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Annegret Keßler hat einen Traum: Sie will Architektin werden. Und so steht sie vom frühen Nachmittag bis spät in die Nacht hinein am Rathausplatz und hofft, sich als Blumenmädchen das Geld für ihr Studium erarbeiten zu können. Nach Mitternacht, wenn ihre Füße müde sind und ihre Hände schmutzig, kehrt sie mit ihrem kleinen Handwagen nach Hause an den Stadtrand zurück, in einen alten ausgedienten Eisenbahnwaggon, der ihr und ihrer Mutter als Heim dient. So geht es tagaus tagein, und ihr bescheidenes Leben verläuft in ruhigen Bahnen.
Bis ihr eines Tages ein vornehmer Mann, der jeden Tag einen Blumenstrauß bei ihr kauft, ein sonderbares Angebot macht ...
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Seitenzahl: 135
Cover
Impressum
Das Blumenmädchen vom Rathausplatz
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock/Iancu Christian
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-4807-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Das Blumenmädchen vom Rathausplatz
Ergreifender Roman um das Schicksal der schönen Annegret
Ursula Fischer
Annegret Keßler hat einen Traum: Sie will Architektin werden. Und so steht sie vom frühen Nachmittag bis spät in die Nacht hinein am Rathausplatz und hofft, sich als Blumenmädchen das Geld für ihr Studium erarbeiten zu können. Nach Mitternacht, wenn ihre Füße müde sind und ihre Hände schmutzig, kehrt sie mit ihrem kleinen Handwagen nach Hause an den Stadtrand zurück, in einen alten ausgedienten Eisenbahnwaggon, der ihr und ihrer Mutter als Heim dient. So geht es tagaus tagein, und ihr bescheidenes Leben verläuft in ruhigen Bahnen.
Bis ihr eines Tages ein vornehmer Mann, der jeden Tag einen Blumenstrauß bei ihr kauft, ein sonderbares Angebot macht …
Annegret lächelte, als sie den ansehnlichen Mann über den Platz auf sich zukommen sah. Ganz automatisch griffen ihre Hände nach den Nelken, die in einem Eimer neben ihr standen, denn sie wusste schon, was er verlangen würde.
„Elf Nelken, Fräulein“, hatte er seit zwei Monaten jeden Abend gefordert, und manchmal hatte sich Annegret vorzustellen versucht, wie die Frau wohl aussehen mochte, der dieser kostspielige Gruß galt.
Er sah außerordentlich gut aus, der fremde Mann, der jetzt vor ihr stehen blieb, einen prüfenden Blick auf die Blumen warf, ihr selbst aber keine Aufmerksamkeit schenkte.
„Nelken?“, fragte Annegret leise und zupfte schon die schönsten aus dem Bündel heraus.
Aber der Mann schüttelte diesmal den Kopf.
„Nein, keine Nelken … geben Sie mir Rosen, von diesen dort, elf Stück.“
„Rosen?“, wiederholte Annegret erstaunt, denn einen Augenblick glaubte sie fast, sich verhört zu haben.
Vor zwei Monaten hatte der Mann noch erklärt, dass sie – die Frau wahrscheinlich, der er die Blumen schenkte – Rosen verabscheute.
Und jetzt …
Der Mann warf ihr zum ersten Mal einen lächelnden Blick zu.
„Ja, Rosen“, wiederholte er dann, und sein Lächeln vertiefte sich.
Annegret wusste selbst nicht, warum sie so verlegen war und sogar errötete. Es war ein backfischhaftes Erröten, über das sie sich jedes Mal erneut ärgerte. Heutzutage errötete man nicht mehr, so etwas war altmodisch, aber es gelang ihr beim besten Willen nicht, den Makel abzulegen.
Noch immer spürte sie den Blick des fremden Mannes auf sich ruhen. Sie wusste nichts von ihm, nur, dass er ihr bester Kunde war. Er bezahlte meistens mit einem Schein, verzichtete großzügig auf das Wechselgeld und ging dann auf einen großen Wagen zu, an dessen Steuer ein Chauffeur saß.
Während Annegret die Blumen vorsichtig in Seidenpapier einhüllte, das sie mit Stecknadeln verschloss, schaute sich Mathias Breden das kleine, unscheinbare Blumenmädchen genauer an.
Sie hatte dunkelblondes Haar, gebräunte Haut und blitzende Augen. Sie war sehr hübsch. Zum ersten Mal fiel ihm auf, dass sie eine Schönheit gewesen wäre, würde sie nicht dieses verwaschene alte Kleid tragen, das ihre Figur vollkommen verbarg.
Er konnte es sich nicht verkneifen, ein wenig um den Stand herumzugehen, um einen Blick auf ihre Beine zu werfen. Sie waren, wie er vermutet hatte, schlank und tadellos gerade. Sehr hübsche Beine mit kleinen Füßen, die allerdings in ausgetretenen Schuhen steckten.
„Sieben Mark siebzig, bitte.“ Annegrets Erröten hatte sich noch mehr vertieft, als sie sah, dass der Mann ihr Interesse schenkte, und die Hand, die ihm den Strauß über den Verkaufstisch bot, zitterte leicht.
Es war eine Hand, die gar nicht zu ihr passte; verarbeitet war sie, rau die Haut, die Fingernägel abgebrochen. Die Hand eines Menschen, der arbeiten muss, der schwere körperliche Arbeit verrichtet. Und trotzdem war sie schmal und zierlich, eine sehr schöne, wohlgeformte Hand, der selbst die Spuren der schweren Arbeit nichts von dem Reiz nehmen konnten, den sie besaß.
„Danke“, wehrte Mathias Breden ab, als Annegret Keßler ihm das Wechselgeld herausgeben wollte.
Er lächelte ihr noch einmal zu, das strahlende, selbstbewusste Lächeln eines Menschen, der mit sich und der Welt äußerst zufrieden ist, dann ging er wieder davon, quer über den Platz auf den Wagen zu, dessen Schlag vom Chauffeur diensteifrig aufgerissen wurde, als er sich näherte.
Annegret geriet ins Träumen, als sie dem davonbrausenden Auto nachschaute. Sie stellte sich vor, was für ein Haus er wohl besitzen mochte, sicherlich war es eine Villa, groß schön, kostbare und geschmackvolle Möbel, sicherlich eine reizende Frau, vielleicht auch Kinder …
Aber er trägt ja keinen Ring, dachte sie, obwohl es sonst keineswegs zu ihren Gepflogenheiten gehörte, auf Eheringe zu achten. Bei diesem Mann war es anders, er interessierte sie, seitdem er vor zwei Monaten zum ersten Mal an ihrem Stand Blumen gekauft hatte.
Er war anders als ihre übliche Kundschaft, er war ein Herr, ohne es nötig zu haben, dieses zu betonen.
Dumme Liese!, schalt sie sich und konzentrierte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Vorübergehenden, um keine Verkaufschance zu verpassen. Sie brauchte das Geld, das der Verkauf der Blumen ihr einbrachte, sehr nötig.
Die Spritzen für ihre Mutter verschlangen ein kleines Vermögen, in einer Woche musste sie wieder neue kaufen.
Wie gut, dass ich noch auf dem Bau arbeiten kann, dachte Annegret und schaute auf ihre aufgesprungenen Hände. Sie schmerzten; es war schwer für sie, die Steine in ihre kleinen Hände zu nehmen und zu Mauern aneinander zu fügen, und niemand auf der Baustelle nahm Rücksicht auf sie.
Weil niemand wusste, dass sie ein Mädchen war. Sie hatte damals mit dem Bauunternehmer gesprochen, der sie angestellt hatte, und ihn gebeten, ihr Geschlecht zu verschweigen. Und der Mann zeigte sich sehr verständnisvoll.
„Es kommt selten vor, dass ein Mädchen sich solch einen Beruf erwählt“, hatte er achtungsvoll gemeint.
Voraussetzung für das Studium am Technikum war eine Praktikantenzeit auf dem Bau. Annegret wollte Architektin werden. Sie begann am frühen Morgen mit ihrer Arbeit, lief dann um vier Uhr hastig nach Hause, schlang ihr Essen hinunter, nahm den Handwagen und fuhr zum Marktplatz, um bis kurz vor Mitternacht Blumen anzubieten.
Sie brauchte das Geld, das sie hier verdiente, um Medikamente für ihre kranke Mutter zu kaufen und um ihr zukünftiges Studium finanzieren zu können. Aber trotz allem Schweren, was sie bisher erlebt hatte, war sie ein aufgeschlossener, fröhlicher Mensch geblieben.
Ihre dunklen Augen glänzten in ihrem gebräunten Gesicht, ihre Lippen kannten keine Schminke, sie hatte es nicht nötig, das leuchtende Rot zu betonen.
So mancher blieb stehen, um einen nachdenklichen Blick auf das schöne Blumenmädchen zu werfen. Aber nur wenige kauften. Das Geld war zu knapp und die Blumen teuer. Nicht teurer als anderswo, im Gegenteil. Annegret kalkulierte scharf, aber trotzdem zögerten doch viele, ein paar Blüten mit nach Hause zu nehmen.
Es wurde dämmrig, dann allmählich Nacht, und noch immer stand Annegret hinter dem Verkaufskarren und wartete auf Kunden. Sie hatte sich eine Strickjacke übergezogen, denn obwohl es Frühling war, waren die Abende doch recht kühl.
Hoffentlich geht es Mutter bald wieder besser, dachte sie müde.
Es war schwer für sie, bei ihrem Nachhausekommen eine Frau vorzufinden, die von Tag zu Tag mehr verfiel. Es fehlte an allem, was sie brauchte, an gutem Essen, das es ihr ermöglichte, ihre vom Arzt verschriebene Diät einzuhalten, aber ihr kärglicher Verdienst als Blumenmädchen reichte nicht aus, um all das zu kaufen, was sie benötigte.
Vielleicht werde ich niemals Architektin, dachte Annegret, als es bald Mitternacht war und sie die Blumeneimer in den Handwagen einräumte, den sie dann durch die Straßen an den Stadtrand ziehen musste, wo sie wohnten.
Es war ein alter, ausgedienter Eisenbahnwaggon, der ihnen eine Notunterkunft bot. Von außen sah er sehr hässlich aus, aber innen war es ihr gelungen, ihn doch gemütlich und anheimelnd einzurichten.
Es sollte nur eine Notunterkunft sein, jetzt wohnten sie schon drei Jahre darin, und es sah nicht so aus, als würden sie in absehbarer Zeit herauskommen.
Das schönste an der Notunterkunft war der Garten, der in der Nähe des Bahndammes lag und in dem sie einen Teil ihrer Blumen selbst ziehen konnte.
Tag und Nacht donnerten Züge vorbei. Annegret hatte sich daran gewöhnt, obwohl sie anfangs glaubte, es niemals zu können.
Die eisenbeschlagenen Räder ihres Handwagens klapperten über das Pflaster, als sie ihn, den Oberkörper vorgeneigt, durch die Straßen zog. Sie hatte die Augen schon halb geschlossen, war todmüde, das lange Stehen nach der Tagesarbeit auf dem Bau strengte sie zu sehr an, aber es half ja nichts, niemandem wurde etwas geschenkt. Sie war noch jung, sie glaubte noch, dass man es durch seiner Hände Arbeit zu etwas bringen kann.
Ihre Mutter glaubte es nicht mehr; sie sah mit Erschrecken, dass Annegret dem Leben so gläubig und optimistisch gegenüberstand, sie fürchtete den Tag, da die Augen ihrer Tochter einmal müde wurden, ihr der Mut sinken würde.
Und der Tag musste kommen. Frau Agnes kannte sich in der Welt aus, sie brauchte ja nur um sich herumzuschauen, um genug Elend und Not zu sehen. Es waren alles Menschen, die einmal jung gewesen waren, die auch geglaubt hatten, imstande zu sein, die Welt zu besiegen, und jetzt wohnten sie hier am Stadtrand in den notdürftig zurechtgemachten Buden, und sie hatten allen Lebensmut verloren.
Ihre Tochter wollte hier heraus, sie glaubte, dass es ihr gelingen würde, sie träumte noch immer davon, ihr Studium zu finanzieren.
Frau Agnes wusste, dass Annegrets Aussichten sehr gering waren. Aber sie hütete sich, den Optimismus ihrer Kleinen, wie sie Annegret noch immer nannte, zu dämpfen. Es war schön, in ihre leuchtenden Augen zu schauen, ihr zu lauschen, wenn sie von der Arbeit auf dem Bau berichtete, von ihren Arbeitskameraden, für die sie nur der ‚Hans‘ war.
Frau Agnes lag schlaflos im Bett und lauschte in die Nacht hinaus. Ein Zug donnerte vorbei, ein paar Minuten lang verschlang das Geräusch der Räder jeden anderen Laut, dann war es wieder still. Nur die Uhr tickte im Zimmer, der Mond, der durch das Fenster schien, beleuchtete den kleinen Raum.
Es war halb zwölf, bald würde Annegret kommen, müde und matt, und sie hatte es heute nicht geschafft, ihrer Tochter ein paar Schnitten Brot hinzustellen.
Frau Agnes schämte sich, dass sie hier im Bett lag, während ihre fleißige Tochter arbeitete, für sie mitarbeitete. Sie begann wieder zu weinen. Tränen der Schwäche. Sie hasste sich selbst und ihr unnützes Leben, das für Annegret nur eine Last war.
Aber wenn sie mich nicht hätte, stünde sie ganz allein, dachte die alte Frau. Vielleicht wäre es besser für sie.
Gott sei Dank, das Geräusch des Handwagens! Sie hörte das Quietschen der Gartentür, dann das Rumpeln der Räder auf den Steinen des Weges, dann drehte sich der Schlüssel schwer im Schloss, und Annegret trat ein.
Sie bemühte sich, sehr leise zu sein, aber Frau Agnes rief sie an.
„Ich bin noch wach, Kleines. Ich konnte wieder nicht schlafen …“
Gegen ihren Willen klang ihr Ton weinerlich, sie versuchte sich zusammenzunehmen, aber es war furchtbar schwer, Annegret ein fröhliches Gesicht zu zeigen, wenn sie den ganzen Tag Schmerzen hatte und allein war.
Sie sah ihre Tochter nur, wenn sie vom Bau kam und ihr Essen hastig hinunterschlang.
Dann musste Annegret wieder fort, Blumen verkaufen. Und sie … lag auf ihrem Bett oder saß auf einem ausgedienten Sessel und konnte sich häufig nicht rühren. Nicht einmal Kaffee konnte sie kochen.
Tränen liefen noch immer über ihre Wangen, als das Mädchen die Petroleumlampe anzündete und sich dann ihr zuwandte.
Annegret presste die Lippen zusammen. Es war ein gewohntes Bild für sie, die Mutter in Tränen aufgelöst vorzufinden, und trotz ihrer Jugend war sie verständnisvoll genug, um einzusehen, dass Frau Agnes ein sehr schweres Los zu tragen hatte.
Aber manchmal war es doch zu schwer für sie, bei ihrem Nachhausekommen eine Mutter vorzufinden, die weinte, die zwar versuchte, ihre Klagen zu unterdrücken, der es aber nicht immer gelang.
Schweigend ging sie an den Küchenschrank und nahm sich das Brot heraus, schnitt eine Scheibe ab, bestrich sie dünn mit Margarine und aß heißhungrig.
Ihre Augen starrten ins Leere. Züge donnerten vorüber, die Wagen waren hell erleuchtet, sie fuhren nach Basel, nach Zürich, nach Amsterdam … Sie fuhren in die Welt, Menschen saßen darin, die gut gekleidet waren, die keine Sorgen hatten; vor ihnen lag vielleicht ein Urlaub …
Annegret schaute dem Zug nach, bis das rote Schlusslicht in der Ferne verschwunden war – dann zuckte sie mit den Schultern.
Einmal werde ich auch in solch einem Zug sitzen, dachte sie, aber ihr war klar, dass die Aussichten dazu nur sehr gering waren.
Ein Blumenmädchen, ein Maurerlehrling, so etwas gehörte nicht in diese Luxuszüge.
Noch beim Essen fielen ihr fast die Augen zu. Sie erhob sich, um das Geschirr abzuspülen, eine Arbeit, die ihr auch noch blieb, denn die Mutter war zu kraftlos, um sie auszuführen; dann nahm sie die Wolldecke, legte sich auf das schmale Feldbett an der Seite des alten Eisenbahnwagens und war von einer Minute zur anderen fest eingeschlafen.
Im Schlaf träumte sie von einem Mann, der Geld genug hatte, um für ein Mädchen jeden Tag teure Blumen zu kaufen, der einmal Nelken kaufte, jetzt kaufte er Rosen, und es kam ihm gar nicht darauf an, denn er gab jedes Mal ein großzügiges Trinkgeld.
Im Schlaf teilten sich ihre Lippen zu einem kleinen Lächeln, im Schlaf war sie nur ein junges Mädchen und träumte von einer Zukunft, die es niemals für sie geben würde.
***
Mathias Breden wohnte in einer Villa, wie Annegret vermutet hatte, und sie war auch schön und groß, wie sie sie vor sich gesehen hatte, als sie ihm nachschaute.
Sie lag in einem riesigen Park, uralte Räume beschatteten das flache Haus im Bungalowstil, und in der Garage, die rechts angebaut war, standen auch zwei Wagen, ein großer, den Annegret schon gesehen hatte, und ein kleiner, schneller Sportwagen, den Mathias selbst fuhr.
Heute war er zu Hause nicht allein; seine Freundin war bei ihm, das Mädchen, das Rosen liebte und Nelken hasste.
Vor ein paar Tagen war es eine andere gewesen, die eine Vorliebe für Nelken hatte. Das ist aber auch alles, worin sie sich unterscheiden, dachte Mathias, der die Beine bequem übereinandergelegt hatte und das Mädchen musterte, das unruhig im Raum auf und ab ging.
Schlank war sie, hochgewachsen, hatte ein sehr schönes Gesicht, etwas leer vielleicht, aber das störte ihn nicht. Sie wollte zum Film; es war seltsam, aber alle Mädchen, die Mathias kannte, hatten den Ehrgeiz, einmal Star zu werden. Sie träumten von der großen Rolle, von dem Geld, das sie verdienen würden.
Mathias hob sein Glas, das neben ihm auf dem niedrigen Tisch stand, und dann trank er es in einem Zug leer.
„Hast du vielleicht die Sprache verloren?“, erkundigte sich das Mädchen gereizt und blieb vor ihm stehen. Mathias’ Gesichtsausdruck änderte sich nicht. Er schaute sie an, als sei sie eine Statue, aber kein Mensch, und Iris Leander – einen Künstlernamen hatte sie sich schon zugelegt, wenn sie auch noch kein Engagement hatte – spürte die Gleichgültigkeit, die in ihm war.
Eine kalte Wut packte sie, sie presste ihre langen Fingernägel in die Handballen und fixierte ihn scharf.
„Du bist ein Holzklotz, kein Mann!“, fauchte sie.
Mathias schüttelte leicht den Kopf. Er beugte sich im Sessel vor, fasste sie um ihre schmale Taille und zog sie auf seine Knie.
„Seit wann bist du so schlecht gelaunt, mein Herz?“, erkundigte er sich, aber auch jetzt, da sie so nahe bei ihm war, blieb sie ihm gleichgültig.
Er fand, dass das Leben, das er jetzt führte, sehr öde und langweilig war, obwohl die anderen Menschen behaupten würden, dass es voller Abwechslung sei.
Er hatte alles, was sich ein Mensch nur wünschen kann: Vermögen, eine Autofabrik, in der die Arbeit ihm Freude machte, er hatte Freundinnen und Freunde, er konnte sich erlauben, was er wollte, und doch ertappte er sich in letzter Zeit immer häufiger dabei, dass ihm alles zuwider war. Was er haben wollte, konnte er sich kaufen, aber das, was einem so leicht zufällt, hat keinen Wert.
„Ich habe bei Güttner einen schönen Ring gesehen, zwei große Brillanten, und gar nicht einmal teuer“, flüsterte Iris in sein Ohr.
Mathias schob sie von sich und stellte sie wieder auf die Beine.
„Gut, ich werde ihn mir einmal ansehen. Kannst du Kaffee kochen?“