemen, die zu erforschen ergiebig auch für eine technisch argumentierende Medientheorie sein kann. Prämoderne, archaische Vorstellungen mit den hypermodernen Entkörperungsstrategien ins »extraterrestrische Universum« (Stelarc) zu verschalten, an diesen Ursprung (im Foucaultschen Sinn) grabend und denkend zu erinnern, und ihn nicht in den Schaltplänen der Hardwarefabrikanten und Softwareingenieure verschwinden zu lassen, ist die heroische Aufgabe einer Historischen Anthropologie, deren Gegenstand die Archäologie der Körper bleibt. [...]
Geschichte als Wechsel und Abfolge verschiedener Medientechniken zu begreifen, gebiert nämlich einen Traum: Gott hat den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen. Über sein Werk ist er ziemlich enttäuscht und er grämt sich. Der unvollkommen gebliebene Mensch konstruiert die Maschine, bleibt aber seltsamerweise beim Anblick seiner Erfindung genauso unbefriedigt zurück. Nun versucht es die Maschine von neuem. Sie verschaltet die Dinge digital und berechnet eine vollkommene Welt - die Geschichte beginnt wieder von vorne. Es wird recycelt, ewige Wiederkehr des Gleichen. Dennoch: Körper als Medien und nicht als Stoff oder geronnene Form zu begreifen, führt letztlich dazu, die Historie von Himmel und Erde, von Leben und Tod neu zu schreiben, und die Geschichte der menschlichen Zivilisation noch einmal ganz anders erzählen zu müssen, eine Tatsache, die bislang niemanden noch richtig zu Bewusstsein gekommen ist.
Mein digitaler Avatar ist »unsterblich« im WorldWideWeb und in Computerspielen, stellt somit eine erste Stufe zur Transzendenz dar: »...in diese Welt aus Bits kann man den Leib nur bedingt mitnehmen. Der Körper bleibt sozusagen außen vor, in der minderwertigen, vergänglichen Welt.« (Angela und Karlheinz Steinmüller) Vorläufer dieses Gedankens war das kurzzeitig sehr erfolgreiche Second Life, eine ungeahnte Form der Immobilität in einer scheinbar mobilen Welt. Der Mensch selbst muss sich nicht mehr bewegen. Er kann sein Gehirn sprichwörtlich abgeben (oder übertragen oder überschreiben) und auf Reisen gehen lassen.
Körper nutzen sich ab, aber es naht der Zeitpunkt, an dem wir Gehirne im Computer simulieren können - und ewig in ihnen leben, glaubt der Hirnforscher David Eagleman. [...]
Sollte die Hypothese stimmen, dass das Gehirn im Grunde genommen wie ein Computer arbeitet, müsste eine genaue Nachbildung unseres Gehirns auch unsere Erinnerungen enthalten, so handeln, denken und fühlen, wie wir es tun, und unser Bewusstsein erleben - unabhängig davon, ob diese Nachbildung aus biologischen Zellen, Modellbauteilen oder Nullen und Einsen besteht.
Der wichtigste Teil unseres Gehirns ist - so die Theorie - nicht dessen Struktur. Es geht vielmehr um die Algorithmen, die auf dieser Struktur laufen. Bildet man also das Gerüst nach, das diese Algorithmen unterstützt, dann sollte der sich daraus ergebende Geist identisch sein - selbst wenn das Medium ein anderes ist.
Sollte sich das als korrekt herausstellen, ist es nahezu sicher, dass wir bald über Technologien verfügen werden, mit denen wir unsere Gehirne kopieren können - um im Silizium ewig zu leben.
Wir werden nicht mehr sterben müssen.
Stattdessen werden wir in virtuellen Welten wie der »Matrix« leben. Ich kann mir vorstellen, dass es Märkte geben wird, in denen man verschiedene Arten von Leben nach dem Tode wird erwerben können. Und man wird diese mit unterschiedlichen Menschen teilen können - das ist die Zukunft sozialer Netzwerkdienste.
Die Rechnung geht soziokulturell auf, denn wo in der zivilisierten Welt gibt es denn noch den lupenrein natürlichen Menschen... Ist man nach einer Organtransplantation nicht schon ein Surrogat-Mensch? In unserer Phantasie basteln wir am Menschen bereits in einer Weise, dass es die Realität der Gentechnik in den Schatten stellt. Wenn ich das Bild des Menschen im Computer manipulieren kann und darf, schwindet auch die Hemmschwelle in der Praxis des so genannten wirklichen Lebens.
Mit Blick auf die Realisierung des christlichen Traums von der (hier virtuellen) Auferstehung der Toten sprach der polnische SF-Autor Stanisław Lem 1998 von der Phantomatik: »Nichts verhindert, wenigstens in den USA, dass beispielsweise Marilyn Monroe in einem drastischen Akt mit einem Gorilla gezeigt wird.«
Teile der Menschheit sind womöglich reif für die Twilight Zone. Dank der »Quantensprünge« in Automatisierung, Digitalisierung und Robotik gibt es ohnehin immer weniger bezahlte Arbeitsplätze, stattdessen gefährlich hohe Jugendarbeitslosigkeit auch in manchen Teilen Europas (Spanien usf.). Virtuelle Schein-Arbeit könnte da ein probates Mittel sein. Digital ist der Mensch sowieso rund um die Uhr beschäftigt: Facebook [Mark Zuckerberg], Twitter, Blogs etc.
Das Internet ist zum Instrument der Globalisierung geworden und die Kriege der Zukunft zum Maß aller virtuellen Dinge. Hitler mag sich im Bunker der Reichskanzlei erschossen haben, aber sein Abbild ist wiederauferstanden und täglich aufs Neue mitten unter uns. Im Trailer von Iron Sky 2: The Coming Race (2016) sitzt der »Führer« als Computer-Simulation auf einem Dinosaurier.
Vergangenheit und Zukunft mischen sich, Realität und Fiktion.
Ende des futuristischen Exkurses
Obwohl all dies noch nicht Teil des Lexikons des phantastischen Films war, das in einer Rekordzeit von zehn Monaten entstand und trotz des Titels kein Lexikon ist, sondern eher eine Essaysammlung (und darum, anders als gewöhnliche Lexika, die das Internet abgelöst hat, und auch, weil es mit Leidenschaft geschrieben ist), immer noch les- und auswertbar, spürt man zwischen den Zeilen schon die Tendenz. Eine große Zeitschriftensammlung, die Bibliothek und die Archive der Deutschen Kinemathek, Forrest J Ackerman und Ray Harryhausen, die Off-Kinos in Berlin, die gewaltige 16mm-Sammlung von Peter Vollmann und viele Videos haben diese beiden Bände möglich gemacht. Ich bin Martin Compart als Lektor dankbar, dass er den Titel gegen den Widerstand des Verlags 1984 durchgesetzt hat. Bebildert wurden die Bände nicht, aus Angst vor Forderungen der Filmverleiher. Alles, was ich an Bildern herausgesucht hatte, war Makulatur und ging in späteren Titeln wie Special Effects und Künstliche Welten auf. Für weitere Texte war keine Zeit mehr. Hätte ich zum festgesetzten Termin nicht geliefert, wäre das gesamte Unternehmen möglicherweise infrage gestellt worden. Hervorgegangen ist die Idee aus einigen Unterlagen für ein Lexikon zum SF-Film, aber die reine Beschränkung auf Science Fiction (ein Begriff, den Hugo Gernsback geprägt hatte) behagte mir nicht. In der Phantastik mischen sich die Subgenres. Da gibt es Science Fantasy und SciFi Horror und was nicht alles für Chimären! Mario Bavas Planet der Vampire, der von Schneer und Harryhausen vorbereitete, aber nicht realisierte Titel Sinbad Goes to Mars, John Carter vom Mars, die Geschichten von H. P. Lovecraft...
Korrekturen, Ergänzungen und Obituarium
Wir haben gesehen, wie viel in den vergangenen Jahren geschehen ist: die Vereinigung Deutschlands, der Zusammenbruch der UdSSR, der Nahe Osten in Flammen, die Komplett-Digitalisierung der Kinos: Blockbuster folgt auf Blockbuster.
Film-Semiotik habe ich nie betrieben, und nun ist es für mich zu spät, darauf einzugehen oder zu sagen, was ich davon halte. Ich wollte damals primär über die Menschen berichten, die Filme gemacht hatten. Phantastische Filme haben, wie wir gesehen haben, viel mit VFX und Spezialmasken zu tun, und so hatte ich damals mehrere Künstler und Techniker aus diesem Feld in meine Liste aufgenommen.
Beim Durchblättern der Bände stellt man fest, dass natürlich Ergänzungen und Anmerkungen nötig sind. Viele der damals noch lebenden, im Text porträtierten Personen sind inzwischen verstorben.
Band 1:
L[enwood] B[allard] Abbott, der einen großen Teil seines Lebens als Kameraschwenker bei Fox und DOP [Director of Photography] und Leiter der VFX-Abteilung bei Twentieth Century-Fox verbrachte, bis das Department eingestampft wurde, sagte mir, Irwin Allen, mit dem er mehrere Filme und Serien realisierte, tue ihm leid. Abbott starb am 28. September 1985 in LA.
Irwin Allen überlebte Abbott und starb am 2. November 1991 in Santa Monica.
Superman Kirk Alyn starb am 14. März 1999 in The Woodlands, Texas.
Gerald »Gerry« Anderson, der Schöpfer von Thunderbirds und Supermarionation (Super Marionette Animation), starb am 26. Dezember 2012.
Jack Arnold hatte noch ein winziges Büro in den Universal City Studios, als ich ihn im Sommer 1984 traf. Auf seinem Schreibtisch stand die Skulptur einer neuen Kiemenmenschen-Version und hinter seinem Sessel, an eine Wand gelehnt, eine Krücke. Er war high, weil er hoffte, er werde bei einer neuen Filmversion von Conan Doyles The Lost World Regie führen dürfen. Wahrscheinlich ahnte er, dass Universal ihm niemals erlauben würde, diesen Traum zu realisieren. Albert Whitlock, der große Meister des Matte Painting, war als Produzent vorgesehen und war gerade auf Location-Scouting. Tatsächlich wurde The Lost World abgesetzt und im Produktionsprogramm durch Howard the Duck ersetzt. Jack Arnold starb am 17. März 1992 in Woodland Hills, Kalifornien. Mein Freund Albert Whitlock bekam Parkinson und starb am 26. Oktober 1999 in Santa Barbara. Geblieben sind einige Farbentwürfe in meinen Sammlungen, die in den Archiven der Deutschen Kinemathek in Berlin liegen.
Mario Bavas Eintrag hätte größer ausfallen können, größer ausfallen müssen. Tim Lucas, der Herausgeber von Video Watchdog, hat seinem Andenken ein kolossales, herrlich bebildertes Coffee Table Book gewidmet: All the Colors of the Dark.
Paul Blaisdell kam am 21. Juli 1927 und starb am 10. Juli 1983 an Magenkrebs. Einige seiner Masken sind in der Sammlung seines Freundes Bob Burns erhalten geblieben. In seiner Filmographie nannte ich auch die US-Fassung eines italienischen Sandalenfilms: Goliath and the Dragon. Das ist nicht ganz richtig. Blaisdell hätte gerne einen Drachen für diesen Film gebaut, aber die Aufgabe, Drachenkopf und Stop-Motion-Figur zu realisieren, fiel Project Unlimited zu (Drachenkopf, der für zusätzliche Aufnahmen nach Rom geschickt wurde: Marcel Delgado, Animation der Drachenfigur: Victor Delgado und Jim Danforth).
Chesley Bonestell starb am 11. Juni 1986.
Les Bowie, der Gründer von Bowie Films Ltd., kam am 10. November 1913 in Kanada zur Welt und starb am 27. Januar 1979.
Michael Crichton starb am 4. November 2008 in Los Angeles. Ich werde den Verdacht nicht los, dass er eine wichtige Idee für Jurassic Park aus einem nicht realisierten Projekt Timegate entlehnt hat, aber ich kann es nicht beweisen.
David Cronenberg: Nach 30 Jahren muss ich mich entschuldigen. Dieser Beitrag entstand vor meinem Verriss der Fliege 1987, der mir zu Recht verübelt wurde. Ich hatte diese Kritik geschrieben, um mich von diesem Genre zu lösen, aber stand am Ende zwischen zwei Feuern. Ich hätte es besser gelassen.
Peter Cushing starb am 11. August 1994 im Alter von 81 Jahren an Prostatakrebs. In Rogue One erscheint noch einmal sein digitales Double auf der Leinwand.
Jim Danforth arbeitet weiter künstlerisch und veröffentlicht seine Erinnerungen in mehreren voluminösen, sehr empfehlenswerten Bänden als E-Book bei Archive Editions (Ernest Farino): Dinosaurs, Dragons, & Drama: The Odyssey of a Trickfilmmaker. Jim ist nicht nur ein exzellenter Maler und Stop-Motion-Autor, sondern auch ein hervorragender Autor. In seinen Büchern erfährt man mehr über das Filmemachen als in vielen Nachschlagewerken.
Ich fragte Ferdinand Diehl, warum seine Puppenfilme so langsam seien, und er meinte augenzwinkernd, er selbst sei ein langsamer, bedächtiger Mensch. Er starb am 27. August 1992 in Gräfelfing bei München, wo er auch ein kleines Filmstudio hatte. Sein Bruder Hermann, der die Puppen gebaut hatte, war bereits am 20. Dezember 1983 gestorben.
John Dykstra hat mit Filmen wie Spider-Man (2002) den Sprung in die digitalen Effekte geschafft.
Matte Artist Peter Ellenshaw in Santa Barbara starb am 12. Februar 2007. Er lebte einen Steinwurf entfernt von seinem früheren Kollegen Albert Whitlock, aber die beiden haben sich nicht besucht.
Noch heute bedaure ich, dass ich Richard Fleischer nicht angesprochen habe, als er an mir vorüberging und in eine Limousine stieg. 20.000 Leagues Under the Sea ist auch heute noch sehenswert. Fleischer starb am 25. März 2006 in Woodland Hills.
Der englische Regisseur Valmond Maurice »Val« Guest starb am 10. Mai 2006 in Palm Springs.
Hammer Films Ltd.: Eine sehr schöne Bluray-Edition entsteht bei Anolis Entertainment.
Raymond Frederick »Ray« Harryhausen, 1991 mit dem Gordon E. Sawyer Award (Ehrenoscar) geehrt: Ihm und seiner Sammlung war ich 35 Jahre lang verbunden. Zahlreiche Ausstellungen haben wir in der Bundesrepublik realisiert, bis die Figuren 2008 nach London zurückkehrten. Gemeinsam haben wir das Dorf Harriehausen in der Nähe von Bad Gandersheim besucht. Es war keine Menschenseele zu sehen. »Kein Wunder«, meinte er, sichtlich gelangweilt, »dass meine Vorfahren aus der Gegend ausgewandert sind.« Ray starb am 7. Mai 2013 in London. Seine Frau Diana, mit der er fast 50 Jahre verheiratet war, folgte ihm am 6. Oktober. Sein Andenken wird von der Ray & Diana Harryhausen Foundation (www.rayharryhausen.com) am Leben gehalten. Mike Hankins Filmbuch-Trilogie Master of the Majicks ist nicht nur eine großartig recherchierte Harryhausen-Veröffentlichung, sondern auch eines der besten Bücher über den klassischen Fantasyfilm.
Byron Conrad Haskin war schon vor Veröffentlichung des Lexikons verstorben: am 16. April 1984 in Montecido, Kalifornien.
Ben-Hur alias Charlton »Chuck« Heston starb am 5. April 2008 in Beverly Hills.
Mit Naftuli »Nathan« Hertz Juran sprach ich lange über The Deadly Mantis (1957). Die Produktion wurde um Eskimo-Aufnahmen aus einem Arnold-Fanck-Film der Universal herum aufgebaut: SOS Eisberg (1933) mit Leni Riefenstahl. starb am 23. Oktober 2002 in Palos Verdes. Seine Witwe besuchte bald nach seinem Tod die Harryhausen-Sammlung in der Berliner Kinemathek und schickte mir aus USA eine VHS-Kassette: Attack of the 50 Foot Woman.
Band 2:
John (Blues Brothers) Landis war 1982 Regisseur einer Episode von Twilight Zone: The Movie, bei der Hauptdarsteller Vic Morrow und zwei Kinder, ein sechsjähriges Mädchen und ein siebenjähriger Junge, ihr Leben verloren. Ein Hubschrauber flog zu tief, köpfte den Jungen, das Mädchen wurde von einer Kufe durchbohrt.
Sir Christopher Lee startete unter der Regie von Tim Burton, George Lucas und Peter Jackson noch einmal durch. Er starb am 7. Juni 2015 in seiner Geburtsstadt London.
Eugène Lourié [1903, nicht 1905, in Charkow als Jewgeni Lurje geboren] starb am 26. Mai 1991 in Woodland Hills, Kalifornien.
Caroline Munro wurde am 16. Januar 1949 in Windsor, Berkshire geboren.
Willis H. O'Brien: Neuere Recherchen von Stephen Czerkas (1951-2015) haben ergeben, dass Along the Moonbeam Trail (1920) nicht aus Outtakes von The Ghost of Slumber Mountain (1918- 19) bestand, sondern ein eigenständiger Film von Herbert M. Dawley war, der offensichtlich mehr für die Stop Motion getan hat, als man ursprünglich angenommen hat. Dafür war O'Brien 1960 als (ungenannter) Berater an Jack H. Harris‘ Produktion von Dinosaurus! beteiligt, der einige Ideen aus Gwangi verwertet.
Jack P. Pierce war griechischer Abstammung und hieß eigentlich Janus Piccoula. Die amerikanische Filmmetropole war ein großer multikultureller Schmelztiegel. Auch darum war sie so erfolgreich. Er kam am 5. Mai 1889 in Valdetsyou zur Welt. Er starb am 19. Juli 1968 in Hollywood.
Vincent Price starb am 25. Oktober 1993 in LA.
Curt [Kurt] Siodmak hat seine Lebenserinnerungen unter dem Titel Unter Wolfsmenschen im Bonner Weidle Verlag veröffentlicht. Er starb am 2. September 2000 in Three Rivers, Kalifornien. Ich wünschte, ich hätte die wenigen Seiten Exposé noch, die er on spec für ein Remake von Metropolis schrieb. Christopher Lee sollte das Vorwort für dieses Lexikon schreiben, aber sein Agent lehnte ab. Curt sprang kurzfristig ein. Er war ein guter Autor, aber bei Filmskripts gab es schon mal Probleme. Sein Bruder Robert hatte sein Drehbuch für Son of Dracula (1943) so nicht angenommen und einem anderen Autor übergeben. In dem Skript heißt es, der Name des Vampirs sei Ferenc Dracula. Ferenc heiße Franz: Franz Dracula. Wirklich lustig. Curt hatte Humor. In das Drehbuch von Frankenstein Meets the Wolf Man (1942-43) wollte er in eine Unterhaltung von Monster und Wolfsmensch folgenden Dialog einschmuggeln: Larry Talbot erzählte dem aus dem Eis befreiten Frankenstein-Monster, dass er sich bei Vollmond in einen Werwolf verwandle, worauf das Monster sagte: »Du machst Witze.« (Universal bewies weniger Humor: Nach Ende der Dreharbeiten wurde der gesamte Dialog des Lugosi-Monsters herausgeschnitten.)
Barbara Steele kam am 29. Dezember 1937 in Birkenhead, Cheshire, England zur Welt.
George Glenn Strange wurde nicht 1911, sondern am 16. August 1899 in Weed, New Mexico geboren und starb am 20. September 1973 in Los Angeles. Bob Burns ließ mich seine Frankenstein-Boots ausprobieren, Asphaltierer-Schuhe, in ein Paar von Glenns regulären Schuhen verankert worden war.
Andrei Arsenjewitsch Tarkowski starb am 29. Dezember 1986 in Paris.
Kenneth Tobey starb am 22. Dezember 2002 in Rancho Mirage.
Walter Joseph »Wally« Veevers kam am 1. April 1917 zur Welt und starb am 14. Februar 1983 in London.
Robert Wise starb am 14. September 2005 im Alter von 91 Jahren in Los Angeles.
Die Filme:
Das Cabinet des Dr. Caligari: Hingewiesen sei auf das Buch Der CALIGARI-Komplex von Olaf Brill.
King Kong: Lord of the Rings-Regisseur Peter Jackson, einer der größten Fans des Filmklassikers von 1933, erwarb die meisten der Saurier-Modelle aus der Sammlung von Forrest J Ackerman (und aus einer anderen Quelle eine der beiden Kong-Armaturen). Das Geld ermöglichte dem nach einem sinnlosen Rechtsstreit finanziell unter Druck geratenen Ackerman einen etwas angenehmeren Lebenswandel. Jackson verfilmte King Kong (2005) neu, mit Andy Serkis, dem besten Performance-Capture-Darsteller, aber er hätte es lieber bleiben lassen sollen. Jackson bemühte sich redlich, aber so etwas wie King Kong ist heute nicht mehr möglich. Naomi Watts war keine Fay Wray.
Metropolis: 2008 wurde in Buenos Aires eine fast vollständige Metropolis-Kopie im 16mm-Format gefunden. Forrest Ackerman, der größte Metropolis-Fan, den ich kannte, hat die Wiederaufführung im Februar 2010 leider nicht mehr erlebt. Die Nachricht vom Fund hatte er wohl noch gehört. Er starb am 4. Dezember 2008 in Los Angeles.
The 7th Voyage of Sinbad: Angeregt wurde Harryhausen wahrscheinlich 1947 durch die Produktion von Sinbad the Sailor bei der RKO, für die er zur selben Zeit an Mighty Joe Young arbeitete. Wegen eines Musikerstreiks wurde Bernard Herrmanns Komposition für die Harryhausensche Sindbad-Version in Deutschland von Kurt Graunke und seinem Orchester eingespielt.
Der Fall Nosferatu
Sechs Jahre vor Beginn des Ersten Weltkriegs erschien Bram Stokers Dracula-Roman erstmals in deutscher Übersetzung. Drei Jahre nach Kriegsende kam Friedrich Wilhelm Murnaus Vampir-Adaption Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens in die deutschen Filmtheater (uraufgeführt im März 1922) – als Höhepunkt einer Welle von Schauer- und mystischen Filmen. Das Drehbuch verfasste Henrik Galeen (Heinrich Wiesenberg, 1881- 1949) in freier Anlehnung an Stokers Roman; im Gegensatz zur Enthauptung des Vampirs im Roman steht bei Murnau am Ende das rituelle Sexualopfer einer jungen Frau. Das Opfer hat kultischen Charakter. Eine zürnende Macht, die einen lasziven Seuchendämon hervorgebracht hat, eine unheimliche Verkörperung der gesellschaftlich unterdrückten Sexualität, soll besänftigt werden, indem ein Menschenopfer dargebracht wird. Heute ist Nosferatu Teil des deutschen Filmkanons, aber noch wenig weiß man über die schwarzmagische Bedeutung des Films. Kaum bekannt ist, dass Nosferatu das Werk deutscher Okkultisten ist.
Damals überboten sich Autoren beider Kriegsteilnehmer, England (Algernon Blackwood, Arthur Machen, Sax Rohmer) und Deutschland (Gustav Meyrink sowie der dem deutschen Film-»Fantasten« Paul Wegener verbundene Hanns Heinz Ewers), geradezu mit okkulten Themen. Konsequent stellte die Filmhistorikerin Lotte H. Eisner ihrem Buch Die dämonische Leinwand ein Zitat des Philosophen Leopold Ziegler voran: »Der deutsche Mensch, das ist der dämonische Mensch an sich.« Im Nachkriegsdeutschland der Weimarer Republik fanden Dämonismus und Okkultismus einen idealen Nährboden. Mystik und Aberglaube gaben scheinbar eine verständlichere Antwort auf die Gräuel und das Nachbeben des Kriegs als die etablierten Religionen, besonders, wie im Fall der allegorischen Figur Nosferatu, auf das Strafgericht der Spanischen Grippe, die zwischen 1918 und 1920 weltweit mehr Todesopfer forderte als der Weltkrieg.
Hersteller von Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens war die am 31. Januar 1921 in Berlin gegründete Prana Film-Gesellschaft mbH, die unter dem Yin-Yang-Logo in Anzeigen ein ganzes Produktionsprogramm mit okkulten Themen ankündigte: Saptaparna, Nicolo Paganini (später verfilmt mit Conrad Veidt, den Murnau ursprünglich für die Rolle des Untoten vorgesehen hatte, die dann an Max Schreck ging, einen Meister der Maske), Gold, Der Sumpfteufel und Höllenträume (eine Filmserie, die in vier Teilen geplant war: Echogespenster; Die Tretmühle; Menschen im Eis; Vril). Noch vor der Premiere von Nosferatu wurde zudem eine Verfilmung der spirituellen Einweihungsschrift Zanoni von Edward Bulwer-Lytton annonciert, die von einem Wiedergänger, einem Rosenkreuzer, erzählt, der mit dem unglücklichen Vampir der Nosferatu-Geschichte verwandt ist: Non Mortuus, wie das Projekt heißen sollte, eine musikalisch-literarische Komposition unter der Regie von Ernst Reschke und Dr. Hans Erdmann, wurde als »Deutschlands genialste Filmschöpfung« angekündigt. Dem vermeintlichen Publikumsgeschmack geschuldet, wurden Esoterik, Spiritismus und vordergründige Gruselgeschichten miteinander verbunden.
Dieses Gesamtprogramm konnte freilich nicht mehr begonnen werden: Schon bald geriet die Prana in finanzielle Schwierigkeiten. Ihr rascher Zusammenbruch war vor allem der aufwändigen, spekulativen Werbekampagne für Nosferatu geschuldet, aber auch dem Geschäftsgebaren des undurchsichtigen Filmkaufmanns, Schiebers und Logen-Bruders Enrico Dieckmann; erst in zweiter Linie kam ein Prozess hinzu, den die Anwälte von Stokers finanziell klammer Witwe Florence gegen die unberechtigte Verwendung von Motiven des Dracula-Romans durch den Prana-Nachfolger Dafu-Film GmbH angestrengt hatten. Prana verzeichnete Herstellungskosten von 1,7 Mio. Mark für zwei Filme, davon schätzungsweise eine Million für Nosferatu, der Rest für einen »naturwissenschaftlichen Kulturfilm in drei Akten« mit dem Titel Hochtouren im Vorfrühling (im Dachstein- und Kaisergebirge), der wegen des unaufhaltbaren Konkurses nicht mehr in den Verleih gelangte; dem standen allein Geschäftskosten von 2,4 Mio. Mark gegenüber (u.a. für den Ankauf des Bengen-Filmverlags): »Sinnlose Verschleuderung der Leihgelder, übergroßer Beamtenapparat, der hunderttausende kostete, kostspielige Reklame waren die Hauptmerkmale des mit raschen Schritten kommenden Verfalls der an sich durchaus lebensfähig gewesenen Gemeinschuldnerin«, schrieb der »Film-Kurier« am 10. August 1922.
Künstlerischer Kopf des Unternehmens Nosferatu war weniger der Regisseur F.W. Murnau (1888- 1931) als Dieckmanns Partner, der 1884 in Leipzig geborene Maler Gustav Albin Grau. Grau hatte als Werkstudent die Kunstakademie Dresden besucht. Als Sanitäter und Anästhesist, der in den Lazaretten der Ostfront Amputationen durchgeführt hatte, hatte er das ungeheure Geschehen des Krieges, in eigenen Worten, wie das Dahinbrausen eines »kosmischen Vampirs« erlebt und war darüber in Berlin mit okkulten Zirkeln in Berührung gekommen. Als Werbegrafiker entwarf er Plakate und Werbekampagnen für mehr als 40 Kinofilme, darunter auch für Murnaus Der Gang in die Nacht (1921).
Es ist das luziferische Licht, das Nosferatu, den willenlosen Vollstrecker, dem Ratten auf Schritt und Tritt folgen, verbrennt, nachdem eine sündenreine Frau zum Wohle der Gemeinschaft gestorben ist. Wie Prometheus sehen die Satanisten in Luzifer den Lichtbringer, der den Alptraum der Nacht, den Freddy Krueger des Stummfilms, in ein Häufchen Asche verwandelt. "Wir alle", schrieb Albin Grau, "tragen in uns das Gefühl eines Doppellebens. Das Tagesbewusstsein kämpft gegen die abgründigen Tiefen des Nachtbewusstseins." Der Film ist voller okkulter Symbole: zum Beispiel ragt auffällig ein Dreizack ins Bild; in Briefen wimmelt es von Kryptogrammen, die nur die Eingeweihten entziffern können; schwarzromantische Bezüge werden hergestellt - das Gespensterschiff erinnert an den Fliegenden Holländer - und Naturmystik wabert ahnungsvoll durch Geisterwälder, durch die eine Totenkutsche rollt - künstlerisch dies alles inspiriert von Caspar David Friedrich, Alfred Kubin und Hugo Steiner-Prag, der Gustav Meyrinks Golem-Roman illustriert hatte.
Der Grafiker Grau war als »Frater Pacitius« bekannt, durch Aufsätze und Werke mit beredten Titeln wie Visionen des Cheops II: Das Zeichen am ersten Tor, Vom Untergrund der Welt, Der Weg ins ewige Schweigen oder Liber I. Das Buch der Null-Stunde, ein Brevier für Logen-Neuzugänge der Pansophischen Loge »Orient-Berlin«, das als gnostischer Alternativ-Entwurf zu Crowleys Liber AL vel Legis verstanden werden kann. »Die Menschen suchen sich außer sich«, lesen wir da. »Sie suchen die Dinge unter sich - und Gott über sich! Aber die unerschöpfliche Schatzkammer des großen PAN ist der MAGIER MENSCH!! Der Neophyt muss versuchen, die magische Formel des Pan unbarmherzig zu Ende zu denken.« 1925 hatte Grau diesen magischen Menschen, wie er meinte, in dem Sexualmagier Aleister Crowley getroffen, auf einer Tagung in Thüringen (Weida-Konferenz), wo dieser seine Thelema-Lehre dargelegt und sich zum besonders von der Theosophischen Gesellschaft herbeigesehnten »Weltheiland« (Chefmagus) hatte ausrufen lassen. Diese Anmaßung führte zum Schisma der »Pansophischen Gesellschaft« und zur Gründung der »Fraternitas Saturni«. Grau, zeitweilig Großmeister, und der Okkult-Buchhändler Eugen Grosche (alias Gregor A. Gregorius) gehörten zu jenen, die sich auf Crowleys Seite stellten; Grau ging aber wenig später auf Distanz und bedauerte, dass er sich so bereitwillig vor Crowleys Karren hatte spannen lassen, der Esoterik mit einer sehr eigenwilligen Ausformulierung eines sexistischen Kultismus mischte. 1926 verkörperte Paul Wegener eine Crowley nachempfundene Figur in der Verfilmung einer Geschichte von W. Somerset Maugham: The Magician. Wegener war im Privatleben mit der Frau, die in Nosferatu das Opfer spielte, verheiratet, mit Greta Schröder.
Gelegentlich war Grau noch in späteren Jahren für den Film tätig. Unter dem vielsagenden Namen Pan-Film hatten Dieckmann und der Filmverleiher Willy Seibold 1923 eine kurzlebige Nachfolgegesellschaft der Prana ins Leben gerufen, die den von Grau entworfenen Film Schatten produzierte, mit Nosferatu-Kameramann Fritz Arno Wagner, den Nosferatu-Darstellern Alexander Granach und Gustav von Wangenheim. Wie in Nosferatu ging es auch hier - so der Untertitel der filmischen Séance - um eine »nächtliche Halluzination«: ein Schattenspiel der sich unterm Mondlicht ausbreitenden Ängste und Wünsche. Da Murnau für die Regie nicht zur Verfügung stand, inszenierte Arthur Robison, der Grau 1925 zur Ufa holte, wo sie den Ausstattungsfilm Pietro, der Korsar entwickelten. Ein weiteres Filmprojekt, Ritter Blaubart (1923), kam nicht zustande. Nachgewiesen ist eine Mitarbeit Graus an Lupu Picks Haus der Lüge (1925), einer Filmversion von Ibsens Wildente; nicht nachgewiesen an Herbert Selpins Skandal um die Fledermaus (1936). 1928 verkaufte Grau einem Mitglied aus den Reihen der »Pansophischen Gesellschaft«, Waldemar Roger (auch: Ronger), das in seinem Besitz verbliebene Nosferatu-Material für 15.000 Reichsmark. Roger gründete 1929 die Deutsch-Film-Produktion und die Prana-Organon-Film, drehte Szenen neu, schnitt Nosferatu um und brachte ihn, nachvertont, unter dem Titel Die zwölfte Stunde – Eine Nacht des Grauens 1930 in Österreich, 1931 in Deutschland heraus. Auch diesmal war dem Unternehmen kein Geschäftserfolg beschieden.
Im Dritten Reich wurde Grau nicht, wie in seiner Wikipedia-Biografie behauptet wird, von den Nationalsozialisten verfolgt, auch musste er nicht in die Schweiz emigrieren. Die im Dezember 2010 an der Ruhr-Universität Bochum vorgelegte Dissertation Albin Grau – Biografie und Œuvre von Stefan Strauß recherchiert Graus Lebensweg und vermittelt bisher unbekannte Fakten: Während des Zweiten Weltkriegs war Grau als technischer Zeichner tätig und spielte eine wichtige Rolle im Wehrmacht-Kraftfahrwesen. Nach dem Krieg ging es ihm finanziell nicht sonderlich gut, sodass er in Bayrischzell, wo er mit seiner Frau Annamaria eine Pension betrieb, gelegentlich mit Bildern »bezahlte«. Er starb am 27. März 1971 in Hausham, zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau, sechs Jahre nach der Wiederaufführung von Nosferatu durch den Duisburger Atlas Filmverleih. Die gehbehinderte Stieftochter Laura (die 1972 an einem, wie es heißt, »bösartigen Tumor« starb) und mit ihr der künstlerische und schriftliche Nachlass Graus, darunter 1.250 grafische, architektonische und malerische Exponate sowie sechs nicht realisierte Film-Manuskripte, kamen in die Schweiz – zum Crowleys Lehren nahestehenden »Ordo Templi Orientis« (OTO), dem Grau kurz vor seinem Tod beigetreten war. In der »Collectio Magica et Occulta« in Appenzell, die sich aus dem Archiv der Psychosophischen Gesellschaft in der Schweiz zusammensetzt, hat Stefan Strauß Plakat- und Szenenentwürfe für Nosferatu sowie unveröffentlichte Werkaufnahmen von den Dreharbeiten geortet.
Das Ziel, aus der Prana so etwas wie einen okkulten Filmkonzern zu machen, wurde nicht erreicht. Doch lässt sich das Muster wiedererkennen in den erfolgreichen Aktivitäten der Scientologen, die, so scheint es, systematisch Hollywood Babylon zu unterwandern versuchten, um Propaganda für ihre Hirngespinste zu machen – tatsächlich gibt es eine kuriose Verbindung des »Biestes 666« Aleister Crowley zu L. Ron Hubbard: Hubbard stand eine Zeitlang mit John »Jack« Whiteside Parsons, dem (wie ihn einige nannten) James Dean des Okkulten, in Verbindung, einem Raketenantriebsforscher und Briefschüler Crowleys.
»Scientollywood«
L. Ron Hubbard (1911- 1986) war ein Vielschreiber, der Pulps und Groschenhefte verfasste und, wie Karl May, mächtig aufschnitt. Seine Marine-Akte - während des Zweiten Weltkriegs war er in der Public-Relations-Abteilung der Navy untergekommen - enthält, wie Journalisten behaupten, die Anmerkung Verdacht auf Geistesgestörtheit.
Vielleicht war es sein - eine Vermutung nur - Narzissmus, der ihn schon in den 1930er-Jahren nach Hollywood trieb. Doch viel mehr als Manuskripte für billige Filmserien der Columbia Pictures verfasste er nicht: The Mysterious Pilot (1937), The Great Adventures of Wild Bill Hickok (1938), The Secret of Treasure Island (1938 - seine einzige Nennung), The Spider Returns (1941), Er selbst hat behauptet, auch an den Drehbüchern oder »rewrites« einiger »seriöser« Filme beteiligt gewesen zu sein, doch nachzuweisen ist das weder für John Fords Stagecoach (1939) noch für Dive Bomber (1941), aber es gab eine wie auch immer geartete Verbindung zu Cecil B. DeMille, einem frommen Showman, für den er an The Plainsman (1936) gearbeitet haben will. Hubbard hatte sich nach dem Krieg vorgenommen, so viele Schauspieler wie möglich zu animieren, aber angebissen hat erst nur ein Altstar aus Cecil B. DeMilles Stummfilmtagen, Gloria Swanson. Als Hubbard mit Dianetik, dem Vorläufer von Scientology, durchstartete, nahm er sich ausgerechnet Richard DeMille, den Sohn von Cecil, als Assistenten.
Tatsächlich hatte DeMille junior über Hubbard in einem Magazin, Astounding Science Fiction, gelesen, in dem regelmäßig die Elite der utopischen Pulp-Schreiber veröffentlichte. Hubbard schrieb laut DeMille 25.000 Worte pro Tag. DeMille blieb bis 1953, als die Idee von Scientology geboren wurde.
Die Raketenforschung der Nachkriegszeit und die antikommunistische Paranoia waren ein idealer Nährboden für die Verbreitung der Science Fiction. Erst im Kreis amerikanischer SF-Autoren fand Hubbard eine Kameraderie, die ihn und seine absurden Phantasien geradezu hofierte: eine krude Mischung aus halbverstandenem Alfred Korzybski, dessen Allgemeine Semantik auf einen Widerspruch von Erfahrung und Abstraktion hinwies, der zu Krankheiten führe und durch semantisches Training korrigiert werden könne, technischem Schnickschnack und Thetan-Mythologie, die den Gedanken der unsterblichen Seele des Christentums ersetzt. Der Thetan wiederum (im Star Wars-Universum gab es später eine »Rasse« namens Tetan!) ist die Basis der Umformatierung des Menschen zum spirituellen Superwesen, zum Übermenschen.
Science Fiction habe eine Mission, schrieb Hubbard: Sie sollte den Menschen zu den Sternen bringen. Wegbereiter und zeitweilig Gesinnungsgenossen waren Autoren wie John W. Campbell jr., der von Howard Hawks (The Thing, 1951) verfilmt worden war und in seinen Blättern offen für Dianetik warb; Robert A. Heinlein, ein anderer Rechtskonservativer, der für George Pal das Drehbuch zum ersten großen Weltraumfilm nach dem Krieg geschrieben hatte (Destination Moon,