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Mascha Kalékos schönste Liebesgedichte Mascha Kalékos Verse treffen den Leser immer mitten ins Herz - ganz besonders aber ihre Liebeslyrik. Die vorliegende Auswahl versammelt Texte aus den frühen Jahren im Berlin der 1930er-Jahre, aus dem New Yorker Exil und aus Jerusalem, der letzten Lebensstation, in der viele Texte entstanden, die erst posthum veröffentlicht wurden. Erstmals sind in einer Sammlung von Liebesgedichten auch Texte und Entwürfe aus dem Nachlass enthalten, die bisher nur in der Gesamtausgabe der Werke und Briefe zugänglich waren.
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Mascha Kaléko
Liebesgedichte
Herausgegeben von Gisela Zoch-Westphal und Eva-Maria Prokop
Zur Heimat erkor ich mir die Liebe
Die Andern sind das weite Meer.
Du aber bist der Hafen.
So glaube mir: kannst ruhig schlafen,
Ich steure immer wieder her.
Denn all die Stürme, die mich trafen,
Sie ließen meine Segel leer.
Die Andern sind das bunte Meer,
Du aber bist der Hafen.
Du bist der Leuchtturm. Letztes Ziel.
Kannst, Liebster, ruhig schlafen.
Die Andern … das ist Wellen-Spiel,
Du aber bist der Hafen.
Ich kann dir keinen Zauberteppich schenken,
Noch Diamanten oder edlen Nerz,
Drum geb ich dir dies Schlüsselchen von Erz,
Dazu mein ziemlich guterhaltnes Herz
Zum Anmichdenken.
Ich kann dir keine braven Socken stricken,
Und meine Kochkunst würde dich nur plagen.
Drum nimm den Scherben rosarotes Glas,
Der führt ins Märchenland Ichweißnichtwas
An grauen Tagen.
Ich kann dir nicht Aladdins Lampe geben,
Kein »Sesam« und auch keinen Amethyst.
Doch weil dein Herz mir Flut und Ebbe ist,
Hier: diese Muschel, schimmernd, wie von Tränen
Zum Nachmirsehnen.
In den weisen Büchern habe ich gelesen:
Alle sieben Jahre wandelt sich dein Wesen.
Alle sieben Jahre, merket, Mann und Weib,
Wandelt sich die Seele, wandelt sich der Leib.
Wandelt sich dein Hassen, wandelt sich dein Lieben.
Und ich zählte heimlich: drei Mal, vier Mal sieben.
Ach, die Geister kamen. Und mein Ohr vernimmt:
Alle sieben Jahre … Siehe da, es stimmt.
Sorgenvoll betracht ich alle Liebespaare.
Ob sie es wohl wissen: Alle sieben Jahre …
Selbst in deinen Armen fragt mein Schatten stumm:
Wann sind wohl, Geliebter, unsre sieben um?
Jakob diente lange sieben Jahr,
Sieben Mal verjüngte sich die Herde,
Sieben Mal, mit segnender Gebärde,
Fiel der Regen, und das Land gebar.
Und in jedem neuen Monde sah
Er der Rahel Antlitz nah und näher.
Sieben Mal zwölf Monde. Aber da
Jener Tag sich nahte, brach der Schwäher
Ihm das Wort. Und zu gegebner Frist
Schmückte er ihm nicht die Langerkorne,
Sondern Lea, seine Erstgeborne.
Jakob’s Herz verfiel des Alten List.
Und er trat vor Laban, wildempört.
Doch der war um Antwort nicht verlegen.
Sieh, sprach er, in unserm Stamm gehört
Erst der Älteren der Hochzeitssegen.
Füge dich der Sitte, Schwesternsohn,
Und bevor der nächste Regen fällt,
Folge dir auch Rahel in das Zelt;
– Dienst du redlich mir um neuen Lohn.
Wieder diente Jakob sieben Jahre.
Zeit verrauschte wie ein Flügelschlag:
Rahel’s Herz an seinem Herzen lag,
Und in seiner Liebe schien dem Paare
Jedes von den sieben wie ein Tag.
Drei Tropfen Herzblut weinte ich um dich.
Von ihrer Röte tranken alle Rosen.
Siehst du den Wind in ihren Blättern tosen,
– ’s ist Blut von meinem. Denke du an mich.
Ich war das Kind, dem alle Wolken sangen,
Sie wiegten sich in meinem jungen Traum.
Mein waren Stern und See und lichter Baum
In Waldesfrühe schlank und taubehangen.
Es bot der Mond mir seinen Silberball,
Die Blumen baten: Nimm von unsern Düften.
Mir wob der Frühling Nächte aus Kristall
Und hängte mir sein Blühen um die Hüften.
– Das alles warf ich fort, wie Kinder tun
Mit ihren müdgespielten Kieselsteinen,
Um einen Pulsschlag in dir auszuruh’n
Und dann mein letztes Herzblut zu verweinen …
Weil du nicht da bist, sitze ich und schreibe
All meine Einsamkeit auf dies Papier.
Ein Fliederzweig schlägt an die Fensterscheibe.
Die Maiennacht ruft laut. Doch nicht nach mir.
Weil du nicht da bist, ist der Bäume Blühen,
Der Rosen Duft vergebliches Bemühen,
Der Nachtigallen Liebesmelodie
Nur in Musik gesetzte Ironie.
Weil du nicht da bist, flücht ich mich ins Dunkel.
Aus fremden Augen starrt die Stadt mich an
Mit grellem Licht und lärmendem Gefunkel,
Dem ich nicht folgen, nicht entgehen kann.
Hier unterm Dach sitz ich beim Lampenschimmer,
Den Herbst im Herzen, Winter im Gemüt.
November singt in mir sein graues Lied.
»Weil du nicht da bist«, flüstert es im Zimmer.
»Weil du nicht da bist«, rufen Wand und Schränke,
Verstaubte Noten über dem Klavier.
Und wenn ich endlich nicht mehr an dich denke,
Die Dinge um mich reden nur von dir.
Weil du nicht da bist, blättre ich in Briefen
Und weck vergilbte Träume, die schon schliefen.
Mein Lachen, Liebster, ist dir nachgereist.
Weil du nicht da bist, ist mein Herz verwaist.
Der blaue Himmel ist nur halb so blau,
Weil du nicht da bist, Liebster. Deine Nähe
Macht, dass ich alles Schöne schöner sehe.
Ich bin doch eine unmoderne Frau …
Ich liebe dich trotz Ehering und Sorgen,
Und Heimat ist nur, wo mit dir ich bin.
Fühl ich mich doch noch heimlich Königin,
Auch wenn uns Wirt und Bäcker nicht mehr borgen.
Musik ist wo du bist. Dein Stirb und Werde.
Ja, selbst der Kummer trägt ein schönes Kleid.
Viel lieber noch ist mir der Träumer Leid
Als sattes Glück der wohlversorgten Herde.
Der Wald hier, mein Lieb, ist ein richtiger Wald,
Und die Bäume, die Bäume – sie rauschen.
Und der »lake« ist ein See, ein richtiger See.
Und die steigenden Hügel – kein Traum.
O, wie gut ists, dem Schweigen zu lauschen
Und dem Vogelgezwitscher im Baum.
Du wirst bestimmt zum Wochenende kommen?
Gesegnet sei das gute Telefon.
Es gibt hier Rehe –. Unser kleiner Sohn
Und meine Sehnsucht haben zugenommen.
Kein Wiedersehen ohne Abschiedsschmerz,
Dies gilt noch immer. Aber, liebes Herz,
Man muss sich nicht so schrecklich weit entfernen,
Um diese alte Weisheit neu zu lernen.
Du hast in mir viel Lichter angezündet,
Mit blauen Träumen mir den Tag erfüllt,
Und alles Blühen, alles Leuchten mündet
Noch im Erlöschen hin zu deinem Bild.
Du kamst: Zum Garten ward das Grau der Straßen.
Du kamst nicht, und der Tag hat nicht gezählt.
Wie hat, allein, das Leben mich gequält,
Der große Trug, den wir zu zweit vergaßen.
Es war der gleiche Sang in unserm Blut,
Die gleiche Saite, jäh entzweigerissen.
Ein müder Klang, um den wir selbst kaum wissen,
Jahrtausendalte, halberstorbene Glut.
Verwehter Ton, der noch im Klingen schweigt,
Gesumm, das ohne Anfang ist und Ende.