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Im Zentrum des Romans steht ein Krippenspiel, das am 24. Dezember in einer kleinen Kirchengemeinde aufgeführt werden soll. In dem kleinen Dorf St. Quendolin lernen sich Magdalena und Stefan kennen. Beide werden vom Dorfpfarrer, einem Franziskanermönch, darum gebeten, für Weihnachten ein Krippenspiel einzustudieren mit möglichst vielen Kindern aus dem Dorf. Das Ziel des Paters ist es, in das Dorf und die düstere Kirche Licht zu bringen. Über die Tage des Advents organisieren die Jugendlichen Bühnenbilder, studieren die Rollen ein, überstehen ein folgenschweres Missgeschick, finden einen herrenlosen Hund, retten zwei Kinder vor dem Verschüttetwerden und führen dann ein weihnachtliches Krippenspiel auf, das alle Zuhörer und auch die Schauspieler tief bewegt. Während dieser 24 Kapitel entwickelt sich eine schöne Beziehung zwischen Magdalena und Stefan. Der Autor: Volker Tesar, Jahrgang 1959, hat im Deutschen Lyrikverlag Aachen zwei Lyrikbände, bei United PC einen Roman und im Vier-Türme-Verlag ein Weisheitsbuch veröffentlicht. Seine Themen sind von Spiritualität geprägt und weisen den Weg zu Veränderungen. Auch dieser kleine Roman gibt Zeugnis davon.
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Seitenzahl: 115
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Volker Tesar
Licht in die Stille von Weihnachten
Weihnachten für alle – ein kleiner Adventskalender
© 2020 Volker Tesar
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN Paperback 978-3-347-09804-6
Hardcover 978-3-347-09805-3
e-Book 978-3-347-09806-0
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Samstag, 1. Dezember
mit einem Ruck fuhr Magdalena aus dem Schlaf. Das Dröhnen eines scheppernden Bleches war immer noch durch das ganze Haus zu hören. Sie zog die Augenbrauen hoch. Ihre Schwester Sina hatte wohl wieder einmal versucht, ein extravagantes Frühstück zuzubereiten. Das tat sie nur einmal im Jahr – oder auch zweimal, aber danach war die Küche nicht wieder zu erkennen. Magdalena sprang aus dem Bett, schlüpfte in ihre Hausschuhe und eilte die Treppe hinunter. Richtig, aus der Küche hörte sie eine leise fluchende Stimme. Magdalena atmete noch einmal tief durch und öffnete vorsichtig die Küchentür. Was sie jetzt sah, verschlug ihr die Sprache, obwohl sie nicht zu den Mädchen gehörte, die von irgendetwas leicht zu beeindrucken war. Ihr bot sich ein Bild des absoluten Chaos. Und mitten darin stand Sina, beide Hände in die Hüften gestemmt und schaute ein riesiges Backblech an, das sich – leider – mit der Oberseite nach unten auf den Fußboden begeben hatte und dort eine Ladung frisch gebackener Kokosmakronen unter sich begrub. In Sinas Augen standen Tränen. Das waren Magdalenas Lieblingsplätzchen und die Neunjährige musste schon früh aufgestanden sein, um sich ans Werk zu machen.
Magdalenas Ärger verflog. „Hallo Sina! Guten Morgen! Schau nicht so traurig, es ist ja erst passiert, nachdem die Plätzchen fertig waren. Ist doch halb so schlimm.“
„Gar nichts ist halb so schlimm. Das sollte eine Überraschung für dich werden, jetzt ist es eine Sauerei hier in der Küche …“ Sie schniefte und hob eine Ecke des Backbleches hoch.
„Warte, ich helfe dir.“ Magdalena bückte sich, zog einen Topflappen unter dem Blech hervor und packte das Backblech an. Sie spürte die Hitze des Ofens noch in dem Metall und wusste nun, warum das Blech auf dem Boden lag. Die Topflappen waren ein bisschen sehr dünn für eine so heiße Angelegenheit.
„Und das alles nur, weil Mama unbedingt Karriere machen muss. Jeden Tag proben sie für das doofe Weihnachtsoratrium.“
„Weihnachtsoratorium, Sina. Du weißt doch, dass Mama das braucht, dass sie singen muss, sonst sitzt sie eines Tages zu Hause und kein Mensch will sie mehr hören.“
„Na und! Und wir? Wir können hier den Haushalt schmeißen, Papa sitzt von morgens bis nachts im Labor und keiner hat Zeit für uns.“
„Das stimmt doch nicht, Sina. Stell dir mal vor, unsere Eltern wären jeden Tag stundenlang hier im Haus. Mama säße nur am Klavier und würde trällern und aus dem Keller kämen Gaswolken aus Papas Hexenküche.“
Sina lachte. „Okay, du hast Recht. Aber trotzdem fände ich es schön, Mama würde mit uns wenigstens in der Weihnachtszeit Plätzchen backen, so wie das bei allen Familien ist.“
„Ich ziehe mich an und hole zur Feier des Tages ein paar Brötchen. Bis gleich.“ Magdalena stellte das Blech auf die Spüle und ihre Schwester sammelte die Makronen ein, die keinen Schaden von dem Sturz genommen hatten. Sie streckte ihrer großen Schwester ein Gebäckstück hin. Magdalena schob es mit einem breiten Grinsen in ihren Mund. „Danke, lecker, bis gleich.“
Sie rannte nach oben, wusch sich schnell, putzte ihre Zähne, riss ein paar Jeans vom Stuhl, schlüpfte in ein passendes Sweatshirt und polterte die Treppe hinunter. Den Geldbeutel in der einen Hand und eine Leinentasche in der anderen verließ sie das Haus, nachdem sie noch einen warmen Wintermantel angezogen hatte.
„Oh Mist, das hatte ich ja völlig vergessen!“ Gerade noch im letzten Moment konnte Magdalena ihr Gleichgewicht wieder finden und schlidderte über den schneeglatten Weg zum Gartentor. Am Abend zuvor hatte es angefangen zu schneien, und nun war alles, vier Wochen zu früh, in eine weiße Decke gehüllt. Der Gehweg vor dem Haus war schon geräumt. Da war Papa sicher schon sehr früh am Werk gewesen.
Leise seufzend dachte Magdalena an ihr Gespräch mit der Schwester. So ganz Unrecht hatte sie nicht mit dem, worüber sie schimpfte, aber es hatte auch Vorteile, so auf sich allein gestellt zu sein.
In der Bäckerei kaufte sie Brötchen, liebäugelte noch mit einem Elisenlebkuchen, ließ ihn aber doch liegen, wo er war und machte sich auf den Heimweg. Völlig in Gedanken versunken, schlenderte sie die Straße entlang und blieb plötzlich stehen. Keine zehn Meter vor ihr stand die Kirche ihres Ortes. Das düstere Gebäude fand sonst keine Beachtung bei ihr, aber heute … Ein fröhliches Orgelspiel war zu hören. Da saß jemand auf der Orgelbank, der alle Register zog. Seltsam war noch, dass da kein Kirchenlied erklang, sondern ein Lied von Simon and Garfunkel: Sound of Silence. Neugierig öffnete Magdalena leise das große Portal und schlich sich in das Innere. Da sie die Tür losgelassen hatte, fiel sie mit einem lauteren Geräusch als ihr lieb war, ins Schloss. Sie setzte sich in die hinterste Bank, die schon nicht mehr unter der Empore war und lauschte. Das melancholische Lied schwebte durch den Raum. Es klang so wie sie es von ihrem Vater kannte, wenn er mal seine alten Platten auflegte. Aber dann? Während die rechte Hand den Schlussakkord der ersten Strophe hielt, spielte die Linke in Zusammenarbeit mit den Pedalen ein aufreizendes Bass-Schema. Die tiefen Töne schwollen an, bekamen einen Schwung, wie sie ihn nur aus den Bachschen Fugen kannte und mogelte ganz still und leise „Stille Nacht“ in die rechte Hand. Die Zuhörerin hatte noch „Sound of Silence“ im Ohr, während sich der Weihnachtsklassiker in die Harmonien mischte und mit ihnen verschmolz. Dann gab es nur noch „Stille Nacht“, gespielt mit einer Hingabe und Leidenschaft, wie Magdalena es noch nie gehört hatte. Am Ende schwebten eine Million Tonwellen durch den Kirchenraum.
Magdalena musste in die Hände klatschen, so sehr hatte sie die Musik begeistert, und noch ein anderer Zuhörer bearbeitete heftig seine Handflächen. Aus der ersten Reihe erhob sich eine Gestalt und kam nach hinten.
„Pater Andreas?“
„Ja, der bin ich. Und du bist Magdalena Korbian?“
„Ja, guten Morgen, Herr Pfarrer.“
„Lassen wir die Förmlichkeiten, Magdalena, ich bin Andreas. So etwas hat es in meiner Kirche noch nicht gegeben. Ich muss gleich nachsehen, wer der Künstler ist …“
Er wandte sich zur Emporentreppe, aber da hörten sie schon polternde Schritte, die sich ihnen näherten. Die Seitentür ging auf und ein schlaksiger Junge von etwa sechzehn Jahren stand vor ihnen.
„Entschuldigen Sie, Herr Pfarrer, mir sind die Gäule durchgegangen. Draußen liegt Schnee und mir war auf einmal so weihnachtlich. Und dann kam mir die Idee mit der Verbindung der beiden Musikstücke. Ähm …“
„Stefan, ich habe noch nie so etwas Wundervolles gehört. Ich bin immer noch begeistert.“
Magdalena hatte den Jungen nun aus der Nähe betrachtet und fand ihn sympathisch. Seine braunen Augen waren mit Respekt auf den Priester gerichtet. Als er Magdalena bemerkte, rötete sich sein Gesicht leicht und er hustete verlegen.
„Darf ich vorstellen: das ist Magdalena Korbian und unser Organist heißt Stefan Schiller.“
„Hallo!“ Magdalena streckte ihre Hand aus, besann sich dann aber eines Besseren und lächelte den älteren Jungen an. „Wir sind ja keine alten Leute, die sich die Hand geben müssen. Es war schön, dich zu hören. Ich habe ‚Sound of Silence’ sofort erkannt. Papa spielt das öfter, wenn er mal zu Hause ist.“
„Danke, Magdalena, normalerweise kennt das Stück keiner aus unserer Altersklasse. Aber die Harmonien passen zu dem Weihnachtslied …“
„Ähm, darf ich euch beide zu einem Kakao einladen?“ fragte der Priester.
„Gerne, aber nicht heute, meine Schwester wartet auf mich und die Brötchen.“
„Ich muss leider auch zurück zu meiner Großmutter.“
„Wie wäre es, wenn ihr morgen früh um zehn zu mir ins Pfarrhaus kommt?“
Beide Jugendlichen nickten. „Schön, dann bis morgen, ich habe nämlich einen Plan .. “
Andreas machte ein geheimnisvolles Gesicht, winkte den beiden und verließ die Kirche.
„Ich gehe noch ein Stück mit dir, wenn du nichts dagegen hast?“ Stefan schaute Magdalena fragend an.
„Ganz und gar nicht, wohnst du denn in meiner Nähe?“
„Ja, eine Querstraße vor eurer steht das Haus meiner Großmutter.“
Magdalena dachte, dass sie das merkwürdig fand, dass Stefan wusste, wo sie wohnte, zuckte dann aber mit den Schultern und setzte sich in Bewegung.
„Ich habe Dich hier im Dorf noch nie gesehen, Stefan?“
„Das kommt daher, dass ich die meiste Zeit des Jahres im Internat lebe. Ich komme auch nicht jedes Wochenende heim. Ich habe zuviel in der Schule zu tun. Ich habe dich schon gesehen bei einem Konzert deiner Mutter. Daher weiß ich auch, wo du wohnst.“
Magdalena schaute den Jungen sinnend an. „Ist das nicht schrecklich, im Internat zu wohnen?“
„Es geht nicht anders. Hier in der Nähe gibt es keine geeignete Schule für mich.“
„Aha, keine geeignete Schule …“
„Ich erzähle dir ein anderes Mal, was das bedeutet. Ich - ähm - ich gehe noch ein Stück mit. Meine Großmutter ist bei einer Freundin.“
Wieder sah Magdalena ihn sinnend an und ihr Gesicht rötete sich ein wenig. „Ich freue mich, wenn du mich begleitest.“
Jetzt war Stefan an der Reihe rot zu werden. Als sie sich beider ihrer Färbung bewusst wurden, fingen sie an zu lachen. „So ein Quatsch, dass man nicht zu dem stehen kann, was man gern will. Also, Magdalena, ich finde dich riesig nett und gehe jetzt einfach mit bis zum Gartentor. Dann muss ich heim und noch ein bisschen Ordnung machen.“
Magdalena steckte ihre linke Hand unter seinen arm und sie gingen schweigend weiter. „So, da sind wir leider schon, Stefan. Wir sehen uns dann morgen?“
„Ja, ich freue mich auf das Treffen. Tschüß, Magdalena!“ Er drückte noch einmal ihre hand an seinen körper, drehte sich um und verschwand eilig an der nächsten Ecke.
Sonntag, 2. Dezember
Nachdem Magdalena sich gestern von Stefan verabschiedet hatte, war sie den ganzen Tag damit beschäftigt, mit Sina das Haus in Ordnung zu bringen. Am späteren Nachmittag hatten sie noch ein Lebkuchenrezept ausprobiert. Immer wieder ging Magdalena die Orgelmusik durch den Kopf und sie hatte das Gefühl, dass da mehr dahinter steckte als nur musikalisches Interesse.
Sie hatte ihrer Schwester erzählt, dass sie den heutigen Vormittag im Pfarrhaus verbringen wolle. Sina hatte das schweigend zur Kenntnis genommen und sich mit einer Freundin verabredet. Die Landschaft hatte sich noch mehr verändert. In der Nacht hatte es wieder heftig geschneit und Magdalena konnte von ihrem Fenster aus ihren Vater beobachten, der sich mühte, der Schneemassen Herr zu werden. Auch heute fuhr er wieder ins Labor, eine Erfindung seiner Firma stand kurz vor der Patentvergabe und er war wesentlich daran beteiligt.
Magdalena machte sich auf den Weg. An der Querstraße, in der Stefan wohnte, zögerte sie kurz, warf einen Blick nach rechts, sah nichts und ging leicht enttäuscht weiter. als sie in der Nähe der Kirche war, hörte sie ihren Namen rufen. Stefan kam angeschliddert, ruderte mit beiden Armen, um nicht hinzufallen und lachte das hübsche Mädchen an. „Hallo Magdalena, ich habe dich verpasst. Großmutter wollte noch, dass ich die Kellertreppe fege und Holz für den Ofen reinschaffe. Das hat mich in meinem Zeitplan etwas durcheinander gebracht. Wie geht es dir?“
Die Frage traf Magdalena etwas unvermittelt. „Hm, ganz gut …Was Pater Andreas wohl von uns will?“
„Keine Ahnung! Ich habe gestern mal ins Internet geguckt. Wenn es der Andreas ist, für den ich ihn halte, hat er früher einmal bei einer international bekannten Rockband gespielt. Die Songs gehen ganz schön unter die haut. Wenn du willst, kannst du nachher noch mit zu mir kommen und wir hören uns ein paar von den Krachern an. Auf einem Videoclip war der Drummer zu sehen. Das muss Andreas sein. Er grinst über das ganze Gesicht, der Schweiß steht ihm auf der Stirn und er hat nur eine Lederweste an. Sieht echt cool aus. Und jetzt ist er Pater.“
„Danke für die Einladung. Ich komme gerne mit.“ Magdalena konnte ein leichtes Kribbeln im Magen spüren.
Verlegen schaute Stefan auf seine Stiefelspitzen. Magdalena folgte seinem Blick und meinte lachend: „Da unten gibt es nichts zu sehen außer Schnee in kompakter, in wässriger, in gefrorener und was weiß ich welcher Form. Wie alt bist du denn?“
„Ich bin gestern sechzehn geworden. Und wie alt bist du?“
„Ah, na dann noch herzlichen Glückwunsch, Stefan. Ich bin fünfzehn. Warst du gestern deshalb so gut drauf an der Orgel?“
„Nein, an der Orgel bin ich immer gut drauf. Es ist, wie wenn man ein ganzes Orchester gleichzeitig spielt und ist.“
Sie waren am Pfarrhaus angekommen und Magdalena drückte die Klingel. Ein Summer ertönte und die Tür sprang auf. „Den Gang runter und dann links“, rief eine dröhnende Stimme aus dem Hintergrund.
Magdalena und Stefan zogen Ihre Jacken und Stiefel aus, suchten vergebens nach einer Garderobe und hängten dann kurz entschlossen alles auf ein Treppengeländer.
Sie folgten der Anweisung des Paters und standen bald in einer gemütlich eingerichteten Küche, in der es nach frischen Plätzchen und Kaffee duftete.
„Hallo Magdalena, hallo Stefan, nehmt Platz, ich komme gleich!“ Aus einem Nebenzimmer hörten sie Rumoren und Rascheln. Sie setzten sich, nachdem sie zwei Stühle von Zeitungen befreit hatten.
Magdalena musste schmunzeln. „Ich glaube, hier fehlt eine Haushälterin“, flüsterte sie Stefan zu. Der nickte nur und sah sich interessiert die CD-Sammlung an, die in einem Regal über der Eckband stand.
„So, da bin ich, entschuldigt bitte die Unordnung, es sah heute morgen noch schlimmer aus. Ich bin ein alter Junggeselle. Das ist zwar keine Entschuldigung, aber meine einzige Ausrede.“ Pater Andreas hatte eine große Schüssel in der Hand,