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Was will er hier? Wie benommen sieht Arielle den attraktiven Mann an, der an ihrer Bürotür lehnt. In Aspen hatten sie sich innig geküsst, einen wahren Liebestraum erlebt - bis Arielle am Morgen allein aufgewacht ist. Und jetzt spaziert derselbe Mann einfach so in ihr Büro, drei Monate später? Arielle stockt der Atem, als sie erkennt, dass er sich ihr unter falschem Namen vorgestellt hatte. Doch egal wie viele Geheimnisse der Millionär Zach Forsythe noch hütet, sie muss ihm sagen, dass sie schwanger ist! Wenn er allerdings eine zweite Chance will, kann er es vergessen. Oder?
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Seitenzahl: 199
Kathie DeNosky
Liebe mich so wie damals!
IMPRESSUM
BACCARA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
© 2009 by Kathie DeNosky Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1609 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Thomas Hase
Fotos: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht im ePub Format im 12/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86295-584-8
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Von: Emerald Larson, CEO, Emerald Inc.An: Meinen Privatsekretär Luther FreemontBetreff: Meine Enkeltochter Arielle Garnier
Meine Enkeltochter Arielle hat nunmehr ihren Wohnsitz nach Dallas, Texas, verlegt, und dort das Privatinstitut für Vorschulkinder als neue Besitzerin und Leiterin übernommen. Meine früheren Nachforschungen nach den Garnier-Enkeln hatten unter anderem schon ergeben, dass Arielle schwanger ist und vergeblich versucht, den Vater des Kindes ausfindig zu machen. Wie ich inzwischen aus sicherer Quelle weiß, handelt es sich dabei um Zach Forsythe, dessen kleiner Neffe unsere private Vorschule besucht. Ich habe Grund zur Annahme, dass Arielle und Zach sich demnächst begegnen werden.
Es ist mein erklärtes Ziel, die beiden jungen Leute zusammenzubringen. Deshalb wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie alles Nötige in die Wege leiten.
Wie immer verlasse ich mich auf Ihre äußerste Diskretion. Emerald Larson
„Mrs. Montrose, ich weiß, dass es nicht richtig gewesen ist, wie Derek sich benommen hat. Aber ich muss Sie trotzdem bitten, ihm noch eine Chance zu geben.“
Arielle Garnier blickte von dem Bildschirm ihres Computers auf und traute ihren Augen kaum. An der Tür stand der Mann, den sie am wenigsten hier erwartet hätte. Genauer gesagt hatte sie nicht damit gerechnet, ihn überhaupt wiederzusehen.
Der unerwartete Besucher war offenbar genauso verblüfft. Aus seinen lebhaften grünen Augen blickte er sie ungläubig an. Mehrere Momente unangenehmen Schweigens vergingen, bevor er die Sprache wiederfand. „Ich wollte die Leiterin sprechen … Mrs. Montrose. Es geht um eines der Kinder hier, Derek Forsythe. Können Sie … Kannst du mir sagen, wo ich sie finde?“
„Helen Montrose arbeitet hier nicht mehr. Sie ist vor ein paar Wochen in Ruhestand gegangen, nachdem sie das Institut an mich verkauft hat. Die neue Besitzerin und Leiterin bin ich.“
Es kostete Arielle viel Mühe, die Fassung zu wahren. Es war nicht nur das unverhoffte Wiedersehen. Arielle hatte noch andere Gründe, sich lieber die Zunge abzubeißen, als diesem Menschen zu zeigen, dass er sie in irgendeiner Weise beeindrucken konnte. Aber der blendend aussehende Mann, gut einen Meter neunzig groß, athletisch, mit dichtem dunkelbraunen Haar und eben jenen unvergleichlich grünen Augen starrte sie nur an. Er schien ihr gar nicht zugehört zu haben.
„Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“, fragte Arielle ruhig.
Er schüttelte nur den Kopf und sagte: „Hör auf, dich über mich lustig zu machen. Ich habe keine Zeit für solche Spielchen. Ich möchte Mrs. Montrose sprechen. Und zwar sofort.“
Die anfängliche Fassungslosigkeit wurde schwächer, Ärger stieg in Arielle auf. „Du kannst mir ruhig glauben. Mrs. Montrose ist nicht mehr hier. Wenn du etwas zu besprechen hast, was die Vorschule betrifft, musst du schon mit mir vorliebnehmen.“
Die Situation war für sie beide mehr als unbehaglich. Arielle war alles andere als erfreut, den Mann vor sich zu sehen, mit dem sie vor dreieinhalb Monaten eine leidenschaftliche Affäre gehabt hatte. Eine Woche lang hatte sie wie auf Wolken geschwebt, bis er plötzlich und ohne ein Wort des Abschieds oder der Erklärung spurlos verschwunden war. Er hatte es auch nicht für nötig gehalten, sich später bei ihr zu melden.
„Nun gut“, meinte er schließlich. „Vielleicht wäre es jetzt angebracht, mich vorzustellen. Ich bin Zach Forsythe.“
Für Arielle war es wie ein Schlag in die Magengrube. Nach allem, was er sich geleistet hatte, hatte er sie also auch noch belogen und sich unter falschem Namen an sie herangemacht. Zachary Forsythe – das sagte ihr natürlich etwas. Als Eigentümer und Chef einer der größten Hotels und Ferienanlagen des Landes gehörte er zur Prominenz und zu den Superreichen. Arielle stockte der Atem. Hatte Zach nicht gesagt, er sei wegen des kleinen Derek gekommen? War er dann etwa auch noch verheiratet? Fieberhaft überlegte sie, wo und in welchem Zusammenhang sie zuletzt seinen Namen gelesen hatte. Aber sie konnte sich nicht erinnern. Arielle wusste nur, dass der millionenschwere Zach Forsythe zurückgezogen lebte, weshalb auch so gut wie keine Fotos von ihm im Gesellschaftsteil der Zeitungen abgedruckt wurden.
Was kam noch alles? Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Kühl sagte sie: „Ich habe da einen anderen Namen in Erinnerung. Tom Zacharias …“
„Ich kann das erklären.“ Nervös fuhr er sich mit der Hand durchs Haar.
Arielle winkte ab. „Lass es. Ich habe keine Lust auf deine Erklärungen. Wenn ich recht verstanden habe, bist du wegen Derek hier?“
Er nickte.
„Ja, das ist eine ernste Sache. Wir überlegen, ob wir ihn hier behalten können. Er ist sehr aggressiv. Zuletzt hat er ein anderes Kind gebissen.“
Zach presste die Lippen aufeinander. „Ich weiß. Aber er meint das nicht so. Du musst ihm noch eine Chance geben.“
„Ich bin noch nicht lange genug hier, um mir ein vollständiges Bild von dem Jungen zu machen. Allerdings hat mir die Betreuerin deines Sohns …“
„Er ist nicht mein Sohn“, fiel Zach ihr ins Wort. „Ich bin nicht verheiratet, Arielle.“
Ihren Namen aus seinem Mund zu hören und dazu dieses einnehmende Lächeln, mit dem er sie schon einmal verzaubert hatte, das blieb nicht wirkungslos. Doch Arielle riss sich schnell zusammen. „Man braucht ja nicht unbedingt verheiratet zu sein, um ein Kind zu haben“, entgegnete sie spitz.
„Ansichtssache. Ich würde kein Kind haben, ohne verheiratet zu sein.“
„Ich denke, das steht im Augenblick nicht zu Debatte, Mr. Forsythe.“
„Zach. Du kannst ruhig Zach zu mir sagen.“
„Aber …“ Weiter kam sie nicht. Denn er trat auf sie zu und sah ihr in die Augen, sodass es ihr die Sprache verschlug.
„Derek ist der Sohn meiner Schwester. Mir ist schon wichtig, dass du nicht denkst, ich wäre verheiratet und würde trotzdem mit dir …“
Sie hob die Hand. „Bitte, das ist jetzt irrelevant.“ Sie brauchte Kraft, um sich zu konzentrieren. Hastig griff Arielle nach dem Blatt Papier, das auf ihrem Schreibtisch lag, und überflog die Zeilen. „Dereks Betreuerin weist darauf hin, dass er bereits zum dritten Mal so aggressiv geworden ist. Davor hat er ein Kind ziemlich heftig geschlagen, das ist zweimal vorgekommen. Es gibt ein paar Regeln in unserer Einrichtung, an die wir uns im Interesse aller halten müssen.“
„Das verstehe ich vollkommen. Trotzdem: Der Kleine ist gerade mal viereinhalb Jahre alt und muss schon einiges durchmachen. Ich weiß nicht, ob die Erzieherin dir von dem schweren Unfall erzählt hat, den meine Schwester hatte. Ich will dich nicht mit Einzelheiten langweilen, aber es war eine schwierige Zeit für ihn. Inzwischen ist das Schlimmste überstanden, und allmählich kehren alle zur Normalität zurück. Daher denke ich, dass Derek auch wieder zu sich findet, denn er ist im Grunde ein lieber, verträglicher Junge.“
Arielle merkte deutlich, dass Zach seinen ganzen Charme aufbot, um dem Jungen zu helfen. Es war eine heikle Situation für sie. Einerseits mussten den Kindern Grenzen aufgezeigt werden, gerade wenn es um Ansätze zur Gewalt ging. Andererseits konnte Arielle auch nicht leugnen, dass Zachs Erklärung einleuchtend klang.
Arielle war hin und her gerissen. Auf gar keinen Fall durfte das Kind ausbaden müssen, was sein missratener Onkel angerichtet hatte.
Zach trat an den Schreibtisch, stützte sich auf die Tischplatte und lehnte sich zu Arielle herüber. „Na, komm, gib dir einen Ruck. Jeder verdient eine zweite Chance. Wir reden auch noch einmal mit Derek und machen ihm klar, dass es so nicht geht.“
Er sagte das in seinem breiten texanischen Akzent, den Arielle so gern hörte. Sie verfluchte sich dafür, dass ihr das überhaupt auffiel, aber sie konnte nicht anders. „Na schön“, meinte sie schließlich, während sie sich noch bemühte, keine Schwäche zu zeigen, obwohl seine Nähe sie zunehmend nervöser machte.
Arielle fragte sich, ob es richtig war nachzugeben. Außerdem wollte sie, dass Zach endlich das Büro verließ. Nicht nur, weil sie Angst hatte, ein weiteres Mal seinem Charme zu erliegen. Sie fürchtete auch, dass er, wenn er noch länger blieb, unweigerlich herausfand, warum sie die letzten Monate so verzweifelt versucht hatte, ihn zu erreichen. „Es ist das letzte Mal“, fügte sie hinzu. „Das nächste Mal müsst ihr eine andere Vorschule für ihn suchen.“
„Geht in Ordnung.“ Zach richtete sich wieder auf. „Dann will ich dich auch nicht länger von der Arbeit abhalten.“ Er ging zur Tür, drehte sich aber noch einmal um, bevor er Arielles Büro verließ, und lächelte ihr auf seine unwiderstehliche Art zu. „Hat mich übrigens sehr gefreut, dich wiederzusehen, Arielle.“
Dann war er draußen und schloss die Tür, bevor Arielle sich überlegen konnte, ob sie ihm den Briefbeschwerer hinterherwerfen sollte. Sie glaubte kein bisschen von dem Süßholz, das er raspelte.
Erschöpft ließ sie sich auf ihren Schreibtischsessel zurücksinken. Nach und nach konnte sie wieder klar denken. Was sollte sie jetzt tun? Monatelang hatte sie diesen Mann vergeblich versucht zu erreichen. Jetzt wusste sie auch, warum: Den Mann, den sie suchte, gab es gar nicht. Dafür servierte sich Zach ihr nun auf dem Silbertablett, als Angehöriger eines ihrer Vorschulkinder – und als schwerreicher Herrscher über ein Hotelimperium.
Arielle strich sich mit beiden Händen übers Gesicht. Wie hatte nur alles derart aus den Fugen geraten können? Voller Vorfreude war sie nach Dallas gezogen und hatte dieses exklusive und teure Institut für Vorschulkinder übernommen. Sie hatte sich davon einen Neubeginn versprochen. Mit dem beruhigenden Sicherheitsgefühl war es jetzt jedoch vorbei, weil sie wusste, dass sie und Tom alias Zach in derselben Stadt lebten! Arielle musste täglich damit rechnen, ihm über den Weg zu laufen, besonders da der kleine Derek ihre Vorschule besuchte. Bisher hatte es ihr schon gereicht, dass sie immer wieder an diesen Mann hatte denken müssen.
Arielle presste sich die Hand auf den Bauch und wartete, bis der leichte Schwindelanfall vorüber war. Dann suchte sie nach einem Papiertaschentuch und tupfte sich, als sie endlich eines gefunden hatte, ein, zwei Tränen aus den Augenwinkeln. Kaum etwas hasste Arielle so sehr wie Weinerlichkeit. Der Kerl, der eben zur Tür hinausgegangen war, der sich damals still und heimlich davongestohlen und sie obendrein auch noch belogen hatte, war schuld daran.
Sie zog die Schreibtischschublade auf und griff nach einer Tüte Kräcker, die sie dort für alle Fälle verwahrte. Sie musste etwas essen, bevor ihr übel wurde. Auch daran ist dieser Mistkerl schuld, dachte sie. Er würde kein außereheliches Kind haben, hatte er großspurig behauptet. Sehr witzig! In gut fünf Monaten kam auf jeden Fall das Kind zur Welt. Sein Kind.
Als Zach sein Büro in der Zentrale der „Forsythe Hotel and Resort Group“ betrat, musste er immer noch an das unverhoffte Wiedersehen mit Arielle denken. Er hatte oft an sie gedacht, nachdem sie sich beim Wintersport in Aspen getroffen und eine wunderbare Zeit erlebt hatten. Zach hatte jedoch nicht damit gerechnet, sie je wiederzusehen. Und jetzt leitete sie die Vorschule, auf die Derek, sein kleiner Neffe, ging. Eine skurrile Situation. Er musste bei der Frau gut Wetter machen, die er zuvor – es gab leider keinen vornehmeren Ausdruck dafür – sitzen gelassen hatte.
Zach setzte sich an seinen Schreibtisch, konnte sich aber nicht dazu durchringen, mit der Arbeit anzufangen. Stattdessen drehte er sich langsam und in Gedanken versunken im Schreibtischsessel um die eigene Achse, bis sein Blick auf eines der gerahmten Fotos an der Wand fiel. Es war eine Luftaufnahme seiner Ferienanlage in Aspen. Als sie sich dort getroffen hatten, hatte Arielle gesagt, sie wäre Vorschulerzieherin und würde in San Francisco arbeiten. Wie kam sie dann nach Texas? Und woher hatte sie mit einem Mal das Geld, um eine so exklusive Einrichtung zu übernehmen wie die, auf die sein Neffe ging? Es war eine der teuersten privaten Vorschulen im ganzen Staat.
Die einzige Erklärung, die ihm einfiel, war, dass ihre beiden Brüder ihr geholfen hatten. Sie hatten Arielle auch, wie sie ihm erzählt hatte, den Winterurlaub in Aspen zu ihrem sechsundzwanzigsten Geburtstag geschenkt. Einer der beiden war ein äußerst erfolgreicher Scheidungsanwalt in Los Angeles, der andere einer der größten Baulöwen in Tennessee. Zweifellos verfügten beide über die nötigen Mittel, um ihrer Schwester einen solchen Einstieg zu ermöglichen.
Zach musste lächeln, als er an seine erste Begegnung mit ihr dachte. Arielle war ihm sofort aufgefallen. Sie hatte dunkles, seidiges, rotbraunes Haar, einen makellosen Teint und die hübschesten braunen Augen, die er je gesehen hatte. Als sie später ins Gespräch gekommen waren, war er erst recht von ihr entzückt gewesen. Denn sie war nicht nur schön, sondern hatte einen erfrischenden Humor und war sehr schlagfertig, was auf einen wachen Verstand hindeutete. Es war eine Freude, sich mit ihr zu unterhalten. Noch bevor der Morgen graute, waren sie ein Paar geworden. Jedenfalls für die aufregendste und denkwürdigste Woche seines Lebens.
Noch immer lächelte Zach still vor sich hin. In diesem Moment ging die Tür auf, und er wurde jäh aus seinen Tagträumen gerissen. Seine Schwester Lana betrat das Büro. Sie brauchte eine Weile, bis sie den Raum auf ihren Kücken durchquert hatte, und nahm dann vorsichtig auf dem Besuchersessel vor dem Schreibtisch Platz. Fragend sah sie Zach an.
„Hast du mit Mrs. Montrose über Derek gesprochen?“, erkundigte sie sich und lehnte die Krücken gegen die Tischplatte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir ihn von der Vorschule nehmen müssen. Mrs. Montrose war immer sehr fair und verständnisvoll, besonders seit meinem Unfall.“
Zach schüttelte den Kopf. „Das Institut gehört Mrs. Montrose nicht mehr, Lana.“
„Was?“ Sie sah ihn erschrocken an. „Wem dann? Konntest du mit jemandem reden und Dereks Situation erklären?“
„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Derek kann weiter in die Vorschule gehen. Die neue Besitzerin ist Arielle Garnier. Ich habe ihr versprochen, dass wir mit Derek sprechen und er sich ändert. Sie will eine letzte Ausnahme für ihn machen.“
Lana war sichtlich erleichtert. „Gott sei Dank. Ich denke, dass wir es schaffen. Derek ist schon viel ruhiger geworden, seit wir wieder zu Hause sind und er seine gewohnte Umgebung hat. Ohne den Gips kann ich mich wieder besser bewegen und mich mehr um ihn kümmern.“
Zach betrachtete seine Schwester. Sie sah wieder kräftig und gesund aus, auch wenn er wusste, dass sie noch immer mit den Folgen ihres furchtbaren Autounfalls zu kämpfen hatte. Sie hatte sich beide Beine gebrochen und schwere innere Verletzungen davongetragen. Da sie nach dem Klinikaufenthalt noch nicht für sich, geschweige denn für sich und ein lebhaftes vierjähriges Kind sorgen konnte, hatte Zach beide fürs Erste bei sich aufgenommen. Sein Haus war ja groß genug.
„Wie war es beim Physiotherapeuten?“ Er sah ihr an, dass ihr das Sitzen Schmerzen bereitete.
„Gut. Er ist mit mir zufrieden. Er meint, ich bin schon weiter, als er es in diesem Stadium für möglich gehalten hätte. Was mir im Augenblick nur Schwierigkeiten macht, ist dieses elende Wetter.“
Zach drehte sich erstaunt um und sah aus dem Fenster. Draußen schien die Sonne, der Himmel war strahlend blau und wolkenlos. „Das Wetter ist doch hervorragend“, meinte er.
„Es gibt heute noch Regen, glaube es mir. Die Wettervorhersage, die ich in den Knochen habe, ist besser als die im Fernsehen. Also vergiss deinen Schirm nicht.“
„Ich werde daran denken.“ Zach beobachtete, wie Lana mühsam aufstand, und fügte hinzu: „Ich schlage vor, du fährst nach Hause und ruhst dich aus. Ich sage Mike Bescheid, dass er Derek mit der Limousine von der Vorschule abholen soll.“
Lana nickte dankbar, bedeutete Zach aber, sitzen zu bleiben, während sie nach ihren Krücken griff. „Das wäre gut. Ich habe ihm versprochen, ihm heute Schokokekse zu backen. Da kann ich vorher noch ein Nickerchen gebrauchen.“
„Übertreibe es nicht gleich, schone dich lieber ein bisschen!“
„Keine Sorge.“
Als Lana schon fast an der Tür war, sagte Zach spontan: „Übrigens fahre ich dieses Wochenende auf die Ranch. Willst du mit dem Kleinen nicht auch kommen?“
Auf der Ranch waren sie aufgewachsen. Sie lag außerhalb der Stadt und war jetzt zu einer beschaulichen Oase geworden, in der man sich vom hektischen Großstadtleben erholen konnte.
Lana schüttelte den Kopf. „Danke für das Angebot. Aber ich muss jetzt, da es mir etwas besser geht, eine Zeit lang ausschließlich Mommy für Derek sein. Er hat seine Mutter lang genug vermisst. Außerdem habe ich dir ja gesagt, dass wir Regen bekommen. Wenn es richtig schüttet, sitzen wir da tagelang fest, bis die Straße wieder frei ist. In ein paar Wochen kommen wir gerne. Aber grüße Mattie schön von mir.“
„Gut. Dann nehme ich den SUV und lasse Mike mit der Limousine hier, wenn du ihn brauchst. Und wenn du es dir doch anders überlegst, kann er euch immer noch hinfahren.“
„Okay. Aber rechne nicht mit uns.“
Nachdem Lana gegangen war, wollte sich Zach endlich seiner Arbeit widmen. Wie zuvor fiel es ihm jedoch schwer, sich zu konzentrieren. Immer wieder spukten ihm die Erinnerungen an Arielle im Kopf herum. Welch eine hinreißende Frau. Zach fragte sich, ob er sich das einbildete, aber es war ihm an diesem Morgen vorgekommen, als wäre sie noch schöner geworden. Sie sah irgendwie … blühend aus.
Noch immer rätselte Zach, was sie ausgerechnet nach Dallas verschlagen hatte. Sie hatte ihm doch davon vorgeschwärmt, wie wohl sie sich in San Francisco fühlte. Wenn sie schon von dort wegzog, warum dann nicht zu einem ihrer Brüder nach Los Angeles oder nach Nashville? Zach schüttelte den Kopf. Was gingen ihn die Entscheidungen an, die Arielle Garnier in ihrem Leben traf? Er riss sich aus den Grübeleien und fing endlich an zu arbeiten.
Am späten Nachmittag stellte Zach fest, dass seine Schwester Lana Recht behalten hatte. Über der Stadt waren regenschwere, graue Wolken aufgezogen. Zach hatte kaum den Computer heruntergefahren, als seine Gedanken schon wieder um Arielle und all die unbeantworteten Fragen kreisten, die ihn nach dem Wiedersehen bestürmt hatten. Wenn das so weiterging, würde sie ihn noch bis in den Schlaf verfolgen. Die einzige Möglichkeit, diesen Zustand zu beenden, war, sich die entsprechenden Antworten zu holen. Zach setzte sich in seinen SUV und machte sich auf den Weg zu Dereks Vorschule – in der Hoffnung, Arielle dort noch anzutreffen.
Endlich Wochenende, dachte Arielle, während sie den tiefen Pfützen auf dem Parkplatz auswich. Der Tag war eine einzige Katastrophe gewesen. Wegen des Wolkenbruchs war der Ausflug der Gruppe der Vierjährigen in den Streichelzoo ausgefallen. Die Kinder waren natürlich enttäuscht und dementsprechend schwer zu bändigen. Dann hatte Arielle noch mit einem der kleineren Mädchen zum Arzt gehen müssen, weil die Kleine etwas verschluckt hatte. Und so war es weitergegangen.
Der Regen hielt immer noch an. Mit nassen Schuhen erreichte Arielle endlich ihren geliebten alten Ford Mustang, setzte sich hinters Steuer und schloss rasch die Tür, nachdem sie den triefenden Regenschirm hinter dem Fahrersitz verstaut hatte. Nichts wie nach Hause, dachte sie und freute sich auf einen bequemen Pullover, dicke Wollsocken, einen heißen Tee und ihre Couch. Mit der Zeit hatte Arielle sich angewöhnt, sich für eine Viertelstunde oder eine halbe hinzulegen, während die Kinder Mittagsschlaf hielten. Nun merkte sie, wie sehr sie diese Ruhepause brauchte, denn an diesem Tag war sie nicht dazu gekommen und fühlte sich entsprechend zerschlagen und missgelaunt.
Der Motor sprang an, doch schon auf den ersten Metern stotterte er zweimal und ging wieder aus. Alle weiteren Versuche, ihn erneut zu starten, waren vergebens. Arielle ließ die Stirn aufs Lenkrad sinken und hätte am liebsten laut geschrien. Der schöne Traum von einem gemütlichen Abend in ihrer neuen Wohnung rückte in weite Ferne. Schon am Morgen, als Zach Forsythe in ihr Büro gekommen war, hätte sie wissen müssen, dass es einer dieser Tage war, an denen man besser im Bett blieb.
Seufzend zog sie ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer des Pannendienstes. Nach endlosen Minuten in der Warteschleife meldete sich endlich ein Mitarbeiter, allerdings nur, um Arielle mitzuteilen, dass sie frühestens in zwei oder drei Stunden mit einem Abschleppwagen rechnen konnte. Infolge des Wetters gab es zahlreiche Wagen, die auf den Straßen von Dallas liegen geblieben waren.
Resigniert steckte Arielle ihr Handy wieder ein und starrte blicklos durch die regennasse Windschutzscheibe. Mit der Zeit wurde ihr klar, dass sie nicht ewig hier sitzen bleiben konnte. Trotzdem konnte sie sich nicht dazu aufraffen, durch den strömenden Regen und die knöcheltiefen Pfützen wieder ins Gebäude der Vorschule zurückzukehren, wo sie sich wenigstens in der Sitzecke ihres Büros auf dem Sofa hätte ausruhen können.
Nach einer Weile sah sie zwei Autoscheinwerfer im Rückspiegel. Ein Hoffnungsschimmer! Tatsächlich bog ein Wagen auf den Parkplatz. Dann sah Arielle jedoch, dass es kein Fahrzeug des Automobilclubs, sondern ein Lincoln SUV war, der einen Moment später neben ihrem Mustang anhielt. Arielle überlegte, ob es nicht zu riskant war, auf einem verlassenen Parkplatz die Hilfe eines Fremden anzunehmen.
Das Problem erledigte sich allerdings von selbst, als die Fahrertür des teuren Geländewagens geöffnet wurde und unverhofft Zach Forsythe auf sie zukam. Arielle seufzte. Sollte sie ihrem Schicksal danken oder es verfluchen, weil ausgerechnet er hier aufkreuzte? Bevor sie anfangen konnte, darüber nachzudenken, saß Zach bereits neben ihr und zog die Beifahrertür zu.
„Was willst du hier?“, fragte sie.
Wenn er sie so wie jetzt anlächelte, bekam sie Schmetterlinge im Bauch, ohne dass sie sich dagegen wehren konnte. „Vielleicht dich retten? Was hältst du davon?“
„Ich brauche niemanden, der mich rettet.“ Dich schon gar nicht, fügte sie in Gedanken hinzu.
„Und was, wenn ich fragen darf, machst du dann hier mitten auf einem überfluteten Parkplatz?“
„Ich sitze und schau mir den Regen an, na und? Was geht’s dich an?“
„Lass den Motor an, Arielle.“
„Nein.“ Ich hätte mich doch gleich entschließen sollen, ins Haus zurückzulaufen, dachte sie. „Ich will nicht.“
Sein Lächeln vertiefte sich. „Willst du nicht, oder will dein Auto nicht?“ Er wollte nach dem Zündschlüssel greifen, der noch im Schloss steckte.
„Es ist witzlos“, gab Arielle zu. „Er springt nicht an.“
„Das hatte ich mir schon gedacht. Hat die Batterie schon schlappgemacht?“ Arielle nickte ergeben. „Hast du ein Überbrückungskabel?“ Arielle schüttelte den Kopf. „Zu dumm. Ich habe auch keines hier.“ Wieder lächelte er. „Dann muss ich dich wohl doch retten.“
„Kommt nicht infrage“, antwortete sie stur. „Ich habe den Abschleppdienst schon angerufen.“
„Sei nicht albern, Arielle. Bei diesem Wetter kann es Stunden dauern, bis die kommen. Und auf ein Taxi brauchst du auch nicht zu hoffen. Ich lebe schon lange genug in dieser Stadt und kenne das. Willst du die ganze Nacht hier im Wagen verbringen?“
„Ich kann auch in mein Büro zurückgehen und dort warten. Du brauchst dir meinetwegen wirklich keine Umstände zu machen.“
Zach verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück. „Na schön“, sagte er. „Entweder du steigst zu mir in den Wagen, oder ich bleibe hier sitzen, und wir warten zusammen auf die Leute vom Automobilclub.“
„Das kannst du nicht machen!“, widersprach Arielle aufgeregt. Dann fragte sie etwas kleinlauter: „Hast du nichts Besseres zu tun?“
„Nein.“