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Seit dem Frühjahr 2018 gestaltet der in Halle (Saale) lebende Literaturwissenschaftler, Autor und Liedermacher Paul Bartsch die monatliche Rundfunksendung "LiveRillen" auf Radio Corax, in der er ausgewählte Ausschnitte aus Konzert-LPs und Live-Alben direkt vom Plattenteller serviert und kommentiert. Die mit viel Liebe zum Detail ausgearbeiteten Sendemanuskripte bilden die Grundlage für diese originelle Publikationsreihe. Ein unterhaltsames Lektürevergnügen für alle, die Freude an guter Musik haben und mehr über deren Hintergründe und Protagonisten erfahren wollen. Themen dieses Bandes sind unter anderem: * Wenn das Stadion rockt * 50 Jahre Woodstock * Bruce Springsteen wird 70 * Rock aus Down Under * Irish Music - So klingt die grüne Insel * Bob Marley & Reggae * Aller guten Dinge sind Drei Außerdem: Meine Top 100 der Live-Platten!
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Seitenzahl: 179
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Hinweise in eigener Sache:
Aufgrund der Vielzahl und des Alters der im Text erwähnten Schallplatten ist es schier unmöglich, die jeweiligen Bild- und Urheberrechte für die Cover bei den größtenteils nicht mehr existierenden Labels zu klären. Ich habe die Cover hier in durchaus werbender Absicht in den Text eingefügt. Als Quelle sind die konkreten Plattenausgaben mit Label und Erscheinungsjahr angegeben. Sollte(n) sich der oder die Inhaber der jeweiligen Rechte dennoch benachteiligt fühlen, bitte ich um entsprechende Information – sicher finden wir gemeinsam eine probate Lösung.
Falls Sie Interesse haben, die eine oder andere LiveRillen-Sendung komplett nachzuhören, stelle ich Ihnen diese gern zur Verfügung. Die mp3-Datei wird Ihnen per WeTransfer übertragen und ist ausschließlich für den privaten Gebrauch gedacht!
Anfragen richten Sie bitte per Mail an: [email protected].
Noch eine Rille vorab
No. 16: Wenn das Stadion rockt
No. 17: 50 Jahre Woodstock
No. 18: 40 Jahre No Nukes Festival / Bruce Springsteen wird 70
No. 19: Grace Slick wird 80 / Rock aus Down Under
No. 20: Nachruf Ginger Baker und Gratulation für Bryan Adams 40 Jahre Benefiz für Kampuchea
No. 21: Tom Waits / Paul Rogers / Alvin Lee 50 Jahre Hydepark & Altamont
No. 22: Michael Schenker und Paul Kelly
No. 23: Irish Music: So klingt die grüne Insel!
No. 24: Eric Clapton 75 / Al Jarreau 80
No. 25: Bob Marley & Reggae | Stefan Grossman
No. 26: Bono, Peter & Pete können feiern
No. 27: Aller guten Dinge sind DREI
Index der Bands, Musiker und Stichworte
Meine TOP 100 Favoriten – Absolutely Live!
Nachsatz
Raum für Notizen
Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht – oder aber ganz trefflich – streiten. Wenn man das nicht allzu verbissen sieht, kann es sogar Spaß machen, andere Meinungen zur Kenntnis zu nehmen, von der Horizonterweiterung mal ganz abgesehen. So hat die renommierte Fachzeitschrift musikexpress in ihrer Märzausgabe 2021 „Die 100 besten Live-Alben“ in einer kommentierten Liste gekürt, die ich natürlich mit Spannung erwartet und durchforstet habe (verständlich bei annähernd tausend Live-Alben im heimischen Plattenregal, nicht wahr). Meine beobachtbaren Reaktionen reichten von Erstaunen und Überraschung über ungläubiges Kopfschütteln bis zum bestätigenden Grinsen – immerhin finden sich fünfundzwanzig der genannten Scheiben auch in meiner Sammlung. Nun gut, Nirvana, die Ramones und Portishead auf den Plätzen Eins bis Drei lassen auf eine gewisse Grundhaltung der Juroren des musikexpress schließen, die ich nicht unbedingt teile. Aber Bruce Springsteens 5-Platten-Livekiste „1975-85“, Van Morrisons „It’s Too Late To Stop Now”, „Live At Leeds“ von The Who, das „Get Yer Ya-Ya’s Out“ der Rolling Stones oder Neil Youngs “Live Rust”, die würden wohl auch bei mir unter die TOP 100 kommen, dachte ich mir, um dann Nägel mit Köpfen zu machen: Angenommen, das Schicksal oder wer auch immer zwänge mich, meinen Bestand so zu reduzieren, dass lediglich die mir wichtigsten hundert Alben übrigblieben – welche würden es sein? Dabei wollte ich mir gar nicht vorstellen, vor welchen Problemen bei so einem Unterfangen etwa Bob „The Bear“ Hite, der schwergewichtige Sänger von Canned Heat, gestanden hätte, der in seinem Anwesen Topanga Corral rund 70tausend Schallplatten zusammengetragen haben soll, oder Jeff Healey, der es in seinem nur knapp 42jährigen Leben immerhin auf 25tausend Scheiben gebracht hat.
Nun – es wurde auch für mich schwieriger als gedacht. Ich habe mehrere Streich-Runden vorgenommen, und es tat mitunter richtig weh. Was am Ende übriggeblieben ist, findet ihr als „Meine TOP 100 Favoriten“ auch am Ende dieses Buches, in dem ansonsten meine LiveRillen-Sendungen No. 16 bis No. 27 (also die zwölf Ausgaben eines kompletten Jahres) dokumentiert sind. Unmöglich war es mir allerdings, den hundert Platten meiner subjektiven Auswahlliste auch noch eine Rangfolge angedeihen zu lassen. Deshalb sind sie schlicht alphabetisch sortiert und verstehen sich als anregendes Angebot für freundlichen Streit über individuellen Geschmack, ohne den Kunst ja letztlich eine ziemlich langweilige Angelegenheit wäre…
Mein individueller und natürlich subjektiver Geschmack ist zugegeben das entscheidende Kriterium, nach dem ich meine seit April 2018 auf Radio CORAX, dem nichtkommerziellen Lokalradio aus Halle (Saale), laufende Sendereihe LiveRillen gestalte. Hinzu kommen objektive Dinge wie runde Geburts- oder (leider auch) Todestage, Konzertjubiläen, Länderschwerpunkte oder stilistische Besonderheiten. Will heißen, an Ideen und Themen mangelt es nicht, sodass ich auf weitere Jahre mit unterhaltsamen und letztlich ja auch für mich erkenntnisreichen Sendungen hoffe. Dabei setze ich vor allem auf Abwechslung, sodass die Erwartung, ich würde einzelne Livealben komplett vorstellen, leider enttäuscht werden muss. Dafür gibt es überraschende Konstellationen, die einer streng fachlichen Musikgeschichtsschreibung kaum standhalten würden. Aber genau darum geht es mir auch wirklich nicht. Und so reicht die inhaltliche Palette in diesem Buch vom sommerlichen Stadion-Rock über 50 Jahre Woodstock und Gratulationen u. a. für Bryan Adams, Bruce Springsteen, Paul Rodgers und Eric Clapton bis zu Rock aus Down Under, der irischen Liveszene oder einem Streifzug durch die livehaftige Vielfalt des Reggae.
Ausgestrahlt wurden diese Sendungen zwischen Juli 2019 und dem Juni 2020. Damit fielen sie in eine Zeit, die unser aller Leben eingeschränkt und womöglich auf Dauer entscheidend verändert hat: das Corona-Virus übernahm die Herrschaft über das öffentliche wie private Leben und – vor allem – auch über die Kunst- und Kulturszene. All die für Frühjahr und Sommer 2020 avisierten Konzerte und Tourneen, auf die nicht nur ich mich gefreut haben werde, wurden abgesagt oder auf ungewisse Zeit verschoben. Damit gerieten plötzlich die konservierten Livemitschnitte zum willkommenen Ersatz für das, was derzeit anders nicht zu haben war. Ich habe es beim Gestalten der Sendungen selbst so empfunden, und die Reaktion vieler Hörerinnen und Hörer hat mir diesen Eindruck bestätigt.
Jetzt – zum Zeitpunkt der Herausgabe dieses Buches – scheint sich die Situation allmählich zu entspannen, dank strikter (und durchaus schmerzhafter) Eindämmungsmaßnahmen und steigender Impfzahlen. Einen „normalen“ Konzertsommer wird es dennoch auch 2021 noch nicht wieder geben. Insofern sehe ich meine LiveRillen auch derzeit als probates Mittel, uns allen die Vorfreude auf hoffentlich bald wieder mögliche Konzertereignisse auch durch die Erinnerung an herausragende Momente der livehaftigen Rockmusikgeschichte zu erhalten. Und vielleicht trägt auch die Lektüre dieses Buches dazu bei, die konzertarme Zeit zu überbrücken…
Bei all dem: Gute Unterhaltung!
P.S. 2022: Dank wertvoller, wenn auch teils anonymer Hinweise konnte diese Neuauflage an vielen Stellen korrigiert und verbessert werden.
Dafür vielen Dank – weitere Anmerkungen sind jederzeit willkommen!
Sommerzeit ist stets auch Festivalzeit, die Zeit der großen Open-Air-Konzerte, die ihren Ursprung in den 1960er Jahren hatten, zunächst vor allem Stilrichtungen wie Folk und Blues vorbehalten. Da ging es noch weitgehend akustisch zu – man erinnere sich an die Empörung des puristischen Publikums, als Bob Dylan 1965 beim Newport Festival plötzlich mit einer elektrisch verstärkten Fender-Gitarre auf die Bühne kam.
Wenige Jahre später hatte sich der Rock die großen Arenen erobert, und so soll die heutige LiveRillen-Sendung an einige Bands und Ereignisse erinnern, die das Stadion sozusagen zum Beben brachten. Das wird nicht ganz ohne Mainstream abgehen, aber warum auch nicht – wenn er gut gemacht ist.
Und gleich zu Beginn will ich das lange gehütete Geheimnis um die Titelmusik der LiveRillen lüften – das, was da zu Beginn jeder Sendung die richtige Livestimmung verbreitet, ist der Auftakt eines Konzertmitschnitts der US-amerikanischen Band Journey, der im Jahr 1981 unter dem Titel „Captured“ als Doppelalbum auf CBS erschienen ist. Und wenn man das Cover aufklappt, bekommt man innen in großformatigen Aufnahmen beeindruckende Einblicke „On Stage“ mit den vielen Tausend Besuchern zu sehen.
Von Journey hier zunächst noch einmal in voller Schönheit das kurze Instrumental „Majestic“, gefolgt von zwei ihrer großen Hits: „Where Were You“ und „Just The Same Way“. Das sind Journey live auf ihrer Welttournee im Sommer 1980, die im September dann auch nach Deutschland führte, wo sie unter anderem in Heidelberg, Hamburg, Offenbach, München und Westberlin spielten.
Journey: Majestic / Where Were You / Just The Same Way
Journey live im Jahr 1980 – das ist Stadionrock vom Feinsten! Was man bei dieser hochenergetischen Musik kaum ahnt: Journey sind – wenn man so will – ein Ableger von Carlos Santana, in dessen Begleitband Gregg Rolie lange die Tasten bedient hatte – er war in Woodstock dabei, hatte Anteil an den großartigen Aufnahmen von „Abraxas“, und aus seiner Feder stammt unter anderem auch der Santana-Hit „No One To Depend On“.
Ebenfalls bei Santana spielte zu jener Zeit Neil Schon die – im Sinne des Wortes – zweite Geige, also natürlich die Gitarre neben dem Meister, was dem gerade mal 18jährigen Wunderkind aus Oklahoma nicht lange reichte: 1973 gründete Neil Schon mit Journey seine eigene Band und holte den sieben Jahre älteren Keyboarder Gregg Rolie dazu, der anfangs auch den Sologesang übernahm. Fünf Jahre nach Bandgründung wurde schließlich Steve Perry, ein Kalifornier mit portugiesischen Wurzeln, als Sänger verpflichtet, und mit ihm kam der kommerzielle Erfolg: Die Platten verkauften sich weltweit gut und in den USA hervorragend, und die Konzertsäle reichten bald nicht mehr aus, weshalb die Band rasch die Stadien eroberte.
1987 kam vorübergehend das Aus für die Band, woran der exzentrische Perry nicht ganz unschuldig gewesen sein soll.
Nach einigen weniger glücklich verlaufenen Wiederbelebungsversuchen kam 2007 mit dem philippinische Sänger Arnel Pineda endlich ein kongenialer Ersatz für Steve Perry ins Spiel – Neil Schon hatte ihn auf YouTube als Sänger einer Journey-Coverband entdeckt! So kann’s gehen! Ich habe Journey vor drei Jahren in Hannover live gesehen, und da war stimmlich wirklich kein Unterschied zu ihrer großen Zeit in den frühen 1980er Jahren.
In die tauchen wir jetzt noch einmal ein mit zwei Stücken ihres Live-Albums „Captured“ – zunächst „Lovin‘, Touchin‘, Squeezin‘“ und schließlich ihr wohl bekanntestes Stück „Wheel In The Sky“, ein Song über das ständige Unterwegs-Sein und die Sehnsucht nach einem Zuhause, sicher eines der großen Stereotype der Rockmusik.
Journey: Lovin’, Touchin’, Squeezin’ / Wheel In The Sky
“Wheel In The Sky keeps on turning – I don't know where I'll be tomorrow” sang Steve Perry da – nun, auf jeden Fall sind Journey inzwischen in der Rock and Roll Hall of Fame zu Hause, in die sie im Dezember 2016 aufgenommen wurden.
Im aktuellen Konzertsommer sind auch ZZ Top mal wieder in Deutschland unterwegs, seit fast 50 Jahren in unveränderter Trio-Besetzung – jüngst zu erleben auf der halleschen Peißnitz-Insel. In den 1980er Jahren brachen sie mit ihrer druckvollen Mischung aus Blues, Boogie, Country und Rock nicht nur in den USA die Verkaufs- und Besucherrekorde. Inzwischen nun 70 Jahre jung, die Bärte hinter Bass und Gitarre längst ergraut, begeistern sie noch immer mit minimalistischer Nicht-Show auf der Bühne und ihren klar strukturierten Songs ohne großen Firlefanz.
Auch das also durchaus stadionrock-geeignet, auch wenn dieser Mitschnitt aus einer Halle stammt, aber aus was für einer: Der Gruga-Halle in Essen nämlich, und das ist natürlich der WDR-Rockpalast!
Ihr Konzert dortselbst aus dem Jahr 1980 ist in einer auf 3.000 Exemplare limitierten Vinylausgabe jetzt bei Ear-Music erschienen. Daraus drei Titel: „Cheap Sunglasses“, „Arrested For Driving While Blind“ und „Beer Drinkers And Hell Raisers“ – hier sind Billy Gibbons, Dusty Hill und Frank Beard, besser bekannt als ZZ-Top.
ZZ-Top: Cheap Sunglasses / Arrested For Driving While Blind / Beer Drinkers And Hell Raisers
Nicht fehlen in den großen Rock-Arenen der 1970er und 80er Jahre dürfen die Hard-Rocker von Aerosmith um Frontmann Steven Tyler, der wohl auffälligsten Schmoll-Lippe des Heavy Metal. 1970 gegründet, spielten Aerosmith von Beginn an unzählige Konzerte quer durch die USA, ab 1972 dann regelmäßig vergoldete Plattenveröffentlichungen und ausverkaufte Tourneen weltweit. Dabei stand immer Tylers große Attitüde im Vordergrund, dazu bretternde Gitarren, donnerndes Schlagzeug, wummernder Bass. Eindrucksvoll zu hören auf dem 1978 erschienenen Doppelalbum „Aerosmith – Live!“, das von CBS mit dem Werbegag „Bootleg“ angeboten wurde – natürlich handelt es sich hierbei um reguläre Mitschnitte ihrer damaligen Welttournee.
Aus diesem Album habe ich drei Titel ausgewählt – das sind ihre Charterfolge „Dream On“ und „Walk This Way“, und dazwischen ein überraschendes Beatles-Cover: „Come Together“ aus der Feder von John Lennon, aber wie üblich Lennon/McCartney zugeschrieben und 1969 veröffentlicht als Auftakt der Beatles-LP „Abbey Road“. Hier sind Aerosmith live im Jahr 1978.
Aerosmith: Dream On / Come Together / Walk This Way
Ebenfalls im Hardrock unterwegs, wenn auch mit mehr Hang zu Melodie, Dynamik und Gesangssätzen waren (und sind noch immer) Uriah Heep, wie Aerosmith im Jahr 1970 gegründet – allerdings in London und benannt nach einer Figur aus Charles Dickens‘ Roman „David Copperfield“. Soundprägend vor allem Keyboarder, Komponist und Sänger Ken Hensley, der Gitarrist Mick Box sowie Sänger David Byron. Komplettiert wurde die Band Mitte der 70er nach einigen Wechseln durch Trevor Bolder am Bass, der zuvor unter anderem bei King Crimson gespielt hatte, sowie Schlagzeuger Lee Kerslake. Der bekannte Musikjournalist Siegfried Schmidt-Joos beschrieb ihre Musik mal als durchaus stimmige Mischung aus Hardrock a la Black Sabbath mit gelegentlichen Beach-Boys-Wohllauten und Procol-Harum-Schwermut. Dass ausgerechnet ihre Zwei-Harmonien-Schnulze „Lady In Black“ zu ihrem größten Hit werden musste, gehört zu den nicht planbaren Kuriositäten der Rockgeschichte.
Ausgesucht habe ich zunächst ihr Mammutwerk „Gypsy“ in der experimentellen Konzertfassung vom Januar 1973, im selben Jahr auf dem Doppelalbum „LIVE“ veröffentlicht.
Anschließend dann ein Stück vom Album „Live In Europe 1979“: „Stealin‘“, mitgeschnitten übrigens in Ludwigshafen, und hier singt nun John Lawton, der zwei Jahre zuvor David Byron am Mikrofon beerbt hatte.
Byron gründete daraufhin gemeinsam mit dem ex-Humble-Pie-Gitarristen Clem Clempson die Bluesrockband Rough Diamond – zu Humble Pie gleich noch mehr. Der Erfolg von Rough Diamond blieb bescheiden – David Byron ist 1985 an seiner zunehmenden Alkoholsucht verstorben. Hier hören wir ihn aber auf seinem stimmlichen Höhepunkt bei Uriah Heep mit „Gypsy“.
Uriah Heep: Gypsy / Stealin’
Übrigens waren Uriah Heep die erste westliche Band, die in der Sowjetunion der Gorbatschow-Ära auftreten durfte: 1987 gaben sie zehn ausverkaufte Konzerte in der Moskauer Olympia-Arena vor rund 180.000 Menschen, dokumentiert auf der Liveplatte „Live in Moscow“. Zu dieser Zeit mit Bernie Shaw am Mikrofon und Phil Lanzon an den Tasten. Daraus jetzt noch ein Stück, das von den beiden Neulingen in der Band stammt: „Pacific Highway“.
Tatsächlich sind Uriah Heep ja noch immer aktiv – einziges Gründungsmitglied der aktuellen Besetzung ist Gitarrist Mick Box, inzwischen 72 Jahre alt. Bernie Shaw und Phil Lanzon halten ihm die Treue, und für Ende August 2019 gibt’s übrigens eine Konzertankündigung für das österreichische Städtchen Telfs. Hier sind Uriah Heep live in Moskau im Jahr 1987 mit „Pacific Highway“.
Uriah Heep: Pacific Highway
Eben fiel bereits das Stichwort Humble Pie: 1969 gegründet, aber durchaus keine Neulinge, denn Steve Marriott, Peter Frampton, Greg Ridley oder Clem Clempson hatten sich zuvor ihre Sporen bei so bekannten Bands wie den Small Faces, Herd, Spooky Tooth oder Colosseum verdient. Zu Beginn der 70er galten sie mit ihrem kraftvollen und zugleich differenzierten Bluesrock vor allem in den USA als zuverlässige Konzertfüller.
Ich habe aus ihrem tollen Album „Performance / Rockin‘ The Fillmore“ aus dem Jahr 1971 ihre Eigenkomposition „Stone Cold Fever“ ausgewählt, hier noch mit Peter Frampton an der Leadgitarre. Danach dann „30 Days In A Hole“ von Steve Marriott, 1973 im Winterland in San Francisco mitgeschnitten und nun mit Clem Clempson an der Gitarre. Hier sind Humble Pie.
Humble Pie: Stone Cold Fever / 30 Days In A Hole
Mitte der 1970er löste sich die Band auf, um 1980 herum gabs eine zeitweise Wiederbelebung ohne große Resonanz, und 1991 ist Steve Marriott erst 44jährig verstorben an einem tödlichen Mix aus Alkohol und Drogen – das Klischee der Rockmusik leider mal wieder bestätigend.
Diesbezüglich erfreulicher ist die Bandgeschichte von Barcley James Harvest, die gibt’s nämlich noch immer, auch wenn sie nie zur allerersten Rockergarde gehörten, obwohl sie – wie der Rolling Stone einst schrieb – „im Prinzip doch alles richtig machen“. Zumindest in Deutschland haben sie aber ein über die Jahrzehnte treues Fanpublikum, und im Sommer 2019 spielen sie auf ihrer 50-Jahres-Jubiläums-Tour unter anderem in Falkenberg, Bremen, Nürnberg und Osnabrück.
Es gibt ja etliche Livealben von BJH – ich habe bewusst zwei späte ausgewählt, weil die tatsächlich bei denkwürdigen Open Airs entstanden sind: Zunächst ihr „Concert For The People“ vor dem Berliner Reichstag im Sommer 1980. Daraus das politisch engagierte „Child Of The Universe“, eine Komposition des Gitarristen John Lees.
Sieben Jahre später durften dann Barclay James Harvest auch auf der anderen Seite des Eisernen
Vorhangs ran – am 14. Juli 1987 gastierten sie zum 750jährigen Stadtjubiläum Berlins im Treptower Park vor rund 150.000 Ossis, und auch ich hatte Gänsehaut, als dort zum Abschluss ihr „Hymn“ erklang. Dieser Mitschnitt wurde 1988 auf Polydor veröffentlicht, übrigens unter dem für sich sprechenden Albumnamen GLASNOST!
Barcley James Harvest also zwei Mal live unter dem seinerzeit noch geteilten Himmel von Berlin.
BJH: Child Of The Universe / Hymn
Den Schlusspunkt soll nun Ostrock in Reinkultur setzen – zu den bedeutendsten Bands der Warschauer Vertragsstaaten zählen zweifellos die ungarischen OMEGA-Rocker, gefühlt länger aktiv als die Rolling Stones! Und auch die sind in diesem Jahr wieder auf diversen Konzertbühnen zu erleben, und Frontmann Janos Kobor wird sein graues Löwenhaupt wie eh und je heftig schütteln. (Anmerkung: Ende 2020 sind leider Bassist Tamás Mihály und Keyboarder Lászlo Benkő kurz nacheinander verstorben!)
In einer späteren LiveRillen-Sendung gibt’s dann sicher mal „Ostrock Live“ als Schwerpunkt, dann mehr von und über OMEGA. Hier zum Abschluss ihr „High On The Starway“ live im September 1979 im Budapester Kis-Stadion.
Noch ein kurzer Ausblick: In der nächsten LiveRillen-Ausgabe dreht sich alles auf dem Plattenteller rund um 50 Jahre Woodstock!
OMEGA: High On The Starway
Quellen:
Aerosmith: Live Bootleg, Do.-LP, CBS, 1978
Barclay James Harvest: Berlin – A Concert For The People, LP, Polydor, 1982
Barclay James Harvest: Glasnost, LP, Polydor, 1988
Humble Pie: Performance / Rockin‘ The Fillmore, Do.-LP, A&M, 1971
Journey: Captured, Do.-LP, CBS, 1981
Omega: Live At The Kisstadion, Do.-LP, Bellaphon, 1980
Uriah Heep: Live January 1973, Do.-LP, Bronze/Ariola, 1973
Uriah Heep: Live In Europe 1979, Do.-LP, Castle, 1986
Uriah Heep: Live In Moscow, LP, Gong/Legacy, 1988
ZZ Top: Live In Germany 1980, Do.-LP, Ear Music, 1980/2019
Ein Name wird dieser Tage besonders gern und häufig ausgesprochen, der zu den Meilensteinen der populären Weltkultur gehört und – ja – fast einen magischen Klang besitzt: WOODSTOCK! Kein Wunder – die Legende wird in Kürze 50 Jahre alt: Vom 15. bis zum 17. August 1969 ereignete sich das, was gemeinhin mit dem Etikett „Mutter aller Rockkonzerte“ beklebt wird (obwohl es ja längst nicht das erste Großereignis der Rock-Ära gewesen ist) und als bunte Wundertüte voller Musik, Drogen und freier Liebe zwischen Sonnenstich und Wolkenbruch daherkommt. Miterlebt haben es wohl um die 400.000 Besucher (manche Quellen sprechen gar von einer halben Million) – gezählt hat sie aber niemand wirklich.
Und Tausende sind ja nicht mal bis hingekommen, sondern irgendwo im Verkehrs-Chaos gestrandet, das den halben Bundesstaat lahmgelegt hatte – da hatte auch die Polizei längst resigniert.
Dass Woodstock keineswegs im Ort gleichen Namens, sondern in der Nähe von Bethel im US-Bundesstaat New York auf einer Kuhweide stattfand, wisst ihr natürlich, und sicher auch, dass damit auf jeden Einwohner der Kleinstadt rein zahlenmäßig mindestens hundert Besucher entfielen – eine bis dato schier unvorstellbare Dimension also, die ja nicht zuletzt den etwas blauäugigen Organisatoren um Michael Lang selbst rasch über den Kopf wuchs. Irgendwann brachen alle Absperrungen, damit wurde Woodstock ungeplant zum Free Festival, und die Funktion der fehlenden Sanitäranlagen übernahm der eine oder andere Gewitterguss.
Klar, dass ich in den LiveRillen an diesem Jubiläum nicht vorbeikomme, zumal ja ein musikalischer Querschnitt der drei Tage auf fünf Langspielplatten – in zwei opulenten Sets veröffentlicht – vorliegt.
Und ehe ich ein bisschen was erzählen werde rund um Woodstock und jene, die dort mehr oder minder erfolgreich auf der Bühne standen und mitunter sogar durch genau diesen Auftritt ihrer Karriere einen gewaltigen Schub verpassten, hier die legendäre Eröffnung des Festivals durch den Folk- und Bluessänger Richie Havens um genau 17:07 Uhr. Nur mit der Akustikgitarre sollte er noch zu behebende technische Probleme überbrücken, zudem waren die Musiker von Sweetwater im Anreise-Chaos steckengeblieben, die eigentlich das Musikprogramm eröffnen sollten. Havens machte aus der Not eine Tugend: Sein schier endlos gedehntes „Freedom“ – spontan entwickelt aus dem Spiritual „Motherless Child“ – ist zweifellos eine der Erkennungshymnen von Woodstock geworden. Und damit der Film im Kopf richtig anlaufen kann, gibt’s davor ein paar akustische Momentaufnahmen vom Festivalgelände, also Augen zu – Film ab!
Richie Havens: Freedom
Auch die weiteren Künstler des ersten Festivaltages kamen vornehmlich aus der US-amerikanischen Folk-Szene – überhaupt ein typisches Merkmal der damaligen Festivals, dass die Grenzen zwischen Rock, Blues, Folk und Jazz keineswegs eng aufgefasst wurden.
Nach Richie Havens, der 2013 an den Folgen eines Herzinfarktes verstorben ist, standen unter anderem Tim Hardin, Ravi Shankar, Arlo Guthrie, Melanie Safka und als Headliner des folkorientierten ersten Abends dann Joan Baez auf der Bühne, dazu als einzige echte Gruppe die Folkjazzband Sweetwater, die eigentlich als Eröffnung geplant war, aber im Verkehr steckengeblieben war – so kam Richie Havens als Opener zum Zuge.
Als das Trio Sweetwater um die Sängerin Nancy Nevins dann endlich an der Bühne eintraf, blieb gar keine Zeit für einen Soundcheck – die Band war mit ihrem Auftritt hinterher sehr unzufrieden, wohl auch deshalb findet sich kein akustisches Zeugnis von Sweetwater in den Woodstock-Alben.
Besser lief es dagegen für Melanie Safka