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Celie traut ihren Ohren kaum, als Jace ihr an Bord des Kreuzfahrtschiffes seine Liebe gesteht. Ausgerechnet Jace, der Affäre an Affäre reiht, seit sie sich kennen - und der ihr liebster Feind ist, weil sie ihm die Schuld am Scheitern ihrer Beziehung mit Matt gibt. Doch statt mit Jace zu streiten, liegt sie plötzlich in seinen Armen und spürt nie gekannte Lust ...
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Seitenzahl: 200
IMPRESSUM
Liebe an Bord erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2002 by Barbara Schenck Originaltitel: „A Cowboy’s Pursuit“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1253 - 2003 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Ingrid Kasper
Umschlagsmotive: GettyImages_zstockphotos
Veröffentlicht im ePub Format in 09/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733759339
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Artie Gilliam saß im Wohnzimmer in seinem Fernsehsessel und machte ein Nickerchen. Er wurde durch das laute Zufallen der Hintertür geweckt. Überrascht warf er einen Blick auf seine Armbanduhr, als er schwere Schritte hörte.
„Ist es nicht ein bisschen früh für die Mittagpause?“, fragte er Jace Tucker, der am Türpfosten lehnte und ihn anstarrte. „Oder ist meine Uhr stehen geblieben?“ Artie hoffte, dass das nicht passiert war. Denn er hing an der Uhr, weil sie ein Andenken an seinen Vater war, der sie ihm nach dem Ersten Weltkrieg geschenkt hatte. Artie war inzwischen neunzig Jahre alt, und er hoffte, dass diese Uhr ihn überleben würde.
„Ich bin nicht zum Lunch gekommen“, knurrte Jace. Wütend marschierte er quer durch den Raum. „Sie ist zurückgekommen.“
„Ah, sie ist zurück.“ Artie musste nicht fragen, wen Jace meinte. Denn für Jace Tucker gab es nur eine Frau auf der Welt, und das war Celie O’Meara. Nicht, dass er das irgendjemandem verraten hätte, aber Artie wusste es.
Obwohl Jace ein sehr gut aussehender junger Mann war, der jeder Frau den Kopf verdrehen konnte, wenn er es darauf anlegte, schien er augenblicklich kein Interesse an neuen Eroberungen zu haben. Jace war der einzige Mann, den Artie kannte, der so viel Chancen bei Frauen hatte und sich trotzdem wahrscheinlich die Liebe seines Lebens durch eigene Dummheit und seinen Stolz vermasseln würde. Artie kannte sich da aus. Schließlich hatte er vor rund sechzig Jahren Ähnliches mitgemacht. Er schüttelte den Kopf.
Jace missverstand Arties Geste und erklärte kurz angebunden: „Celie ist wieder da.“
„Ah, wie schön“, bemerkte Artie lächelnd.
„Hm“, antwortete Jace und begann nervös auf und ab zu laufen.
Wenn dieser Narr so weitermacht, ist dieser Teppich bald kaputt, dachte Artie. „Ich hatte angenommen, du würdest dich über die Rückkehr der jungen Dame freuen?“
Jace hatte nichts gesagt, was darauf hindeutete. Doch jeden Abend, wenn er von seiner Arbeit mit den Pferden seines Freundes Taggart zurückkehrte, hatte er Artie gefragt, ob er nichts von den Mearas gehört habe, denn die ganze Familie war nach Hawaii geflogen, um die Hochzeit von Celies Schwester Polly mit dem Schauspieler Sloan Gallagher zu feiern.
Artie war immer noch ein wenig traurig, dass er nicht mitfeiern konnte. Doch letzten Winter war er sehr krank gewesen, und der Arzt hatte ihm dringend von diesem langen anstrengenden Flug abgeraten. Sein einziger Trost war, dass die Mearas ihn, Artie, ständig telefonisch auf dem Laufenden hielten. Sie berichteten ihm haarklein alles über die tolle Strandparty, an der die gesamte Filmcrew teilgenommen hatte. Joyce, Celies Mutter, das glückliche Brautpaar, Sara, Pollys älteste Tochter, und auch Celie hatten mit ihm gesprochen. Und Artie wiederum erzählte Jace jeden Abend das Neuste.
„Hat Celie es tatsächlich geschafft, sich von den tollen Kerlen am Strand loszureißen, um mit dir zu telefonieren? Sicher wollte sie nur hören, ob du noch unter den Lebenden weilst“, hatte Jace bissig bemerkt.
Artie hatte sich ein Grinsen nicht verkneifen können und ignorierte diese giftige Bemerkung. „Sie ist wirklich ein Goldschatz“, hatte er stattdessen diplomatisch erwidert.
Jace hatte ihn nur wütend angestarrt, so wie er es auch jetzt tat. Er hatte die Hände tief in die Hosentaschen geschoben und wippte unruhig auf den Absätzen seiner abgetragenen Cowboystiefeln auf und ab.
„Ich nehme an, du freust dich, Celie wieder zu sehen?“
„Ja, aber nur, wenn sie wieder zur Vernunft gekommen ist“, antwortete Jace mit finsterer Miene.
„Was ist eigentlich los, Jace? Hat sie auf Sloans Hochzeit etwas angestellt?“
Jeder in Elmer wusste, dass sich Celie unsterblich in den Schauspieler Sloan Gallagher verliebt hatte, einen berühmten Cowboydarsteller. Das hielt viele Jahre an. Als im letzten Februar auf der großen Junggesellenauktion in Elmer ein Wochenende in Hollywood mit ihm ersteigert werden konnte, setzte Celie ihre gesamten Ersparnisse ein, um ihren Traum zu verwirklichen. Nach diesem Wochenende erzählte sie zwar nur Gutes über Sloan, doch ihre Gefühle für ihn hatten sich gewandelt. Sie mochte ihn immer noch sehr, aber mehr wie einen Bruder.
Zum Glück war es so, denn Sloan hatte sich in Polly, ihre Schwester verliebt. Diese Situation hätte für die Familie ziemlich schwierig werden können. Doch anscheinend war alles undramatisch abgelaufen. Wie Artie wusste, hatte Celie begeistert zugestimmt, als ihre Schwester Polly und Sloan sie baten, ihre Trauzeugin zu sein.
„Sie hat sich auf der Hochzeit doch gut benommen?“, fragte Artie besorgt.
„Vermutlich.“ Jace war ans Fenster getreten und rieb sich die verspannten Nackenmuskeln.
Er sieht aus wie ein Stier, der sich gleich zum Kampf in die Arena stürzen will, schoss es Artie durch den Kopf. „Sie hat doch wohl nicht wieder ein Auge auf Matt Williams geworfen?“
Matt hatte Celie kurz vor zehn Jahren vor der Trauung sitzen lassen. Vielleicht hätte sie das weniger getroffen, wenn sie nicht so jung gewesen wäre. Dass ihre erste große Liebe derart mit Füßen getreten worden war, hatte sie so verletzt, dass sie sich mehrere Jahre lang nicht mehr für Männer interessiert hatte. Ihr Vertrauen war aufs Tiefste erschüttert worden. Sie hatte sich völlig zurückgezogen und nur noch von Sloan Gallagher geträumt. Soweit Artie wusste, hatte sie sich nach der geplatzten Hochzeit mit keinem Mann mehr getroffen. Seiner Meinung nach war dieser Rückzug falsch. Wenn er so enttäuscht worden wäre, hätte er an ihrer Stelle genau das Gegenteil getan, um diesen Reinfall so schnell wie möglich zu vergessen. Er hoffte inständig, dass Celie jetzt, wo ihr Schwarm in festen Händen war, nicht wieder anfing, an Matt Williams zu denken.
„Das wäre ja nicht das Schlimmste“, knurrte Jace.
„Seit wann bist du denn ein Fan von Matt Williams?“, entgegnete Artie überrascht.
Jace und Matt waren eine Zeit lang ganz gute Kumpel gewesen. Sie nahmen beide an Rodeos teil und waren einige Jahre zusammen quer durch die Staaten getourt. Doch Jace war nicht damit einverstanden gewesen, wie Matt sich damals gegenüber Celie verhalten hatte. Matt hatte es ihm überlassen, Celie anzurufen, um ihr auszurichten, dass er sie nicht heiraten würde.
„Matt taugt nicht viel.“ Jace zog sich seinen Strohhut vom Kopf und fuhr sich durchs Haar. „Aber das wissen wir ja inzwischen alle.“
Artie kam plötzlich ein schrecklicher Gedanke. „Celie hat sich doch wohl nicht mit einem Surfer dort auf Hawaii verlobt?“
Jace schnaubte verächtlich und zerknautschte die Krempe seines Hutes. „Nein!“
„Verflixt noch mal, wo ist dann das Problem? Du hast dich auf Celie gefreut. Sie ist wieder zurück. Habt ihr beide euch etwa schon wieder gestritten?“
Es war kein Geheimnis, dass die beiden sich immer ziemlich schnell in die Haare gerieten. Celie war eine wohlbehütete Tochter aus gutem Hause, und Jace war immer ein Draufgänger gewesen. Sie waren ziemlich gegensätzlich. Artie wusste auch, dass Celie immer noch einen heftigen Groll gegen Jace hegte, da sie ihn dafür verantwortlich machte, dass Matt die Hochzeit hatte platzen lassen. Matt hatte so frei und ungebunden sein wollen wie Jace. Celie hatte ihm vorgeworfen, er habe sich Jace zum Vorbild genommen.
Dieser Vorwurf war nicht ganz unbegründet. Jeder Junge in der Umgebung, der von Freiheit und Abenteuern träumte – insbesondere von Abenteuern mit Frauen – konnte von Jace Tucker lernen. Der liebte das Leben, und schlug gern mal über die Stränge. Aber Artie war der Meinung, dass Jace mittlerweile schon viel ruhiger geworden war.
Sicher, er ging ab und zu ins „Dew Drop“, trank ein paar Bierchen und spielte ein paar Runden Billard. Bis jetzt war er aber nie richtig betrunken zurückgekommen. Er war auch nie über Nacht weggeblieben und hatte auch keine Frau mit nach Hause gebracht.
Er war Celie treu, obwohl diese gar keine Ahnung davon hatte. Denn Jace war niemand, der über seine Gefühle redete. Im Gegenteil. Artie war sicher, dass Jace, dieser Narr, sein Herz mit Stacheldraht eingezäunt hatte. Jeden, der ihm nahekommen wollte, schreckte er mit ironischen Bemerkungen ab. Daher war es kein Wunder, dass Celie davon überzeugt war, dass Jace gar kein Herz hatte.
„Ihr beide könnt selbst den geduldigsten Menschen zur Verzweiflung bringen. Ihr könnt euch doch nur ganz kurz gesehen haben, denn es ist erst nach zehn. Himmel noch mal, Jace, was hat Celie denn angestellt, dass du so wütend bist?“
„Sie geht weg!“
„Wie bitte?“
„Du hast richtig gehört, sie geht weg.“ Jace sah Artie wütend, aber auch verzweifelt an. Seine blauen Augen hatten sich vor Zorn verdunkelt. Er warf seinen Hut auf den Tisch und ballte die Fäuste.
„Was soll das heißen? Wo will sie denn hin?“
„Erinnerst du dich noch an die Schiffsreise für Singles, die sie gemacht hat?“
Artie starrte Jace an. Natürlich erinnerte er sich. Als Celie nach dem Wochenende mit Sloan zurückgekommen war, hatte sie sich entschlossen, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen und eine Kreuzfahrt zu machen.
Während dieser Zeit hatte Jace Artie beinahe zum Wahnsinn getrieben. Jace’ Erleichterung darüber, dass Celies Traum von der großen Romanze mit Sloan zerstört war, denn war nur von kurzer Dauer gewesen, denn wie er schon bald erkannte, bedeutete es nicht automatisch, dass sie bei ihm Trost suchte.
„Warum muss sie denn eine Kreuzfahrt für Singles machen?“, hatte Jace geschimpft und war wie heute nervös im Zimmer auf und ab gegangen.
„Das frage ich mich allerdings auch, wo es hier doch einen jungen Mann gibt, der sie aufrichtig liebt“, hatte Artie leise erwidert.
Jace war stocksteif stehen geblieben und hatte Artie angestarrt. „Von wem sprichst du?“
Artie hatte mit den Schultern gezuckt. „Für mich ist das offensichtlich.“
Jace hatte mit den Zähnen geknirscht, Arties Feststellung jedoch nicht widersprochen. Stattdessen hatte er sich den Nacken gerieben und brummig geantwortet: „Verrückt, so was.“
„Meinst du Celies Schifffahrt oder die Tatsache, dass du Celie liebst?“, hatte Artie ihn verschmitzt grinsend gefragt.
„Was denkst du denn?“, hatte Jace damals grimmig erwidert.
„Diese Kreuzfahrten sind doch sehr teuer. So viel Geld hat sie doch gar nicht. Wie will sie das bezahlen?“, warf Artie ein.
„Sie wird auf dem Schiff arbeiten, dann ist das Geld kein Problem.“
„Was soll das nun wieder heißen?“
„Heute Morgen kam Celie in deinen Laden getänzelt und hat gekündigt. Sie teilte mir kurz und bündig mit, in zwei Wochen werde sie in Miami an Bord eines Luxusliners gehen.“ Jace bemühte sich, den weichen Tonfall Celies nachzuahmen: „‚Dann brauchst du dich über mich nicht mehr zu ärgern‘, hat sie gesagt.“ Er war zutiefst aufgewühlt. Celies letzte Bemerkung hatte ihm den Rest gegeben.
Arties Herz stolperte mal wieder. Es machte ihm immer noch Sorgen. Aber noch mehr seine Sorgen machte er sich darüber, wie Jace wohl mit der Situation fertig wurde. Artie war neunzig. Doch er wusste noch ganz genau, wie es war, eine Frau so sehr zu lieben, dass man darüber den Verstand verlor, denn in jungen Jahren war es ihm selbst so ergangen. Artie war nicht entgangen, dass Jace schon lange ein Auge auf Celie geworfen hatte. Da er Jace mochte und ihm eine Chance geben wollte, hatte er ihn nach seinem Herzanfall im letzten Winter gebeten, für ihn in seinem Eisenwarenladen zu arbeiten.
Obwohl Celie mit ihrer Nichte einen eigenen Frisiersalon mit Videothek betrieb, kam sie jeden Morgen und half Jace. Artie hatte natürlich gewusst, dass Celie sein Geschäft nach seinem Herzanfall allein hätte führen können, doch er hatte sich ausgemalt, wie schön es wäre, wenn Celie und Jace ein Paar werden würde. Celie war eine kluge Geschäftsfrau, sie war hilfsbereit und liebevoll. Sie wäre die ideale Frau für Jace.
Artie wollte ein wenig Schicksal spielen und hatte deshalb Jace eingestellt.
Nach seinem Herzanfall hatte Artie Jace ins Krankenhaus rufen lassen, um ihn davon zu überzeugen, wie nötig er ihn brauchte. Auch als er wieder nach Hause durfte, stellte sich Artie viel schwächer, als er war. Um den beiden jungen Leuten Gelegenheit zu geben, sich besser kennenzulernen und ihre Gefühle füreinander zu entdecken, gab er vor, viel Ruhe zu brauchen. Doch nichts war passiert.
Wahrscheinlich gab kaum zwei verschlossenere Typen als Celie O’Meara und Jace Tucker. Celie war immer noch davon überzeugt, dass Jace sich kein bisschen geändert hatte und immer noch der wilde Draufgänger von vor zehn Jahren war. Und Jace zeigte Celie nicht, dass er sie liebte. Jetzt arbeiteten die beiden schon fast fünf Monate zusammen. Aber soweit Artie sehen konnte, hatte sich nichts zum Guten gewendet. Das Gegenteil war eher der Fall.
Er setzte sich aufrecht hin. Vielleicht würde Jace jetzt endlich zur Vernunft kommen und Celie gestehen, was er für sie empfand. Vielleicht konnte er sie dadurch noch aufhalten. „Was wirst du jetzt machen?“
Jace stülpte sich den Hut wieder auf und ging zur Tür. „Ich werde mich betrinken“, sagte er wütend. „Und dann suche ich mir eine andere.“ Er stürzte aus dem Haus und warf die Tür so heftig zu, dass die Fensterscheiben klirrten.
Artie seufzte und schüttelte den Kopf.
Solange Celie O’Meara sich erinnern konnte, hatte sie davon geträumt, zu heiraten und Kinder zu haben. Schon als kleines Mädchen hatte sie mit ihren Puppen Familie gespielt, während ihre beiden Schwestern Polly und Mary Beth Cowboys und Indianer oder Arzt und Krankenschwester gespielt hatten. In stillen Momenten kam ihr manchmal der beunruhigende Gedanke, dass sie damals, als sie kaum neunzehn Jahre alt war und sich mit Matt verlobt hatte, vielleicht nur ihre Kleinmädchenträume weitergesponnen hatte.
Damals hatte sie das nicht so gesehen. Sie hatte nicht nur geglaubt, Matt zu lieben, sondern war felsenfest davon überzeugt gewesen. Als er sie sitzen ließ, war sie völlig verzweifelt. Ihre schöne Welt war ein einziger Scherbenhaufen. All ihre Hoffnungen, ihre Träume und Erwartungen waren mit einemmal zerstört worden. Sie hatte sich nicht nur wie eine Närrin gefühlt, sondern, was noch schlimmer war, sie fühlte sich minderwertig und schämte sich. Alle Leute glaubten wahrscheinlich, dass sie nicht fähig wäre, einen Mann glücklich zu machen.
„Du musst andere Männer kennenlernen“, hatte ihre Schwester Mary Beth gesagt, um sie zu trösten.
„Ja, anständige Männer“, bekräftigte ihre Schwester Polly.
„Genau“, meinte Artie. „Es ist genau so, als ob du vom Pferd fällst. Du musst den Staub abklopfen und sofort wieder aufsitzen.“
„Du wirst eines Tages dem richtigen Mann begegnen, du darfst einfach nicht aufgeben“, riet ihre Mutter ihr und nahm Celie in den Arm.
Aber Celie hörte gar nicht richtig hin. Sie hatte den Mut verloren. Sie hatte Matt vertraut und war tief gedemütigt worden. Sie hatte ihm ihr Herz geschenkt, und er hatte ihre Liebe mit Füßen getreten. Sollte sie dasselbe denn noch einmal durchmachen? Nein, niemals. Sie hatte diese furchtbare Enttäuschung einmal erlebt, und das würde nie wieder passieren, das schwor sie sich. Bis an ihr Lebensende hatte sie genug.
Aber komisch, obwohl sie von Männern genug hatte, gab sie doch während all der Zeit ihren Traum von einer glücklichen Familie nicht auf. Wenn sie auch Abstand zu Männern hielt, so kreisten ihre Gedanken doch immer um einen Mann, den sie jedoch nur von der Leinwand kannte. Sloan Gallagher war ihr Schwarm, denn er verkörperte alles, was sie bewunderte. Er war groß, stark, gut aussehend, klug, zielstrebig und sexy. Und er konnte ihr nicht gefährlich werden, das war wichtig. Nur deswegen konnte Celie sich in ihren Träumen ganz an ihn verlieren.
Sie las jeden Artikel über ihn, den sie ergattern konnte. Sie verpasste keinen Film, in dem er mitspielte, und malte sich in den leuchtendsten Farben aus, wie himmlisch es wäre, von ihm geliebt zu werden. Sie würde ihre Träume ja auch nie in der Realität messen müssen. Als sich Sloan Gallagher aber bereit erklärt hatte, nach Elmer zu kommen, um Maddie Fletchers Farm zu retten, da sah plötzlich alles ganz anders aus.
Der Gedanke, dass sie ihren Schwarm tatsächlich sehen würde, stürzte Celie in eine tiefe Krise. Würde die Wirklichkeit ihre Träume zerstören? Oder konnten die Träume Wirklichkeit werden? Es war in jedem Fall gefährlich. Wochenlang vor dem großen Ereignis quälten Celie die Gedanken an die Möglichkeiten, die sich ihr nun boten. Sloan Gallagher in der Realität zu erleben, das war einerseits eine einmalige Chance, andererseits aber auch beängstigend. Während sie sich den Kopf zermarterte, wurde ihr immer mehr klar, was für ein absurdes Leben sie während der letzten Jahre geführt hatte. Das wirkliche Leben war an ihr vorbeigerauscht. Statt daran teilzunehmen, hatte sie sich immer mehr in ihren Träumen verloren. Keine angenehme Erkenntnis, und es gelang ihr nicht, sie zu verdrängen, denn Jace Tucker hinderte sie daran.
Sie kannte ihn seit ihrer Kindheit. Von Weitem hatte sie ihn immer heimlich beobachtet. Er hatte sie fasziniert. Er war so groß, so wild, so laut, so ganz anders als sie selbst. Aber sie hatte auch immer ein wenig Angst vor ihm gehabt.
Während ihre zwei Schwestern mit den Jungen rauften und gern bei den Cowboys auf der Weide waren, spielte Celie lieber mit ihren Puppen. Sie hatte sich damals in Matt verliebt, weil er weniger wild war als die anderen Jungen. Er war ein Mann, der zu ihr passte, hatte sie damals gedacht. Aber Matt hatte sie nicht haben wollen. Und daran war ganz allein Jace Tucker schuld. Als Matt in dem Sommer vom Wilsall Rodeo zurückgekehrt war, hatte er ihr eröffnet, dass er mit Jace Tucker gesprochen habe und ihn eine Zeit lang zu Rodeoveranstaltungen begleiten wollte.
„Ich möchte mir noch ein bisschen die Hörner abstoßen, bevor du mich an die Kette legst“, hatte er grinsend gesagt.
Das hätte ihr zu denken geben sollen. Aber sie hatte ihm vertraut. Seine Worte hatte sie gar nicht so ernst genommen. Ihr hatte es zwar nicht gepasst, dass er mit Jace am Rodeo-Zirkus teilnehmen wollte, aber sie hatte sich gefügt.
„Lass dich von Jace nicht vom rechten Weg abbringen“, hatte sie ihn nur gewarnt.
„Niemals“, hatte er damals versichert und gelacht.
Aber zwei Monate später, als Matt die Hochzeit platzen ließ, dämmerte ihr, dass ihre Befürchtungen nicht grundlos gewesen waren. Kurz vor der Trauung hatte Jace sie angerufen, um ihr mitzuteilen, dass Matt nicht kommen würde.
„Er sagt, er sei noch nicht so weit.“
„Was soll das heißen?“ Celie wollte der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen. Sie steckte lieber den Kopf in den Sand und dachte sich irgendwelche skurrilen Entschuldigungen für Matt aus. Zum Beispiel, dass er Schwierigkeiten hatte, seine Krawatte korrekt zu binden.
„Er will sich noch nicht binden“, antwortete Jace. „Matt sagt, er will noch was von der Welt sehen, bevor er heiratet. Er fühlt sich einfach noch zu jung für einen solchen Schritt.“ Er wartete darauf, dass Celie etwas sagte.
Doch sie war sprachlos vor Schreck. Die Leute aus ihrer Straße machten sich gerade auf den Weg in die Kirche. Ihre Mutter rief ungeduldig, dass sie sich endlich beeilen solle. Ihr Vater stand in der Tür und lächelte Celie an.
Sie stand stocksteif da und hörte Jace seufzen. „Nun sag doch endlich was, Celie.“
„Das ist nicht wahr!“, stieß sie hervor. Sie wusste ja, dass Jace nichts vom Heiraten hielt, und hasste ihn plötzlich mehr als jeden anderen Menschen.
„Es ist die Wahrheit, Celie. Matt kommt nicht. Er will nicht heiraten. Sag die Hochzeit ab.“
Genau das tat Celie auch, nachdem sie den Hörer auf die Gabel geknallt hatte. Sie war wie betäubt gewesen. Am meisten hatte sie noch geärgert, dass Jace so getan hatte, als hätte sie damit rechnen müssen, dass Matt einen Rückzieher machen würde. Jace hatte nicht einmal gesagt, dass ihm das Ganze leidtat. Aber warum sollte es das auch? Sie bedeutete ihm ja nicht viel. Sie erinnerte sich noch ganz genau daran, wie es war, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Er war zusammen mit Matt zu ihr in die Küche gekommen, hatte sie kaum eines Blickes gewürdigt und war unruhig von einem Fuß auf den anderen getreten. Offenbar wollte er so schnell wie möglich wieder gehen. Vermutlich hatte er gedacht, dass sie es nicht wert sei, sich länger bei ihr aufzuhalten. Und davon hatte er auch Matt überzeugt. Er hatte ihn beeinflusst, davon war sie auch jetzt noch, nach all diesen Jahren, fest überzeugt.
Celie packte immer wieder eine fürchterliche Wut, wenn sie Jace begegnete, denn jedes Mal, wenn sie ihn sah, musste sie daran denken, dass er vor fast zehn Jahren Zeuge ihrer Demütigung geworden war.
Sie bedauerte sehr, dass aus ihr nicht die Frau geworden war, die sie von klein auf hatte werden wollen. Zwar stand sie mit beiden Beinen im Leben und konnte sich als erfolgreiche Geschäftsfrau bezeichnen. Ihr gehörten der einzige Frisiersalon in Elmer und ein Videoverleih. Sie liebte ihre sechs Nichten und Neffen, und Sid, ihr Kater, vergötterte sie. Aber das alles war nicht genug, denn sie hatte nicht geheiratet und hatte kein Kind.
Sie war eine Versagerin, eine Sitzengelassene. Und jedes Mal, wenn sie Jace Tucker sah, gingen ihr diese Gedanken durch den Kopf.
Zum Glück hatte sie Jace während der vergangenen zehn Jahre nur sehr selten getroffen, obwohl seine Familie nur fünf Meilen außerhalb von Elmer wohnte. Aber Rodeoreiter lebten auf der Landstraße. Sie waren auch nicht die Typen, die regelmäßig in einen Frisiersalon kamen. Ein Jahr konnte vergehen, und sie hatte ihn vielleicht ein oder zwei Mal von Weitem erblickt.
Hin und wieder hatte sie etwas über ihn gehört. Sie wusste, dass er ein sehr erfolgreicher Wildpferdreiter geworden war. Zwar war er nicht der World Champion wie Noah Tanner, der auch in der Nähe von Elmer lebte. Aber er gehörte zu den Besten und hatte im letzten Jahr an der Endausscheidung in Las Vegas teilgenommen.
Jodie, die Schwester von Jace, gehörte auch zu Celies Kundinnen. Die beiden jungen Frauen kannten sich von der Schule. Als Jodie das letzte Mal in ihren Salon gekommen war, hatte sie Celie stolz die großen Neuigkeiten von ihrem Bruder erzählt. „Wenn Jace im nächsten Monat in Vegas gewinnt, will er aufhören und sich hier niederlassen.“
Diese Nachricht erschreckte Celie so, dass ihr Herz einen Sprung machte. Sie sagte aber nichts dazu, und war froh, dass sie es schaffte, die Schere ruhig zu halten. Der Gedanke, Jace womöglich öfter zu begegnen, machte sie total nervös.
„Vielleicht will er endlich heiraten und ein Haus voller Kinder haben“, spekulierte Jodie fröhlich.
Celie schnaubte entrüstet.
„Ich könnte ihn ja mal hier bei dir vorbeischicken“, fügte Jodie schelmisch hinzu.
„Nein, vielen Dank“, antwortete Celie prompt.
„Es gab eine Zeit, da fandest du meinen Bruder richtig gut“, erinnerte Jodie sie. In einer Kleinstadt wussten die Menschen viel zu viel voneinander, fand Celie. Die Menschen erinnerten sich noch jahrelang an Bemerkungen, die man irgendwann einmal gemacht hatte. Celie hatte tatsächlich auf einer Party mal zu Jodie gesagt, dass sie ihren Bruder toll fände.
„Seitdem hat sich mein Geschmack geändert“, antwortete sie bissig.
Überrascht zog Jodie die Augenbrauen hoch. „Er ist nicht so schlecht, wie du vielleicht denkst.“
Celie dachte, dass Jodie doch ganz wusste, warum sie Jace grollte. Er hatte ihr doch damals bestimmt erzählt, dass er es war, der sie kurz vor der Trauung angerufen hatte. Aber Celie gab keine Antwort, sondern konzentrierte sich auf ihre Arbeit. „Ich bin nicht interessiert an deinem Bruder.“