Lore-Roman 153 - Ursula Fischer - E-Book

Lore-Roman 153 E-Book

Ursula Fischer

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Beschreibung

Juliane Herzog ist Kunsthistorikerin und schreibt gerade an ihrer Doktorarbeit. Ihrem Vater aber wäre es lieber, sie würde etwas Anständiges machen und beim Kurier einsteigen. Der alte Herzog ist stolz auf das Familienunternehmen seit Generationen. Immerhin habe er aus dem Käseblatt eine der größten Zeitungen Deutschlands gemacht.
Als Herzog jedoch plötzlich an einem Herzinfarkt stirbt, ist es an Juliane, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten. Sie soll den Kurier von der Pike auf kennenlernen. Das Testament verfügt jedoch, dass Verlagsleiter Rethemann das letzte Wort hat, wenn es um die Nachfolge geht. Juliane tobt vor Wut. Wenn sie eines nicht leiden kann, dann sind es patriarchalische Machtstrukturen. So entsinnt sie einen Plan und entscheidet, unter falschem Namen ein Volontariat zu beginnen. Eine Extrawurst möchte sie nicht. Sie wird diesem Rethemann schon beweisen, dass sie ihren Vater ersetzen kann ...


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Inhalt

Cover

Sie liebten und sie stritten sich

Vorschau

Impressum

Sie liebten und sie stritten sich

Ein beschwingter Liebesroman

Von Ursula Fischer

Juliane Herzog ist Kunsthistorikerin und schreibt gerade an ihrer Doktorarbeit. Ihrem Vater aber wäre es lieber, sie würde etwas Anständiges machen und beim Kurier einsteigen. Der alte Herzog ist stolz auf das Familienunternehmen seit Generationen. Immerhin habe er aus dem Käseblatt eine der größten Zeitungen Deutschlands gemacht.

Als Herzog jedoch plötzlich an einem Herzinfarkt stirbt, ist es an Juliane, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten. Sie soll den Kurier von der Pike auf kennenlernen. Das Testament verfügt jedoch, dass Verlagsleiter Rethemann das letzte Wort hat, wenn es um die Nachfolge geht. Juliane tobt vor Wut. Wenn sie eines nicht leiden kann, dann sind es patriarchalische Machtstrukturen. So entsinnt sie einen Plan und entscheidet, unter falschem Namen ein Volontariat zu beginnen. Eine Extrawurst möchte sie nicht. Sie wird diesem Rethemann schon beweisen, dass sie ihren Vater ersetzen kann ...

Ein belustigtes Lächeln glitt über Juliane Herzogs Gesicht, als sie ihren Vater bei der Lektüre seiner Zeitung beobachtete. Seine Züge waren ungewöhnlich ausdrucksvoll. Nach anfänglichem Stirnrunzeln glätteten sie sich, dann begann er zu schmunzeln, und zum Schluss strahlte er.

»Hast du gelesen?«, fragte Georg Herzog seine Tochter. »Das musst du unbedingt lesen!« Er faltete die Zeitung zusammen und reichte sie Juliane hinüber, aber seine Tochter machte keine Anstalten, das Blatt entgegenzunehmen.

»Vielen Dank«, lehnte sie ab, »aber leider befinde ich mich nicht auf dem intellektuellen Niveau, Gefallen an deiner Zeitung zu finden.«

»Sei nicht immer so verdammt hochnäsig«, polterte der alte Herr los. Juliane war seine Tochter aus zweiter Ehe, er hatte eine sehr viel jüngere Frau geheiratet, die aber vor einigen Jahren einer tückischen Infektionskrankheit erlegen war. »Wir leben von unserer Zeitung, und wir leben nicht schlecht davon. Du solltest Gott auf den Knien danken, dass so viele Menschen nicht deinen hochgestochenen Geschmack teilen. Ohne diese Zeitung könntest du nicht so leben, wie du es jetzt tust. Du müsstest arbeiten wie andere auch, und wahrscheinlich würdest du dann in den Arbeitspausen meine Zeitung lesen. Wir bringen nämlich, was die Leute interessiert, keinen intellektuellen Quatsch.«

»Und was interessiert die Leute deiner Meinung nach? Mord und Totschlag, Sport – und natürlich jede Menge Klatsch über Prominente.«

»Jawohl! Und was hast du dagegen? Über Politik ärgern sich die Menschen nur, und wer meine Zeitung liest, der soll sich nicht ärgern.« Das Lächeln war vollkommen von seinem Gesicht verschwunden, er sah jetzt richtig verbissen und grimmig aus. »Wenn ich einmal sterben sollte, was wird dann aus unserer Zeitung? Du bist überhaupt nicht imstande, sie weiterzuführen. Aber es ist ein Familienunternehmen seit Generationen, und ich war es, der unsere Zeitung aus einem Käseblatt zu einer der größten Zeitungen Deutschlands gemacht hat. Auch wenn du es dir nicht vorstellen kannst, ich bin stolz darauf. Mir scheint, wir haben dich falsch erzogen, liebe Juliane.«

»Weil ich keine Lust habe, irgendeinen idiotisch geschriebenen Artikel zu lesen?«, fragte die junge Dame spöttisch.

»Er ist nicht idiotisch geschrieben. Rethemann hat ihn verfasst, und was Rethemann im kleinen Finger hat, das hast du nicht im Kopf. Der Mann besitzt einfach ein Gespür für das, was die Leute lesen wollen. So etwas kann man nicht lernen. Entweder hat man es, oder man hat es nicht.«

»Ich fürchte, ich habe es nicht, wenn du mich meinst«, stellte Juliane spöttisch fest. »Ich bekomme immer das große Gähnen, wenn ich mich einmal aufraffe, einen Blick in dein interessantes Blättchen zu werfen. Scheidungsgeschichten im Hause sowieso? Mein Gott, wie mich das interessiert!«

»Dein Studium hat dich verdorben, daran liegt es. Hättest du wenigstens etwas Vernünftiges studiert! Aber nein, dazu ist man ja zu fein, es muss Kunstgeschichte oder so ein Mist sein, der niemandem etwas nützt.«

Julianes Gesicht rötete sich vor Zorn.

»Du sprichst über Dinge, von denen du überhaupt nichts verstehst«, stellte sie fest.

»Ach nee! Ich bin wohl zu dumm, um dein Gesprächspartner zu sein, wie? Ich habe ja auch bloß Buchdrucker gelernt und nicht studiert, und ein Mensch fängt wohl erst mit abgeschlossenem Studium an, vollwertig zu sein, vielleicht wenn man Herr Doktor sagen darf. Ich will dir mal was erzählen, liebe Juliane: Ich habe von der Pike auf gelernt, und einige Doktoren arbeiten für mich, und sie sind glücklich, dass sie für mich arbeiten dürfen. Und von denen kommt keiner auf den Gedanken, auf mich herunterzusehen. – Würde ich ihnen übrigens auch nicht geraten haben«, setzte er hinzu.

»Das ist eben alles Ansichtssache. Es freut mich, dass du dich für dein Blatt erwärmen kannst, aber mir musst du schon erlauben, das nicht zu tun.«

»Nichts erlaube ich«, explodierte Georg Herzog und schlug bekräftigend mit der Faust auf den Tisch. »Es wird allerhöchste Zeit, dass du endlich mal den Ernst des Lebens kennenlernst. Was tust du eigentlich den ganzen Tag! Schlägst die Zeit tot, das ist alles. Hast du jemals im Leben eine Stunde gearbeitet? Nein, hast du nicht.«

»Mein Studium war auch Arbeit, lieber Vater.«

»Ach, das ist ja etwas ganz Neues. Du hattest jedenfalls immer viel Zeit, während du studiertest.«

»Und jetzt schreibe ich an meiner Doktorarbeit.«

»Wozu braucht ein Mädchen den Doktortitel, kannst du mir das sagen? Heirate gefälligst, schaff dir ein paar Kinder an, dann weißt du, wozu du auf der Welt bist. Diese oberschlauen Frauen kann kein Mann ausstehen. Jedenfalls kein richtiger Mann. Du weißt jetzt schon immer alles besser, wie soll das erst werden, wenn du ein Fräulein Doktor bist?«

»Müssen wir uns wirklich schon wieder streiten?«, fragte Juliane einlenkend. »Denk an deinen Blutdruck. Der Arzt hat dir gesagt, dass du dich nicht aufregen darfst.«

»Der alte Quacksalber! Der kann gut reden. Den ganzen Tag rege ich mich auf, aber das verstehst du natürlich nicht. Wenn du Geld brauchst, dann hältst du die Hand hin, und sie wird gefüllt, aber wie man das Geld erst verdient, wie schwer das ist, davon hast du keine Ahnung. Nur schlau reden, das kannst du.«

Juliane Herzog schnitt mit aufreizender Gelassenheit ein Brötchen durch und bestrich es mit Butter.

»Marmelade oder Wurst?«, fragte sie ungerührt.

»Mir ist der Appetit vergangen!«, fuhr der Mann sie an. »Wenn man mit dir spricht, dann ist es, als redet man gegen eine Wand. Eine Wand versteht genauso viel wie du. Juliane, ich habe nur dich, und – du musst allmählich mal anfangen, dich für die Zeitung zu interessieren. Wenn du wenigstens einen Mann heiraten würdest, der vom Fach ist. Aber was tust du? Ziehst mit Idioten wie diesem Siedenburg durch die Welt.«

»Oliver ist außergewöhnlich intelligent.«

»Ein Idiot ist er«, beharrte ihr Vater auf seiner vorgefassten Meinung. »Auch so ein Studierter. Es ist merkwürdig, bei mir im Betrieb sind alle, die Erfolg haben, sogenannte Aufsteiger. Und die Herren Akademiker, die stehen im zweiten Glied. Auch wenn sie noch so gute Zeugnisse von der Universität vorzeigen konnten. Dort hat man ihnen den Kopf mit lauter Unsinn vollgestopft.«

»Mag sein, dass du solche Erfahrungen gemacht hast, aber du darfst sie nicht verallgemeinern.«

»Ach, mir wird jetzt schon gesagt, was ich darf und was ich nicht darf?«, fragte Georg Herzog höhnisch. »Fehlt nur noch, dass du von mir verlangst, ich solle dir erlauben, meine Zeitung zu begutachten, bevor sie erscheint. Was soll nur aus dem Blatt werden, wenn ich einmal nicht mehr bin? Ich kann jeden Tag tot umfallen, das weißt du. Aber kümmert dich das? Nein! Man bekommt ja sein Geld, und woher es kommt, darüber macht sich mein studiertes Fräulein Tochter keine Gedanken. Geld ist eben da. Ich hätte besser aufpassen müssen, deine Mutter hat dich schlecht erzogen. Sie hatte auch solch einen merkwürdigen Hang nach oben, für Kunst und solchen Quatsch. Wer braucht Kunst, außer den Künstlern? Die leben davon, weil es Dumme gibt, die sich einreden lassen, Kunst gehöre zum höheren Leben. Ich bin jetzt über sechzig Jahre alt geworden, aber ich habe nie Kunst gebraucht und mich immer in meiner Haut wohl gefühlt.«

»Warum willst du nicht zugeben, dass die Menschen verschieden sind?«, fragte Juliane gelassen.

»Das gebe ich zu. Nur in deinem Fall ist das etwas anderes. Es geht immerhin um mein Lebenswerk. Wenn du einmal die Zeitung erbst, und wenn Rethemann zur Konkurrenz geht ... Der Mann ist nicht mit Gold aufzuwiegen, und er ist keiner, der so viel Geduld hat wie ich, der sich von einem aufgeblasenen Frauenzimmer etwas sagen lassen würde. Rethemann hat das nämlich nicht nötig.«

»Ich werde mich ihm immer in Demutshaltung nähern, wenn es einmal so weit ist«, versprach Juliane obenhin.

»Journalisten gibt es wie Sand am Meer, aber wie wenige davon taugen wirklich etwas! Schreiben kann jeder Hilfsschüler, aber so schreiben, dass Millionen es lesen wollen, das ist eine Gabe, die nur Auserwählte besitzen.«

»Hat Rethemann eigentlich sichtbaren Heiligenschein, oder sehen den nur die Auserwählten?«

»Manchmal möchte ich dich nehmen und an die Wand klatschen«, fauchte Georg Herzog. Er hatte einen viel zu hohen Blutdruck und vergaß häufig, die Tabletten einzunehmen, die sein Arzt ihm dagegen verschrieben hatte. Auch jetzt war sein Kopf fast dunkelrot, seine Augen schossen förmlich Blitze. Im Betrieb kannte man sein cholerisches Temperament und ging ihm tunlichst aus dem Wege, wenn er sich über irgendetwas geärgert hatte.

»Du sollst deinen Doktor noch machen, aber dann, liebe Juliane, gibt es kein Pardon mehr. Dann wirst du in der Zeitung anfangen, und zwar ganz unten, und du wirst dich hochdienen müssen wie jeder andere.«

»Verstehe. Ich werde also morgens die Zeitung austragen.«

»Du weißt nicht einmal, dass wir keine Abonnements haben«, stellte Georg Herzog fest. »Wir verkaufen unsere Zeitungen an Kiosken und in Tabakwarengeschäften, und das heißt, dass wir jeden Tag so interessant sein müssen, dass die Leute bereit sind, ein paar Groschen für uns auf den Tisch zu legen. Das ist etwas ganz anderes, als wenn man eine Zeitung mit Abonnentenstamm macht. Die kann man anders aufziehen. Aber so etwas lernt ihr natürlich nicht auf der Universität.«

»Du solltest keinen Kaffee mehr trinken«, mahnte Juliane, als er nach dem Kännchen griff, um seine Tasse wieder zu füllen. »Dieser starke Bohnenkaffee ist Gift für dich.«

»Ich brauche ihn. Ich kann nur arbeiten, wenn ich ganz da bin, aber wem sage ich das, du hast ja nie zu arbeiten brauchen. Und jetzt muss ich ins Büro, und du ...«

»Ich gehe in mein Zimmer und arbeite an meiner Dissertation weiter.«

»Der Landschaftshintergrund in den Bildern Pietrocellis. Wer kennt. Pietrocelli? Kein Mensch. Er steht nicht einmal im Lexikon. Und wer interessiert sich dafür, was für einen Hintergrund der alte Schmierer seinen Porträts gegeben hat? Kein Mensch. Aber du sitzt fast ein Jahr an einer Arbeit über solch einen Unsinn. Und dafür machen sie dich womöglich zum Doktor. Weißt du, wie ich so etwas nenne?«

Juliane konnte es sich denken.

»Schwachsinn! Kompletter Schwachsinn ist das! Und dann wundert ihr euch nachher, dass man euch nicht brauchen kann. Nur beim Staat könnt ihr Karriere machen, aber wo ihr Konkurrenz mit tüchtigen Leuten habt, da habt ihr nichts zu melden.«

Juliane lächelte nur, und ihr Lächeln ließ ihren Vater fast platzen vor Wut. Sie war so dumm, so entsetzlich dumm! Was konnte man nur tun, um ihr etwas Vernunft in den hübschen Schädel zu hämmern? Sie war nämlich hübsch, sogar sehr. Juliane Herzog war eine aparte Schönheit, die wirklich etwas Besseres mit ihrem Leben anfangen sollte, als Kunstgeschichte zu studieren.

Aber begriff sie das? Nein. Sie war ja eine Studierte, und denen fehlte es allesamt an gesundem Menschenverstand. Mit dieser Meinung stand Georg Herzog keineswegs allein da. In seinem Betrieb konnte er mit den Praktikern viel mehr anfangen als mit den Leuten, die von der Universität kamen. Leider brauchte er sie für manche Beiträge, aber direkt wichtig waren sie für seine Zeitung nicht.

»Kommst du heute Mittag nach Hause?«, fragte Juliane unverändert freundlich.

»Nein. Ist mir zu riskant. Ich habe keinen Magen aus Stahl, und den braucht man bei deinem Kochen. Ein Glück, dass Frau Schulte nächste Woche aus dem Urlaub zurückkommt. An ihr solltest du dir ein Beispiel nehmen. Sie ist in jeder Beziehung unglaublich tüchtig.«

»Und liest besonders gern deine Zeitung«, ergänzte Juliane lächelnd.

»Das bringe ich dir auch noch bei, liebes Kind, warte nur ab!«, drohte der erboste Vater. Für Juliane jedenfalls klang es wie eine Drohung.

***

Juliane hob unmutig den Kopf, als das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte. Es dauerte Sekunden, bis sie richtig begriff, was sie gestört hatte. Sie konnte sich bei der Arbeit ungeheuer konzentrieren und war dann blind und taub für das, was um sie herum vor sich ging. Ebenso hatte sie dann kein Zeitgefühl.

Hoffentlich ruft Vater nicht an, dass er doch zum Mittagessen kommen will, dachte sie, als sie den Hörer abnahm und sich meldete. Sie hatte ganz vergessen, etwas einzukaufen, und für irgendwelche Schnellgerichte war ihr durch Frau Schulte verwöhnter Vater ganz und gar nicht.

»Ich bin es, Oliver«, meldete sich ihr ehemaliger Studienfreund. Er hatte es inzwischen zu etwas gebracht, war als Juniorpartner in die Rechtsanwaltspraxis seines Vaters eingetreten und verdiente dort ganz annehmbar. »Störe ich?«

»Nein«, behauptete Juliane so zögernd, dass Oliver von Siedenburg sofort Bescheid wusste.

Ihr Freund lachte. »Du sitzt gerade wieder über deinem alten Italiener, wetten? Lass den Knaben ein bisschen schmoren, und triff dich mit mir zum Essen. Was hältst du davon? Damit du es nur weißt, ich habe schon einen Tisch für uns reservieren lassen.«

»Eine glänzende Idee! Ich glaube, ich habe auch Hunger.« Juliane lächelte vor sich hin. »Lieb von dir, dass du an mich gedacht hast, Oliver. Wie geht es dir?«

»Das erzähle ich dir, wenn wir zusammensitzen. Draußen wartet noch ein Klient. Passt dir dreizehn Uhr?«

»Ja, ich werde pünktlich sein.«

»Das habe ich bei dir auch nicht anders erwartet. Auch in der Beziehung unterscheidest du dich vorteilhaft von anderen schönen Frauen. Bis gleich dann.«

»Tschüss.« Juliane legte den Hörer zurück und seufzte. Die Arbeit an ihrer Dissertation war viel umfangreicher, als sie es sich anfangs vorgestellt hatte. Bestimmt würde sie noch ein Vierteljahr brauchen, um sie abschließen zu können. Sie hatte nämlich den Ehrgeiz, mit Sehr gut zu bestehen, wenn möglich sogar mit Auszeichnung, auch wenn diese Noten ihrem Vater wahrscheinlich nicht sonderlich imponieren würden.

Oliver hatte seine beiden juristischen Staatsexamen mit Sehr gut bestanden, und bei einem Juristen war das allerhand. Man verlangte ungeheuer viel von ihnen, aber Oliver war auch überdurchschnittlich begabt und vor allem ehrgeizig und fleißig.

Er weiß genau, was er will, er plant sein Leben Schritt für Schritt, dachte Juliane. Sicherlich hatte er auch schon die genaue Zahl seiner Kinder festgelegt, und es würde ihm sehr leidtun, dass er nicht auch noch ihr Geschlecht vorausbestimmen konnte. Erst ein Junge, dann zwei Mädchen, oder so ähnlich.

Er war ein netter, für Julianes Geschmack ein etwas zu pedantischer Mann, aber Juristen müssen wohl so sein, von ihnen erwartet man eine größere Zuverlässigkeit als von anderen.

Oliver stand auf, als Juliane das Lokal betrat. Er sah sehr gut aus, ein langer breitschultriger Mann mit gebräuntem Gesicht und kühlen grauen Augen. Er lächelte nur selten, aber wenn, dann gab ihm dieses Lächeln einen Charme, der ihm sonst fehlte.

»Du siehst bezaubernd aus, Juliane«, stellte Oliver fest und rückte einen Stuhl für sie zurecht. »Wir sehen uns eigentlich viel zu selten ... Dafür denke ich umso häufiger an dich.«

Juliane stutzte. Das klang ja fast wie ein Kompliment.

»Übernimm dich nur nicht, Oliver«, meinte sie. »Wie komme ich zu der Ehre, von dir zum Mittagessen eingeladen zu werden? Du bist doch schließlich ein vielbeschäftigter Mann.«

»Ja – wollen wir nicht erst essen, bevor wir darüber sprechen?«

»Ein voller Magen macht sanftmütig«, meinte Juliane verschmitzt. »Was hast du mit mir vor, Oliver? Du willst doch etwas von mir.«

»Es ist schwer, dir etwas vorzumachen«, stellte Oliver von Siedenburg zufrieden fest. »Ja, ich will wirklich etwas von dir. Und gar nicht einmal so wenig. Ich möchte dich ganz, sozusagen mit Haut und Haaren.«

»Willst du es den Kannibalen nachmachen?«, scherzte Juliane.

»Nein. Es genügt mir völlig, wenn wir heiraten.«

»Was?«, fragte Juliane jetzt fassungslos. »Du willst mich ...?« Auf den Gedanken war sie nie gekommen. Sie waren befreundet, gut befreundet, aber von Liebe war zwischen ihnen nie die Rede gewesen. »Sei so nett und erkläre mir die Pointe dieses Witzes«, bat sie. »Ich besitze leider nicht deine hervorragenden Geistesgaben, um sie so zu verstehen.«

»Mein Antrag kommt für dich – überraschend ... Ich dachte, du hättest schon seit langem bemerkt, dass ich ... Nun, dass du mir mehr bedeutest als ...« Für den redegewandten Juristen war es schwer, über seine Gefühle zu sprechen. Vor Gericht war er ein blendender Redner, aber jetzt versagte dieses Talent. Er senkte den Kopf und schaute auf das blütenweiße Tischtuch. »Gestern Abend hat mein Vater mir die Teilhaberschaft in unserer Praxis angeboten, und das bedeutet, dass mein Einkommen sich sofort beträchtlich erhöhen wird. Ich bin jetzt also imstande, meiner Frau das zu bieten, worauf sie Anspruch hat. Und – deshalb habe ich auch keine Stunde länger unnötig gezögert, mit dir zu sprechen. Wir kennen uns lange genug. Ich hoffe, wir wissen, was wir voneinander zu halten haben, und – ganz abgesehen davon – ich könnte mir keine andere Frau für mich vorstellen als dich.«

Juliane schaute ihn nur fassungslos an.

»Entschuldige, Oliver, aber ich bin nie auf den Gedanken gekommen ... Du hast mir nie gezeigt ...«

»Als kleiner Rechtsanwalt verdiente ich nicht genug, um ... Du bist verwöhnt, und es war für mich selbstverständlich, dir erst einen Heiratsantrag zu machen, wenn ich sicher sein konnte, dir den Lebensstandard ermöglichen zu können, den du gewohnt bist.«

Er redet reichlich trocken, schoss es Juliane durch den Kopf. Sie lächelte eine Spur nachsichtig, denn so sehr sie Oliver auch respektierte, in seiner jetzigen Rolle konnte sie ihn nicht ganz ernst nehmen. Er war kein Liebhaber, kein Mann, dem sie leidenschaftliche Gefühle zutraute, ihrer Meinung nach war Oliver von Siedenburg durch und durch ein Verstandesmensch.

»Warum ausgerechnet ich?«, fragte sie neugierig.

»Weil – weil du mir am besten gefällst.« Olivers verlegenes Lächeln ließ ihn sehr sympathisch erscheinen und rührte Julianes Herz. »Erwarte bitte keine feurige Liebeserklärung von mir. – So etwas klingt oft leicht abgeschmackt ...«

»Glaubst du wirklich, ich würde einfach Ja sagen?«, fragte Juliane, die sich noch immer nicht von ihrer Überraschung erholt hatte.

»Wäre es denn so abwegig?«, fragte Oliver stirnrunzelnd. »Man hat mir übrigens den Vorsitz unserer Partei angeboten. Landesvorsitzender. Das ist ein Sprungbrett. Vielleicht – werde ich einmal Minister ...«

»Das Zeug dazu hättest du. Dein Antrag kommt für mich völlig überraschend, Oliver. Ich bin einfach nie auf den Gedanken gekommen, du könntest mehr in mir sehen als – als eine Kameradin.«

»Ich halte nichts davon, irgendwelche wichtigen Entscheidungen zu überstürzen. Und die Wahl der Ehefrau ist für einen Mann nach seiner Berufsentscheidung wahrscheinlich das Wichtigste.«

»Die Tochter eines Zeitungsbesitzers, das hat natürlich auch eine Rolle für dich mitgespielt. Mein Vater soll dich unterstützen, Reklame machen für dich ...«

Oliver von Siedenburg wurde tatsächlich ein bisschen verlegen, während er protestierend den Kopf schüttelte.

»Du irrst dich. Selbstverständlich ist es mir nicht unlieb, dass dein Vater einen gewissen Einfluss auf die öffentliche Meinung ausübt, aber das hat meine Entscheidung keineswegs beeinflusst.«

Es war kein Wunder, dass Juliane ihm nicht glaubte.

»Ich bin altmodisch«, gestand sie. »Ich möchte nur aus Liebe heiraten.«

»Dann verlieb dich in mich«, schlug Oliver vor.