Liebe auf allen Kanälen :-* - Linda Jule Johansson - E-Book

Liebe auf allen Kanälen :-* E-Book

Linda Jule Johansson

4,7

Beschreibung

Der etwas andere Liebesroman. Die große Liebe, was ist das eigentlich? Katrine, 26 Jahre alt, attraktiv, akademisch erfolgreich, hat 586 Facebook-Freunde – und ist auf der Suche nach der großen Liebe. Doch das ist gar nicht so einfach! SMS, E-Mail, Facebook und Twitter – sämtliche Kommunikationskanäle stehen Katrine offen. Und doch machen sie ihr Liebesleben fast noch komplizierter. Da trifft Katrine in einem Kopenhagener Nachtclub auf den ehrgeizigen Wissenschaftler Tom, der ihre Gefühle Achterbahn fahren lässt. Für die selbstbewusste Katrine tut sich plötzlich ein Zwiespalt auf. Ist sie bereit, ihre bisherigen Pläne, Wünsche, Träume und Hoffnungen für Tom aufzugeben? Oder gibt es eine gemeinsame Lösung? Zum Glück stehen Katrine bei diesen Irrungen und Wirrungen ihre beste Freundin Maria, ihr nerdiger Büronachbar Niels und der Uni-Punk Mads bei. Und wer weiß – vielleicht liegt die große Liebe ja ganz woanders, als Katrine es gerade denkt... Was Katrine in dem Roman so alles passiert: #Verliebt! #Liebesregen #GemeinsamEinsam #WiesoMeldetErSichNicht? #Kontaktpause #KomplizierteUmstände #Fernbeziehung #KarriereOderLiebe #OneNightStands #Doktorandin #Kopenhagen #KritischeMitteDreißig ...und vieles mehr!

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Über das Buch

Der etwas andere Liebesroman.

Die große Liebe, was ist das eigentlich?

Katrine, 26 Jahre alt, attraktiv, akademisch erfolgreich, hat 586 Facebook-Freunde – und ist auf der Suche nach der großen Liebe. Doch das ist gar nicht so einfach!

SMS, E-Mail, Facebook und Twitter – sämtliche Kommunikationskanäle stehen Katrine offen. Und doch machen sie ihr Liebesleben fast noch komplizierter!

Da trifft Katrine in einem Kopenhagener Nachtclub auf den ehrgeizigen Wissenschaftler Tom, der ihre Gefühle Achterbahn fahren lässt. Für die selbstbewusste Katrine tut sich plötzlich ein Zwiespalt auf. Ist sie bereit, ihre bisherigen Pläne, Wünsche, Träume und Hoffnungen für Tom aufzugeben? Oder gibt es eine gemeinsame Lösung?

Zum Glück stehen Katrine bei diesen Irrungen und Wirrungen ihre beste Freundin Maria, ihr nerdiger Büronachbar Niels und der Uni-Punk Mads bei. Und wer weiß – vielleicht liegt die große Liebe ja ganz woanders, als Katrine es gerade denkt...

Diese Geschichte ist frei erfunden und ein Produkt meiner Phantasie. Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen und Begebenheiten sind rein zufällig. Aber gewiss können wir den einen oder anderen Charakter irgendwann auch im wirklichen Leben treffen, wenn wir nur mit offenen Augen durch die Welt gehen.

Inhaltsverzeichnis

#Mikkel #SelbstOptimierung #Sex #Kalorienverbrauch

#Niels #Facebook-Freunde #VirtuelleLiebesillusionen

#Maria #KritischeMitteDreißig #SingleFrau #Club

#Tom #WiesoMeldetErSichNicht? #Fünf-Tage-Regel #KontaktBedürfnisse #Bedürftig

#Mads #FaceTime #VirtuelleNeuigkeiten

#Paarbesuch #FalseFriends #Javier #Kumpel #Verknallt

#FeelingExcited #Morgenritual #emotionaleInkontinenz

#FeelingSad #Einsamkeit #Kontrollverlust

#WahreFreunde #VirtuelleFreunde #RealWorld

#VerschwundeneFreundin #VerschwundenerSchwarm

#NochBesteFreundin? #Gedankenchaos #Verliebt!

#LiebeAufZeit #Kontaktpause #Selbstaufgabe

#Julefrokost #FotosAufPartys #MannAufDerFlucht

#OneNightStands #EmotionalerHerpes #Unfriending?

#GesellschaftlicheErwartungen #SocialMediaEntzug

#AkuterLikeEntzug #Einsamkeit #Tom

#Fernbeziehung #Fremdgehen #Ehrlichkeit

#LiebeÜberall #LoveIsEverywhere

#Seifenblase #Tom-Fokussierung #3-Monats-Regel

#OffenheitUndEhrlichkeit #AllesKreuzUndQuer

#VerpassteChancen?

#NäheUndDistanz #In-A-Relationship-Status

#90ProzentAustralien #Ultimatum #FallVonWolkeSieben

#KomplizierteUmstände≠GroßeLiebe? #KarriereUndLiebe

#GemeinsamEinsam #Umzug #NäheUndDistanz

#LoveRules #AllesLiebe

#Herbst #EmotionaleU-Boote #KatrinesKarriereoption

#Gedankenschleifen

#LiebeMitVerfallsdatum #BigGoodbye #UnerwarteterTrost

#Fernbeziehung #SymboleUndTaten #DivergierendeKontaktbedürfnisse

#ScheinUndSein #GesellschaftlicheErwartungen

#PhysischeTrennung #ArbeitAlsFlucht #LiebesKontraste

#DieWahrheit #Einmischung #Liebesgeständnis?

#Beziehungsillusion #FixeIdee #Verliebt?

#UnverhofftKommtOft #VirtuellesSchlussMachen

#Sonnenbrillen #SchokoladenHerzen

Über die Autorin

#Dankeschön an

#Mikkel #SelbstOptimierung #Sex #Kalorienverbrauch

„Deine Wohnung ist sehr gemütlich. Richtig hyggelig“, sagt Mikkel, während er sich neugierig in meiner Küche umschaut.

Es ist unser drittes Date.

Ich habe Mikkel zu mir nach Hause eingeladen, um ihn zu bekochen.

Das ist genau jene Strategie, von der alle Frauenzeitschriften entschieden abraten, da dies zu sehr das alte Klischee vom braven Hausmütterchen bedient, was nicht besonders sexy ist. Aber meine Freunde haben mir bei ihrem letzten Besuch nun einmal diesen riesengroßen Kürbis hinterlassen, den ich dringend verarbeiten muss. Außerdem geht Liebe ja bekanntlich durch den Magen. Und so habe ich Mikkel spontan zum Abendessen eingeladen. Zu einer Kürbiscremesuppe à la Katrine.

„Katrine, sag mal, ist die Suppe auch hundertprozentig rein vegan?“, vergewissert sich Mikkel, während er prüfend in den großen Kochtopf starrt, in dem die Kürbissuppe vor sich hin brodelt.

„Rein vegan, versprochen“, nicke ich, „zu hundert Prozent. Anstelle von Sahne habe ich Kokosmilch verwendet!“

„Du bist echt ein Schatz!“, sagt Mikkel.

Er streift mir sanft über das Haar. „Eigentlich gehe ich ja nicht mit Doktorandinnen der Wirtschaftswissenschaften aus, aber du bist einfach wunderbar!“

„Ach ja?“, erwidere ich neckisch. „Wer wäre denn sonst so deine ideale Partnerin?“

„Eine Doktorandin der Anthropologie, aus meinem Forschungsbereich“, antwortet Mikkel scherzhaft, „aber zur Ergänzung meiner anthropologischen Studien im Bereich der Primaten ist es auch mal sehr interessant, ein weibliches Exemplar der Spezies homo oeconomicus zu testen!“

Ich bin so sehr mit dem Abschmecken der Kürbiscremesuppe beschäftigt, dass ich nur mit halbem Ohr zuhöre. Noch ein kleines bisschen Muskat und eine Prise Salz, dann ist die Mahlzeit perfekt!

„Achtung! Gehst du mal kurz beiseite? Der Suppentopf ist echt schwer!“

Mit viel Kraft hebe ich den gusseisernen Suppentopf hoch und balanciere ihn an Mikkel vorbei zum Küchentisch, wo ich ihn mit voller Wucht abstelle.

„So, wir können essen!“, verkünde ich zufrieden.

Mikkel nimmt mir gegenüber am Küchentisch Platz.

„Mhm, das duftet wundervoll!“, grunzt er und starrt sehnsüchtig auf den großen Topf.

„Na, dann werde ich dir mal etwas Suppe einschenken!“, sage ich munter und ergreife Mikkels Teller.

„Moment! Moment! Nicht so schnell, Katrine, nicht so schnell!“ Ehe ich mich versehe, reißt Mikkel mir seinen Teller aus der Hand. Zutiefst erstaunt blicke ich ihn an.

„Da fehlt noch etwas Wichtiges“, erklärt er mit hoch erhobenem Zeigefinger.

Dann holt er aus dem Flur seine Ledertasche und zaubert einen kleinen, dunklen Karton hervor.

Mit großen Augen starre ich Mikkel erwartungsvoll an. Hat er mir in etwa ein Geschenk mitgebracht?

Behutsam öffnet Mikkel den Karton. Er zieht einen flachen Gegenstand heraus.

Ich stutze kurz.

„Das ist eine elektronische Tisch- und Zählwaage“, erläutert Mikkel sachlich, als ob ich noch niemals zuvor solch ein Objekt gesehen hätte.

„Aha“, sage ich nur, „aha.“

„Ich muss den leeren Teller wiegen, bevor du die Suppe einfüllst... mhm... mhm... so, das sind 291,5 Gramm“, murmelt Mikkel. Aus seiner Hosentasche zieht er sogleich sein Smartphone heraus, öffnet irgendeine App und gibt das Gewicht des Suppentellers ein. Auf die Kommastelle genau.

„Was machst du da?“, frage ich ihn entgeistert.

„Ich optimiere mich selbst, Katrine“, antwortet Mikkel, „als Ökonomin sollte dich das eigentlich interessieren. Ich gebe in meine neue kluge App einfach alles ein. Alle Daten, die mein Leben so ausmachen. Schau her, das hier sind die Kilometer, die ich von mir zu dir mit dem Fahrrad gefahren bin. Ganz automatisch wird über die GPS-Koordinaten die Kilometerzahl ermittelt. Sogar meine Durchschnittsgeschwindigkeit wird berechnet. Daneben kannst du sehen, wie viele Kalorien ich dabei verbrannt habe.“

Euphorisch deutet Mikkel auf den Bildschirm seines Smartphones.

„Ist das nicht super? Meine Kalorienampel steht auf grün. Durch das Fahrradfahren darf ich sogar besonders viel essen. Das ist sehr praktisch, wo du so lecker gekocht hast! Ich bin heute in der Mittagspause außerdem dreihundert Schritte zusätzlich gegangen. Dadurch habe ich noch mehr Kalorien verbrannt. Die App ist nämlich auch an meinen Schrittzähler gekoppelt.“

„Aha.“ So richtig vermag mich Mikkels Begeisterung nicht anzustecken.

Dass er einen phänomenalen Körper hat, in den er extrem viel Zeit und harte Arbeit investiert, sieht man auf den ersten Blick. Aber so viel Selbstoptimierung auf einmal, das erscheint selbst mir als Ökonomin zu viel!

„Katrine, bist du so lieb und verrätst mir, welche Zutaten in der Kürbissuppe sind? Gerne mit genauer Mengenangabe“, reißt Mikkel mich aus meinen Gedanken.

„Äh, ja klar. Also, ein halber großer Hokkaido-Kürbis, zwei Kartoffeln, drei Möhren, eine Zwiebel, etwas Koriander, Knoblauch, ein Liter Gemüsebrühe sowie hundert Gramm Kokosmilch“, gebe ich bereitwillig Auskunft.

Ich bin immer noch so verwirrt über Mikkels Optimierungswahn, dass ich überhaupt nicht weiß, wie ich mich jetzt verhalten soll. Seit über einem Jahr bin ich Single, und ich verspüre das dringende Bedürfnis nach Sex. Wie eine Sahneschnitte auf zwei Beinen ist Mikkel plötzlich in meinem Leben aufgetaucht, als er mich in der Uni-Mensa in ein Gespräch verwickelt hat. Unsere ersten beiden Dates im Café waren sehr unterhaltsam und lustig gewesen.

Mikkel ist verdammt gut aussehend, verdammt klug, verdammt durchtrainiert und verdammt charmant. Aber leider auch verdammt durchoptimiert. Mit so einem Schocker habe ich jedenfalls nicht gerechnet!

Aber wer weiß – vielleicht ist Mikkel mit seinem optimierten Traumkörper ja trotzdem ganz phantastisch im Bett...

In der Zwischenzeit hat Mikkel alle Daten in seine App eingegeben.

„So, jetzt darfst du mir gerne die Suppe einschenken!“, erklärt er strahlend.

Kaum ist sein Teller randvoll, stellt er diesen natürlich wieder auf die mitgebrachte Waage und tippt das angezeigte Gewicht in sein Smartphone ein.

„Diese App ist wirklich smart“, meint er dann, „sie subtrahiert automatisch das Gewicht des Tellers, welches ich zuvor eingegeben habe. Somit können das Nettogewicht der Mahlzeit und die dazugehörigen Kalorien ermittelt werden. Wenn ich möchte, kann ich das sogar live auf allen sozialen Kanälen im Internet posten. Mit nur einem Klick auf meinem Smartphone!“ „Na, denn, Prost Mahlzeit!“, sage ich nur.

Der Rest des Abendessens verläuft erstaunlich normal.

Mikkel berichtet mir von seiner letzten Forschungsreise nach Grönland. Er bekommt leuchtende Augen, als er mir von seiner Expedition nach Qaanaaq im Norden des Landes auf den Spuren der Inuit und der Dorsetkultur erzählt.

„Stell dir mal vor, Katrine, wahrscheinlich hat erst das Thulevolk die Schlittenhunde nach Grönland gebracht“, erklärt Mikkel, „die Dorset hatten dagegen weder Kajaks noch Schlitten! Es ist einfach total faszinierend, dass ihre Werkzeuge so völlig anders gewesen sein müssen als bei den Inuitvölkern, die wir sonst kennen! Ein wahres Mysterium!“

Während Mikkel begeistert referiert, spüre ich, wie sehr ich ihn mag.

Er ist Feuer und Flamme für seine Forschung. Das macht ihn verdammt attraktiv und faszinierend.

Optimierungswahn hin und her, jeder hat doch irgendeinen komischen Spleen.

Ansonsten ist Mikkel einfach super! Soviel steht für mich fest.

Und bestimmt ist er doch ein geeigneter Sexualpartner. Oder noch viel mehr. Wer weiß.

* * *

Eine Stunde und drei abgewogene Teller Kürbiscremesuppe später landen Mikkel und ich in meinem Bett.

„Katrine, du bist wie eine Zwiebel“, murmelt Mikkel, „Lage über Lage... T-Shirt, Top, BH... ich muss dich erstmal richtig pellen!“

„Haha, ich bin eben ein Geschenk! Mich musst du erstmal komplett auspacken, bevor du mich genießen kannst“, kichere ich zufrieden.

„Genau!“ Mikkel öffnet geschickt meinen BH.

Der Mann ist gut in Übung, das ist glockenklar.

In der Zwischenzeit habe ich Mikkel ebenfalls sämtlicher Kleidungsstücke entledigt und ihn in seinen puren Naturzustand verwandelt.

Wow! Er sieht wirklich verdammt gut aus.

Noch viel, viel besser, als es die Konturen unter seinem engen T-Shirt zuvor erahnen ließen.

Sein Körper ist wirklich komplett durchoptimiert.

Kein Gramm zu viel und jeder Muskel genau an der richtigen Stelle.

„Moment mal!“, ruft Mikkel mit erhobenem Zeigefinger, als wir gerade voll in Aktion beim Vorspiel sind. Er greift zu seiner Hose.

So ein vernünftiger Mann! Er holt bestimmt ein Kondom hervor, denke ich aufgeregt.

Aber es kommt anders.

Statt eines Präsers zieht Mikkel sein Smartphone aus der Hosentasche.

„Sobald ich in dir drinnen bin, drücke ich auf den Timer, Katrine. Dann kann meine App genau kalibrieren, wie viele Kalorien ich während des Sexes verbrauche. Das geht dann in meine tägliche Kalorienbilanz ein. Ist doch okay für dich, oder? Magst du oben oder unten liegen? Oder lieber eine andere Stellung? Das muss ich ebenfalls noch schnell eintippen!“

„Sag mal, spinnst du jetzt total?“

Völlig entgeistert sehe ich Mikkel an.

„Vielleicht kannst du deiner App auch gleich noch meine exakte Adresse mitteilen, wo du in welcher Stellung die ganzen Sexkalorien verbrannt hast!“, fauche ich erbost.

„Deine Adresse habe ich ohnehin bereits eingetragen, zur Bestimmung der Fahrradstrecke“, erwidert Mikkel unbeeindruckt.

Zu meiner großen Verwirrung muss ich feststellen, dass Mikkel trotz unseres Gespräches nach wie vor äußerst standhaft ist. Aber egal. Mir ist die Lust gewaltig vergangen.

„Ej, Mikkel, ich glaub’ es einfach nicht! So was ist mir noch nie passiert! Du gehst jetzt besser!“, sage ich bestimmt. „Und zwar für immer!“

Eines habe ich an diesem Abend für meine Zukunft als Ökonomin definitiv gelernt: Optimiert ist nicht immer optimal.

#Niels #Facebook-Freunde #VirtuelleLiebesillusionen

Wie real ist eigentlich die virtuelle Welt?

Diese Frage stelle ich mir in den letzten Monaten immer häufiger, je mehr Zeit ich auf Facebook verbringe. Ganz langsam und behutsam hat sich dieses soziale Netzwerk in meinen Alltag eingeschlichen. Erst fand ich es nur ungemein praktisch, auf diese Weise mit vielen Freunden, die über den ganzen Globus verstreut sind, locker in Kontakt zu bleiben. Sehen zu können, was sie so machen, forschen, essen, denken, lesen, fühlen, lustig finden, kritisieren und mit ihren Partnern und Freunden so alles anstellen.

Es ist total faszinierend.

Über Facebook kann man mit hunderten von Menschen in Kontakt bleiben, bei Bedarf sogar intimste Gedanken und Gemütszustände austauschen, während man dabei schön bequem auf seinem Sofa sitzt und eine Tasse Kaffee trinkt.

Das ist einfach sehr, sehr praktisch. Unbestritten.

Komplizierter wird es in der virtuellen Welt hingegen beim Thema Liebe.

Wie real ist da eigentlich das Virtuelle?

Die ganzen Streicheleinheiten, Herzchen und Likes, die ich in sozialen Netzwerken bekomme. Sind das wahre Freundschafts-, Flirt- und Zuneigungsbekundungen? Oder sind es schale, oberflächliche Botschaften, die ich eventuell in einem Anflug von romantischer Melancholie komplett überbewerte? Woher will ich eigentlich wissen, welche dieser virtuellen Streicheleinheiten real und aufrichtig sind – und welche nicht?

Und in wieweit muss ich umgekehrt das Reale in die virtuelle Welt transportieren? Zum Beispiel, wenn ich einen neuen Freund habe. Muss ich mit dem dann auch auf Facebook liiert sein?

* * *

Mit meiner Verwirrung über die Vermischung der realen und der virtuellen Liebeswelt stehe ich zum Glück nicht allein da. Nehmen wir zum Beispiel meinen Büronachbarn Niels.

Niels, der genau wie ich in Volkswirtschaftslehre promoviert, ist eigentlich ein eher nüchterner Zeitgenosse. Aber auch ihn hat neulich Amors Pfeil mit voller Wucht getroffen.

Sein Objekt der Begierde heißt Helle.

Helle hat lange, blonde Haare, wohnt in Aarhus und studiert dort mit großer Begeisterung Kunstgeschichte. Ganz zufällig haben sich die beiden auf einer Party in Kopenhagen kennengelernt. Und auf Anhieb irre gut verstanden. Der nächste konsequente Schritt war eine sofortige Freundschaft auf Facebook, um auch künftig Kontakt halten zu können. Seitdem sitzt Niels häufig mit verträumten Augen im Büro und starrt andächtig auf sein Smartphone, auf dessen Bildschirm Helles Facebook-Profil in seiner vollen Schönheit zu bewundern ist. Inklusive aller Status-Updates. Niels ist gar nicht mehr der objektive Analytiker, als den ich ihn sonst kenne. Er ist zum wahren Facebook-Romantiker mutiert.

„Einen wunderschönen guten Morgen, Katrine!“, ruft Niels gut gelaunt, als ich an einem Montagvormittag unser Büro betrete.

„Guten Morgen, Niels!“, erwidere ich gähnend.

Zu meiner Verwunderung stelle ich fest, dass im Hintergrund Musik zu hören ist.

Sanfte Soul-Musik aus den sechziger Jahren.

Die schmeichelnden Klänge ertönen aus Niels’ Computerlautsprechern. Und das, wo er doch sonst nur für Heavy Metal und Punk Rock zu haben ist.

„Niels, seit wann hörst du denn Soul?“, erkundige ich mich überrascht.

„Magst du die Musik, Katrine?“, fragt Niels vorsichtig.

„Falls sie dich stört, kann ich sie sofort ausmachen.“

„Nein, nein, kein Problem, ist schon in Ordnung“, beeile ich mich zu sagen, „nur seit wann magst du Soul?“

„Das sind Helles Lieblingslieder“, erklärt Niels stolz, „sie hat heute morgen auf Facebook eine Liste ihrer zwanzig liebsten Lieder gepostet. Ist das nicht toll? Auf diese Weise kann ich ihr ganz nah sein.“

Ich rümpfe kurz die Nase.

„Aber dadurch bist du ihr doch kein Stückchen näher, nur weil du ihre Musik hörst! Also echt, Niels! Dich hat’s diesmal aber voll erwischt, oder?“

„Ich weiß, ich weiß!“, seufzt Niels.

Er kratzt sich verlegen am Hinterkopf und schaut mich grinsend wie ein Honigkuchenpferd an. „Oh Mann, Katrine, ich bin so was von verknallt!“

Mein sonst so nüchterner Büronachbar Niels sieht richtig süß aus, als er das sagt.

„Und weißt du was? Helle ist nächstes Wochenende in Kopenhagen! Sie hat mir eine Private Message über Facebook geschrieben, ob wir uns treffen wollen! Ist das nicht toll?“

„Das ist echt super!“ Ich lächele Niels an. „Dann kannst du sie endlich im realen Leben näher kennenlernen, anstatt die ganze Zeit virtuell von ihr zu schwärmen!“

„Jaaa“, sagt Niels gedehnt, „es wird auch höchste Zeit! Ich habe nur keine Ahnung, wie ich mich bei unserem Date verhalten soll.“

„Wieso das denn?“ Verständnislos sehe ich ihn an.

„Na ja, Katrine, weißt du“, druckst Niels herum, „ich habe in den letzten Wochen ziemlich viel Zeit auf Helles Facebook-Seite verbracht. Dadurch habe ich sie sehr gut kennengelernt. Stell’ dir vor, sie hat die gleichen Lieblingsschriftsteller wie ich! Ist das nicht ein krasser Zufall? Und genau wie ich isst sie gerne Lakritz und liest die Zeitung Politiken! So was kann doch kein Zufall sein!“

„Ich glaube, es gibt ziemlich viele Dänen, die Lakritz essen und Politiken lesen“, bemerke ich trocken.

Allmählich geht mir Niels gewaltig auf die Nerven.

Denn mal im Ernst. Vor drei Wochen hat er diese Helle kennengelernt. Im realen Leben haben die beiden eine einzige Unterhaltung miteinander geführt. Im angetrunkenen Zustand. Obwohl dieses Mädel ihm nicht mehr als ein paar Likes und einige Privatnachrichten auf Facebook geschrieben hat, befindet sich mein Büronachbar im absoluten Ausnahmezustand. Ja, es kommt mir vor, als hätte diese Helle ihn in den siebten Liebeshimmel katapultiert. Wie ein emotionaler Blitz muss diese Party-Begegnung bei ihm eingeschlagen haben. So übertrieben romantisch sind sonst nur meine Freundinnen kurz vor ihrem Eisprung drauf...

„Ha! Katrine, guck mal!“, ruft Niels begeistert aus.

„Helle hat gerade ein Foto geliked, dass ich gestern gepostet habe. Von einem Sonnenuntergang, als ich am See in Christiania war. Glaubst du, das hat was zu bedeuten?“

„Nee, ehrlich gesagt nicht“, erwidere ich nüchtern, „so aktiv wie deine Helle auf Facebook zu sein scheint, hat das garantiert nichts zu bedeuten!“

Während ich so objektiv argumentiere, stelle ich fest, dass Niels und ich momentan unsere Rollen getauscht haben. Ich bin die Analytisch-Nüchterne, und er ist der Romantisch-Emotionale.

„Oh Mann, ich finde das alles so furchtbar kompliziert! Wie verhalte ich mich denn jetzt am besten bei unserem ersten Date?“, fragt Niels mich ratlos. „Ich kenne ja schon Helles Hobbys, ihre Lieblingsmusik, ihre Lieblingsbücher und sogar ihre Lieblingsplätze in Aarhus und in Kopenhagen. Wie gehe ich am besten vor? Wenn sie mir etwas von sich erzählt, soll ich dann überrascht tun? Oder soll ich ihr ganz offen sagen, dass ich ihr Facebook-Profil bereits intensiv studiert habe?“

„Zumindest würde ich an deiner Stelle so tun, als ob du nicht schon alles über sie wüsstest“, antworte ich bestimmt, „ansonsten wäre das ausgesprochen unromantisch! Das nimmt den ganzen Zauber des ersten Kennenlernens weg!“

Niels kratzt sich nachdenklich am Kopf.

„Und was ist mit der Restaurantwahl? Helle hat vor ein paar Monaten auch gepostet, welches Lokal sie in Kopenhagen am liebsten mag. Soll ich gleich dort für unser Date einen Tisch reservieren? Und dann so tun, als ob das ein totaler Zufall wäre, dass wir beide das gleiche Restaurant mögen? Oder ist das zu eigenartig?“, erkundigt er sich zweifelnd.

Ich schüttele nur noch den Kopf.

„Du hast vielleicht Ideen! Das ist echt zu eigenartig, Niels! Fast schon gruselig!“, erwidere ich bestimmt. „Das grenzt ja bereits an Cyber-Stalking!“

„Ja, ja, Katrine, du hast ja recht, du hast ja recht! Ich buche dann einfach einen schönen Tisch in meinem Lieblingscafé“, beschließt Niels.

Seufzend rückt er seine Brille zurecht. Er sieht fast verzweifelt aus.

„Oh je, du Armer! Du bist ja völlig durcheinander! Ich habe das Gefühl, wenn du nicht so viele Informationen über Helle hättest, könntest du viel natürlicher an die Sache herangehen!“, konstatiere ich sachlich.

„Das stimmt!“ Niels nickt heftig. „Ach ja, aber wer weiß. Über Facebook habe ich mich noch viel mehr in sie verliebt, als ich es ohnehin schon war. Alle die klugen, tiefsinnigen Äußerungen, die sie immer postet...

Und ohne Facebook hätte ich auch nicht die schönen Fotos von ihr gesehen, die mir erst klar gemacht haben, wie hübsch sie eigentlich ist...“

„Nun ja, Photoshop kann Wunder bewirken“, werfe ich scherzhaft ein.

Niels lacht kurz. Doch dann wird er plötzlich ganz ernst. „Aber in einem hast du recht, Katrine. Zu viel über den anderen im Voraus zu wissen, ist manchmal echt Scheiße“, sagt er leise.

„Wie meinst du das?“, frage ich ihn überrascht. „Bisher bist du von Helles Internetpräsenz doch hellauf begeistert gewesen!“

„Eigentlich schon. Nur ist da halt die Sache mit ihrem Ex, die mich total verunsichert“, meint Niels nachdenklich.

Ich ziehe fragend die Augenbrauen hoch. „Mit ihrem Ex?“

„Ja, Jeppe heißt er.“ Wieder nickt Niels heftig. „Helle hat ein komplettes Fotoalbum nach ihm benannt, das jede Menge Bilder enthält. Da sind sogar Fotos vom letzten Jahr bei, wo die beiden gemeinsam auf Tahiti in Urlaub waren. Auf den Fotos sehen sie extrem glücklich aus.“

„Mhm“, überlege ich laut, „wenn sie da noch ein Paar gewesen sind, waren sie zu dem Zeitpunkt bestimmt auch total glücklich. Aber so eine Vergangenheit hat doch jeder von uns. Das hat nichts zu bedeuten!“

„Es ist aber total verhext mit diesem Ex!“, ereifert sich Niels. „Helle hat zwar gesagt, dass sie seit einem halben Jahr wieder Single ist. Aber der Typ schreibt jeden zweiten Tag etwas auf ihre Pinnwand. Jeden zweiten Tag, Katrine, stell dir das mal vor!“

„Ach, bestimmt sind die beiden einfach nur total gute Freunde“, überlege ich laut, „so richtig gute Kumpels, weißt du? Und außerdem ist das ja nur rein virtuell!“

„Also, mir kommen die ganzen Kommentare und Like-Bekundungen von Helles Ex ziemlich real vor“, erwidert Niels nüchtern.

„Mhm.“ Nachdenklich kratze ich mich am Arm.

Wieder rückt Niels seine Brille zurecht.

„Katrine, jetzt mal ehrlich. Manchmal postet Helles Ex sogar ein Herz auf ihre Pinnwand!“

„Ach, das hat bestimmt keine Bedeutung! Mach dir da mal nicht so viele Gedanken!“, wiegele ich ab. „Ich poste auch Herzen auf Pinnwände. Häufig sogar bei meiner besten Freundin Maria, und in die bin ich ja schließlich auch nicht verknallt!“

Niels sieht mich nachdenklich an.

So richtig scheinen ihn meine Ausführungen nicht zu überzeugen.

„Warte doch einfach euer Date ab! Spekulieren bringt sowieso nichts. Nach dem nächsten Wochenende weißt du mehr, das wird schon alles gut werden!“, sage ich aufmunternd zu Niels.

„Das stimmt! Ich lasse mich einfach überraschen!“, stimmt er mir zu und strahlt wieder.

Er scheint sich riesig auf das Date zu freuen.

Und im Stillen bemerke ich, dass ich Niels schon lange nicht mehr so glücklich gesehen habe. Deshalb wünsche ich ihm das so sehr, die Erfüllung der großen Liebe.

Denn er ist wirklich ein feiner Kerl, der eine tolle Frau an seiner Seite verdient hat!

* * *

Eigentlich hätte ich durch Niels’ verblendete Internet-Romantik gewarnt sein müssen. Trotzdem kann ich selbst wenige Stunden später der Versuchung nicht widerstehen.

Auch wenn der Abend mit Mikkel total bescheuert war, beschäftigt mich dieser Typ irgendwie immer noch. Und neugierig wie ich bin, frage ich mich, was er wohl gerade macht.

Ja, so bin ich eben.

Sehr gut im objektiven Ratschläge geben, was das virtuelle Liebesleben anderer betrifft. Aber leider weitaus weniger konsequent, was mein eigenes Verhalten anbelangt.

Ich öffne die Facebook-App auf meinem Smartphone.

Mikkel und ich sind in der virtuellen Welt ja immerhin befreundet. Vorausgesetzt, dass er mich in der Zwischenzeit nicht von seiner Freundesliste gelöscht hat.

Früher haben mich Männer nach meiner Telefonnummer oder nach meiner E-Mail-Adresse gefragt, wenn sie mich toll fanden. Heute werde ich zum unverbindlichen Kontakt halten einfach als Freundin auf Facebook hinzugefügt. Es ist genauso wie bei Niels und Helle. Obwohl die Typen mich gar nicht kennen, bekomme ich so Einblicke in ihren Freundeskreis und in ihre intimsten Gedanken und Interessen. Je nachdem, wie stark die emotionale Inkontinenz bei ihnen ausgeprägt ist. Neben dem Schlussmachen im realen Leben gehört für viele die Freundschaftskündigung auf Facebook fest mit dazu. Theoretisch zumindest.

Mhm.

Mikkel hat mich bislang jedenfalls nicht von seiner Freundesliste gelöscht.

Dafür scheint er viel Zeit für das Posten von Fotos verwandt zu haben. „With true love from the North of Greenland“ heißt eines seiner vielversprechenden Fotoalben, in das er heute Vormittag zig Bilder hochgeladen hat. Lauter Bilder von seiner Qaanaaq-Expedition.

Noch beeindruckender als diese Bilder sind jedoch die Kommentare, die Mikkels Facebook-Freundinnen dazu abgegeben haben.

„Oh, Mikkel, you are so brave! My hero! I love you!!!“, schreibt eine Melinda aus London zu einem von Mikkels Fotos. Auf letzterem sieht man ein grün schillerndes Polarlicht am Himmel, das fast die Form eines Herzens annimmt. Es ist tatsächlich sehr gut gelungen, dieses Bild. Das muss ich neidlos anerkennen. „Magnifique! Beautiful! Love ya, too! Je t’aime!“, folgt der nächste Kommentar von einer Aurelie aus Paris. Dahinter hat sie ein Herz gepostet. Wie süß.

Und dennoch. Ganz so locker und cool finde ich dieses Posten von Herzen auf einmal gar nicht mehr...

„Next time I’ll join you, my beloved!“, schreibt dann eine Anna aus Andalusien.

Dicht gefolgt von einer Anita, die fröhlich kundtut: „With love from Rome! Glad you’re back home safe!“

„Ej, hvor skønt! Meget romantisk! A heart from my sweetheart! Jeg elsker dig!“, lautet der letzte Kommentar, von einer Merrit aus Kopenhagen.

Auf ihren dazugehörigen Profilbildern sehen diese Frauen verdammt umwerfend aus.

Es ist zutiefst faszinierend.

Obwohl Mikkel erst vor wenigen Stunden diese Bilder hochgeladen hat, muss sein weiblicher Fanclub so verzückt darüber gewesen sein, dass ihn alle sofort mit liebevollen Botschaften überfluten.

„Thank you all! Love ya, too! All of you!“, hat Mikkel vor einer knappen Stunde auf die liebevollen verbalen Zuwendungen geantwortet.

Und dafür prompt zwanzig Likes erhalten.

Nun ja. Zumindest hat Mikkel noch nicht damit angefangen, seinen Kalorienverbrauch zu posten, wie er es scherzhaft zu mir gemeint hatte. Unser nächtliches Optimierungs-Intermezzo bleibt also nur der realen Welt vorbehalten. Dort, wo es auch hingehört.

Mir reicht es trotzdem für heute mit diesen virtuellen Liebesbekundungen. Und mit Mikkel.

Meine Entscheidung, ihn während des Dates hochkantig aus meiner Wohnung zu werfen, ist goldrichtig gewesen. Mit ihm wäre ich einfach nicht glücklich geworden, bei diesem Harem! Trotz seines phänomenalen Körpers.

Wie schön, dass mir Facebook das noch einmal bestätigen konnte.

Trotzdem bringe ich es nicht übers Herz, Mikkel von meiner Freundesliste zu entfernen.

Ihn zu unfrienden, wie man so schön sagt.

Irgendetwas hält mich davon zurück, für immer den Kontakt mit ihm auf Facebook zu kappen.

Gleichzeitig ärgere ich mich über mich selbst. Darüber, dass ich mal wieder viel zu viel Zeit im Internet verschwendet habe. Und darüber, dass Mikkel mich immer noch so sehr beschäftigt.

Ich verabschiede mich von der virtuellen Welt und stecke entschlossen mein Smartphone in meine Handtasche zurück. Back to the real world.

Exakt eine Woche später komme ich Montagmorgens in unser Büro, wo Niels bereits an seinem Schreibtisch sitzt und über seinen Gleichungen brütet.

Dieses Mal ertönt keine einfühlsame Soul-Musik aus den Lautsprechern.

Stattdessen sind die energiegeladenen Rhythmen der Sex Pistols mit voller Wucht zu hören.

Sofort, als er mich sieht, schaltet Niels den Ton aus.

„Und wie war’s? Wie war dein Date mit Helle?“, frage ich ihn gespannt.

„Ach, Katrine, du glaubst es nicht! Sie hat ’nen Anderen!“, antwortet Niels wie aus der Pistole geschossen.

„Was? ’Nen Anderen?“ Erstaunt sehe ich Niels an. „Ist es dieser Jeppe, ihr Ex, der ständig die Herzen auf ihrer Pinnwand postet?“

„Nein.“ Niels schüttelt den Kopf. „Der Typ heißt Jesper. Die beiden studieren gemeinsam Kunstgeschichte. Vor zwei Wochen sind sie zusammen gekommen. Es muss urplötzlich gewesen sein. Helle ist total fasziniert von ihm und seinen politischen Ansichten. Dieser Jesper hat kein Facebook-Account, weil er als Künstler digitale Kommunikation total verabscheut. Er besitzt noch nicht einmal ein eigenes Handy!“

„Wow! Das ist echt krass!“, rutscht es mir heraus.

„Ja, finde ich auch“, meint Niels, „da verfolge ich wie wild Helles Facebook-Profil. Ich bilde mir ein, sie irre gut zu kennen. Habe Angst, dass ihr Ex-Freund eine Gefahr darstellt. Und in Wirklichkeit läuft in ihrem realen Leben etwas ganz Anderes ab, was ich überhaupt nicht mitkriege. Das ist doch echt bescheuert, oder?“

„Ja, das ist es! Oh je, Niels, das tut mir wirklich leid für dich!“, murmele ich betroffen.

„Das braucht es nicht“, winkt Niels entschieden ab.

Es ist offensichtlich. Der rationale Niels ist zurück. Auf einmal wirkt er wieder ganz wie er selbst.

„Die Gespräche mit Helle waren ziemlich ernüchternd. Ich glaube, bei der Party habe ich damals ziemlich viel Alkohol intus gehabt, als wir uns kennengelernt haben“, erklärt Niels ausgesprochen sachlich, „der Zauber war bei unserem Date wie verfolgen. Und weißt du was?

Ihre ganzen feinsinnigen Kommentare auf Facebook waren immer nur irgendwelche Sprüche von diesem Jesper, die sie dann gepostet hat! Alleine würde Helle niemals auf solche tiefen Gedanken kommen!“

„Jetzt bist du aber sehr gemein!“, erwidere ich.

„Nein, das hat sie mir selbst erzählt! Dass dieser Jesper so klug ist und sie mit seinen tollen Eingebungen immer wieder aufs Neue zum Posten inspiriert!“, beharrt Niels. „Verrückt! Das ist einfach nur verrückt!“ Ich atme tief durch. Manchmal ist das Leben wirklich krasser, als irgendein Roman es jemals sein könnte. „Nur eines verstehe ich nicht, Niels. Wieso hat sich Helle dann überhaupt mit dir auf ein Date getroffen?“

„Och, weil sie mich ganz nett fand. Sie hat das überhaupt nicht als ein Date angesehen, sondern gedacht, wir wären beste Kumpels.“ Niels räuspert sich kurz und rückt seine Brille umständlich zurecht. „Die ganze Verliebtheit ist anscheinend nur ein Produkt meiner Phantasie gewesen.“

„Wow, so kann es gehen!“ Ich nicke schwer beeindruckt.

„Aber weißt du was komisch ist, Katrine? Irgendwie fand ich es trotzdem schön! Einfach total schön, mal wieder verliebt zu sein und diese Idee zu haben, dass es irgendwo da draußen jemanden gibt, der mich mag.“ Niels lächelt mich an.

Trotz des ungewöhnlichen Ausgangs scheint er überhaupt nicht traurig zu sein.

Ich bin richtig gerührt, als Niels mich so anschaut.

„Ja, vielleicht sind wir manchmal auch nur in das Verliebtsein verliebt“, seufze ich und atme tief durch.

In dem Moment blickt Niels auf sein Smartphone.

„Oh, Katrine, schau mal! Helle hat etwas auf meine Pinnwand geschrieben!“

„Was denn?“

Niels hält mir sein Smartphone vor die Nase.

„War schön gestern mit dir in Kopenhagen“, steht da geschrieben. Daneben ist ein Herzchen gepostet. Von Helle. Wie süß. Drei ihrer Freunde haben diesen Post bereits geliked.

„Wie gut, dass Helles neuer Freund nicht bei Facebook ist“, witzele ich, „der würde sonst glatt eifersüchtig werden.“

„Es hat alles keine Bedeutung“, meint Niels achselzuckend, „zumindest bei Helle nicht.“

Jetzt klingt er irgendwie doch desillusioniert.

Aber er hat ja schließlich recht. Es hat alles keine Bedeutung.

Jedenfalls bei Helle nicht.

* * *

Likes, Herzen, Zuneigung – nach dieser Erfahrung wird mir klar, dass ich, was mein virtuelles Liebesleben betrifft, keinen Schritt weitergekommen bin.

Denn wer weiß. Vielleicht besteht Mikkels Facebook-Harem ja auch nur aus lauter guten Freundinnen. Hunde, die bellen, beißen nicht, wie man so schön sagt. Und vielleicht war seine ach so abenteuerliche Qaanaaq-Expedition in Wirklichkeit total langweilig. Schließlich posten wir ja immer nur das optimierte Bild nach außen, das wir anderen von uns vermitteln wollen.

Für mich ist nur noch eines sicher: Dass im virtuellen Liebesleben gar nichts sicher ist. Genau wie im realen Liebesleben eben auch nicht.

#Maria #KritischeMitteDreißig #SingleFrau #Club

Manchmal frage ich mich, wie das so sein mag, mit Mitte dreißig noch Single zu sein.

Oder wieder Single zu sein, müsste man besser sagen.

Zum Glück bin ich von diesem Alter noch weit entfernt. Mit meinen 26 Jahren stehen mir alle Möglichkeiten des Lebens offen. Sowohl in der Welt der Liebe als auch bei meinem beruflichen Werdegang.

Aber die quälende Frage stellt sich mir manchmal natürlich schon. Wie würde ich mich fühlen, wenn ich mit Mitte dreißig alleinstehend wäre? Und ab wann muss ich aktiv werden, damit so ein katastrophaler Zustand erst gar nicht eintritt?

Soll ich jetzt schon aktiv nach dem Mann des Lebens suchen, anstatt es komplett dem Zufall zu überlassen?

Zu dieser philosophischen Frage kann mir nur eine Expertin Auskunft geben, die die katastrophale Singlemit-Dreißig-Situation am eigenen Leib erfahren hat.

Meine beste Freundin Maria.

Maria entspricht exakt dem, was man die tragische Gestalt der Neuzeit nennt. Eine top-ausgebildete Frau, Mitte dreißig, promoviert, ausgesprochen hübsch, intelligent, witzig und charmant. Maria ist Associate Professor an der biologischen Fakultät, mit besten Aussichten bald eine Berufung als Professorin zu erhalten. Ursprünglich stammt Maria aus Norditalien. Aber sie ist viel in der Welt herumgekommen. In ihrem Lebenslauf reihen sich renommierte Stationen wie Harvard, Stanford, Johns Hopkins und Kyoto nur so aneinander wie Perlen auf einer Halskette frisch vom Juwelier. Dazu hat Maria einen Humor, der einen regelrecht umhaut. Wenn ich ein Mann wäre, würde ich mich sofort in sie verlieben. Wir haben uns zufällig in der Freitagsbar an der Uni kennengelernt, wo sich viele Doktoranden und akademische Mitarbeiter zur Einstimmung auf das Wochenende treffen.

Es war Freundschaft auf den ersten Blick zwischen uns.

„Sag mal, Maria, bist du manchmal eigentlich traurig?“, frage ich sie relativ unbedarft, als wir eines Freitags am Bartresen sitzen.

„Wieso sollte ich denn traurig sein?“, fragt Maria überrascht.

„Na ja, du bist so eine tolle Frau! Und trotzdem hast du keinen festen Partner, mit dem du eine Familie gründen kannst!“, platzt es aus mir heraus.

Maria sieht mich irritiert an.

„Also, ganz ehrlich, Katrine! Nein. Eigentlich bin ich nicht traurig.“ Sie zwirbelt eine ihrer langen, dunklen Haarsträhnen um ihren Finger. „Das, was mich am meisten traurig macht, sind Menschen wie du, die mir immerzu solche Fragen stellen!“

„Oh, sorry! So habe ich das nicht gemeint!“ Schuldbewusst nippe ich an meinem Bierglas.

„Ich weiß. Es war aber trotzdem etwas unbedarft, Katrine.“ Marias Blick ist jetzt wieder freundlich. Sie steckt sich die Haarsträhne, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hat, hinter das linke Ohr. Nachdenklich schaut sie mich an. „Willst du die Wahrheit wissen, wie es mir geht? Willst du das wirklich wissen?“

Ich nicke mit Nachdruck. „Ja, klar! Und sei mir bitte nicht böse, dass ich so neugierig frage! Mir kann es mit Mitte dreißig ja genauso gehen. Deshalb interessiert mich das so sehr. Keiner weiß, was die Zukunft bringt.“ Maria setzt sich aufrecht hin. „Also, um es dir ganz direkt zu sagen, Katrine: Es nervt alles einfach nur total! Meine Familie macht mir großen Druck, bald ein paar süße Enkelchen zu produzieren. Meine Großmutter in Verona erwartet sehnlichst ihr Urenkelchen, mit dem sie eine Runde spielen kann, um ihre tägliche Langeweile zu vertreiben. Und klar, natürlich hätte ich gerne einen Freund. Vielleicht sogar einen Ehemann und Kinder. Aber ich kann mir nun mal keinen backen. Alle Partner, die ich bisher hatte, wollten, dass ich mich ihnen total anpasse. Ich bin immer wieder aus diesen Beziehungen ausgebrochen und habe einfach mein Leben gelebt, an verschiedenen Unis in den USA gearbeitet. Natürlich wäre ich bereit, für die große Liebe vieles aufzugeben. Aber es muss beidseitig sein. Einen Typen zu finden, mit dem die Beziehung eine Einbahnstraße ist und dem ich wie ein Hündchen folgen soll, das ist nichts für mich! Außerdem gibt es etwas, das noch viel schlimmer ist, als alleine zu sein: Einsam in einer Beziehung zu sein. Das habe ich schon oft genug erlebt.“

Nachdem sie ihren Monolog beendet hat, sieht die sonst so liebe Maria mich herausfordernd an.

„Wow!“, sage ich nur noch. „Wow! Du hast recht!“

„Es ist keine Schwierigkeit für mich, irgendeinen Mann aufzutreiben, Katrine“, erklärt Maria bestimmt, „aber ich möchte halt auch einen, bei dem es passt. Der mich so akzeptiert, wie ich bin, verstehst du.“

„Aber du hast doch mal erzählt, dass du eine dreijährige Beziehung hattest, als du in Stanford warst, oder?“, frage ich Maria.

„Ja, das schon“, bestätigt sie, „mit ihm hätte ich mir sogar Kinder vorstellen können. Wir waren bereits verlobt. Aber er konnte sich nicht richtig binden. Kurz vor unserer geplanten Hochzeit wollte er plötzlich eine offene Beziehung, um sich noch einmal so richtig auszutoben. Ich konnte dieser Logik nicht folgen und habe die Hochzeit dann kurzfristig abgeblasen.“

Maria stehen Tränen in den Augen, als sie das sagt.

Ich merke, dass hinter ihrer selbstbewussten Schale ein sehr weicher, verletzlicher Kern stecken muss.

„Ach, komm doch mal her.“ Freundschaftlich lege ich meinen Arm um sie.

Ein Hauch von Marias Parfum weht zu mir herüber. Wie eine Mischung aus Meerwasser und Sommerbrise. Sie riecht einfach verdammt gut, meine beste Freundin. Und sieht so unglaublich zerbrechlich und feminin aus, trotz aller Rationalität, die sie dabei immer ausstrahlt.

„Ich bin so froh, dich als Freundin zu haben, Katrine“, flüstert Maria, „Männer kommen und gehen. Aber unsere Freundschaft, die bleibt!“

Aus einem spontanen Impuls heraus küsst Maria mich zaghaft auf die Wange. Zu meiner großen Verwunderung merke ich, dass ich mich auf angenehme Weise dadurch berührt fühle. Obwohl ich von Maria gar nichts will.

Und trotzdem ist es einfach ein verdammt gutes Gefühl, Maria so nahe zu sein. Sie in meinem Leben zu haben. Als Freundin. Als Mensch.

* * *

„Zwei Gin Tonic, bitte!“, rufe ich laut, um die Musik zu übertönen.

„Kommt sofort!“, schreit der Bartender.

Maria und ich befinden uns im Vega, einem angesagten Club im Stadtteil Vesterbro. Der perfekte Ort, um an einem Samstagabend auszugehen und neue Menschen kennenzulernen. Natürlich auch neue Männer.

„Hejsa, was machst du denn hier?“

Ich drehe mich um.

Unvermittelt steht Mikkel hinter mir und grinst mich an.

Der Optimierungs-Mikkel! Auch das noch!

Kopenhagen ist manchmal eben echt ein Dorf.

„Ich bin hier, um mich zu vergnügen“, erwidere ich kess. „Wenn ich vorstellen darf, das ist meine Freundin Maria!“

„Hallo Maria!“, sagt Mikkel begeistert, während er sie betont auffällig von oben bis unten abcheckt. „Sehr hübsch, diese Kombi aus euch beiden“, kommentiert er. „Dein Körper ist aber auch nicht von schlechten Eltern!“, kontert Maria schlagfertig.

Mikkel verschluckt sich fast an seinem Bier.

„Danke“, stottert er etwas unbeholfen, „ich nehme mal an, das war als Kompliment gemeint!“

Dann sieht Mikkel mich an.

Sehr lange.

Ich weiß nicht, ob es der Alkohol, die Musik oder die Stimmung in diesem sagenhaften Club ist. Aber unsere Augen versinken regelrecht ineinander.

Mikkel mag verrückt sein mit seinem Optimierungswahn und seinem ganzen Facebook-Harem. Aber seine Augen sind wunderschön, umrahmt von langen Wimpern.

„Ich bin so glücklich, dich wiederzusehen, Katrine“, sagt Mikkel, während er den Blick keine Sekunde von mir abschweifen lässt.

Ich bin nicht in der Lage, auch nur ein Wort herauszubringen, so sehr fühle ich mich gerade zu ihm hingezogen. Jeglichen besseren Wissens zum Trotz. Ich überlege, ob es ein großer Fehler wäre, Mikkel jetzt zu küssen. Einfach nur so zum Spaß. Seine digitale Tisch-und Zählwaage wird er heute Abend ja wohl nicht mitgebracht haben.

Mikkel scheint es ganz ähnlich zu gehen. Er streicht mir mit seiner Hand über die rechte Wange. Ich spüre, wie es in mir vor lauter Aufregung zu kribbeln beginnt.

Dabei sehen wir uns immer noch an.

Mikkel beugt sich zu mir vor. Er kommt mir immer näher, um mich zu küssen.

Ich schließe die Augen. Gleich werde ich seine weichen Lippen spüren.

Ich kann es kaum erwarten.

Ich nähere mich ihm immer weiter an.

Doch zu meiner großen Überraschung ist Mikkels Gesicht plötzlich nicht mehr direkt vor meiner Nase. Mein schön geformter Kussmund küsst buchstäblich ins Leere.

„Ach, hier bist du also! Keine drei Minuten kann ich dich alleine lassen, bevor du eine andere Frau küssen willst!“, höre ich dafür eine weibliche Stimme aus unmittelbarer Nähe.

Sofort mache ich die Augen auf.

Mikkel steht immer noch vor mir, aber nicht mehr so nah. Dafür hat eine blonde, langbeinige Schönheit ihre Arme um ihn gelegt. Irgendwie kommt mir ihr Gesicht bekannt vor.

„Aber, Merrit, ich habe dir doch von Anfang an gesagt, dass ich polyamor bin! Und an meiner natürlichen Veranlagung kann ich nun mal nichts ändern!“, erwidert Mikkel unverblümt und scheinbar ohne jegliche Gewissensbisse.

Die blonde Schönheit sieht mich sauer an.

Jetzt erkenne ich sie.

Es ist Facebook-Merrit, die Mikkels Polarlicht-Fotos online kommentiert hatte.

Auch das noch!

Merrit und ich starren uns gegenseitig sprachlos an.

„Komm, Katrine, wir gehen woanders hin!“, reißt Maria mich aus meinen Gedanken.

Sie zieht mich fest an meinem Ärmel.

Schnell nehme ich mein Gin Tonic-Glas und folge meiner Freundin, die zielstrebig den nächsten Clubraum anvisiert. Ich drehe mich kurz nach hinten um.

Mikkel schaut uns für einen Moment mit offenem Mund hinterher. Dann beginnt er jedoch ganz schnell die langbeinige Merrit zu küssen und ihr seine volle orale Aufmerksamkeit zu schenken.

„Was war das denn für eine Pappnase?“, fragt Maria mich empört.

„Das war dieser Mikkel, von dem ich dir neulich erzählt habe“, antworte ich leicht verlegen.

„Dieser Optimierungs-Fuzzi, den du aus deiner Wohnung geschmissen hast? Na, wenn du mit solchen Typen deine Zeit vergeudest, wirst du mit Mitte dreißig auch noch Single sein!“, prophezeit Maria mir düster.

Händchen haltend laufen wir durch das Vega, um irgendwo eine Sitzgelegenheit zu finden.

Maria scheint bereits etwas erspäht zu haben.

„Oh hallo, wie heißt ihr beiden denn?“, halten uns da auf halbem Weg zwei junge Männer auf. Irgendwie kommen mir ihre Gesichter ebenfalls bekannt vor. Heute ist anscheinend die Nacht der Déjà-Vus.

„Hi, ich bin die Katrine“, sage ich schnell.

„Und ich die Maria.“ Es klingt bald mehr nach einem Seufzen.

Doch dann scheint Maria zu bemerken, was mir ebenfalls sofort aufgefallen ist. Diese beiden Typen sehen verdammt gut aus. Außerdem haben sie uns auf Englisch angesprochen, was Maria immer noch hundertmal lieber ist, als Dänisch zu reden. Obwohl sich ihre Sprachfähigkeiten in den letzten Monaten enorm verbessert haben. Aber sie meint, Dänisch sei einfach keine Sprache zum Flirten. Im Gegensatz zu Italienisch, Französisch und Englisch, die sie alle drei fließend beherrscht.

„Das soll jetzt nicht nach einer saublöden Anmache klingen, aber kennen wir uns irgendwo her?“, meint einer der beiden jungen Männer.

„Ach wirklich?“ Maria wirft ihm mit hochgezogenen Augenbrauen einen überraschten Blick zu.

„Ja, wirklich.“

Ich schaue mir den jungen Mann etwas genauer an.

Anfang bis Mitte dreißig dürfte er sein. Er sieht verdammt gut aus. Großer, schlanker, durchtrainierter Körper. Blonde Haare, grüne Augen, sofern das nicht nur ein Lichtspiel der Disco-Scheinwerfer ist. Dazu ein jungenhaftes Gesicht voller kleiner Sommersprossen. Das sieht man sogar bei diesen Lichtverhältnissen.

„Ich bin Tom. Ich mache meinen Post Doc1 in Quantenphysik hier an der Uni“, erklärt er und streckt mir seine Hand hin.

„Cool“, sage ich, „ich bin ebenfalls dort tätig. Als Doktorandin im Bereich Volkswirtschaft.“

„Und ich bin Rasmus“, stellt sich der zweite junge Mann vor, „ein Kollege von Tom.“

Er ergreift Marias Hand zur Begrüßung.

Schnell zieht sie ihre Hand wieder zurück.

„Und ich heiße Maria, bin Biologin“, antwortet sie knapp.

Ihre Stellung als Associate Professor unterschlägt sie meistens bei der allerersten Begegnung. Kein Wunder. So jung, wie sie aussieht, könnte Maria glatt als Doktorandin durchgehen.

„Kann es sein, dass wir uns schon mal in der Freitagsbar begegnet sind?“, frage ich Tom.

„Gut möglich“, nickt er.

„Du hast einen lustigen Akzent, wenn du englisch sprichst, Tom! Wo kommst du denn genau her?“, will Maria neugierig wissen.

„Aus Darwin“, antwortet Tom.

„Oh, da wollte ich schon immer mal hin!“, sage ich sehnsüchtig.

„Im Ernst?“ Tom sieht mich begeistert an.

„Ja! Seit meinen Kindheitstagen interessiere ich mich für Australien“, sprudelt es nur so aus mir heraus, „ich wollte schon immer mal in den Litchfield-Nationalpark und mir dort den Tüpfelbeutelmarder und den Kurznasenbeutler aus direkter Nähe anschauen! Und dann natürlich die Botanischen Gärten, die müssen in Darwin geradezu phantastisch sein...“

„Wow!“, sagt Tom nur noch anerkennend. „Wow! Du kennst dich wirklich gut aus!“

„Aber echt, Katrine! Da könnte man glatt den Eindruck kriegen, dass du von euch beiden die Biologin bist!“, witzelt Rasmus.

„Katrine war schon immer ein großer Australien-Fan!“, bestätigt Maria, die Beste.

„Darf ich den großen Australien-Fan auf ein Bier einladen?“, fragt Tom mir zugewandt.

„Und ich die wahre Biologin?“, erkundigt sich Rasmus vorsichtig bei Maria.

Maria und ich tauschen schnell Blicke aus.

Die beiden Männer haben sich vorher abgesprochen. Garantiert. Aber sie wirken echt in Ordnung, dieser Tom und dieser Rasmus. Außerdem sind sie wahre Zuckerschnitten auf zwei Beinen.

„Klar dürft ihr uns einladen!“, antworten Maria und ich im Chor.

Im Nu sind Rasmus und Maria im Getümmel auf dem Weg zum Getränkeausschank verschwunden.

„Komm, hier ist es viel zu voll! Lass uns zu einer Bar in die andere Richtung gehen!“, meint Tom.

Ich folge ihm.

Wenige Minuten später stehen Tom und ich jeweils mit einem Bierglas in der Hand an die Wand gelehnt und unterhalten uns.

„Also, Tom, dann erzähl’ doch mal, was dich vom wunderschönen Australien ins kalte Dänemark verschlagen hat!“, fange ich betont locker ein Gespräch mit ihm an.

Für einen kurzen Moment überlege ich, ob die Frage als Eisbrecher zu abgedroschen klingt. Aber im Gegenteil. Tom scheint sie zu gefallen.

Er lächelt mich an.

„Ich bin vor über einem Jahr für eine Post Doc-Stelle hierhergekommen. Ich wandere sozusagen auf den Pfaden von Niels Bohr, dem berühmten Atomphysiker.“ „Soso, ist ja spannend!“, erwidere ich.

Es sollte kess wirken, kommt aber nicht so schlagfertig herüber, wie ich das eigentlich beabsichtigt habe. Tom mustert mich kurz.

„Und was machst du in deiner Freizeit? Wenn du nicht gerade in VWL promovierst?“, wechselt er elegant das Thema.

„Ich gehe aus, lese viel, schreibe Geschichten und spiele Klavier.“

Tom sieht mich zutiefst überrascht an.

„Nein, im Ernst? Wow! Ich schreibe auch Geschichten und spiele Klavier!“

„Nee, wirklich, Tom, du schreibst Geschichten? Du siehst gar nicht danach aus! In was für einem Genre denn?“

„Oh je, das ist viel zu peinlich.“ Tom kratzt sich am Kinn.

„Ach, komm, sag schon! Schreibst du Soft-Pornos, oder was?“ Ich lasse nicht locker. Denn dieser Zufall wirkt geradezu wunderbar. Ein Mann, der in seiner Freizeit auch Geschichten schreibt und Klavier spielt?! Das kann eigentlich schon gar kein Zufall mehr sein, dieser Zufall!

„Aber du musst mir versprechen, dass du nicht lachst!“, beharrt Tom.

Ich nicke ernsthaft.

„Ich schreibe Science Fiction-Romane!“

Gegen meinen Willen muss ich jetzt doch lachen.

„Science Fiction! Du als Atomphysiker? Ist das wahr?

Da erfüllst du ja komplett das Klischee!“

„Ja, klar!“, bestätigt Tom. „Und über was schreibst du?“

„Oh je, jetzt komme ich mir so fürchterlich banal vor. Ich schreibe vor allem Liebesromane“, antworte ich leicht verlegen.

„Wow! Ist ja stark!“

Für einen kurzen Moment denke ich, dass Tom sich über mich lustig macht. Aber er sieht mich ganz aufrichtig an, als er das sagt.

„Na ja, die Liebe ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Sie ist von vielen exogenen und endogenen Variablen abhängig, die keine mathematische Formel so richtig zu erfassen vermag“, stellt Tom abgeklärt fest.

Im Nu ist zwischen Tom und mir die schönste Fachsimpelei zum Thema Roman schreiben im Gange. Die Zeit verfliegt nur so. Während wir reden, sieht Tom mich immer wieder lange an und berührt meinen Arm. Alles rein zufällig natürlich. Für mich könnte diese Nacht ewig so weitergehen...

Auf einmal tippt mir jemand von hinten auf die Schulter.

Ich drehe mich um. Maria ist da.

„Katrine, ich werde jetzt gehen“, erklärt sie kurzentschlossen, „wenn du magst, kannst du ja noch alleine da bleiben. Mir reicht es für heute!“

„Aber wieso? Was ist denn passiert? Und wo hast du Rasmus gelassen?“

Verständnislos schaue ich die Freundin an.

„Ist irgendetwas schiefgelaufen?“

„Nein, es lief alles wunderbar“, erwidert Maria zynisch, „Rasmus und ich hatten das tollste Gespräch überhaupt. Bis er mich nach meinem Alter gefragt hat. Da ist er fast aus den Latschen gekippt, als er erfahren hat, dass ich schon 36 bin. Und hat sich sofort aus dem Staub gemacht!“

„Na sowas!“ Irritiert kratze ich mich am Kopf.

„Nimm es als Kompliment“, versucht Tom Maria aufzumuntern, „du siehst einfach viel jünger aus, als du bist!“

„Ja, aber mich nach dieser Antwort einfach so stehen zu lassen!“ Maria kann es anscheinend immer noch nicht fassen. „Wie dem auch sei, ich gehe jetzt!“

„Ich komme mit, Maria“, sage ich schnell.

„Bist du dir sicher?“, fragt Maria mich zweifelnd.

Anscheinend ist ihr nicht entgangen, dass es zwischen Tom und mir gerade ordentlich geknistert hat.

„Klar, ich komme mit. Ganz sicher. Dann können wir uns ein Taxi nach Hause teilen, so wie wir es ursprünglich verabredet haben. Du wolltest doch sowieso bei mir übernachten“, antworte ich in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet.

„Also, gut! Sehr schön!“ Maria ist die Erleichterung deutlich anzumerken.

Es besteht seit jeher eine klare Absprache zwischen uns beiden, dass wir uns nach dem Tanzen immer gemeinsam ein Taxi teilen. Es sei denn, dass eine von uns wirklich den Mann des Lebens trifft. Was bislang natürlich nicht passiert ist.

Auf diese Weise elegant den Absprung zu schaffen, ist mir sogar ganz recht. Obwohl ich natürlich irre gerne länger mit Tom gequatscht hätte. Aber wenn er wirklich Interesse an mir hat, meldet er sich. So viel Erfahrung mit Männern besitze ich inzwischen.

„Wie spät ist es denn überhaupt? Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren!“, murmele ich, während ich in der Hosentasche nach meinem Handy krame. „Oh! Wow! Es ist schon halb sechs! Der neue Tag hat bereits begonnen! Also, eh Zeit nach Hause zu gehen!“, meine ich Maria zugewandt.

Tom kratzt sich verlegen am Kinn und schaut mich lange an. Er sieht total süß dabei aus.

„Sag mal, Katrine, bist du eigentlich auf Facebook?

Dann könntest du mich doch schnell als Freund hinzufügen, wenn du dein Smartphone schon so schön in der Hand hältst“, schlägt er grinsend vor.

„Gute Idee!“ Ich öffne die Facebook-App und reiche Tom mein Handy herüber.

Rasch sucht er nach seinem Profil und fügt es auf meiner Freundesliste hinzu.

„Klasse!“, strahle ich.

„Lass uns nochmal treffen! Ich schreibe dir eine Private Message!“, verspricht Tom.

Er umarmt mich zum Abschied.

Dabei drückt er mich ganz eng an sich. So eng, dass ich eine kurze Woge von seinem Duft erhaschen kann. Ich atme tief durch. Tom riecht einfach verdammt gut. Die Chemie zwischen uns stimmt. So viel steht fest.

„Darf ich dich zum Dinner einladen?“, fragt Tom.

„Das würde mich sehr freuen“, antworte ich.

„Und mich erstmal“, sagt Tom, „ich werde dir schreiben.“

Mit einem guten Gefühl verlasse ich das Vega. Dieser Abend war ein voller Erfolg.

Ich kann es kaum erwarten, bis Tom sich meldet.

Am nächsten Morgen wache ich sehr spät auf.

Der verführerische Duft von frisch gebrühtem Kaffee schlägt mir entgegen.

Maria steht vor meinem Bett mit zwei Tassen Kaffee in der Hand.

„Ich dachte, du kannst etwas Koffein für den Start in den neuen Tag gut gebrauchen“, meint sie.

„Oh, das ist lieb!“ Lächelnd nehme ich den Kaffee entgegen.

„Katrine, du warst wirklich toll gestern Abend!“ Maria hält kurz inne und grinst. „Abgesehen von dem Ausrutscher mit Mikkel natürlich. Aber dass du gemeinsam mit mir das Vega verlassen hast, obwohl du diesen gut aussehenden Tom am Haken hattest, fand ich einfach nur klasse von dir! Du bist eine wahre Freundin!“

„Nicht der Rede wert“, winke ich ab, „wir hatten das doch so vereinbart. Und mit Tom, das lief so super. Der meldet sich bestimmt!“

„Um ganz ehrlich zu sein, ich war echt gebügelt, als Rasmus sich sofort von mir verabschiedet hat, nachdem ich ihm mein Alter gesagt habe. Das hat mich wie der Schlag getroffen“, erklärt Maria, „ich habe mich auf einmal wie eine alte Jungfer gefühlt!“

„Das verstehe ich! So ein oberflächlicher Vollidiot!“, schimpfe ich.

„Weißt du, was das Beste ist, was einer Single-Frau mit Mitte dreißig passieren kann?“, fragt Maria mich nachdenklich.

„Nein, was denn?“

„So eine großartige Freundin wie dich zu haben!“

Maria und ich umarmen uns kurz.

Dann springe ich aus dem Bett und ziehe die Vorhänge auseinander.

„Schau mal nach draußen, Maria! Die Sonne scheint! Und das, obwohl wir fast Mitte Oktober haben! Das Wetter sollten wir ausnutzen!“

„Au ja! Ich sag’s ja, so eine Freundin wie du ist das Beste, was einem passieren kann“, seufzt Maria noch einmal.