Logik - Harun Pacic - E-Book

Logik E-Book

Harun Pacic

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Beschreibung

Vortrag über die Logik als Bindeglied zwischen theoretischer und praktischer Philosophie.

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Logik, Vernunft, Zeidler, Philosophie, Erkenntnis

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Inhaltsverzeichnis

Teil I

Teil II

Teil III

Literatur

Teil I

Die stoische Lehre, eine „alte griechische Philosophie“,1 teilte sich in drei Teile: Logik, Physik und Ethik.2 ‚Physik‘ steht heute für ‚theoretische‘,3 ‚Ethik‘ für ‚praktische‘ Philosophie. Die Logik, über die ich spreche, versteht sich als eine, die theoretische mit der praktischen Philosophie verbindende, Begriffs-, Urteils- und Schlusslehre.4

Kurt Walter Zeidler hat Logik5 als „Lehre von der Wirklichkeit der Vernunft“6 zu denken gesucht und vernünftige Begründungletztlich als aller Erkenntnis „schlusslogische Letztbegründung“7 erdenklich gefunden.8 ‚Erkenntnis‘ bedeutet das Ergründen von Erfahrung und Auswerten des Erlebens,9 um sich eine schlüssig begründete Meinung zu bilden.10

Die logische Form der Begründung ist der Schluss .11 Wir können deduktiv von einer Regel und einem Fall auf ein Resultat, induktiv von Fall und Resultat auf die Regel sowie abduktiv von der Regel und dem Resultat auf den Fall schließen.12 Der Zusammenhang13 von Regel und Fall erschließt sich uns daraus, dass die Etablierung der Regel nicht nur die Regelexekution durch Subsumtion des Falles, sondern auch die Formulierung der Regel durch Antizipation von Fällen und die Exemplifikation der Regel durch Identifikation eines Falls erfordert, sodass sich aus drei Schlüssen ein Vernunftschluss ergibt.14

‚Vernunft‘ steht für ein „begründendes und sich selbst begründendes Denken.“15 Wenn ihr Selbstbezug entfiele, dann verfiele die Begründung einem Zirkelbeweis , dem infiniten Regress oder dem dogmatischen Abbruch , sonach dem, was Hans Albert das ‚Münchhausen-Trilemma‘ nannte.16 Abhilfe dagegen suchte Zeidler in einer „prinzipientheoretischen“ Denkweise, die den Momenten der Unbedingtheit , Allgemeinheit und Gesetzmäßigkeit verpflichtet ist,17 welche die Vernunft als selbstreflexives Prinzip, als Prinzip der Prinzipien, als Regel aller Regeln, kennzeichnen, und fand allesamt in „drei logischen Grundhandlungen, die eine Regel als Regel etablieren“, im „letztbegründenden Zusammenhang von Deduktion, Induktion und Abduktion“, worin er „die drei ursprünglichen Arten der begrifflichen Synthesis“ erkannte.18 Das Wort ‚Regel‘ meint hierin den Begriffals Inbegriff des erstens extensional oder Subsumtions-, zweitens des durch Einzelnes repräsentierten und drittens des Sinn- oder intensional Allgemeinen.19

Die Möglichkeit begrifflicher Bezugnahme ist die seit alters als ‚Identität von Denken und Sein‘ bekannte Bestimmbarkeit.20 Bestimmbarkeit ist Unterscheidbarkeit.21 Unterscheidungen liegt Bedeutsamkeit zugrunde; sie sind werthaft, sohin nicht vor entschieden, nicht von sich aus schlüssig.22 Sooft wir etwas begrifflich identifizieren, schließen wir abduktiv.23 Für Vordenker dieser dritten Figur des Schlusses erklärte Zeidler nicht erst Hegel und Charles Sanders Peirce,24 sondern, bei Rückbindung des Syllogismus an die Dialektik Platons, bereits Aristoteles.25

Wie Luhmann ‚Kommunikation‘ umschrieben hat, nämlich als Synthese dreier Selektionen : Information, Mittelung und Verstehen, spiegelt die Dreiheit logischer Grundhandlungen wider, denn ‚Information‘ weist auf die Deduktion, ‚Mitteilung‘ auf die Induktion und ‚Verstehen‘ auf die Abduktion hin: Wer eine Information auswählt, subsumiert einen Fall unter eine Regel und exemplifiziert dadurch die Regel; wer auswählt, was und wie etwas mitgeteilt wird, antizipiert verstandene Fälle und formuliert dadurch eine Regel; wer der mitgeteilten Information einen bestimmten Sinn entnimmt, gibt ihr dadurch Sinn und wählt insofern aus – das sind die drei von ihm erfassten Selektionen.26

Auch Wahrheit ist „dreifältig“, denn sie drückt unbedingte Evidenz aus, beschreibt generelle Wiederholbarkeit und schreibt Kohärenz vor.27 Die Dreieinigkeit von Abduktion, Induktion und Deduktion ist die Einheit dreier logischer Grundhandlungen, die Zeidler „mit Platon die Idee des Guten , mit Aristoteles die Selbstanschauung der Vernunft (nóesis noéseos) , mit Kant den intellectus archetypus und mit Hegel die absolute Idee “ nannte.28 Die Resultate der logischen Grundhandlungen stellen das zutreffend Abduzierte, geltend Induzierte und richtig Deduzierte als Momente des Begriffs der Wahrheit vor.29

Was subjektiv zutrifft , ist insofern objektiv wahr, als es hier und jetzt Sinn stiftet, indem es sich „wesentlich“ gibt , sich in der Wahrnehmung30so zeigt,31 wie es gefühlt sein oder nicht sein sollte;32 der Eindruck spricht für sich, indem er sich durch präferierendes Verhalten ausdrückt .33 Unsere Betroffenheit von der Wirklichkeit nötigt uns als Subjekten des Erlebens „reflektierende Urteilskraft“34 ab, um Sinn zu vernehmen; um „etwas“ als den Anwendungsfall einer Regel zu begreifen.35 Die logische Form des Begreifens, des Verstehens, heißt Urteil .36 Wir setzenBegriffe, indem wir urteilen,37 wobei Urteile auf uns als selbst Urteilende, auf das Beurteilte und auf andere Urteile verweisen , sie ergehen nicht voraus setzungslos, denn was immer wir uns verständlich machen, das ordnen wir ein.38 Die Vernunft duldet, so könnten wir sagen, keine Unordnung.39

Was für uns ‚Begriff‘40 ist, war einst für Platon die ‚Idee‘, nämlich der logische Grund aller Erkenntnis; die logische Form des Grundes.41 Deshalb sprach Zeidler von einer ‚unbedingten‘ Setzung, die wir aber induktiver Bewährung sowie deduktiver Stabilisierung aussetzen müssen, um dem Wirklichkeitsbezug der Vernunft – als der „sich selbst reflektierenden Urteilskraft“ – gerecht zu werden.42

Während uns die „Zustände des Erlebens“ ein drücklich wie „ein Gewebe von Bedeutungen“ eröffnet sind, erschließen wir uns – sozusagen aus drücklich – ein „Gefüge von Umständen“ der Erfahrung, weshalb Einzelnes für uns etwas Allgemeines, zum gedanklichen Nach vollzug der Teilnahme daran, repräsentiert ; als Beobachtende erkennen wir Gegenstände und aus solchen zusammengesetzte Sachverhalte wieder ;43 insoweit stimmt die platonische Anamnesis , wonach alles Erkennen ein Erinnern sei.44 Auch Luhmann dachte in diese Richtung als er ‚Beobachtung‘ als „unterscheidendes Bezeichnen“ auffasste und in der „Zeitdimension“ von Sinn ein Gedächtnis , Aufzeichnungen, für nötig erachtete; die zwei anderen Dimensionen, die er unterschieden hat, Sozial- und Sachdimension, gemahnen an die kommunikative Bewährung und formallogische Stabilisierung des Gedachten.45

Wenn wir von ‚Zuständen des Erlebens‘ hören, denken wir vielleicht an mit Gehirnzuständen korrelierende mentale Zustände, die durch Funktionalität, Repräsentationalität und Bewusstheit charakterisiert sind,46 obwohl wir ein Erleben keinem Lebewesen absprechen können, wofern damit der Vollzug von Leben gemeint ist; das ist das, was sich, sei es bewusst oder unbewusst, durch Verarbeitung von Eindrücken in vermeidendem oder trachtendem, in erhaltendem oder veränderndem Verhalten ausdrückt.47

Die in Rede stehenden Zustände ermöglichen uns gleichwohl, solch ein Verhalten zu ergründen, Gründe dafür mit Gründen dawider abzuwägen , mithin Verhalten als Handlung zuzuschreiben, nicht unbedingt, weil das Verhalten zuvor so beabsichtigt war, sondern, um die Verhaltensweise forthin ändern zu können.48 Luhmann brachte das zur Sprache, als er sagte, Freiheit sei nicht Bedingung , sondern Folge moralischer Zurechnung.49 Der „logische Ort der Freiheit“ befindet sich „in der sich selbst regulativ konstituierenden Logizität der Regel der Regeletablierung“.50

Wiewohl sich die Logik nicht als Reflexions-, Bewusstseinsoder Selbstbewusstseinstheorie versteht, lässt sich ihr entnehmen, dass logische Grundhandlungen sowohl ein Selbst- als auch ein Weltverständnis erschließen .51 Sinnallgemeine Zuständlichkeit, repräsentationsallgemeine Umständlichkeit und subsumtionsallgemeine Gegenständlichkeit sind „ursprüngliche Funktionen der Synthesis von Regel und Fall“.52 Das Ich , das, wie einst Johann Gottlieb Fichte sagte, „schlechthin ist“,53 ist nicht nur eine , es ist selbst „jede der drei ursprünglichen Funktionen der Synthesis von Regel und Fall“ – es ist das erlebende, erfahrende und erkennende Subjekt ,54 das sich durch Arbeit im Sinne einer ‚Vermittlung zwischen Sein und Sollen‘ in seiner Lebenswelt der Wahrheit vergewissert.55

Der Begriff der Wahrheit ist die Kehrseite des Begriffs des Begriffs, mit andern Worten: Die Bedingungen der Möglichkeit der Regel sind auch Bedingungen der Möglichkeit des Falles.56 Darin liegt die Wirklichkeit der Vernunft;57 und nur, weil der empirische Gegenstand nicht das Gegebene, sondern das Gedachte ist,58 was Luhmann von seinem „konstruktivistischen“ Ansatz her denkend insofern bestätigt hat, als er ‚Realität‘ für die „Einheit der Differenz von Erkenntnis und Gegenstand“ hielt,59 dürften wir mit Hegel verkünden: „Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig.“60

1 Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten , Riga, Johann Friedrich Hartknoch, 1785, Vorrede.

2 Vgl. Malte Hossenfelder, Antike Glückslehren, Stuttgart, Alfred Kröner, 2. Aufl., 2013, S. 66-167 (77 f.).

3 Physikalistische Einheitssprache ist nicht gemeint. Zum Thema: Otto Neurath, Soziologie im Physikalismus , Erkenntnis 2/1931, S. 393-431; Otto Neurath, Radikaler Physikalismus und „Wirkliche Welt“ , Erkenntnis 4/1943, S. 346-362; Franz von Kutschera, Carnap und der Physikalismus , Erkenntnis 35/1991, S. 305-323.

4 Vgl. Thomas Spencer Baynes (Übers.), Logic, or the art of thinking: being the Port-Royal Logic , Edinburgh, Sutherland and Knox, 1850. Zur modernen/mathematischen Logik vgl. Franz von Kutschera und Alfred Breitkopf, Einführung in die moderne Logik , Freiburg/München, Karl Alber, 9. Aufl., 2014; Heinz-Dieter Ebbinghaus/Jörg Flum/Wolfgang Thomas, Einführung in die mathematische Logik , Berlin, Springer, 6. Aufl., 2018.

5 Kurt Walter Zeidler, Transformationen der Logik , Wiener Jahrbuch für Philosophie 14/1981, S. 7-22, kritisierte die Engführung der Logik auf die „formale Logik“, die Logik der Gedanken, „d. i. des in der Urteilsform bereits fixierten Begriffs“, und sprach sich vor dem Hintergrund der Hegelschen Schlusslehre für eine Logik des Denkens und Erkennens aus.

6 Kurt Walter Zeidler, Die Wirklichkeit der Vernunft (Formale, empirische und rationale Begründung) , in: Ludwig Nagl/Rudolf Langthaler (Hrsg.), System der Philosophie? Festgabe f. Hans-Dieter Klein, Frankfurt, Peter Lang, 2000, S. 241-252.

7 Lois Maria Rendl/Robert König (Hrsg.), Schlusslogische Letztbegründung , Festschrift f. Kurt Walter Zeidler, Berlin, Peter Lang, 2020, S. 915 (Vorwort).

8 Vgl. Kurt Walter Zeidler, Grundlegungen , Zur Theorie der Vernunft und Letztbegründung, Wien, Ferstl & Perz, 2016, S. 10-60.

9 Zur Erkenntniskritik Zeidlers gibt es ein nach Audioaufnahmen seiner Vorlesung an der Universität Wien zur Einführung in die Erkenntnislehre im WS 2009/10 von Lois Rendl erstelltes Skriptum: Er arbeitete zuerst drei Erkenntnisbezüge heraus, nämlich den Subjekt- (oder Selbst-), den Sach- (Objekt-) und den Sprachbezug (den Bezug auf ein Medium, also Bestimmtheit, Darstellbarkeit, Mitteilbarkeit) und unterschied damit das Erkenntnisobjekt als Bestimmungssubstrat (vgl. a. a. O., S. 11) vom Erkenntnisresultat. Erkenntnis war für ihn (a. a. O., S. 21) „jemandes vermittelbares Wissen von etwas“